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Durch die Bibel. Psalm Die Stimme Gottes herrlich und furchtbar zugleich

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Durch die Bibel Psalm 29-30

Die Stimme Gottes – herrlich und furchtbar zugleich

Psalm 29 gehört zu den sogenannten Schöpfungspsalmen. Wie schon Psalm 8, der von David

vielleicht in einer sternenklaren Nacht gebetet wurde, denn da heißt es: „Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast“ (Ps 8,4). Auch Psalm 19 gehört in die Kategorie der Schöpfungspsalmen. Er beginnt mit den Worten: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk“ (Ps 19,2). Dann, in den darauffolgenden Versen, wird die aufgehende Sonne mit einem Bräutigam verglichen, der aus seiner Kammer kommt.

Aus diesem Grund wird dieser Schöpfungspsalm häufig auch als Morgengebet gesprochen.

In dem vor uns liegenden Psalm 29 geht es nun offenbar um ein Gewitter. Vor allem das

Donnergrollen und der aufkommende Sturm werden in Verbindung gebracht mit der Stimme Gottes, die sich mit großer Macht zu Wort meldet. Bestimmt haben Sie auch schon mal beobachtet, wie sich so ein Gewitter zusammenbraut. Man ist davon fasziniert, wie sich in Minutenschnelle das Wetter verändert, wie sich gewaltige Gewitterwolken auftürmen und die ersten Blitze über den Himmel zucken. Aber spätestens dann, wenn plötzlich nach einem besonders hellen Blitz ein mächtiger Donnerschlag wie ein Knall zu hören ist, dann weiß man, dass dieses Naturschauspiel eine echte Gefahr bedeuten kann. Die Schilderungen in Psalm 29 erinnern uns daran, dass Gott der gewaltige Schöpfer des Universums ist und dass seine Feinde auf Erden allen Grund haben, ihn zu fürchten.

Und die Gläubigen unter den Menschen? Sie tun sicher gut daran, ihm mit Ehrfurcht zu begegnen!

Der Aufbau von Psalm 29 ist höchst interessant. Ja, wir haben hier ein Kleinod der hebräischen Dichtkunst vor uns. In einem Fachbuch habe ich dazu gelesen: „Dieser Psalm hat eine ausgeklügelte Symmetrie, für die es kein vollkommeneres Beispiel im Hebräischen gibt.“ Der Alttestamentlicher Franz Delitzsch nannte ihn den „Psalm der sieben Donner“. Und John James Stewart Perowne kam zu dem Schluss: „Dieser Psalm ist eine grandiose Beschreibung eines Gewitters. Es wird anschaulich geschildert, wie es von Norden nach Süden zieht und wie es Schrecken und Verwüstung mit sich bringt. Wir hören den Donnerschlag, sehen das Aufleuchten des Blitzes, erleben die Naturgewalt und dann die Stille der Elemente.“

Hebräische Dichtung wird nicht durch Reime verwirklicht. Wenn wir an Dichtung denken, dann denken wir meistens an Reime. Uns gefallen Sätze, die mit ähnlich klingenden Worten aufhören.

Zum Beispiel: „Mein schönste Zier und Kleinod bist / auf Erden du, Herr Jesu Christ.“ Das ist zwar nicht direkt Shakespeare, aber es entspricht unserer Art von Dichtung. Womit ich nicht sagen will, dass jedes Gedicht und jeder Liedvers sich reimen müssen. Hebräische Dichtung ist dagegen oft vom sogenannten Parallelismus geprägt, der in der Wiederholung eines Gedanken auf andere Art und Weise besteht, wobei der ursprüngliche Gedanke oft ausdehnt oder näher ausgeführt wird. Etwa so:

„Der HERR sei gepriesen, allein meinem Gott gehört mein Lob.“

Was nun den Inhalt von Psalm 29 betrifft, so stoßen wir zunächst auf eine herrliche Wildheit, einen beschwingten Triumph, einen mutigen Jubel. Die ersten beiden Verse bilden die Einleitung zu diesem Psalm, den Prolog: „Bringet dar dem HERRN, ihr Himmlischen, bringet dar dem HERRN Ehre und Stärke! Bringet dar dem HERRN die Ehre seines Namens, betet an den HERRN in heiligem Schmuck!“ (Ps 29,1-2). David erhebt hier unsere Gedanken in höchste Höhen. Den Epilog, also die Schlussgedanken, bilden die beiden letzten Verse: „Der HERR hat seinen Thron über der Flut; der HERR bleibt ein König in Ewigkeit. Der HERR wird seinem Volk Kraft geben; der HERR wird sein Volk

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segnen mit Frieden“ (Ps 29,10-11). Bildlich ausgedrückt: Der Gewittersturm ist mit aller Wucht über das Land gerast, aber der HERR hat noch immer die Kontrolle. Oder allgemein gesprochen: In den Stürmen des Lebens ist er immer noch Herr der Lage.

