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Archiv "Traum und Realität in der Melatoninforschung" (13.07.1998)

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ie Publizität von Melatonin als

„Wunderdroge“ hat, von den USA kommend, auch auf Deutschland übergegriffen. Als Nah- rungsergänzungsmittel in den USA er- hältlich, hat es – von dort eingeführt – innerhalb kurzer Zeit eine große Nachfrage auch in Deutschland er- langt. In der Zwischenzeit wurde von den Bundesbehörden Melatonin als zulassungspflichtiges Arzneimittel deklariert. Da jedoch bisher noch kei- ne Zulassung vorliegt, kann Melatonin nicht auf dem üblichen legalen Wege beschafft werden. Folgende Wirkun- gen werden unter anderem dem Mela- tonin zugeschrieben: Verzögerung des Alterungsprozesses, Karzinompro- phylaxe und -Therapie, Verbesserung der sexuellen Vitalität, Therapie der Schlaflosigkeit und schnelle Überwin- dung der Folgen des reisebedingten Jet-lags. Diese weitgespannten Erwar- tungsansprüche gehen auf das Er- scheinen von Sensationsberichten in der Laienpresse, aber auch von Publi- kationen in wissenschaftlichen Zeit- schriften zurück. Es stellt sich insbe- sondere aus klinisch-pharmakologi- scher Sicht die Frage, welche wissen- schaftlich gesicherte Basis solchen An- sprüchen zugrundeliegt.

Die chemische Struktur von Me- latonin wurde bereits 1958 durch Lerner und Mitarbeiter aufgeklärt

(20). Es handelt sich um die von der Aminosäure Tryptophan abstammen- de Substanz N-Acetyl-5-Methoxy- tryptamin mit dem Molekulargewicht 232,3, somit um ein relativ kleines Molekül. Die kurz darauf einsetzen- den intensiven Forschungsarbeiten haben bis heute einen Berg von Publikationen erbracht, deren Ergeb- nisse kaum mehr überschaubar sind und die nicht mehr einfach zusam- mengefaßt werden können.

Wirkungen beim Tier

Die vorliegenden Kenntnisse über das Verhalten von Melatonin im Organismus basieren fast ausschließ- lich auf tierexperimentellen Untersu- chungen. Der Regulationsmechanis- mus der Melatoninsekretion der Zir- beldrüse ist gut dokumentiert (17, 34).

Kurz zusammengefaßt: Licht verhin- dert die Sekretion, was bedeutet, daß nur während der Nacht Melatonin produziert wird. Es wird daher von einer Regulation des Schlaf/Wach- Zyklus durch Melatonin gesprochen.

Die erhöhte Melatoninproduktion

während der Wintermonate hemmt bei saisonalen Tieren durch Ein- schränkung der Sexualhormonpro- duktion die Fertilität. Diese Melato- ninwirkung ist allerdings nicht bei al- len Tierarten zu finden; auch gegen- teilige, fertilitätserhöhende Effekte scheinen möglich zu sein.

Zahlreiche andere bei Tieren be- obachtete Wirkungen (1, 18) lassen noch keine sichere Beurteilung zu, ob es sich um spezifische Melatoninef- fekte handelt. Es wurden unter ande- rem Wirkungen von Melatonin im ZNS und im Immunsystem beschrie- ben, wie beispielsweise Einflüsse auf die Gonadotropinsekretion und auf die Körpertemperatur. Im Immunsy- stem wurden Effekte sowohl im hu- moralen als auch im zellulären Be- reich registriert. Die Wirkungen sind mitunter abhängig von der Tageszeit, zu der Melatonin verabreicht wird (30, 37). Darüber, ob es sich um phy- siologische oder pharmakologische Effekte handelt, gibt es bisher keine sicheren Angaben.

