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Archiv "Gegen behördliche Verplanung" (26.02.1981)

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Spektrum der Woche Aufsätze . Notizen THEMEN DER ZEIT

1. Strahlentherapie

und Krankenhausökonomie In diesem Zusammenhang interes- sieren besonders neben Aspekten der Planung des Angebots von Kran- kenhausleistungen sowie Aspekten der Beeinflussung der Nachfrage von Krankenhausleistungen die be- triebswirtschaftlichen Komponenten des Preisgebarens und der Preispo- litik von Krankenhäusern sowie aus volkswirtschaftlicher Sicht vor al- lem, inwieweit bestimmte Finanzie- rungsformen (Preissysteme) als Sti- mulans hinsichtlich der Leistungser- stellung wirken und inwieweit sie zur Befriedigung der jeweils beste- henden Nachfrage beitragen.

Hier interessieren allerdings weni- ger die betriebswirtschaftlichen als vielmehr die volkswirtschaftlichen Komponenten.

Neben den Fragen der Kosten und Finanzierung von strahlentherapeu- tischen Einrichtungen, die den me- dizinischen Großgeräten zuzuord- nen sind, beanspruchen die Fragen der Investitionsplanung und Investi- tionslenkung beziehungsweise der

Investitionssteuerung sowie der In- vestitionskontrolle besondere Auf- merksamkeit.

2. Kreislauf zwischen Gesundheits-

und Wirtschaftspolitik

Noch vor wenigen Jahren wurde der Zusammenhang zwischen Gesund- heits- und Wirtschaftspolitik verein- facht wie folgt dargestellt: Die Ver- hütung von Krankheiten und die Wiederherstellung der Arbeitsfähig- keit erwerbstätiger Menschen durch eine sachgerechte stationäre oder ambulante Krankenhausversorgung sind von erheblichem Einfluß auf die Entwicklung des Sozialprodukts ei- ner Volkswirtschaft (Produktivitäts- effekt der Gesundheitspolitik). Von der absoluten Höhe des Sozialpro- dukts und der Einkommensvertei- lung hängt entscheidend die Höhe des Aufkommens an Steuern und Krankenversicherungsbeiträgen ab.

Dieses wiederum ist ein wesentli- cher Bestimmungsfaktor für die Hö- he der Finanzierungsmittel für Kran- kenhäuser, die maßgeblich die Güte der Krankenhausversorgung bestim-

men. Eine entsprechend gute Kran- kenhausdiagnostik und -therapie fördert ihrerseits wiederum die Er- haltung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Erwerbstätigen.

Die größere Anzahl gesunder, er- werbstätiger Menschen erarbeitet dann ein höheres Sozialprodukt usw. Hier schließt sich der Kreislauf zwischen Gesundheits- und Wirt- schaftspolitik. Darüber hinaus ließen sich mannigfache Interdependenzen auch zwischen anderen Bereichen der Gesellschaftspolitik und der Ge- sundheitspolitik aufzeigen.

Bei diesen Überlegungen, die in den Phasen volkswirtschaftlicher Wachstumsraten uneingeschränkt ihre Berechtigung zu haben schie- nen, wurde aber teilweise überse- hen, daß Gesundheitspolitik ihre Be- grenzung auf Dauer in der Belast- barkeit einer Volkswirtschaft hat;

denn langfristig kann nur das ver- ausgabt werden, was erarbeitet wor- den ist. Deshalb kann Gesundheits- politik auch nicht ohne Rücksicht auf betriebs- und volkswirtschaftli- che Erkenntnisse betrieben werden.

Zudem wurde spätestens seit den kritischen Analysen von Ivan Illich der Glaube an die Allmacht der Me- dizin und die Vermutung, immer mehr Gesundheitsinvestitionen wür- den die Menschen auch zwangsläu- fig gesünder bleiben oder werden lassen, stark in Frage gestellt.

