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Archiv "Präimplantationsdiagnostik: Anspruchsdenken verschließen" (17.07.2000)

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Die Meldung über 50 000 vernichtete Embryonen in England – ebenfalls in Heft 18/2000 – müsste jede weitere Dis- kussion über die Präimplantationsdia- gnostik im Keim ersticken und – wie von Dr. Montgomery gefordert – zu einem absoluten Verbot führen.

Notwendig ist zusätzlich ein intensives Nachdenken über eine gesetzliche Ein- schränkung der Pränataldiagnostik und Limitierung der künstlichen Befruch- tung . . .

Dr. med. Claudia Kaminski Ottmarsgässchen 8, 86152 Augsburg

Ethisch nicht vertretbar

Herrn Dr. Montgomery ist sehr zu dan- ken für sein klares Plädoyer, die Präim- platationsdiagnostik zu verbieten. Dabei bildet weniger die Diagnostik an sich das Problem; vielmehr sind es die Konse- quenzen, die sich aus dieser Diagnostik ableiten. Solange therapeutische Mög- lichkeiten fehlen und solange lediglich die Tötung des ungeborenen Menschen die Folge ist, lässt sich die Präimplantati- onsdiagnosik ethisch nicht vertreten.

Natürlich ist es Aufgabe eines jeden Arztes, Krankheit zu verhindern. Doch auch hier sind seinem Handeln ethische Grenzen gesetzt. Es ist keine Prophylaxe, eine Erkrankte/einen Erkrankten früh- zeitig zu identifizieren und dann zu töten.

Dr. Rupert Pullen

Anemonenweg 1, 42553 Velbert

Alternativen

In den Diskussionsbeiträgen zur Präim- plantationsdiagnostik kann man leider nicht durchweg erkennen, dass im Mittel- punkt aller Überlegungen ein Ehepaar mit Kinderwunsch steht, das ein hohes genetisches Risiko trägt und damit rech- nen muss, dass eine oder eine weitere Fehlgeburt, Totgeburt oder Geburt eines schwer geschädigten oder bald sterben- den Kindes zu befürchten ist. Wir Ärzte werden zum genetischen Risiko bezie- hungsweise Wiederholungsrisiko ge- fragt, nennen die Gefahr und sind dem ärztlichen Ethos verpflichtet vorzubeu- gen und zu heilen. Die Präimplantations- diagnostik bietet die Möglichkeit der Verminderung des Risikos, dass schwer

defektive Nachkommen entstehen, be- vor der Embryo in den Mutterleib trans- feriert wird, bevor die Nidation als Bin- dung von Embryo und Mutter erfolgt und bevor Organsysteme entstehen, die das Menschenkind erst einmal lebens- fähig werden lassen. Und schließlich wird ein Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften SSW (oder gar noch später?) vermieden.

Der BÄK-Richtlinienentwurf gibt ei- ne simple Empfehlung, wie die ethischen Konflikte der PID vermeidbar sind: „in- dem betroffene Paare bewusst auf Kinder verzichten oder sich zu einer Adoption entschließen“. Der Ethos vom Verzicht entspricht der Schicksalsergebenheit ge- genüber einer höheren Gewalt. Ärztli- cher Ethos erlaubt uns nicht, apathisch- nihilistisch Krankheiten, Leiden und Schäden als Schicksal hinzunehmen, so- lange Hoffnung auf Vermeidung und Heilung besteht.

Der BÄK-Richtlinienentwurf nennt leider nicht die schlechten Chancen für eine Adoption. In Deutschland warten sechs bis acht Ehepaare auf ein adoptier- bares Kind, die meisten warten frustriert jahrelang, bis sie schließlich für die Adop- tion zu alt geworden sind. Der BÄK- Richtlinienentwurf nennt leider auch nicht eine seit über 30 Jahren in Deutsch- land sehr erfolgreich praktizierte Heilbe- handlung, die dem Rat suchenden Ehe- paar unbedingt genannt werden sollte, die donogene (gespendete, d. Red.) Inse- mination und donogene IVF aus geneti- scher Indikation. Sie ist weder ethisch noch rechtlich unzulässig. Seit Jahren existieren Richtlinien zur Spenderaus- wahl und zur Verfahrensweise.

Das Ehepaar muss selbst zwischen Adoption, donogener Befruchtung und Verzicht entscheiden.

Prof. Dr. E. Günther

Max-Steenbeck-Straße 46, 07745 Jena

Anspruchsdenken verschließen

Mit der In-vitro-Fertilisation hat man die Basis ärztlichen Handelns verlassen. Mit ESchG und Richtlinien zur PID versucht man jetzt Dämme aufzurichten, die wahrscheinlich nicht lange, auf keinen Fall ewig halten werden. Offen wird in einzelnen Diskussionsbeiträgen bereits von eugenischen Zielsetzungen gespro-

chen. Zuerst wollte man nur den Kinder- wunsch von Paaren erfüllen, jetzt wird bereits von amerikanischen Gerichten ein Recht des Kindes auf körperliche und geistige Gesundheit festgelegt, dem- nächst wird ein behindertes Kind seine Eltern auf Schadensersatz verklagen können. Und niemand kann sich damit entschuldigen, das habe er nicht gewollt.