Viel Aufsehen erregten Publika- tionen, die sich mit der Melatoninwir- kung bei Tumorerkrankungen befas- sen. So wurde bei Ratten ein tumor- hemmender Einfluß von Melatonin auf Dimethylbenzanthracen-induzier- te Mammatumoren beobachtet (33, 35, 36). Es wurde aber auch über tu- A-1791

M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 28–29, 13. Juli 1998 (43)

Traum und Realität in der Melatoninforschung

Theodor H. Lippert Harald Seeger Alfred O. Mueck

D

Stichwörter: Melatonin, physiologische Wirkung, pharmakologische Wirkung, Nebenwirkungen

Melatonin wurde in den letzten Jahren als Wundermittel mit einem spektakulären Wirkungspotential angepriesen. Die zahlreiche, 40 Jahre Forschung umfassende wissenschaftli- che Literatur wird ausgewertet. Vom klinisch-pharmakolo- gischen Standpunkt aus existieren für keine der propagier- ten Anwendungsmöglichkeiten ausreichende wissenschaft-

liche Untersuchungsergebnisse. Nur für Schlafinduktion und Jet-lag-Syn-

drom gibt es klare Hinweise für eine Wirkung auch beim Menschen. Da das Nebenwirkungsspektrum von Melatonin noch weitgehend unbekannt ist, wäre eine Einnahme erst nach Vorliegen von Studien nach good clinical practice (GCP) mit Evaluierung von Effektivität sowie akuter und chronischer Toxizität zu rechtfertigen.

ZUSAMMENFASSUNG

Key words: Melatonin, physiological action, pharmacological action, side effects

Melatonin has been advertised in recent years as a panacea with spectacular effects. In this review, we analyse the wide scientific literature which covers 40 years of research. From a pharmacological point of view, there are insufficient data to justify the use of melatonin in clinical practice. There is,

however, some evidence that melatonin can induce sleep and alleviate jet lag syndrome in

humans. Nevertheless, since the side effects of melatonin are still unknown, its application could be justified only on the basis of studies according to good clinical practice (GCP) which evaluate efficacy as well as acute and chronic toxicity.

SUMMARY

Sektion Klinische Pharmakologie in Gynäko- logie und Geburtshilfe (Leiter: Prof. Dr. med.

Theodor H. Lippert), Universitäts-Frauenklinik, Tübingen

(2)

morstimulierende Wirkungen von Melatonin berichtet (7). Als Kri- tikpunkt der meisten Arbeiten ist zu nennen, daß kein Vergleich mit be- reits etablierten antikanzerogenen Substanzen angestellt wurde und so der Wirkungseffekt von Melatonin nicht sicher einzuschätzen ist. Andere körpereigene Substanzen sind eben- falls in der Lage, das Tumorwachstum zu hemmen (22). In einer eigenen Stu- die konnte mit einem Rattenstamm, bei dem spontan metastasierende En- dometriumkarzinome auftreten, we- der ein prophylaktischer noch ein the- rapeutischer Hemmeffekt erzielt wer- den (2). Erwähnenswert ist die Beob- achtung, daß bei ansprechbaren Tu- moren die abendliche Gabe hemmen, die morgendliche Applikation aber das Tumorwachstum fördern soll (3).

Viel Aufmerksamkeit haben pro- liferationshemmende Wirkungen bei einer seltenen Zellinie des östrogen- abhängigen Mammakarzinoms erregt (14). Es handelte sich um eine Unter- art von MCF-7-Zellen, die im allge- meinen nicht auf Melatonin reagie- ren. Untersuchungen im eigenen La- bor (19) haben ebenso wie andere Ar- beiten (4) gezeigt, daß Melatonin auch proliferationsstimulierende Wir- kungen entwickeln kann. Solche kon- troversen Ergebnisse sind nicht geeig- net, der Spekulation, daß Melatonin eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle des Karzinomgeschehens zukomme (5, 26), weitere Nahrung zu liefern. Andere, der Melatoninfor- schung Auftrieb gebende Untersu- chungsergebnisse waren die Lebens- zeiterhöhungen (zirka 20 Prozent) von Mäusen nach Melatoningabe (29). Die Interpretation, daß Melato- nin ein lebensverlängerndes Hormon darstellt, ist auf diese Versuche zurückzuführen. Neben der Tatsache, daß eine Reihe von anderen Substan- zen bei Mäusen ebenfalls eine Le- bensverlängerung bewirken kann (40) und diesbezügliche Kontrollversuche nicht durchgeführt wurden, ist als wei- terer Kritikpunkt anzubringen, daß Melatonin als sogenanntes „lebens- verlängerndes Hormon“ bei der gete- steten Mäuseart normalerweise nicht nachweisbar ist.