3. Krankenhausinvestitionen und gesundheitsökonomisches Optimum

Sachkundige Institutionen und Per- sonen haben die Feststellung getrof- fen, daß die Deutschen in ihrer Ge- samtheit nicht gesünder sind als die Angehörigen anderer Nationen, die zum Teil weit weniger für Gesund- heitsleistungen aufwenden. Daraus könnte der Schluß gezogen werden, daß sich zusätzliche Investitionen in diesem Sektor nicht lohnen. Ange- sichts dieser Situation kommt der ökonomisch-rationalen Verwen- dung volkswirtschaftlicher Ressour- cen in diesem Sektor besondere Be- deutung zu. Dem Wunsch, so viel als möglich für das Gut Gesundheit aus- zugeben, stehen ohnehin auch an-

Gegen behördliche Verplanung

Volkswirtschaftliche Betrachtungen

aus der Sicht der Krankenhäuser am Beispiel der Strahlentherapie

Joachim Baumgarten

Ökonomische Aspekte der Strahlentherapie, einem Teilgebiet der Radiologie, das ausschließlich die Behandlung von Krankheiten, vor- wiegend onkologischer Natur, durch ionisierende Strahlen, ein- schließlich radioaktiver Stoffe, zum Inhalt hat, sollten nicht isoliert beurteilt werden. Die Strahlentherapie als eine Leistungs- und Kosten- stelle im Krankenhaus ist vielmehr in ein umfangreiches vermaschtes Regelkreissystem innerhalb eines Krankenhauses eingebunden und darüber hinaus in umfassendere Systeme mit den verschiedensten Elementen, z. B. Angebot und Nachfrage von Gesundheitsleistungen, Kosten und Finanzierung von Gesundheitsleistungen, Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik, einzuordnen.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 9 vom 26. Februar 1981 415

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Gegen behördliche Verplanung

dere mehr oder weniger elementare Bedürfnisse (z. B. Nahrung, Woh-

nung, Kleidung) und die begrenzten

wirtschaftlichen Mittel einer Volks- wirtschaft entgegen.

Ein gesundheitsökonomisches Opti- mum läßt sich deshalb nicht da- durch erreichen, daß durch ein Ma- ximum an Ausgaben für Gesund- heitsleistungen die größtmögliche Gesundheit der größten Zahl ge- schaffen wird. Vielmehr muß anhand letztlich auch ökonomischer Krite- rien unter Zugrundelegung be- stimmter Prioritäten ermittelt wer- den, welcher Teil des Sozialpro- dukts einer Volkswirtschaft für die Gesundheit aufgewendet werden kann und soll. Zudem ist zu ent- scheiden, wie dieser Teil auf die ver- schiedenen Bereiche des Gesund- heitswesens verteilt werden soll. In- nerhalb des Bereichs Gesundheit konkurrieren dabei etwa stationäre, ambulante und semistationäre Be- handlung oder Kurativ-, Präventiv- und Rehabilitationsmaßnahmen.

4. Angebot und Nachfrage, Kosten und Finanzierung

Bei der sehr komplexen Problematik der Krankenhausversorgung und -fi- nanzierung ist es nützlich, sich zu- nächst einmal die prinzipiellen Mög- lichkeiten zu verdeutlichen. Ebenso wie man der Ansicht sein kann, daß effiziente Gesundheits- und Kran- kenhauspolitik nur als Gemein- schaftsaufgabe aller betrieben wer- den kann, läßt sich andererseits auch die Auffassung vertreten, daß die Inanspruchnahme von Kranken- hausleistungen ein Prozeß individu- eller Bedürfnisbefriedigung ist.

Die Lösung der Probleme der Kran- kenhausversorgung und -finanzie- rung hängt damit wesentlich davon ab, ob man Krankenhäuser der "so- zialen Infrastruktur" zuordnet, für die nicht der Markt, sondern der Staat vorzusorgen hat, oder ob man Krankenhäuser als Dienstleistungs- betriebe des Sektors Gesundheits- wesen begreift, die ihre Kosten durch leistungsgerechte Preise dek- ken sollen.

