A 1894 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 40|
8. Oktober 2010E
ine der vehementesten Geg - nerinnen der australischen Atomindustrie ist eine freundliche Großmutter. Die Aborigine Yvonne Margarula sitzt in einem bunt ge- blümten Kleid vor der Kamera, um Konferenzgästen im schweizeri- schen Basel von einem vier Jahr- zehnte währenden Kampf zu be- richten. 1970 kamen Bergbauunter- nehmen in den Norden des Landes, um die wenige Jahre zuvor entdeck- ten Uranvorkommen zu erschlie- ßen. Mit ihnen seien Krankheiten und Alkohol gekommen. Und das Gift. Durch die damals errichtete Jabiluka-Mine gelangt nicht nur Uran in die umliegenden Gewäs- ser und den Kakadu-Nationalpark.Auch das frei werdende Radon gefährdet die Gesundheit der Ur - einwohner, für die Teile des Gebiets heilig sind. Seit Jahrzehnten kämp- fen sie gegen das Urangeschäft.
Nach Massenverhaftungen erhiel-
ten Margarula und ihre Mitstreiter 1998 die Auszeichnung der Um- weltschutzorganisation Friends of the Earth. „Tief in meinem Herzen fühle ich, dass unser Leben ohne diese Mine besser wäre“, schließt Margarula ihre Videonachricht.
Den Folgen des Uranabbaus für Mensch und Umwelt widmete sich ein Tagesseminar im Vorfeld der diesjährigen Weltkonferenz der
Ärzteorganisation IPPNW, die Ende August in Basel stattfand. Circa 50 000 Tonnen des radioaktiven Me- talls werden zurzeit jährlich geför- dert – bei steigender Nachfrage. Die Folgen werden jedoch oft ausge- blendet. Die Autorin Inge Schmitz- Feuerhake trug 2007 im „Strahlen - telex“ Nummer 494–495 einige der belegten Krankheiten zusammen. In einem unmittelbaren Zusammen- hang mit Uranbergbau konnten dem- nach nachgewiesen werden: solide Tumoren, gutartige und unspezifi- sche Tumoren, Bluterkrankungen, Leukämie, Lymphome, multiple Myelome, Magenkrebs, Leberkrebs, Darmkrebs, Krebserkrankungen der Gallenblase und der extrahepatischen Gallenwege, Nierenkrebs, Hautkrebs, psychische Störungen und Geburts- fehler.
Umso verheerender ist es, dass die Bewohner der betroffenen Re- gionen über die Gefahren nicht auf-
geklärt, geschweige denn geschützt werden. Wie in Australien haben sich auch im US-Bundesstaat South Dakota Umweltschutzgruppen ge- gründet. Dort gibt es circa 1 000 Uranminen, die seit den 1970er Jahren stillgelegt sind. „Anfangs gingen wir von einem Dutzend Förderschächten aus“, sagte Char- main White Face, eine Vertreterin der drei Sioux-Volksgruppen, im
Gespräch mit dem Deutschen Ärzte- blatt in Basel: „Erst nach und nach haben wir das gesamte Ausmaß der Minen in unseren Black Hills erfasst.“ White Face spricht vom
„geheimen Tschernobyl der USA“.
Schließlich betreffe die radioaktive Verseuchung nicht nur die indigene lokale Bevölkerung. Mehr als 10 000 Bohrlöcher seien einst bis zu 240 Me - ter tief in die Berge getrieben wor- den. Heute sind sie mit Wasser ge- füllt, das zunächst in den Missouri und dann in den Mississippi gelangt.
Ähnliche Beispiele wurden auf der Baseler IPPNW-Fachtagung aus Deutschland, Kanada, Brasilien, Indien, Namibia, Niger, Mali und Russland berichtet. Vor allem die in- digenen Bevölkerungsgruppen sind in den Ländern des Südens von dem schädlichen Uranabbau bedroht. In Deutschland wurde Uran bis 1990 in Sachsen und Thüringen gefördert, auch hier mit erheblichen Konse- quenzen für Mensch und Natur.
Etwa 100 Teilnehmer der Schweizer Konferenz zu Uranab- bau, die von Nuclear Free Future Award unterstützt wurde, verab- schiedeten am 26. August eine „Ba- seler Erklärung“. Die Förderung von Uran und des Rohmaterials Triuranoctoxid, so heißt es darin,
„gefährdet die Umwelt und alle Le- bewesen, stellt eine Verletzung der Menschenrechte dar und bedroht den internationalen Frieden, weil in letzter Konsequenz die atomare Ab- rüstung unterlaufen wird“. ■ Harald Neuber
URANBERGBAU
Gift aus der Tiefe
Der Abbau des radioaktiven Urans ruft weltweit Protest hervor.
In Basel trafen sich Kritiker am Rande der IPPNW-Weltkonferenz.
Charmain White Face – sie repräsen- tierte auf dem IPPNW-Weltkongress eine Sioux-Organisa- tion „Defenders of the Black Hills“. In den USA sind die indige- nen Völker besonders von den schädlichen Auswirkungen des Uranabbaus betroffen.
Foto: Boris Buchholz/IPPNW