Vor kurzem wurde berichtet, daß Melatonin eine antioxidative Wirkung besitzt (31). Antioxidantien

spielen beim Alterungsprozeß, aber auch bei der Karzinomentstehung ei- ne wichtige Rolle. Doch auch hier scheint das Wirkungspotential für Melatonin beschränkt zu sein. So konnte in einigen Untersuchungen gezeigt werden, daß die Hemmwir- kung von Melatonin auf die Oxidati- on von LDL relativ gering ist; die nu- tritive antioxidative Substanz Vit- amin E sowie der Melatoninprecur- sor Serotonin wiesen eine wesentlich größere antioxidative Potenz auf (32).

Ob neuere Ergebnisse über das Vorkommen von Melatonin in ande- ren Organen, neben Zirbeldrüse zum Beispiel auch in geringen Mengen im Auge und im Magen-Darm-Trakt (1), zum Nachweis einer klinisch-pharma- kologisch verwendbaren Funktion führen, ist fraglich. Auch das Auffin- den von Melatoninrezeptoren in ver- schiedenen Geweben (10, 27) hat bis- her noch nicht dazu beigetragen, die Kenntnisse über die Melatoninfunkti- on entscheidend zu erweitern.

Wirkung beim Menschen

Da bisher noch keine wissen- schaftlich fundierten Erkenntnisse über essentielle Wirkungen vorliegen, hat sich ein weiter Raum für Spekula- tionen aufgetan. Die einzig festste- hende Tatsache, daß die Melatonin- sekretion beim Menschen lichtabhän- gig in der Nacht stattfindet (1, 6), läßt annehmen, daß Melatonin bei der Re- gulation des Schlaf/Wachzyklus eine Rolle spielt. Es dürfte sich möglicher- weise um eine komplexe Funktion handeln, die sich vorwiegend auf Re- kreationsprozesse des Organismus während der Nacht bezieht. Die Schlaffunktion scheint mit einbezo- gen zu sein.

Auf der Suche nach pharmakolo- gischen Anwendungsmöglichkeiten wurden nach frustranen Untersu- chungen bei Epilepsie und Parkinso- nismus sowie bei anderen neuropsy- chologischen Erkrankungen (21) neue Indikationen für Melatonin an- visiert. Obwohl Tierexperimente bis- her keine gesicherten Erkenntnisse über die Rolle von Melatonin im Krebsgeschehen erbringen konnten, hat eine italienische Arbeitsgruppe in

mehreren Studien versucht, beim Menschen eine Tumorhemmwirkung nachzuweisen. So wurde bei 31 Pati- enten mit Lungenkarzinom unter- schiedlicher Histotypen und unter- schiedlicher Metastasierungen die Wirkung von 10 mg Melatonin, kom- biniert mit „supportive care“ (beste- hend aus nicht weiter definierten nicht steroidalen Antiphlogistika, Opiaten, Kortikoiden und anderen Präparaten), untersucht (23). Es wur- de dabei mit einer Gruppe von 32 Pa- tienten verglichen, die nur „supporti- ve care“ erhielten. Nach objektiven Kriterien ergab sich in keiner Gruppe eine komplette oder auch partielle Antwort. In der Folgestudie (24) un- tersuchte die gleiche italienische Gruppe unter Verdoppelung der Me- latonindosis den Effekt auf Hirnme- tastasen, wobei bei der geringen Fall- zahl (n = 24) nicht weniger als sieben histotypisch verschiedene Primärtu- moren (Lungen-, Brust-, Kolon-, Nie- ren-, Zervix-CA, Melanom und Sar- kome) vorlagen. Berücksichtigt man noch die verschiedenen Stadien und Metastasierungen, so sind nach pro- gnostischen Kriterien sowohl hin- sichtlich Morbidität als auch Morta- lität sicher keine validen Aussagen zur Vergleichbarkeit der Gruppen mit und ohne Melatonin erlaubt.