Von dieser Betrachtung ausgehend stellt sich für Krankenhausleistun- gen im allgemeinen wie auch für strahlentherapeutische Leistungen - stellvertretend für Leistungen durch andere Großgeräte - im be- sonderen die Frage: Wer entschei- det nach welchen Kriterien über die Beschaffung und wer soll oder muß nach welchen Kriterien welche Ko- stenbestandteile in welchem Um- fang auf welche Art und Weise tragen?

Die Argumente für und wider ver- schiedene Systeme und Methoden sind entsprechend den verschiede- nen zugrunde liegenden politischen Konzeptionen und je nach Interes- senstandpunkt der an dieser Ausein- andersetzung Beteiligten kontro- vers.

Die Lösungsvorschläge reichen von einem streng marktwirtschaftlich orientierten Modell bis zu einer voll- kommenen Verstaatlichung des ge- samten Krankenhaus- und Gesund- heitswesens.

Dieser Situation und dem vielerorts erkennbaren Trend im Kranken- hauswesen zu technisch perfektio- nierten, personal- und kostenin- tensiven Wirtschaftsbetrieben, die auf Massendurchgänge spezialisiert sind, hatte der deutsche Gesetzge- ber im Hinblick auf ökonomische Er- fordernisse vor allem durch das

Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und die Bundespflegesatzver- ordnung (BPfiV) Rechnung zu tra- gen versucht.

Der Zweck des KHG, nämlich die wirtschaftliche Sicherung der Kran- kenhäuser, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung in lei- stungsfähigen und wirtschaftlich be- triebenen Krankenhäusern zu ge- währleisten und zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen, ist aller- dings nicht erreicht worden. Wie eklatant hinsichtlich dieser Zielset- zungen Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen und wie dürftig die bisherigen Novellierungsversu- che dieses Gesetzes ausgefallen sind, dürfte allen mit der Materie Vertrauten hinlänglich bekannt sein.

416 Heft 9 vom 26. Februar 1981 DEUTSCHES ARZTEBLATT

5. Schwachstellenanalyse der gegenwärtigen wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser Eine unmittelbare Motivation, Res- sourcen wirtschaftlich zu verwen-

den, gibt es im deutschen Kranken-

hauswesen nicht. Daran ist insbe- sondere das Fehlen klarer Zustän- digkeits- und Verantwortlichkeitsre- gelungen, das Kompetenzgerangel, insbesondere zwischen Bund, Län-

dern, Krankenkassen und Kranken-

häusern, die gegenwärtig praktizier- te dualistische Krankenhausfinan- zierungsform und die Fixierung auf die manipulierbare Größe Pflegesatz schuld. Wie einzelne Kostenbe- standteile in deutschen Kranken- häusern derzeit finanziert werden, weist die Grafik aus.

Zusätzliche Kosten wegen unwirt- schaftlicher Betriebsführung oder Minderbelegung sind vom Kranken- hausträger selbst zu übernehmen. Die heute übliche Praxis bei Pflege- satzverhandlungen aufgrund des KHG und der Bundespflegesatzver- ordnung besteht darin, alle Kosten auf den sogenannten Pflegesatz um- zulegen, also auf eine Größe, die im Gegensatz etwa zu den Fallkosten so gut wie keinerlei Aussagekraft über die Wirtschaftlichkeit des Ver- haltens eines Krankenhauses hat.

Darüber hinaus sind dem gegenwär- tig praktizierten Krankenhausfinan- zierungssystem weitere nachteilige Auswirkungen immanent, z. B.: ..,.. fehlende Anreize zur Wirtschaft- lichkeit bei der Leistungserstellung (das heute praktizierte Selbstkosten- deckungsprinzip zusammen mit dem nach KHG vorgesehenen Ge- winn- und Verlustausgleich bewir- ken das Gegenteil),

..,.. fehlende oder zumindest unzu- reichende Steuerungs- und Kontroll- instrumente für eine wirtschaftliche Leistungserstellung,

..,.. unrationelle Betriebsdispositio- nen (die dualistische Krankenhausfi- nanzierung droht zu einer widersin- nigen dualistischen Krankenhaus- verwaltung mit allen damit verbun- denen Nachteilen zu führen), C>

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..,.. unterentwickeltes Kostenbe- wußtsein für das Verhältnis von ver- ursachten Kosten und erbrachten Leistungen bei den Leistungserstel- lern, den Leistungsempfängern und den Kostenträgern.

Zudem ist die dualistische Kranken- hausfinanzierungsform sehr verwal- tungskostenaufwendig (nicht nur in den Krankenhäusern, sondern vor allem auch in den Behörden), sie führt zu teilweise orts-und praxisfer- nen sowie weniger betriebswirt- schaftlich als vielmehr fiskalisch be- dingten Investitionsentscheidungen und beinhaltet erhebliche Abgren- zungsschwierigkeiten. Alle Versu- che, diese Nachteile durch direkte oder indirekte Eingriffe in das Kran- kenhauswesen zu kompensieren, haben genau das Gegenteil bewirkt.

Auf die sich mittlerweile ergebenden verfassungs-und wettbewerbsrecht- lichen sowie sozial- und ordnungs- politischen Bedenken soll hier nicht näher eingegangen werden.

6. lnvestitionsplanung, -Ienkung, -kontrolle

Trotz oder vielleicht auch wegen dieser gravierenden Mängel der heutigen Krankenhausversorgung und -finanzierung wird immer wie- der- für das gesamte Krankenhaus- wesen wie auch für einzelne Teilbe- reiche - die Frage aufgeworfen, ob Wirtschaftssysteme mit Privateigen- tum an Produktionsmitteln und pri- vaten Investitionsentscheidungen überhaupt geeignet sind, Investitio- nen in gesellschaftlich wünschens- werter Weise zu steuern. Die Vertre- ter des gegensätzlichen Stand- punkts beschwören dagegen die Ge- fahr der Verstaatlichung mit allen ih- rer Meinung nach damit verbunde- nen Nachteilen herauf. ln diesem Zu- sammenhang sollte man sich bemü-

hen, Möglichkeiten zur Investitions-

planung und -Ienkung jenseits aller politisch-polemischen Auseinander- setzungen auf ihre Praktikabilität im marktwirtschaftliehen System der Bundesrepublik Deutschland zu überprüfen. Dabei hat sich in letzter Zeit das Interesse an der Bestim- mung der Investitionshöhe in zuneh-

Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen Gegen behördliche Verplanung

Finanzierung der Krankenhauskosten

Selbstkosten eines wirtschaftlich

betriebenen Krankenhauses Offentliehe

Hand

Kosten für Wissenschaft, Forschung und Lehre, die übereinen normalen Krankenhausbetrieb hinausgehen

Investitionskosten und die für Zwecke des KHG den Investitionskosten gleichstehenden Kosten

Kosten der Krankenhaus·

Versorgung

Betriebskosten (modifizierte)

Benutzer oder Versichere

Kosten der Ambulanten Krankenhausver- sorgung

mendem Maße auf die Frage nach der Investitionsstruktur verlagert. Al- le Konzepte zur Investitionsplanung und -Ienkung versuchen, die Struk- tur der privaten Investitionen und ih- re Abstimmung mit den öffentlichen Investitionen auf eine bedarfsge- rechte volkswirtschaftliche Produk- tions- bzw. Angebotsstruktur auszu- richten.

Die vorgeschlagenen Modelle zur überbetrieblichen Investitionslen- kung reichen je nach dem gesell- schaftlichen Standort der Befürwor- ter von marktkonformen globalen Steuerungsmechanismen bis hin zu direkten Eingriffen in die Unterneh- merische Entscheidungsautonomie.

Während im ersten Fall die unter- nehmerische Autonomie generell er- halten bleiben soll, die Investitions- entscheidung jedoch indirekt durch eine Beeinflussung der hier zu- grundeliegenden ·einzelwirtschaftli- chen Fakten gelenkt werden soll, sind im zweiten Fall die stärksten

Einschränkungen in der Unterneh- mensautonomie mit direkten Investi- tionsverboten und Investitionskon- trollen verbunden.