Bevor wir die Verse des Psalms im Einzelnen betrachten, lassen Sie mich noch etwas über das Thema sagen, das in den Versen 3 bis 9, also im Mittelteil zwischen dem Prolog und dem Epilog entfaltet wird. Siebenmal wird die Stimme des HERRN erwähnt: „Die Stimme des HERRN erschallt über den Wassern“, „Die Stimme des HERRN ergeht mit Macht“, „Die Stimme des HERRN zerbricht die Zedern“ und so weiter. Wie ist David als Verfasser des Psalms auf die Idee gekommen, die Stimme Gottes auf diese Weise zu beschreiben? Nun, ich würde einfach mal behaupten, dass David jemand war, der sich gerne draußen aufhielt. Er war nicht der Typ, der sich am liebsten in sein

Arbeitszimmer einschloss oder ständig auf einem Thron saß. Aber, so stelle ich es mir jedenfalls vor, als einmal ein heftiges Gewitter aufzog, da war er nicht im Freien, sondern er hielt sich in der schön gelegenen Stadt Jerusalem auf. Wahrscheinlich war er in seinem Palast aus Zedernholz auf dem Berg Zion, dem höchsten Punkt in der Stadt. Von dort aus konnte er die ganze Gegend überblicken. Er konnte nach Nordosten schauen und zusehen, wie sich die Wolken zusammenzogen. Er konnte beobachten, wie der Sturm immer heftiger wurde.

Wenn Sie eine Landkarte zur Hand nehmen – wahrscheinlich befindet sich eine ganz vorne oder ganz hinten in Ihrer Bibel – , dann schauen Sie sich bitte mal die geografische Lage der Stadt Jerusalem an.

Das Mittelmeer liegt links im Westen. Im Norden liegen zwei Bergketten: der Libanon und der Anti- Libanon. Bei Haifa werden Sie auf den Berg Karmel stoßen, auf den See Genezareth im Osten, die Jesreelebene, den Jordan und das Tote Meer. Da ist auch der Berg Ebal und der Berg Garizim in Samarien und das raue Gebiet, das direkt nördlich davon liegt. Bethel, Ai und Anatot liegen gleich nördlich von Jerusalem. In Jerusalem sehen Sie nach Westen und erblicken Joppe, im Osten sehen Sie Jericho, und im Süden die Wüste von Judäa, furchtbar und bedrohlich. Von Davids Palast aus auf dem Berg Zion, dem höchsten Punkt in der Stadt Jerusalem, konnte man den Blick weit über diese Landschaft schweifen lassen und recht gut ein heraufziehendes Gewitter beobachten. Ich möchte nun mit Ihnen den ganzen Psalm 29 Vers für Vers durchgehen. Zunächst noch einmal die Verse 1 und 2, die den sogenannten Prolog bilden:

„Ein Psalm Davids. Bringet dar dem HERRN, ihr Himmlischen, bringet dar dem HERRN Ehre und Stärke! Bringet dar dem HERRN die Ehre seines Namens, betet an den HERRN in heiligem Schmuck!“

(Ps 29,1-2).

Ein wichtiges Detail in diesen beiden Versen übersieht man ziemlich leicht. Wer sind diejenigen, die Gott ehren und ihn anbeten sollen? Es sind nicht die Menschen, die an dieser Stelle dazu

aufgefordert werden, sondern in Vers 1 heißt es: „Bringet dar dem HERRN, ihr Himmlischen, bringet dar dem HERRN Ehre und Stärke!“ Wörtlich aus dem Hebräischen übersetzt ist hier wieder einmal von den „Gottessöhnen“ die Rede; himmlische Wesen, zu denen unter anderem die Engel gehören.