Gleiches gilt für eine weitere Studie (25), bei der dieselbe Arbeitsgruppe unter weiterer Verdoppelung der Do- sis, nämlich 40 mg pro Tag, den Effekt von Melatonin kombiniert mit Inter- leukin-2 (IL2) (n = 41) versus IL2 al- lein (n = 39) bei verschiedenen soli- den Tumoren prüfte. Auch in dieser Studie sind die beiden Gruppen für einen Vergleich viel zu heterogen – es wurden mindestens sechs histoty- pisch unterschiedliche Tumoren in verschiedenen Stadien untersucht.

Die Autoren bewerten ihre als „vor- läufig“ bezeichneten Ergebnisse trotz nur marginaler Veränderungen insge- samt als positiv, weisen jedoch selbst darauf hin, daß solche Untersuchun- gen mit größeren Fallzahlen plazebo- kontrolliert und möglichst doppel- blind wiederholt werden müssen, be- vor irgendwelche klinischen Konse- quenzen gezogen werden sollten. Zu ergänzen ist, daß keine dieser Studien nach GCP-Richtlinien durchgeführt wurde.

A-1792

M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT

(44) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 28–29, 13. Juli 1998

(3)

Bei der Suche nach geeigneten Substanzen zur Chemoprävention von Karzinomen in den USA (Natio- nal Cancer Institute, Bethesda) ist übrigens in groß angelegten Studien unter den zahlreichen Testpräparaten Melatonin nicht vertreten (15, 16). Ei- ne auf den ersten Blick interessante Melatoninindikation scheint die orale Kontrazeption zu sein. Von einer holländischen Arbeitsgruppe initiiert, wird bereits seit einigen Jahren eine umfangreiche Studie durchgeführt (8). In Kombination mit einem Gesta- gen werden dabei täglich hohe Dosen von Melatonin (75 mg) zur Abendzeit verabreicht. Das therapeutische Prin- zip der Melatoningabe wirft einige kritische Fragen auf. So ist die Ge- stagenkomponente bereits allein für die Verhütung einer Schwangerschaft ausreichend, warum dann der Melato- ninzusatz? Wird dadurch das Zyklus- verhalten stabilisiert? Da Melatonin schlafinduzierend wirkt, kann durch den Melatoninzusatz das sexuelle Verlangen wesentlich beeinträchtigt werden.

Für weitere Indikationen, wie Verzögerung des Alterungsprozesses sowie Verbesserung der sexuellen Vi- talität, liegen keinerlei wissenschaftli- che Untersuchungsergebnisse vor.

Zahlreiche Schlafstudien wurden bereits mit Melatonin beim Men- schen durchgeführt (9, 11, 13). Trotz Schwierigkeiten, die sich durch die Existenz verschiedener Schlafursa- chen ergeben, wurde in fast allen Stu- dien – neuere, im Schlaflabor durch- geführte Untersuchungen mit einbe- zogen –, eine schlafinduzierende Wir- kung beobachtet. Bei den meisten pharmazeutischen Melatoninformu- lierungen konnte die mehrstündige physiologische Blutspiegelerhöhung während der Nacht allerdings nicht imitiert werden. Die einfache orale Melatoningabe führt wegen eines ho- hen First-pass-Effektes in der Leber und einer kurzen Halbwertszeit nur zu einer kurzzeitigen Erhöhung des Melatoninspiegels im Blut (39). Mög- licherweise ist es darauf zurückzu- führen, daß nur selten eine Durch- schlafwirkung erzielt wurde. Für wei- tere Indikationen liegen nur noch für den Jet-lag, der mit der Regulierung des Schlaf/Wach-Zyklus in Verbin- dung gebracht werden kann, einige

erfolgversprechende Publikationen vor (1). Eine aussagekräftige GCP- ausgerichtete Studie wurde unseres Wissens jedoch auch hier nicht durch- geführt.