Die gegenwärtige Tendenz ist klar erkennbar. Nachdem seit dem ln- krafttreten des KHG Krankenhaus- bedarf (was immer darunter verstan- den wurde) geplant wurde, sollen künftig auch medizinische Großge- räte für Krankenhäuser behördlich verplant werden. Mit Computer-To- mographiegeräten fing es an, heute sind es Strahlentherapiegeräte, mor- gen sind es Octosone oder ande- re U ltraschallgeräte, angiografische Arbeitsplätze, Laborautomaten usw.

Wenn die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozial- ordnung (11. Ausschuß) zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Än- derung des Krankenhausfinanzie- rungsgesetzes zum neuen § 14 KHG Gesetz werden sollte, dann werden künftig auch alle kurzfristigen Anla- DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 9 vom 26. Februar 1981 417

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Gegen behördliche Verplanung

gegüter bzw. Geräte mit einem Wert von über 300 000 DM behördlich zu verplanen sein. Es stellt sich hier die Frage, ob nicht mit der gleichen Be- rechtigung künftig auch alle verblei- benden Kleingeräte, insbesondere aber auch normierte Betriebsabläu- fe und bestimmte Personalkapazitä- ten, behördlich zu verplanen bzw.

verbindlich vorzugeben wären.

Die Notwendigkeit einer Kran- kenhausbedarfsplanung wird wohl kaum ernsthaft bestritten. Einigkeit besteht bei Kritikern und Befürwor- tern insoweit, daß eine planende staatliche Gesundheitspolitik und auch Krankenhauspolitik als Rah- menplanung notwendig ist. Kontro- vers wird jedoch die Frage beurteilt, ob die Struktursteuerung und Ein- zelsteuerung zum Markt- oder zum staatlichen Planungsbereich gehört.

Sollte die Öffentliche Hand über Globalpläne, über Rahmenpläne, über Zielplanungen für Regionen, über Indikationskataloge hinaus et- wa auch konkret über Detailplanun- gen entscheiden? Wer sollte im kon- kreten Einzelfall entscheiden, ob ein Strahlentherapiegerät künftig in ein Krankenhaus kommt oder nicht, wer soll über den Standort entscheiden, wer über die Ausstattung, über ap- parative, bauliche, personelle Fra- gen? Und wenn diese Fragen kran- kenhausextern entschieden werden, wer soll mit welchen Mitteln die Durchführung bzw. Einhaltung der Beschlüsse kontrollieren?

Wer soll künftig Initiativverantwor- tung, wer die Tätigkeitsverantwor- tung, wer die Resultatsverantwor- tung und wer die Kosten-, Erlös- und Finanzierungsverantwortung tra- gen? Hier scheiden sich die Geister.

Hier werden plötzlich Angebots- und Nachfragekomponenten sowie Pla- nung, Entscheidung, Risiko, Verant- wortung und andere wesentliche Determinanten verwechselt und ver- mengt. Unklar bleibt auch, nach wel- chen Kriterien im Falle drohender Überkapazitäten Investitionen in den einzelnen Krankenhäusern reduziert werden sollen und wer die Verant- wortung dafür trägt und wer eventu- elle Folgelasten. Die Fehlbeurtei- lung einer Investition im Rahmen ei-

ner vorausschauenden Totalpla- nung würde zudem wegen der ku- mulierenden Wirkung erheblich wei- ter reichendere Folgen haben als die falsche Entscheidung einzelner Krankenhäuser bei dezentraler Steuerung über den Markt.

Sicherlich gelingt auch dem Markt- mechanismus diese Koordinations- aufgabe nur unvollkommen, da sich die Determinanten für die Planung im Krankenhaus ständig ändern.

Aber die Krankenhauswirtschaft als Unternehmerwirtschaft und nicht als bevormundete und enteignete Ver- waltungswirtschaft, in der Verluste per se aus Steuermitteln gedeckt werden und die Frage des Versa- gens keine ökonomische, sondern eine politische Frage ist, ist zweifel- los beweglicher und kann auf Ände- rungen nicht nur schneller, sondern auch praxisnäher und sachgerech- ter entscheiden. Das setzt allerdings Leistungswettbewerb und damit Wettbewerbsfreiheit und Chancen- gleichheit, Eigenverantwortung und Risiko und Chance voraus, welche den Krankenhäusern schon längst genommen scheinen.

