Die Bundeswehr als attraktiver Arbeitgeber Positionspapier
Beratung in der Sitzung des Niedersachsenrates II 2015
Verfasser:
Florian Bischoff
Robert Ehrenpfordt
Gerrit Becker Merlin Franke
Junge Union Niedersachsen Wilfried-Hasselmann-Haus Hindenburgstraße 30 30175 Hannover Tel.: 0511/27991-41 Fax: 0511/2799199-41 info@ju-niedersachsen.de www.ju-niedersachsen.de
Die Bundeswehr hat sowohl wirtschaftlich als auch strategisch eine hohe Bedeutung für 1
Niedersachsen. Als Flächenland mit ausgedehnter Küstenlinie, Industriezentren und 2
bedeutender Infrastruktur hat Niedersachsen ein natürliches Interesse an der Bundeswehr.
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Auch nach der Bundeswehrreform werden in Niedersachsen die meisten Soldaten (ca.
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40.000) stationiert sein. Als ein erstes Ergebnis der gegenwärtig stattfindenden 5
Reformvaluierung wird mit der Stadt Bergen sogar ein neuer Standort als Kompensation 6
für die abziehenden britischen Streitkräfte geschaffen. Es scheint daher nur natürlich, dass 7
sich die Junge Union Niedersachsen gezielt mit ausgewählten Themenstellungen der 8
Bundeswehr befasst.
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Unsere Botschaft ist:
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„Die Junge Union Niedersachen steht hinter dem Kurs der Bundesverteidigungsministerin 12
Ursula von der Leyen und unseren Soldatinnen und Soldaten!“
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Um die Bundeswehr als attraktiven Arbeitgeber fit für die Zukunft zu machen, fordert die Junge 15
Union Niedersachsen:
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- externe Dienstleister in das geplante Coachingkonzept einzubeziehen und dieses nach und 17
nach auch auf untere Besoldungsgruppen bis hin zum Kompaniechef auszuweiten.
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- bürokratische Hürden im Bewerbungsverfahren abzuschaffen, um eine schnellere Einstellung 19
und damit Planungssicherheit für das zukünftige Personal zu ermöglichen.
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- eine höhere Wertschätzung für ehemalige Zeitsoldaten in der Wehrverwaltung.
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- die weitere Bündelung der Dienstposten und Reduzierung der Versetzungen für eine bessere 22
Balance zwischen Familie und Dienst.
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- ein modernes Personalmanagement, dass regelmäßige Gespräche der Personalführung mit 24
den jeweiligen Soldaten über die weiteren beruflichen Schritte und Wünsche des Soldaten 25
vorsieht.
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- mehr Flexibilität im Karrieremodell.
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- vorrangige Sanierung der Standorte mit hoher Pendlerzahl.
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- stärkere Zusammenarbeit mit den Kommunen zur Anbindung der Kasernen an den ÖPNV.
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Bedeutung der Bundeswehr und Attraktivitätssteigerung zur Nachwuchsgewinnung 31
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1.) Führungs- und Organisationskultur 33
Das angedachte fallbezogene Coaching von militärischem Spitzenpersonal (ab Dienstgrad 34
Oberst) erscheint zielführend. Allerdings muss auch hier funktionsbezogen, z.B. unter dem 35
Gesichtspunkt der jeweiligen Führungsverantwortung, selektiert werden. Dienstleister sind aus 36
unserer Sicht zwingend in das Coachingkonzept einzubinden. Auch über eine spätere 37
Öffnung für andere Besoldungsgruppen ist nachzudenken. Zweckmäßig wäre das Coaching 38
ab der Ebene Einheitsführer (Kompaniechef) bedarfsabhängig aufwärts.
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2.) Potentiale mobilisieren 41
Das Bewerbungsverfahren für angehende Soldatinnen und Soldaten muss durch die Senkung 42
von bürokratischen Hürden gestrafft werden. Kein anderer Arbeitgeber fordert einen 43
"Lückenlosen Tätigkeitsnachweis" und Kreditunterlagen noch bevor der Bewerber zum Test 44
eingeladen wird.
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Durch die Möglichkeit einer Vorselektion im Karriereberatungsbüro kann der 46
Bewerbungsprozess weiter verkürzt werden. Die geistige und charakterliche Reife der Berater 47
dürfte dabei unstrittig sein. Eine entsprechende Weiterbildung ließe sich problemlos in die 48
Ausbildung zum Berater integrieren. Denn das verschicken "selbst hoffnungsloser" Akten 49
produziert zwar Zahlen im Beraterbüro und sorgt für die Auslastung der Prüfkapazität, 50
verlängert aber unnötig den Wartezeitraum bis der Bewerber zum Test erscheinen kann.
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Die besten Bewerber, wie die Bundesministerin es fordert, wird die Bundeswehr so nicht 52
für sich gewinnen.
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Weiterhin kann der Prozess im Sinne der Bewerberinnen und Bewerber optimiert werden, 55
indem Beratungs- und Prüfungspersonal dort eingesetzt wird, wo konkreter Bedarf besteht.
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Wartezeiten von über 4 Wochen in Region A einerseits und Terminvereinbarungen mitunter 57
für den gleichen Tag in Region B sprechen eine deutliche Sprache und zeigen klar 58
Handlungsbedarf auf. Entsprechende Unterstützungsanfragen von anderen Beratungsstellen 59
müssen daher flexibel gehandhabt und umgesetzt werden.
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Weiterhin müssen Beratungsstellen an zentralen Orten von Großstädten geschaffen werden, 62
um hier Kontakthemmnisse potentieller Bewerber abzubauen. Mit der Eröffnung des ersten 63
„Showrooms“ in der Berliner Friedrichstraße ist der richtige Weg eingeschlagen worden.
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Unseres Erachtens müssen in einem nächsten Schritt weitere Anlaufstellen in Hamburg, 65
Köln und München eröffnet werden. Alle Regionen wären damit vorerst abgedeckt. Die 66
Eröffnung in Berlin hat aber auch gezeigt, dass das Konzept noch nicht ausgereift ist und 67
die Besucherzahlen bisher eher überschaubar sind. Hier gilt es zeitnah mit neuen Ideen 68
nachzusteuern, um die vorhandenen Potentiale im Sinne der Nachwuchswerbung deutlich 69
besser auszuschöpfen.
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Eine schlagkräftige Bundeswehr zeichnet sich nicht nur durch gut ausgebildete Soldaten, 72
sondern auch durch eine professionelle zivile Wehrverwaltung aus. Ohne auf die konkreten 73
Probleme im Detail einzugehen, herrscht auch hier ein harter Wettbewerb um die klügsten 74
Köpfe. Die Werbemaßen der Bundeswehr müssen daher Soldaten und zivile Mitarbeiter 75
gleichermaßen umfassen. Mit der Einführung des „Binnenarbeitsmarktes“ wurde ein erstes 76
Instrument geschaffen, um das enorme Potential ausscheidender Zeitsoldaten für die 77
Wehrverwaltung zu nutzen.
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Jedoch führt die Umsetzung an der ein oder anderen Stelle zu unverständlichen Situationen.
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Um nur zwei Beispiele zu nennen: Es erscheint wenig rational, dass sich ein langgedienter 80
Soldat dem herkömmlichen Bewerbungsverfahren ohne jegliche Vorteile unterziehen muss.
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Weiterhin ist es auch kaum vermittelbar, dass bspw. ein ausscheidender Offizier bei 82
Übernahme in den höheren Dienst der Wehrverwaltung mit ca. 1.000 EUR weniger 83
Nettoverdienst im Monat auskommen muss. Wir fordern hier eine höhere Wertschätzung 84
unserer Soldatinnen und Soldaten!
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3.) Balance Familie und Dienst / Karrierepfade 87
Hinsichtlich der Balance zwischen Familie und Dienst ist die angedachte Verlängerung der 88
Stehzeiten auf einem Dienstposten ein Schritt in die richtige Richtung. Bereits jetzt ist es 89
bspw. für Feldwebel im allgemeinen Fachdienst (bspw. Stabsdienst) durchaus möglich und 90
realistisch, innerhalb der Dienstzeit von 12 bzw. 13 Jahren nicht mehr versetzt zu werden.
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Ähnliches gilt für die Laufbahngruppen Unteroffiziere und Mannschaften. Von regelmäßiger 92
Versetzung sind bisher und in Zukunft jedoch besonders die Gruppe der Offiziere betroffen.
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Deshalb muss hier über eine Bündelung der Dienstposten, insbesondere für Zeitoffiziere, 94
nachgedacht werden. Ziel muss es sein, dass ein Offizier auf dem gleichen Dienstposten, 95
insbesondere Fachverwendung, im Dienstgrad Leutnant (A09) bis Hauptmann (A11) 96
eingesetzt werden kann. Bisher existiert die Bündelung nur für Leutnante/ Oberleutnante.
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Diese Maßnahme würde die Anzahl der Versetzungen deutlich reduzieren, die Professionalität 98
der Arbeit erhöhen, mehr Berufszufriedenheit erzeugen und schlussendlich auch Steuergelder 99
sparen.
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Betrachtet man die Gruppe der Berufsoffiziere (A13+), so muss auch hier die Anzahl 102
der Versetzungen signifikant reduziert werden. Es ist vollkommen unklar, warum Majore 103
und Oberstleutnante mit (niedriger) Laufbahnperspektive A14 quer durch das Bundesgebiet 104
und damit noch nicht einmal förderlich versetzt werden. Eine Verlängerung der Stehzeit 105
deutlich über die angedachten 6 Jahre hinaus bietet einem Stabsoffizier Ende 30 mit über 106
20 Jahren Restdienstzeit die Perspektive auf Work-Life-Balance (nicht pendeln, Kinder 107
aufwachsen sehen, kein Haupternährer) und der Bundeswehr die Chance, Expertise am 108
Ort zu binden. In diesem Zusammenhang muss die Frage nach Großstandorten für die 109
Bundeswehr aufgeworfen und offen diskutiert werden. Die Zeiten, in denen die Politik die 110
Streitkräfte auch als regionalen Wirtschaftsförderer verstanden, sind leider noch nicht vorbei.
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Eine professionale Armee braucht jedoch ein tragfähiges Stationierungskonzept mit wenigen 112
Großstandorten, wodurch Ressourcen gebündelt und Versetzungen minimiert würden.
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Ein modernes Personalmanagement darf die Trends der Zeit nicht verschlafen. Die 115
Zusammenlegung aller personalführenden Stellen hat eine gute Grundlage geschaffen, die 116
es weiter zu entwickeln gilt. Leere Worthülsen und das Austauschen von Begrifflichkeiten 117
reichen hier bei weitem nicht aus. So müssen beispielsweise endlich regelmäßige Gespräche 118
der Personalführung mit den jeweiligen Soldaten über die weiteren Schritte und Wünsche 119
des Soldaten eingeführt werden. Das Bittstellertum für Soldatinnen und Soldaten muss ein 120
Ende haben! In der privaten Wirtschaft, mit der sich die Bundeswehr mehr und mehr 121
messen muss, sind derartige Instrumente längst fester Bestandteil der Karriereplanung und 122
des Talentmanagements.
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Weiterhin muss die Bundeswehr dringend Abstand von ihrem starren Karrieremodell nehmen.
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Nicht alle Soldaten sind für alle Verwendungen gleich geeignet, wenn Soldaten in 126
spezifischen Fachverwendungen aufgebaut werden sollen. Deshalb müssen „Pflicht Tore“, 127
wie z.B. eine Chefverwendung, abgeschafft werden. So bedarf ein Spezialist nicht zwingend 128
einer klassischen Führungsverwendung. Hieraus dürfen dem Soldaten aber keine Nachteile 129
entstehen. Zur weiteren Attraktivitätssteigerung erscheint es weiter geboten, alle Dienstposten 130
auch mit den entsprechenden Haushaltsmitteln zu hinterlegen. Der Zustand, dass Soldaten 131
teilweise trotz Dienstgrad 7 Jahre auf die Einweisung in die entsprechende Besoldungsgruppe 132
warten müssen (A12, A15, B3), ist untragbar und sorgt für Frust in der Truppe.
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4.) Moderne Unterkünfte 135
Die Forderung der Ministerin Ursula von der Leyen nach modernen Unterkünften ist richtig 136
und wichtig, fördert sie doch Berufszufriedenheit. Über ein Ausstattungssoll lässt sich trefflich 137
streiten. Fakt ist aber, dass das Ministerium hier falsche Prioritäten bei der 138
Modernisierungsreihenfolge gesetzt hat. Nicht die Schulen der Bundeswehr müssen zuerst 139
saniert werden, sondern Standorte mit hoher Pendlerzahl. Lehrgangsteilnehmer befinden sich 140
i.d.R. nur wenige Wochen an einer Ausbildungseinrichtung, Pendler hingegen viele Jahre 141
und das oft auch noch an abgelegenen Standorten. Zudem ist die Anbindung der Kasernen 142
an öffentliche Verkehrsmittel häufig desolat, womit Soldaten kaum eine Chance auf Verlassen 143
der Kaserne, geschweige denn an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben haben. Hier muss 144
die Politik in Zusammenarbeit mit den Kommunen handeln und schnell Lösungen schaffen.
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