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Archiv "Was Hoffnung kosten darf" (11.12.2009)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 50

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11. Dezember 2009 829

M E D I Z I N

EDITORIAL

Was Hoffnung kosten darf

Ist die Einlagerung von autologem Nabelschnurblut nötig und sinnvoll?

Thomas Klingebiel

Editorial zum Beitrag: „Stamm- zellen aus Nabel- schnurblut in der Transplantations- und regenerativen Medizin“ von Reimann et al.

auf den folgenden Seiten

Zentrum für Kinder und Jugendmedizin, Klinik III (pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Hämo -

staseologie), Klinikum der Johann Wolfgang Goethe- Universität, Frankfurt

„Alleskönner Stammzellen“ sollen erfolgreich Diabe- tes, Leber- und Lungenschäden, Alzheimer und Parkin- son reparieren.

Ähnlich wie andere Autoren (3) vorher setzen sich die Autorinnen mit den verfügbaren Daten auseinander und zeigen, wie wenig diese Erwartungen auf gesicher- ten Grundlagen beruhen. So ist es besonders wichtig, dass sie den betreuenden Ärzten Empfehlungen geben, wie sie die Ratsuchenden kompetent beraten und auf- klären können. Wichtig, und vielleicht nicht allen Kol- legen in dieser Präzision gegenwärtig, ist dabei der Un- terschied zwischen autologem und allogenem Banking und die Problematik der ausführlich erläuterten „Kom- bi“-Modelle.

Zurückhaltende Bewertung

Analog zu Reimann et al. haben sich auch andere Auto- ren sehr zurückhaltend zu den Möglichkeiten und Chancen des autologen Nabelschnurblutbankings geäu- ßert. „NHS maternity units should not encourage com- mercial banking of umbilical cord blood” [„Wochensta- tionen sollten nicht zur kommerziellen Einlagerung von Nabelschnurblut ermutigen“] heißt es im Titel ei- nes lesenswerten Artikels aus dem British Medical Journal (4), um im Untertitel fortzufahren: „Storing

N

abelschnurblut als persönliche Gesundheitsvor- sorge für Ihr Kind. Schon lange vor seiner An- kunft ist Ihr Baby immer in Ihren Gedanken. Sie möch- ten alles tun, damit es gedeiht und gesund bleibt. Eine einmalige Chance dazu haben Sie bei der Geburt. Mit der Einlagerung von jungen gesunden Stammzellen aus Nabelschnurblut sichern Sie Ihrem Kind ein Leben lang den raschen Zugriff auf seine eigenen, perfekt passenden Stammzellen und damit im Fall einer schweren Krankheit die Chance für einen ge- sundheitlichen Neuanfang. Deshalb gehört die Einlagerung von Stammzellen aus Na- belschnurblut heute für immer mehr Eltern zur zeitgemäßen Gesundheitsvorsorge.

Zum Glück gibt es dafür einen erfahrenen Partner, der Ihnen zur Seite steht.“ (1)

Diese oder vergleichbare Texte sollen werdende Eltern dazu bringen, das Na- belschnurblut ihres Kindes bei kommer- ziellen Banken einlagern zu lassen. Ein solcher Service kostet einmalig circa 2 000 €

bis 2 500 € und dann noch eine jährliche Gebühr. Es liegt nahe, dass viele Eltern und Großeltern sich fragen, ob sie statt eines Sparbuchs dem neuen Erdenbürger nicht seine „Stammzellen“ mit auf den Weg geben sol- len und ob ein solches Investment in die Gesundheit nicht 2 000 € wert ist.

Sachliche Prüfung von Werbeversprechen Genauso werden viele Kolleginnen und Kollegen den- ken, an die die Eltern sich mit dieser Frage wenden.

Umso verdienstvoller ist es, dass die Mitarbeiterinnen der „Jose Carerras Stammzellbank“, Düsseldorf, Gesi- ne Kögler und Verena Reimann, sich gemeinsam mit Ursula Creutzig, der Geschäftsführerin der Gesellschaft für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, als aus- gewiesene Fachleute die Mühe gemacht haben, diese Versprechen einer sachlichen Prüfung zu unterziehen (2). Dabei haben sie nicht nur die Rolle des autologen Nabelschnurbluts für die hämatopoetische Stammzell- transplantation untersucht (die es nicht hat), sondern auch seine Möglichkeiten in der regenerativen Medizin abgeklopft.

Es sind gerade die auch im Artikel zitierten Eindrü- cke, „Nabelschnurblut sei ein unverzichtbares Allheil- mittel, das schon in naher Zukunft in der regenerativen Medizin eingesetzt werden könne“, die die Einlagerung von autologem Nabelschnurblut begründen sollen. Die

Stammzellen aus Nabelschnurblut.

Abbildung: Jürgen Berger/

SPL/Agentur Focus

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M E D I Z I N

cord blood at birth as insurance against future disease may sound like a good idea to parents, but it has worry- ing implications for NHS services and little chance of benefit“ [„Die Einlagerung von Nabelschnurblut bei der Geburt als eine Absicherung gegen zukünftige Er- krankungen mag Patienten als eine gute Idee erschei- nen, sie hat aber besorgniserregende Folgen für das öf- fentliche Gesundheitswesen in Großbritannien und we- nig Aussicht auf Erfolg“].

In diesem Zusammenhang wichtig ist eine Befra- gung in Nordamerika unter transplantierenden Pädia- tern (5), wie sie mit autologem Nabelschnurblut umge- hen würden, da es sich bei dieser Berufsgruppe ja um die potenziellen Anwender der eingelagerten Zellen handelt. „Sehr wenige“ pädiatrische Transplanteure würden demnach werdenden Eltern das prophylakti- sche autologe Einfrieren empfehlen.

So bleibt es wohl bei dem Schluss, den auch die Au- torinnen gemeinsam mit anderen ziehen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass autologes Nabelschnurblut gebraucht wird, extrem gering und die Hoffnung, dass damit Diabetes oder andere Erkrankungen geheilt wer- den können, spekulativ ist (4).

Interessenkonflikt

Der Autor erhielt Förderung für ein Drittmittelprojekt von der José-Carreras- Stiftung.

LITERATUR

1. www.vita34.de, eingesehen am 9. 11. 2009

2. Reimann V, Creuztig U, Kögler G: Stem cells derived from cord blood in transplantation and regenerative medicine [Stammzellen aus Nabelschnurblut in der Transplantations- und regenerativen Medizin].

Dtsch Arztebl Int 2009; 106(50): 831–6.

3. Steinbrook R: The cord-blood bank controversies. NEJM 2004; 351:

2255–7.

4. Edozien LC: NHS maternity units should not encourage commercial banking of umbilical cord blood. BMJ 2006; 333: 801–4.

5. Thornley I, Eapen M, Sund L, Lee SJ, Davies SM, Joffe S: Private cord blood banking: experiences and views of pediatric hemato - poietic cell transplantation physicians. Pediatrics 2009; 123:

1011–7.

Anschrift des Verfassers Prof. Dr. med. Thomas Klingebiel

Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Klinik III Pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Hämostaseologie Theodor Stern Kai 7

60590 Frankfurt

E-Mail: tklingebiel@zki-uni-frankfurt.de

The Price of Hope:

Is Autologous Cord Blood Storage Necessary and Useful?

Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2009; 106(50): 829–30 DOI: 10.3238/arztebl.2009.0829

@

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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