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Archiv "Europäische Tendenzen in der medizinischen Grundausbildung" (03.05.1979)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen THEMEN DER ZEIT

Es wird vielfach vergessen, daß zahl- reiche grundsätzliche Probleme der deutschen Medizinerausbildung als unmittelbare Folge der Beratungen in den internationalen Organen der Europäischen Gemeinschaft (EG) gesehen werden müssen und ebenso intensiv dort ständig zur De- batte stehen. Es war die EG, die in den sechziger Jahren als Basisemp- fehlung für Dauer und Umfang des Medizinstudiums jene sechs Jahre oder 5500 Stunden theoretischen und praktischen Unterrichtes aus- sprach, die zur gegenwärtig so um- strittenen Grundlage der bundes- deutschen Approbationsordnung für Ärzte wurde.

Man strebte seinerzeit damit an, eine Rahmenempfehlung für die Verwirk- lichung der Artikel 49, 57ff der Römi- schen Verträge vorzugeben, die eine vergleichbare Ausbildung möglichst aller Berufe in Europa vorsieht, um eine freie Niederlassung innerhalb der Mitgliedsländer zu erreichen. Es muß dabei beachtet werden, daß in der Richtlinie des Rates von „minde- stens" sechs Jahren die Rede ist und daß die internationale „Koordi- nierung der Ausbildung ... in Anbe- tracht der Vergleichbarkeit der Aus- bildungsgänge auf die Erfüllung von Mindestbedingungen beschränkt werden [kann], so daß die Mitglied- staaten im übrigen bei der Gestal- tung der Ausbildung freie Hand be- halten".

Das erste Land, welches diese Richt- linie dahingehend ausgelegt hat, daß eine nur sechsjährige Ausbil- dung bereits das Berufsziel Arzt ga- rantiere, war die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer am 28. Okto-

ber 1970 erlassenen Approbations- ordnung; sie ist auch das einzige Land, das bis heute daran festhält, obwohl bereits die eigenen Erfah- rungen zeigen, daß in sechs Jahren kein handlungsfähiger Arzt heran- gebildet werden kann.

Entsprechend haben auch die ande- ren Länder der EG inzwischen mit mehr Sorgsamkeit die Mindestfor- mel diskutiert und praktizieren oder planen verschiedene Modelle einer um ein bis zwei Jahre verlängerten medizinischen Ausbildung. Bis zum Jahre 1973 waren die medizinischen Ausbildungsstätten noch nicht als Diskussionspartner der EG zugelas- sen; erst auf Grund einer Initiative des damaligen EG-Kommissars Ralf Dahrendorf wurde der Beraterkreis erweitert. Am 16. Juni 1975 wurden die „Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prü- fungszeugnisse und sonstigen Befä- higungsnachweise des Arztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts für freien Dienstleistungsver- kehr" erlassen. Gleichzeitig wurde ein „Beratender Ausschuß für die ärztliche Ausbildung" eingesetzt und mit der Aufgabe betraut, „zur Gewährleistung eines vergleichbar anspruchsvollen Niveaus der ärztli- chen Ausbildung — und zwar sowohl der Ausbildung zum Arzt als auch der Weiterbildung zum Facharzt — in der Gemeinschaft beizutragen". Der Ausschuß besteht aus drei Sachver- ständigen je Mitgliedstaat, und zwar je einem Vertreter aus dem ärztli- chen Berufsstand, den medizini- schen Fakultäten und den zuständi- gen staatlichen Behörden.

Die Arbeitsgruppe Hochschul- lehrer des „Beratenden Aus- schusses für die ärztliche Aus- bildung" bei der Brüsseler EG-Kommission hat im Auf- trag eines Beratenden Aus- schusses einen „Bericht über die allgemeinen Tendenzen in der medizinischen Grundaus- bildung" vorgelegt. Er faßt die Auffassungen der Hochschul- lehrer über das künftige Me- dizinstudium zusammen. Der Bericht wird nachstehend kurz kommentiert und — bis auf einige einleitende Passa- gen — dokumentiert. Prof.

Seidler gehört der Arbeits- gruppe als deutscher Vertre- ter an. Ein Kommentar zu dem Bericht — verfaßt von Prof.

Hans J. Sewering als einem Mitglied des „Beratenden Ausschusses" — findet sich auf Seite 1259.

Entsprechend der Breite der Aufga- benstellung haben sich während der ersten, soeben zu Ende gehenden Amtsperiode eine Anzahl von sach- verständigen Arbeitsgruppen gebil- det, die jeweils aus den Vertretern der neun Länder zusammengesetzt sind. Die Gruppe der Hochschulleh- rer wurde bereits auf der ersten Ple- narsitzung des Beratenden Aus- schusses am 5. Mai 1976 in Brüssel mit der Aufgabe betraut, die gegen- wärtigen Probleme und Tendenzen der medizinischen Grundausbildung im Hinblick auf ihre Zukunft zu über- prüfen.

Die Hochschulvertreter der neun Länder haben daraufhin zunächst eine Reihe von grundsätzlichen Fra- gen erarbeitet, die in jedem Land überprüft worden sind. Hierzu ge- hörte zum Beispiel die Frage nach der Zahl der Medizinstudenten, nach Veränderungstendenzen in den Aus- bildungsprogrammen und Lehrme- thoden, nach den Bemühungen um Ausbildungsanteile für Allgemein- medizin, medizinische Ethik und So- zialmedizin, nach der Zuständigkeit der Fakultäten für Lernziele und

Europäische Tendenzen in der medizinischen Grundausbildung

Bericht aus dem „Beratenden Ausschuß

für die ärztliche Ausbildung" bei der EG-Kommission

Eduard Seidler

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 18 vom 3. Mai 1979 1257

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Medizinische Grundausbildung

Prüfungen u. a. m. Es war sehr bald zu erkennen, daß von den Inhalten her im Ganzen gesehen in allen Län- dern ähnliche Probleme und gleich- laufende Bestrebungen zu erkennen sind; die Formen der Planung und der Verwirklichung variieren aller- dings sehr stark.