Erst 1968 wurde von der Bundesregie- rung das 1955 erlassene „Gesetz zur Ver- hütung erbkranken Nachwuchses“ end- gültig für unwirksam erklärt, vorher war es nur dispensiert. Die Idee der Eugenik geht auf Sir Francis Galton zurück, wel- cher forderte, eine verantwortungsvolle Menschheit müsse ihre „Zuchtwahl“

selbst in die Hand nehmen, um die Be- völkerung vor einem vermeintlichen bio- logischen Niedergang zu bewahren. Und 1950 rief der Generalsekretär der Ameri- can Eugenics Society aus: „In Zukunft wird der Mensch auf das 20. Jahrhundert zurückblicken und es das eugenische Jahrhundert nennen. Eugenik fegt wie eine große Religion über die Welt.“ Der Medizin wuchs die Rolle des Voll- streckers des sozial Wünschenswerten und scheinbar wissenschaftlich Erforder- lichen zu. Wie es geendet hat, wissen wir.

Was vergessen wurde, ist die Resonanz, welche diese Ideen seinerzeit hatten.

Selbst die späteren Friedensnobel- preisträger Aiva und Gunnar Myrdal for- derten ein schonungsloses Sterilisations- programm, und der amerikanische Phy- sik-Nobelpreisträger W. Shockley wollte alle Menschen mit niedrigem IQ sterili- siert wissen. Zwangssterilisationen so ge- nannter Erbkranker fanden bis in die jüngste Zeit in europäischen Ländern statt.

Und jetzt leben diese Ideen in neuem Gewand wieder auf. Statt der Zuchtwahl geht es jetzt um die Evolution, „es sei an der Zeit, dass der Mensch seine Evoluti- on selbst in die Hand nehme“, so Nobel- preisträger James Watson auf einem Symposion der Universität von Kaliforni- en in Los Angeles 1998. Vordergründig wird die Notwendigkeit einer Keim- bahntherapie mit dem bisherigen Misser- folg der somatischen Gentherapie be- gründet. James Watson stritt mögliche Erfolge der somatischen Therapieform rundweg ab, darauf könne man warten,

„bis die Sonne erlischt“. Gerade die Mög- lichkeit des Verwerfens von misslungenen D O K U M E N T A T I O N

A

A1964 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 28–29½½½½17. Juli 2000

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Keimen im Blastozystenstadium wurde von allen anwesenden Wissenschaftern (Molekularbiologen, Evolutionsbiologen, Ethikern) als der große Vorteil gegen- über der unsicheren somatischen Genthe- rapie ohne Widerspruch begrüßt. Keim- bahntherapie sei schließlich nur eine Er- weiterung der somatischen Gentherapie, gab der Molekularbiologe John Camp- bell zu verstehen. Sie verurteilten einhel- lig alle Versuche von gesetzlichen Regle- mentierungen von Keimbahneingriffen.

Gewisse Bedenken scheinen aber doch zu bestehen, denn es wurde postuliert, dass keinesfalls genetische Veränderun- gen zwangsläufig von Generation zu Ge- neration weitergegeben werden dürften, was durch den Einbau von Steuerungs- mechanismen verhindert werden soll (eine Zusammenfassung ist im Internet unter http://www.ess.ucla.edu:80/huge/

report.html zugänglich).

Die evolutionsbiologische Notwen- digkeit genetischer Defekte sollte bei der Diskussion genetischer Manipulationen nicht außer Acht gelassen werden. Unser Überleben beruht auf einem ständigen genetischen Lotteriespiel. Das hohe Maß genetischer Variabilität gehört zur Grundbedingung allen Lebens. Einen genetisch definierten Idealtyp gibt es nicht. Als Preis dafür haben wir die An- zahl mehr oder weniger genetischer Vari- anten zu zahlen. Aus zwingenden evolu- tionsbiologischen Gründen kann kein Mensch, kein Lebewesen, genetisch völ- lig unbeschädigt und gesund sein. Und deshalb ist es angemessen, selbst den Zu- stand gewöhnlicher Gesundheit nicht als naturgegebene Norm anzusehen oder gar als Menschenrecht einzufordern.

Die Medizin sollte sich jedem ihr angetragenen Anspruchsdenken ver- schließen, umso konsequenter, wenn da- durch ethische Konflikte vorprogram- miert sind. Bei Sterilität oder genetisch schwer belasteten Paaren, wie im Fall der Ethikkommission der Med. Univ. Lü- beck, sollte man von einer Schwanger- schaft abraten.

Die Ethik darf sich nicht dem so ge- nannten Fortschritt anpassen, „die Seele ist um sehr vieles älter als der menschli- che Geist“ ( K. Lorenz ).