Am Anfang des Buches Hiob wurden sie beispielsweise schon erwähnt (vgl. Hiob 1,6). Dort wurde zu den „Gottessöhnen“ aber auch der Satan gezählt. Hier in Psalm 29 werden die „Gottessöhne“ oder die „Himmlischen“ von David genannt, um deutlich zu machen, dass sogar sie allen Grund dazu haben, sich vor dem großen Gott zu verbeugen und ihm die Ehre zu geben. Wie viel mehr die Menschen auf Erden, also auch Sie und ich! – Wir kommen nun zum Mittelteil des Psalms, den ich zugleich als den Hauptteil verstehe. Ich lese die Verse 3 und 4:

„Die Stimme des HERRN erschallt über den Wassern, der Gott der Ehre donnert, der HERR, über großen Wassern. Die Stimme des HERRN ergeht mit Macht, die Stimme des HERRN ergeht herrlich“

(Ps 29,3-4).

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Diese Verse beschreiben einerseits den Anfang eines heftigen Gewitters. Andererseits wird kein Zweifel daran gelassen, dass Gott in all seiner Macht seine Stimme erhebt. Ich stelle mir vor, wie sich König David, als er dies niedergeschrieben hat, in seinem Palast auf dem Berg Zion befindet. Aus dem Nordwesten zieht ein Gewitter herauf. Blitze sind zu sehen. Man hört ein Donnergrollen in der Ferne. Ein Sturm beginnt, sich in Richtung Jerusalem zu bewegen. David hört das Rauschen des Windes. Die Wolken werden dunkler und bedrohlicher. Sie verbergen die Sonne und obwohl es eigentlich Mittag ist, kommt es einem vor, als würde bereits der Abend hereinbrechen. Das ist kein normaler Sommerschauer, der in den nächsten Minuten Jerusalem erreichen wird. Das ist auch kein gewöhnlicher Sturm, der immer näher kommt. Der Sturm bricht über die Mittelmeerküste herein.

Die Wellen rollen hoch und brechen an der Küste mit einem Knall wie aus einer Kanone. Selbst aus der Ferne sieht man, wie sich der Sturm landeinwärts bewegt. Jerusalem wird ihm nicht entgehen. Er kommt immer näher. „Die Stimme des HERRN erschallt über den Wassern“, schreibt David in Vers 3, und dann: „Die Stimme des HERRN ergeht mit Macht.“ War zunächst nur ein Donnergrollen zu hören, sind es jetzt gewaltige Donnerschläge, die einen durch Mark und Bein gehen. „Die Stimme des HERRN ergeht herrlich“, schreibt David. Man könnte auch sagen: „Die Stimme des HERRN ist Ehrfurcht gebietend.“ Weiter heißt es in Vers 5:

„Die Stimme des HERRN zerbricht die Zedern, der HERR zerbricht die Zedern des Libanon“ (Ps 29,5).

Während der Donner rollt und poltert, wird der Libanon erschüttert. Viele Bäume werden vom Blitz getroffen. Der mächtige Berg Hermon wird geschüttelt, wie ein Hund ein Kaninchen schüttelt. Als der Sturm sich auf Jerusalem zubewegt, überkommt den Beobachter ein Gefühl des

Ausgeliefertseins. Der Sturm kommt immer näher – gewaltig und majestätisch zugleich. – Weiter ab Vers 6:

„Er [gemeint ist der HERR] lässt hüpfen wie ein Kalb den Libanon, den Sirjon wie einen jungen Wildstier. Die Stimme des HERRN sprüht Feuerflammen“ (Ps 29,6-7).

Der Sirjon, das ist der phönizische Name für den Berg Hermon. Das Blitzen ist jetzt nahe bei Jerusalem angekommen. Donnerschläge erinnern an Geräusche, wie man sie in späterer Zeit aus dem Krieg kennt. Der Sturm erreicht seine voll Stärke. Die Straßen in Jerusalem sind verlassen; die Menschen haben sich in die Häuser zurückgezogen. Nur das Bellen eines Hundes im Kidrontal ist zu hören. Und natürlich dieses unheimliche Brausen des Sturms. Plötzlich gießt es in Strömen. Heftige Windböen werfen sich gegen die Wälle Jerusalems. Ein Fensterladen reißt sich los und wird immer wieder knallend gegen die Hauswand gedrückt. David erlebt so etwas nicht zum ersten Mal. Er wartet geduldig; hört „auf die Stimme“ des HERRN, wie er schreibt. Und weiter Vers 8:

„Die Stimme des HERRN lässt die Wüste erbeben; der HERR lässt erbeben die Wüste Kadesch“ (Ps 29,8).

