Bericht und Meinung Ehrenberg beim NAV
®
Es muß eine vernünftige Ab- grenzung zwischen den Leistun- gen, die die Krankenversicherung solidarisch zu finanzieren hat, und solchen, für die der einzelne Versi- cherte selbst aufkommen kann, gefunden werden. Auch hier sieht sich Ehrenberg mit den Ärzten ei-nig. Als Beispiel führte er die "Ba-
gatellarzneimittel" auf.
®
Der Arzt darf nicht allein gelas- sen werden bei der Aufgabe, beim Versicherten Verständnis für ein kostenbewußtes Verhalten zu wecken. Hier sei Information nicht nur über die Wartezimmer, son- dern auch über die Krankenkas- sen nötig.Einigkeit sieht Ehrenberg darüber hinaus in einigen weiteren, die strukturelle Weiterentwicklung des Gesundheitswesens betreffen- den Punkten: Aufwertung der Funktion des Allgemeinarztes, Verstärkte Zusammenarbeit zwi- schen niedergelassenen Ärzten und Krankenhausärzten, Förde- rung ärztlicher Kooperationsmo- delle sowie der Kooperation mit anderen Heilberufen und auch mit Sozialstationen.
Die von Ehrenberg in seinem Grußwort vor dem NAV hintange- stellten Differenzen betreffen den weiteren Ausbau des Systems der sozialen Sicherung und die Aus- weitung des Staatseinflusses. Das sei an drei Punkten erläutert.
~ Ehrenberg rückt in keiner Wei- se von der einnahmeorientierten Ausgabenpolitik ab. Nach Roos bedeutet diese jedoch den ent- scheidenden Schritt "vom Versi- cherungs- zum staatlichen Versor- gungsprinzip".
~ Zumindest aus Ehrenbergs Umgebung stammen Ideen, die Konzertierte Aktion verbindlicher zu machen ("Strukturrat des Ge- sundheitswesens"). Ehrenberg nahm zu dieser Frage, die ihm gut bekannt sein muß, nur insoweit Stellung, als er die bisherige Kon- zertierte Aktion als basierend auf der freiwilligen Mitarbeit kenn- zeichnete. Etwas sibyllinisch gab er aber auch zu überlegen, man
müsse "ein praktikables Verfahren finden, um die Empfehlungen der Konzertierten Aktion auch umzu- setzen". Die Empfehlungen seien bei den Vertragsabschlüssen zu berücksichtigen: das ist entweder eine Binsenweisheit oder eine Drohung.
~ Die Ersatzkassen sollen in ir- gendeiner Weise in das System der RVO-Kassen eingebunden werden. Ehrenberg und Anke Fuchs haben in ihrem Buch "So- zialstaat und Freiheit" gefordert, die Ersatzkassen stärker in das Grundmuster des Kassenarztes einzubinden, notfalls auch Besitz- stände anzugreifen. Roos inter- pretierte: "So zieht man gegen die Ersatzkassen zu Felde, für die sich freiwillig jeder dritte Krankenversi- cherte in der Bundesrepublik Deutschland entschieden und da- mit sozusagen mit den Füßen ab- gestimmt hat".
Ehrenbergs Replik: Diese Abstim- mung mit den Füßen habe leider das Ergebnis gehabt, daß "sämtli- che Fußkranke bei den allgemei- nen Ortskrankenkassen geblie-
ben" seien. Das möchte Ehren-
berg ändern. Er stritt jedoch ab, Absichten auf eine Einheitsversi- cherung zu hegen. Von einem kas- senübergreifenden Finanzaus- gleich halte er nichts. Notwendig sei hingegen ein Risikoausgleich-
"möglichst schon beim Zugang", denn jede einseitige Risikovertei- lung sprenge auf die Dauer das System.
Sich und sein Ministerium will Eh- renberg bei diesem Geschäft aller- dings einstweilen heraushalten. Er baut hier auf ein Instrument, das schon beim "Kostendämpfungs- gesetz" funktioniert hat. War es hier die vielberufene gemeinsame Selbstverwaltung von Ärzten und Kassen, die die Korsettstangen einziehen mußte, so soll es beim Risikoausgleich die Selbstverwal- tung der Krankenkassen sein, de- ren Arbeitsgemeinschaft schon nach einer Regelung sucht. Eh- renberg: "Ein Jahr sehen wir noch geduldig zu, sonst muß der Staat aktiv werden." NJ
2832 Heft 48 vom 27. November 1980 DEUTSCHES ARZTEBLATT
NACHRICHTEN
Schmidt-Kempten (FDP):
Kein neues
Kostendämpfungsgesetz zu erwarten
"Es wird keine Neuauflage des Krankenversicherungs-Kasten- dämpfungsgesetzes mit dirigisti- schen Vorstellungen geben." Dies betonte der sozialpolitische Spre- cher der FDP-Bundestagsfraktion und Vorsitzende des FDP-Bundes- fachausschusses für Sozial- und Gesellschaftspolitik, Hansheinrich Schmidt (Kempten), MdB, vor der 58. Hauptversammlung des Mar- burger Bundesam 7. November in Köln (über die das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT in seiner nächsten Ausgabe noch eingehend berich- ten wird). Das Wahlergebnis habe nach Schmidts Worten vielleicht dazu beigetragen, solche Überle- gungen nicht weiterzuverfolgen.
Allerdings werde eine überarbeite- te Novelle zum Krankenhausfinan- zierungsgesetz (KHG) zu Beginn der neuen Legislaturperiode er- neut eingebracht werden. Ohne den Krankenhausbereich stärker in die "Konzertierte Aktion" einzu- binden, werde die Koalition darauf drängen, daß das Kostengebaren der Krankenhäuser so ausgerich- tet wird, daß das Gesundheits- system langfristig finanzierbar bleibt.
Bei der Krankenhausbedarfspla- nung und der Festlegung von Richtwerten sollte der Sachver- stand aller am Krankenhauswesen beteiligten Gruppen einbezogen werden.
Der FDP-Sprecher betonte, seine Fraktion werde am Konzept einer einheitlichen Ausbildung zum Arzt festhalten. Eine neue Approba- tionsordnung für Ärzte müsse zu einer praxisbetonteren Ausbil- dung führen. Als ersten Schritt empfahl Schmidt-Kempten eine
"Übergangsregelung", um den niedergelassenen Arzt für den "ei- genständigen Einsatz in der Pra- xis" vorzubereiten. EB