Beurteilung der Forschungsergebnisse

Trotz unzähliger Forschungsar- beiten, die sich schon über vier Jahr- zehnte hinziehen, ist es bisher noch nicht gelungen, ein klares Wirkungs- prinzip für Melatonin im menschli- chen Organismus zu finden. Vom kli- nischen Standpunkt aus haben nur die bisherigen Hinweise, daß Melatonin bei der Tag-/Nachtrhythmus-Regulie- rung eine möglicherweise physiologi- sche Rolle spielt, eine gewisse Aus- sicht für eine Anwendbarkeit der Sub- stanz. Hauptaktivität scheint hier die Unterstützung des Schlafes mit ver- schiedenen Erholungseffekten des Organismus zu sein. Es erhebt sich die Frage, wie – nach dieser noch relativ schwachen wissenschaftlichen Kennt- nislage – bei der Bevölkerung so große Hoffnung in Melatonin als Hor- mon mit Wunderwirkungen aufkom- men konnte? Verantwortlich dafür dürften zahlreiche Publikationen sein, in die häufig Wunschträume der For- scher bei der Abfassung ihrer Arbei- ten mit einflossen. Basierend auf spär- lichen Ergebnissen von Tierexperi- menten und Zellkulturversuchen, wurden Theorien dahingehend ent- wickelt, daß Melatonin fundamentale physiologische Funktionen im Körper ausübe. Titel von Melatoninveröffent- lichungen wie „Pineal melatonin, its fundamental immunoregulatory role in aging and cancer“ (26) und „The pineal: An oncostatic gland?“ (5), er- schienen in englischsprachigen wis- senschaftlichen Publikationsorganen, haben an der übertriebenen Erwar- tungshaltung sicher großen Anteil.

Erst spät wurden von renommierter Seite, wie zum Beispiel der Zeitschrift Nature (38), Stimmen gegen die Sen- sationsberichte laut.

Nach Durchsicht der vorliegen- den Forschungsergebnisse ist die in Publikationen geäußerte Ansicht, daß es sich beim Melatonin um ein potentes Hormon handelt, von der heutigen Kenntnislage her (6, 12) nur

schwerlich nachvollziehbar. Die Sub- stanz Melatonin entwickelt eher sehr diskrete Wirkungen, die in das Ein- zelorgangeschehen nicht mit gravie- renden Veränderungen eingreifen.

Dies zeigen unter anderem auch die in früheren Zeiten durchgeführten mehrwöchigen Melatoninbehandlun- gen mit Dosierungen von einem Gramm und mehr pro Tag, wobei außer einer sedierenden Wirkung kei- ne erheblichen anderen Reaktionen des Organismus beobachtet wurden (21). Andererseits ist die Verharmlo- sung von Berichten über völlige Ne- benwirkungsfreiheit nicht zu rechtfer- tigen. Bei sorgfältiger Durchsicht der Literatur findet man Angaben über Begleiterscheinungen wie Hautrötun- gen, Bauchkrämpfe, Durchfälle, mi- gräneartige Kopfschmerzen und visu- elle Gesichtsausfälle (28).

Ohne nähere Angaben wurde auch in einem 1995 erschienenen Buch über Melatonin (1) die Mög- lichkeit von unerwünschten Wirkun- gen auf kardiovaskuläre Funktionen inklusive der Blutgerinnung er- wähnt. Über die chronische Toxizität von Melatonin gibt es beim Men- schen noch keine Angaben. Vom klinisch-pharmakologischen Stand- punkt aus ist zusammenfassend zu konstatieren, daß von den anvisier- ten Anwendungsgebieten des Mela- tonins nur die Schlafwirkung und die Behebung des Jet-lags als erfolgver- sprechend übrigbleiben. Solange al- lerdings hier keine fundierten Er- gebnisse beim Menschen vorliegen, sollte die Einnahme von Melatonin unterbleiben.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1998; 95: A-1791–1793 [Heft 28-29]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. med. Theodor H. Lippert Sektion Klinische Pharmakologie in Gynäkologie und Geburtshilfe Universitäts-Frauenklinik Schleichstraße 4

72075 Tübingen

A-1793

M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 28–29, 13. Juli 1998 (45)

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