Die Ergebnisse wurden in drei Schritten dokumentiert und in dem nachfolgenden Bericht vorläufig zu- sammengefaßt. Er trägt zwangsläu- fig globalen Charakter, da er versu- chen muß, jeweils die allen Ländern gemeinsamen Problemelemente for- mulierbar zu machen. Man wird leicht erkennen, daß am Beispiel der medizinischen Ausbildung zahlrei-

1. Einleitung

Wir definieren als medizinische Grundausbildung (basic medical training) die Summe der theoreti- schen und klinischen Unterweisung, die unabhängig von einer weiteren Fachorientierung allen Medizinern als Grundwissen gemeinsam sein sollte.

Vorbemerkung: Die Verantwortung des Arztes beruht auf der Hinfällig- keit, der Hilflosigkeit und dem Nicht- wissen derer, die bei ihm Hilfe su- chen. An jeden Arzt werden vom Be- troffenen körperliche Not, seelische Angst und soziale Hilfsbedürftigkeit herangetragen. Durch den hohen in- dividuellen und sozialen Rang von Wohlbefinden und Mißbefinden er- hält die Aufgabe des Arztes in der Gesellschaft ihre bedeutsame und schwierige Stellung. Um diesem ho- hen Anspruch gerecht zu werden, bedarf der Arzt des Wissens und der Erfahrung.

Soweit es sich um begründetes Han- deln und um Erklärungen faßbarer krankhafter Vorgänge handelt, muß sich der Arzt auf objektive wissen- schaftliche Daten stützen. Wo Be- gründungen und Erklärungen nicht

che grundsätzliche Fragen der ge- genwärtigen Heilkunde zur Disposi- tion stehen. Auch ist der Bericht kein abschließendes Dokument, sondern wird weitere Detailanalysen zur Folge haben; für die gegenwärti- ge Ausbildungsszene in unserem Lande bedeutet dies die vielfach heilsame Herausforderung zur sorg- samen Beachtung der internationa- len Vergleichbarkeit des Niveaus der deutschen AuSbildung.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Eduard Seidler Institut für Geschichte der Medizin der Universität Stefan-Meier-Straße 26 7800 Freiburg/Breisgau

oder noch nicht möglich sind, muß der Arzt sein Handeln durch die Er- fahrungen anderer und durch eige- ne Erfahrungen rechtfertigen. Für beides — Wissen und Erfahrung — muß die ärztliche Ausbildung ausrei- chende Bildungsmöglichkeiten be- reitstellen.

Die Überfülle an Studenten wie auch das Übermaß an Information zwingt zur permanenten Suche nach neu- en, zeitgerechten Ausbildungsprin- zipien. Diese müssen den vielen und komplexen Ansprüchen gerecht werden, die vom Patienten an die Medizin herangetragen werden. Für die medizinische Lehre bedeutet dies vor allem, den Studenten lern- fähig, erfahrungsfähig und gewis- sensfähig zu machen und dies für sein Leben lang.

Alle Diskussionen über die medizini- sche Ausbildung müssen daher von zwei grundlegenden und voneinan- der untrennbaren Ausgangspunkten ausgehen:

einer angemessenen qualitativen und quantitativen Auswahl von Me- dizinstudenten

C einem Ausbildungsprogramm, dessen Struktur von den Universitä-

ten, Fakultäten und Medizinischen Hochschulen in freier Verantwor- tung modifiziert und bewertet wer- den kann.

2. Die Zulassung zum Medizinstudium

2.1 Analyse der gegenwärtigen Si- tuation

Die Tabelle (auf Seite 1260) zeigt die Bevölkerungszahlen, die Anzahl der Ärzte und die Anzahl der Medizin- studenten in jedem der neun Mit- gliedstaaten der EG.

1) Die Zahl der Ärzte pro Kopf der Bevölkerung variiert nicht sehr weit;

der Mittelwert liegt bei einem Arzt auf 559 Einwohner und bewegt sich zwischen 1:442 und 1:823.

2) Andererseits ist die Zahl der Me- dizinstudenten pro Kopf der Bevöl- kerung sehr hoch und zeigt einen Mittelwert von einem Studenten auf 684 Einwohner (d. h. jeder 684. Ein- wohner der EG ist ein Medizinstu- dent). Das Verhältnis der Medizin- studenten zur Einwohnerzahl vari- iert innerhalb der Migliedstaaten be- trächtlich, von 1:312 (Italien) bis 1:2997 (Vereinigtes Königreich). Die Variationsbreite liegt folglich bei ei- nem Faktor von zehn. Das Verhältnis von Studenten zu Ärzten in der EG liegt bei 377 830:462 130 (1:1,2).

Dies weist auf eine baldige Erhö- hung der Ärztezahlen hin.

2.2 Diskussion

Seit durch die Direktive der EG das Recht auf die freie Niederlassung der Ärzte innerhalb der Mitgliedstaa- ten ausgesprochen wurde, zeigen sich in wachsendem Ausmaß Nie- derlassungsbeschränkungen in ver- schiedenen Regionen und in ver- schiedenen Disziplinen, einschließ- lich der Allgemeinmedizin.

Viele Mitgliedstaaten haben bereits Beschränkungen im Hinblick auf die zuzulassende Anzahl der Medizin- studenten ausgesprochen (Numerus fixus oder Numerus clausus), wäh-

Dokumentation:

Der Bericht der EG-Arbeitsgruppe

1258 Heft 18 vom 3. Mai 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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