Literatur beim Verfasser

Dr. med. Rolf Klimm Bach 2, 83093 Bad Endorf

Verunglimpfung deutscher Ethikkommissionen

Grundlegend falsch, schon im Titel und dann noch mehrfach im Text, ist die an- geblich von der modernen Medizin ge- lehrte Gleichsetzung von „menschlich sein“ mit „Mensch sein“. Spermien, Ei- zellen und Embryonen des Menschen sind zwar menschlich, aber sie sind noch kein halber oder ganzer Mensch. Diese frühesten Entwicklungsformen mensch- lichen Lebens haben weder die laut Bi- bel (Buch Genesis) notwendige Form noch den göttlichen Odem. Wenn die katholische Amtskirche durch ihr Ver- bieten von Kondom und Pille (und jetzt Präimplantationsdiagnostik) diese Frü- hestformen schützen möchte, so können (und werden) den Kirchenoberen hier- bei selbst von ihren eigenen Gläubigen nur noch wenige folgen.

Auch Embryonen sind mit Sicherheit in den ersten zwei Wochen keine Kinder oder Menschen, weil ein Mensch nicht zu zwei Menschen, der Embryo in die- sem Zeitraum aber noch zu eineiigen Zwillingen werden kann – er ist also noch nicht einmal ein In-dividu-um, ein Unteilbares. Zudem ist das typische Schicksal von Embryonen, wie auch von Keimzellen, der frühe Tod: mindestens zwei Drittel sterben vor der Monatsblu- tung und gehen in der Regel mit der Re- gel unbemerkt ab.

In unserer Zeit der höchstentwickel- ten medizinischen Fürsorge für Frühge- borene den Vorwurf der „dumpfen Mentalität . . . für das . . . nicht behin- derte und kräftige Leben“ aufzustellen, zeugt von Unkenntnis oder Missach- tung. Wird für behinderte Kinder und Erwachsene heute nicht getan, was früher schlicht unmöglich war? Wie hoch war denn in der Zeit vor der heuti- gen Medizin die Kindersterblichkeit, als die Menschen mit Gebeten und Gottes Hilfe auskommen mussten?

Da Kardinal Meisner die Kollabora- tion deutscher Ärzte mit dem Nazi-Re- gime anspricht, so darf daran erinnert werden, dass der Vatikan als erster Staat jene Machtergreifung mit dem Konkor- dat völkerrechtlich anerkannte und die- ser Vertrag immer noch gültig ist . . .

Bemerkenswert auch, dass ein Kardi- nal zweimal im Namen der Christen re- det, obwohl er wissen müsste, dass die

meisten christlichen Religionen die ex- treme Position der katholischen Amts- kirche auf dem Gebiet der Fortpflan- zung keineswegs zu teilen vermögen . . .

Dr. Manfred Schleyer Diplom-Biologe, Institutstraße 22, 81241 München-Pasing

Kultur des Lebens

Positiv und beachtenswert ist die Ent- schiedenheit, mit der Joachim Kardinal Meisner, Erzbischof von Köln, seine Stimme für den Schutz allen menschli- chen Lebens erhebt. Ich freue mich, dass er sich für Klarheit in der Debatte um die Präimplantationsdiagnostik auf diese Weise engagiert.

Gerade eine „Schärfung des Pro- blembewusstseins“ ist bei dieser Dis- kussion angesagt. Die Debatte für und wider die Präimplantationsdiagnostik sollte dabei auf den freiheitlichen Grundsätzen dieses Rechtsstaates beru- hen. Vor allem die deutsche Staatsidee, die sich in Artikel eins des Grundgeset- zes niederschlägt, stellt einen hohen mo- ralischen Anspruch, der verantwor- tungsbewusstes Handeln voraussetzt.

Daher geht es in erster Linie nicht um

„Einzelfallentscheidungen“, sondern vielmehr um den grundsätzlichen Pri- mat des Schutzes allen menschlichen Lebens.

Ich bin sicher, dass es nicht nur mir, als hoffentlich angehender Medizinstu- dentin, sondern vielen ein Anliegen ist, jene ethisch-moralischen und natur- rechtlichen Werte in dieser Gesellschaft ohne Abstriche aufrechtzuerhalten. Le- ben ist zu bejahen. Daraus erwächst das Gebot, die Schwachen und Hilflosen in ihrer Ganzheit zu akzeptieren und zu fördern.

Die Geste seitens der Bundesärzte- kammer, zu einem offenen und sachli- chen, gleichwohl kritischen Dialog mit der Öffentlichkeit beizutragen, zeigt, dass sogar bei der Forderung nach ei- nem sehr restriktiven Einsatz der Präimplantationsdiagnostik nicht über die Köpfe hinweg entschieden werden darf und ein Entgegenkommen ihrer- seits möglich ist.

Alice Kang

Rheinstraße 39, 53179 Bonn D O K U M E N T A T I O N

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 28–29½½½½17. Juli 2000 AA1965

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