Langsam verzieht sich das Gewitter. Es zieht weiter zur Wüste Juda im Süden und Westen. In

Jerusalem lässt der Regen nach und der Wind verliert sich. Die Leute fangen an, ihre Fensterläden zu öffnen, denn die Luft ist jetzt wunderbar frisch: Zeit zum Durchlüften. Interessant ist eine

Bemerkung in der zweiten Hälfte von Vers 9:

„Die Stimme des HERRN lässt Eichen wirbeln und reißt Wälder kahl. In seinem Tempel ruft alles:

‚Ehre!‘“ (Ps 29,9).

Eichen, die herumwirbeln und Wälder, die kahl gerissen werden – die Gewalt des Sturms hat offenbar manche Gläubige in den Tempel getrieben, um zu Gott zu beten. Jetzt, wo der Sturm sich legt und das Gewitter vorübergezogen ist, rufen alle erleichtert: „Dem HERRN sei Ehre!“ – Die Verse

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10 und 11 unseres Psalms bilden, wie vorhin schon ausgeführt, den Epilog, den Schlussteil. Dort heißt es:

„Der HERR hat seinen Thron über der Flut; der HERR bleibt ein König in Ewigkeit. Der HERR wird seinem Volk Kraft geben; der HERR wird sein Volk segnen mit Frieden“ (Ps 29,10-11).

Die Macht Gottes ist groß. Größer als die Gewalt eines Gewitters, das einem Angst einflößen kann.

Aber Gott nutzt seine Macht, um uns Kraft zu schenken. Ja, er will uns stärken und uns befähigen, durch die Stürme des Lebens zu gehen und danach zu erfahren, was wahrer Friede ist. Der Sturm mit all seiner Gewalt mag über das Land herfallen, aber der HERR behält immer die Kontrolle. Er führt uns durch jeden Sturm des Lebens.

Die Zusage „Der HERR wird seinem Volk Kraft geben“ gilt zuallererst dem Volk Israel. Aber sie gilt auch den Kindern Gottes, also jenen Menschen, die auf Jesus Christus vertrauen und ihn als ihren Erlöser angenommen haben. Im zweiten Korintherbrief schreibt der Apostel Paulus: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (2 Kor 5,17).

Als Christen gehören wir zu einer neuen Schöpfung. Das ist übrigens, nebenbei gesagt, auch der Grund, warum ich nicht den Sabbat halte, sondern am Sonntag in besonderer Weise Gott die Ehre gebe. Der Sabbat gehört für mich zum alten Bund, den Gott mit dem Volk Israel geschlossen hat. Am Sonntag dagegen feiere ich den neuen Bund, den Gott uns durch Jesus Christus geschenkt hat. Was heute der Sonntag ist, das war zur Zeit Jesu der erste Tag der Woche, also der Tag nach dem Sabbat.

Und weil Jesus nach seinem Tod am Kreuz am ersten Tag der neuen Woche auferstanden ist, begehen die meisten Christen den Sonntag als Tag der Ruhe und besuchen einen Gottesdienst.

Lassen Sie mich noch eine weitere Brücke schlagen zwischen dem Alten und dem Neuen Testament.

In Psalm 29 werden die zerstörerischen Auswirkungen eines Sturms geschildert: Er lässt die Zedern des Libanon zerbrechen, wirbelt Eichen umher und reißt Wälder kahl. Aber, so haben wir es ganz am Schluss gehört, Gott bewahrt sein Volk. Das erinnert mich an eine Begebenheit zur Zeit Jesu. Einmal, als er und seine Jünger in einem Boot unterwegs waren, zog ein Sturm über den See Genezareth. Im Markusevangelium wird berichtet: „Und es erhob sich ein großer Windwirbel und die Wellen schlugen in das Boot, sodass das Boot schon voll wurde. Und er war hinten im Boot und schlief auf einem Kissen. Und sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm: Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen? Und er stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig und verstumme! Und der Wind legte sich und es entstand eine große Stille. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?“ (Mk 4,37-40). Auch hier erweist sich Gott, in diesem Fall in der Gestalt Jesu Christi, als Herr über die Naturgewalten. Er stillte den Sturm, der die Jünger in Gefahr gebracht hatte. Aber: Das tut er nicht immer! Manchmal, wenn die sogenannten

„Stürme des Lebens“ über uns hereinbrechen, flüstert er uns lediglich zu: „Hab keine Angst, wir werden den Hafen erreichen.“ Und das ist entscheidend!

Als Pastor habe ich viele Menschen kennengelernt, die wirklich Schlimmes durchgemacht haben.

Ähnlich wie Hiob haben manche ihren Besitz verloren, Angehörige sind gestorben und mit der eigenen Gesundheit ging es immer weiter den Bach runter. Und dennoch haben mir diese Menschen versichert: „Der Herr ist nicht von meiner Seite gewichen.“ Sie haben im Grunde das bezeugt, was König David am Ende von Psalm 29 mit den Worten ausdrückt: „Der HERR wird seinem Volk Kraft geben; der HERR wird sein Volk segnen mit Frieden.“

DANK FÜR RETTUNG AUS TODESNOT

Wir erreichen nun Psalm 30: ein Psalm zur Einweihung des „Hauses Davids“, ein Lied des Lobes und

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der Anbetung. Ja, man könnte auch sagen: Wenn der Sturm des Lebens vorbei ist, wird ein Loblied gesungen! Mit Absicht habe ich eben gesagt, Psalm 30 sei ein Psalm zur Einweihung des „Hauses Davids“. In der Lutherbibel heißt es dagegen:

„Ein Psalm Davids, ein Lied zur Einweihung des Tempels" (Ps 30,1),

weil dieses Lied, dieser Psalm offenbar später beim jährlichen Erinnerungsfest an die Einweihung des Tempels gesungen wurde. Aber was war der ursprüngliche Anlass? Wenn man Vers 1 möglichst wörtlich aus dem Hebräischen übersetzt, dann lautet er so: „Ein Lied zur Einweihung des Hauses.

Von David.“ Einige Bibelwissenschaftler sind der Meinung, dass David diesen Psalm geschrieben hat, als er die Bundeslade nach Jerusalem brachte und sie in das Zelt stellte, das er für sie errichtet hatte.

Andere meinen sogar, dass der Psalm zur Einweihung der Tenne Araunas geschrieben wurde. Sie erinnern sich, was im ersten Buch der Chronik, Kapitel 21, über diesen besonderen Platz berichtet wird? David kaufte dem Jebusiter Arauna den Dreschplatz ab, wo eben normalerweise das Getreide gedroschen wurde. Dort sollte David einen Altar für den Herrn errichten und sein Sohn Salomo errichtete später an dieser Stelle den Tempel (vgl. 1 Chr 21,14-22 und 2 Sam 24,15-25). Ist Psalm 30 also ein Lobpreis, der zur Einweihung des zukünftigen Tempelplatzes geschrieben wurde? Oder ist dieser Psalm möglicherweise sogar ein vorweggenommenes, sozusagen prophetisches Dankeschön für den Tempel, der hier einst entstehen sollte? Interessant ist auf jeden Fall, dass dieser Psalm beim jüdischen Ritual zum Chanukkafest gelesen wird, das jedoch an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels erinnert, also etwa achthundert Jahre nach David.

Nun, Dreschplatz hin, Tempeleinweihung her: Das eigentliche Thema des Psalms ist ohnehin ein anderes. David bedankt sich bei Gott für seine Rettung aus Todesnot. In den Versen 2 und 3 betet er:

„Ich preise dich, HERR; denn du hast mich aus der Tiefe gezogen und lässest meine Feinde sich nicht über mich freuen. HERR, mein Gott, als ich schrie zu dir, da machtest du mich gesund“ (Ps 30,1-3).

Ich bin davon überzeugt – und auch viele andere glauben es – , dass David einmal so krank war wie Hiskia, und Gott hat ihn wieder gesund gemacht. Wir haben keine schriftlichen Aufzeichnungen darüber, was für eine Krankheit es gewesen sein könnte, aber diese Verse berichten, dass Gott ihn geheilt hat. Ich habe diesen Psalm gern, weil Gott dasselbe für mich getan hat. In der Tat betrachte ich ihn als „meinen“ Psalm, weil mir der Herr erlaubt hat weiterzuleben, als ich an Krebs erkrankte.

Manchmal kam mir der Gedanke, dass ich zusammen mit anderen Leuten, denen es so ergangen ist wie mir, einen Chor gründen sollte, der immer wieder das Lied singt: „HERR, mein Gott, als ich schrie zu dir, da machtest du mich gesund.“ Aber ich weiß natürlich, dass es auch Menschen gibt, die den Kampf gegen den Krebs verlieren. Unter ihnen auch wunderbare Christen, die ihr Leben in den Dienst Gottes gestellt haben. David jedoch blickt jetzt auf diejenigen, die im Unglauben gestorben sind und betet weiter ab Vers 4:

„HERR, du hast mich von den Toten heraufgeholt; du hast mich am Leben erhalten, aber sie mussten in die Grube fahren. Lobsinget dem HERRN, ihr seine Heiligen, und preiset seinen heiligen Namen!“

(Ps 30,4-5).

