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Bericht und Meinung
AUS DEN BUNDESLÄNDERN
derte und vielgestaltige Arbeitswei- se und Zusammenarbeit auch den Anforderungen moderner medizini- scher Diagnostik gerecht werden können.
Der Durchschnitt als Maßstab Die Daten über die Kostenexpansion im Gesundheitswesen geben keine Auskunft über die Effizienz eines solchen Aufwandes. Sewering gibt zu bedenken, was heute z. B. mo- derne Isotopendiagnostik für den Patienten bedeutet. Etwa für die Schilddrüsenerkrankungen oder für die Verlaufskontrolle nach Tumorer- krankungen. Er erwähnt als Beispiel das Nachsorgeprogramm für Patien- ten mit Brustkrebs, wie es in der Tumorklinik Trissl entwickelt wurde.
Die Seweringsche Gemeinschafts- praxis ist in der Lage, in Zusammen- arbeit mit den Frauenärzten dieses Programm durchzuführen. Für die Frauen ein großer Fortschritt, aber es verursacht natürlich Kosten.
Es ist deshalb kein Wunder, wenn die Praxis z. B. in der Abrechnungs- spalte „Röntgen", die bei der elek- tronischen Datenverarbeitung auch die Nuklearmedizin mit umfaßt, in einem von den Kassen beanstande- ten Quartal einen Fallwert von 40,20 DM gegenüber 12,75 DM bei den In- ternisten schlechthin erreichte. Da- bei kommt hinzu, daß Sewering eine große pneumologische Praxis in die Gemeinschaftspraxis einbrachte, ein Gebiet also, das schon für sich gesehen bei der Röntgendiagnostik etwa die dreifachen Kosten eines all- gemeinen Internisten aufweist. Auch bei anderen Leistungen, so vor al- lem bei der Labordiagnostik, zeigt sich, daß ein deutlich höherer Fall- wert Ausdruck einer fast reinen Überweisungspraxis ist, die keinen Ausgleich hat zwischen aufwendi- gen und weniger aufwendigen Be- handlungsfällen.
Dies eben ist der Mangel des Prü- fungsverfahrens von Kassen und Kassenärztlicher Vereinigung, daß eine aus dem Rahmen fallende Pra- xis,
die zu 90 Prozent! mit Überwei- sungen zu tun hat, am allgemeinen
Fachdurchschnitt gemessen wurde.
Inzwischen herangezogene Verglei- che mit annähernd vergleichbaren Praxen ergeben dann auch ein ganz anderes Bild.
Gleichwohl könnte der Verdacht na- heliegen, daß Sewering bestrebt ist, durch mehr Leistungen seine auf- wendige Apparatur auszulasten. Die hohe Zahl der Patienten und die Mit- benützung der Einrichtung durch andere Ärzte macht solche Überle- gungen jedoch überflüssig. Es wäre wohl auch weit hergeholt, wenn man den anderen in der Praxis tätigen Ärzten unterstellte, sie würden Lei- stungen veranlassen, um seine Er- tragssituation zu verbessern. Was Sewering selbst betreibt, ist Pneu- mologie. „In diesem Bereich entste- hen Streitigkeiten über die Höhe des Honorars so gut wie überhaupt nicht, weil die Leistungen zur Abklä- rung eines Lungenfalles nahezu im- mer die gleichen sind." Insofern las- sen sich also Beziehungen zwischen persönlichen Wünschen nach höhe- rem Ertrag weder von seiner Person
— ZITAT Systematisch schlecht gemacht
„Man geht — je nach politi- schem, ideologischem oder verbandspolitischem Standort
— schlicht von der Aussage aus, unser Gesundheitswesen sei schlecht und teuer oder zumindest zu teuer. Ich be- haupte jedoch — das gilt so- wohl für den ambulanten wie auch für den stationären Be- reich — unser Gesundheitswe- sen ist in Ordnung und kann sich im internationalen Ver- gleich durchaus sehen lassen.
Es ist nicht schlecht, es wird jedoch systematisch schlecht gemacht."
Prof. Dr. med. Hans-Werner Müller, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhaus- Gesellschaft.
noch von seinen Kollegen her kon- struieren, meint Sewering.
Aus langer Erfahrung weiß er, daß man z. B. in der Laboratoriumsmedi- zin durchaus darüber streiten kann, was im einzelnen Fall notwendig ist oder nicht. Aber bei vorurteilsloser Betrachtung wird man nach seiner Auffassung nie zu dem Ergebnis kommen können, daß eine Über- schreitung um jeweils 50 000 DM im zweiten und dritten Quartal 1975 vorgelegen hat, wie dem Beschwer- deausschuß von den Kassenvertre- tern suggeriert worden ist. Bezeich- nend ist auch, daß in allen vorange- gangenen Jahren keine oder doch keine erwähnenswerten Beanstan- dungen laut wurden.
Das Zahlenmaterial der Kassen Und bezeichnend auch die Fehlin- formation, die seitens des Landes- verbandes der Ortskrankenkassen Bayern der Öffentlichkeit gegeben wurde, als dieser seine angeblich geübte „Zurückhaltung" aufgab.
Danach habe sich die „Gesamtsum- me der Regresse" oberbayerischer Ärzte im Jahre 1974 auf 207 976 DM belaufen, während bei Sewering al- lein für zwei Quartale ca. 100 000 DM zurückgefordert wurden. „Bei dieser Sachlage", so der LdO, „ist es unerklärlich, wie die Kassenärztliche Vereinigung Bayern die Regreßsa- che ihres Vorstandsvorsitzenden als
‚normalen' Vorgang glaubhaft ma- chen will.
Tatsächlich wurden aber 1974 von Prüfungs- und Beschwerdeaus- schüssen insgesamt 1,166 Millionen DM Honorarsumme in Oberbayern gekürzt und 1975 gar 1,88 Millionen DM. Dies geschah mit 640 bzw. 1274 Beschwerden.
Dennoch hat der LdO recht: „nor- mal" erscheint der Vorgang Sewe- ring nicht. Vielmehr muß hier ein gezielter Versuch vermutet werden, den Spitzenrepräsentanten der Ärz- teschaft unglaubwürdig zu machen.
Sieht man nämlich diese Aktion auf dem Hintergrund des inzwischen durchaus im Sinne der Ortskranken-
568 Heft 9 vom 3. März 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT