„Meines Wissens gibt es noch keinen einzigen Patien- ten auf der Welt, der von der Gentherapie profitiert hat“, erklärte Prof. Dieter K. Hoss- feld (Hamburg-Eppendorf).
Bei hämatologisch-onkologi- schen Erkrankungen etwa ha- ben „keine zwei Patienten dieselbe Krankheit“. Diese
„unglaubliche Heterogeni- tät“ mache es schwierig, durch Korrektur nur eines Gens Erfolge zu erzielen.
Dennoch leite die Möglich- keit der Gentherapie eventu- ell eine Ära ein, die vergleich- bar sei mit der „Entdeckung des Penicillins“, sagte Dr. C.
Baum (Heinrich-Pette-Insti- tut, Hamburg). Vor „überzo- genen Erwartungen“ warnte jedoch auch Prof. H. G.
Kräusslich (Heinrich-Pette- Institut). Dies führe zu
„unnötiger Kritik“.
Korrigierte Geninformation Anlaß war die Eröffnung des ersten Zentrums für so- matische Gentherapie in Norddeutschland, der Cell- Tec Biotechnologie GmbH.
Hierbei handelt es sich um ein gentechnisches Labor, das von einem „Joint-venture“
dreier Hamburger Partner betrieben wird : der Hambur- ger Universitätsklinik, des Heinrich-Pette-Instituts und des Hamburger Pharmaun- ternehmens Strathmann AG.
Grundlage der somati- schen Gentherapie bei ange- borenen oder erworbenen ge- netischen Läsionen, wie Tu- moren, Leukämien, HIV-In- fektionen, rheumatischen Er- krankungen und angebore- nen Stoffwechselkrankhei- ten, ist die korrigierte Genin- formation, die durch einen Boten („Vektor“) in die Zel- len gebracht werden muß. Dr.
Baum nannte Hauptproble-
me, die noch ungelöst sind. So gibt es ein „Mengenpro- blem“: Der Gentransfer er- reicht über entnommene und manipulierte Stammzellen oder T-Lymphozyten aus Knochenmark beziehungs- weise peripherem Blut im Körper nur einen Anteil von etwa einem Prozent der Zel- len, die mit den nichtmanipu- lierten Zellen konkurrieren müssen. Nötig sei ein Anteil von fünf bis zehn Prozent ma- nipulierter Zellen.
Die Vermehrung gen- transferierter Stammzellen
soll durch Wachstumsfakto- ren stimuliert werden, und zwar so „maßgeschneidert“, daß weder Differenzierung noch Zelltod eintritt. Diese austarierte Selbsterneuerung manipulierter Stammzellen in Zellkulturen ist damit eines
der wichtigsten Forschungs- ziele.
Der „Vektor“ – der Bote korrigierter Geninformation – muß in ausreichender Men- ge und Reinheit zur Verfü- gung stehen und ausschließ- lich die therapeutische Infor- mation enthalten, nichts an- deres. Nachdem er sein Ziel erreicht hat, soll er sich auflö- sen. Die Zielzelle muß die In- formation entziffern können, denn „wer ein Buch be- kommt und es nicht liest, än- dert lediglich die Reihenfolge im Regal“, so Baum.
Retrovirale Vektoren ste- hen zur Zeit an der Schwelle klinischer Studien, aber als Ergänzung klinischer Thera- pie, nicht als deren Ersatz.
Bei Leukämien soll die Anti- Tumorzell-Immunität auf genetischer Basis verstärkt werden, und zwar mit Hil- fe gentechnisch manipulierter T- Lymphozyten, die sich nur ge- gen Leukämie- zellen richten, ohne anderwei- tig Schäden zu verursachen. Die manipulierten T-Lymphozyten seien mit einem
„Selbstmord- Gen“ („Suicide Vector“) aus Herpes-simplex- Viren ausgestat- tet und könnten durch Herpes- Therapie elimi- niert werden, erläuterte Prof.
A. R. Zander (Universitätskli- nik Hamburg- Eppendorf).
Erstmalig sei dieses Verfah- ren bisher in Mailand bei Chronischer Myeloischer Leukämie (CML) zusätzlich zur Chemotherapie erfolg- reich angewandt worden. Bis- her belegen keinerlei Daten, daß große Tumormassen durch das Immunsystem eli- miniert werden könnten.
„Target“ immuntherapeuti-
scher Strategien ist daher die
„minimale Erkrankung“.
Für andere Optionen, et- wa Genkorrekturen in Zu- sammenhang mit Aktivierung von Tumor-Suppressor-Genen über onkogene Antisense-In- formationen oder die „Zyto- toxische Gentherapie“ mit to- xischen Effekten auf Tumor- zellen, sei noch „sehr viel Vor- arbeit“ nötig. Wolfgang Sass
Etanercept-Studien
Behandlung rheumatoider Arthritis
Nach aktuellen Studiener- gebnissen weisen Patienten, die mit Etanercept (EnbrelTM, Wyeth) behandelt wurden, ei- ne signifikante Verminderung der rheumatoiden Arthritis und eine erhöhte funktionelle Fähigkeit auf. EnbrelTM ist für die Behandlung der rheu- matoiden Arthritis das erste Medikament einer neuen Klasse, die als Modifikatoren der biologischen Reaktion bekannt sind.
EnbrelTM wirkt, indem es den „Überschuß“ des Tumor- Nekrose-Faktors (TNF) in ei- nem arthritischen Gelenk bin- det. TNF ist eines der domi- nierenden Zytokine und spielt eine wichtige Rolle in der Kas- kade der Reaktionen, die den Entzündungsprozeß der rheu- matoiden Arthritis verursa- chen. EnbrelTM verhindert kompetitiv die Bindung der TNF-Moleküle an die entspre- chenden Rezeptoren.
Positive Effekte der Sub- stanz wurden in blinden pla- zebokontrollierten klinischen Untersuchungen der Phase II beobachtet. In einer der Phase III ähnlichen Patien- tengruppe (90 Prozent der Patienten waren zuvor mit Methotrexaten behandelt worden) wurde EnbrelTM gut vertragen und führte wäh- rend einer dreimonatigen Be- handlungsperiode zu einer nachweisbaren erheblichen Verbesserung des Entzün- dungsprozesses. EB A-2858 (66) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 45, 6. November 1998
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
CellTec Biotechnologie GmbH
Dienstleister für
Zell- und Gentherapie
Bei CellTec werden auch Stammzellen in Kultur vermehrt, die dem Patienten nach Chemotherapie transfundiert
werden. Foto: CellTec