Ich persönlich kann bezeugen: Gott hat mich geheilt. Aber nicht, weil ich sein besonderer Liebling bin. Er hat mich auch nicht geheilt, weil ich ein Bibellehrer bin. Er tat es, weil er ein heiliger Gott ist und es für richtig hielt. Er kennt meine Sünden und hat mich im geistlichen Sinne durch seine Gnade gerettet. Aber aus einem Grund, den ich nicht kenne, hat er mich auch von dieser Krankheit geheilt, die nicht selten den Tod bringt. Dafür danke ich ihm von Herzen, ähnlich wie David es zu seiner Zeit getan hat, danke ihm aber vor allem für meine Errettung im geistlichen Sinne. Jesus hat einmal gesagt: „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und

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kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen“ (Joh 5,24). Und dafür danke ich meinem Gott. – Zurück zu Psalm 30. In Vers 6 betet David:

„Denn sein Zorn [also Gottes Zorn] währet einen Augenblick und lebenslang seine Gnade. Den Abend lang währet das Weinen, aber des Morgens ist Freude“ (Ps 30,6).

„Sein Zorn währet einen Augenblick.“ Der Sturm – im übertragenen Sinn – wird einmal vorbei sein.

Selbst wenn Gott mich richtet, so währt sein Zorn nur einen Augenblick. Zwei- oder dreimal in meinem Leben hatte ich den Eindruck, dass der Herr mich „zum Holzschuppen gebracht“ hat. So nenne ich das, was ich noch aus Kindertagen in Erinnerung habe. Mein Vater hat mich öfters mal zum Holzschuppen gebracht und mir dort den Hintern versohlt, wenn ich etwas angestellt hatte. Er starb, als ich vierzehn Jahre alt war. Kurz danach lernte ich den Herrn als meinen Erlöser kennen, und seitdem hat er mich einige wenige Male „zum Holzschuppen gebracht“. Das heißt, er hat mich bestraft, weil ich einfach nicht bereit war auf ihn zu hören. Es ist nicht angenehm, bestraft zu werden, aber wie David schreibt: Gottes Zorn dauert nicht ewig; er dauert nur einen Augenblick. – Ich lese weiter ab Vers 9:

„Zu dir, HERR, rief ich, und zum Herrn flehte ich: Was nützt dir mein Blut, wenn ich zur Grube fahre?

Wird dir auch der Staub danken und deine Treue verkündigen?“ (Ps 30,9-10).

Anders ausgedrückt: „Gott, was hast du davon, wenn ich jetzt sterbe? Kann dir ein Toter noch danken, kann er deine Treue noch rühmen?“ So ähnlich habe ich auch gebetet, als meine Krebserkrankung entdeckt wurde: „Herr, ich würde gerne noch weiterleben und dein Wort verkündigen. Ich werde lange bei dir sein, wenn ich zu dir in den Himmel komme, aber ich würde gern noch ein bisschen länger auf der Erde bleiben.“ Ich hoffe, dass Sie jetzt nicht enttäuscht sind von mir, weil ich nicht wie Paulus betete: „Ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden und bei Christus zu sein“ (Phil 1,23). In der damaligen Situation fühlte ich eher so wie David: „Mein Herr, was hast du davon, wenn ich jetzt sterbe?“ Auch Sie, liebe Hörer, werden gewiss einen Psalm finden, der genau auf Sie und auf Ihre Situation zugeschnitten ist. Und den Sie nachbeten und zu „Ihrem“ Psalm machen können. – Hören Sie zum Schluss noch die letzten Verse aus Psalm 30, also die Verse 11 bis 13:

„HERR, höre und sei mir gnädig! HERR, sei mein Helfer! Du hast mir meine Klage verwandelt in einen Reigen, du hast mir den Sack der Trauer ausgezogen und mich mit Freude gegürtet, dass ich dir lobsinge und nicht stille werde. HERR, mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit“ (Ps 30,11-13).

Im Grunde gibt es nichts, was ich dem noch hinzufügen könnte. Davids Leben hat sich verändert: Er konnte die Krankheit hinter sich lassen und wurde gesund. Sein Klagen wurde in Freude verwandelt.

Und David brach sein bedrücktes Schweigen, um Gott zu loben und zu preisen.

Ins Deutsche übertragen von Kai-Uwe Woytschak

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