Gänzlich ungeklärt ist die Frage nach den Auswirkungen einer wei- ter zunehmenden Bürokratisierung bzw. Verstaatlichung auf das adapti- ve Verhalten der Krankenhäuser. Es ist nicht sicher, ob unter den Bedin- gungen einer weitergehenden ein- geengten unternehmerischen Ent- scheidungsautonomie weiterhin mit den bisher unterstellten Verhaltens- funktionen gerechnet werden darf.

Nicht auszuschließen sind — jeden- falls für freigemeinnützige und pri- vate Träger — unternehmerische Ausweichstrategien wie schrittweise Produktionsverlagerung in das Aus- land, Kapitalflucht oder Abwande- rung in andere Sektoren der Volks- wirtschaft.

Die Frage nach der „richtigen" Inve- stitionslenkung ist eines der ent- scheidensten Probleme der Natio- nalökonomie. Angesichts des wach- senden Problemdrucks und des da- durch erwachten Problembewußt- seins auch im Krankenhausbereich ist die Frage nach der optimalen In-

vestitionsstruktur zu wichtig gewor- den, als daß man nicht immer wieder über Verbesserungsmöglichkeiten nachdenken sollte.

7. Verhalten der Krankenkassen als Vertreter der

Nachfrager und als Kostenträger Der Normalfall im Wirtschaftsleben ist der, daß der Nachfrager eines Gu- tes gleichzeitig Bedarfsträger, Be- darfsbestimmer und Kaufkraftträger ist. Im Krankenhauswesen sind je- doch Bedarfsträger, Bedarfsbestim- mer und Kaufkraftträger in der Regel nicht identisch. Bedarfsträger und Nachfrager ist der Patient. Über die Einweisung des Patienten ins Kran- kenhaus entscheidet normalerweise der behandelnde, freipraktizierende Arzt, der somit Bedarfsbestimmer ist. Gleichfalls Bedarfsbestimmer ist der Krankenhausarzt, der über die Länge der Verweildauer entschei- det. Kaufkraftträger (Kostenträger) endlich ist in der Mehrzahl der Fälle ein Versicherer, wenn auch zu be- rücksichtigen ist, daß die finanziel- len Mittel der Versicherer aus Versi- cherungsbeiträgen oder Steuermit- teln stammen. Anstatt dieser eigen- tümlichen Konstellation Rechnung zu tragen und in Selbstverwaltung, wozu aber nicht nur Kompetenz, sondern auch Verantwortung ge- hört, ihren Aufgaben gerecht zu wer- den, verhalten sich die Krankenkas- sen und ihre Verbände im Prinzip ähnlich wie die Länder; sie wollen immer weniger zahlen, aber immer mehr zu bestimmen haben.

Die Spitzenverbände der Kranken- kassen, für die ja Selbstverwaltung die absolute Priorität hat, haben im Herbst 1979 in einer gemeinsamen Presseerklärung den Novellierungs- stand des Krankenhausfinanzie- rungsgesetzes kritisiert. Dabei wur- de an Bundestag wie an Bundesrat appelliert, neben verschiedenen an- deren Forderungen auch am duali- stischen Finanzierungssystem fest- zuhalten und sogar weitergehend ei- ne Trennung zwischen Investitions- und Betriebsbereitschaftskosten so- wie Benutzerkosten vorzunehmen.

Nur letztere dürften nach Auffas- 418 Heft 9 vom 26. Februar 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Gegen behördliche Verplanung

sung der Kassen in den Pflegesatz eingehen. Abgesehen davon, daß diese Forderung nicht betriebs- oder volkswirtschaftlich, sondern ledig- lich vordergründig mit der Beitrags- höhe der Krankenkassen begründ- bar ist, und wegen zu erwartender Abgrenzungsschwierigkeiten sogar Unwirtschaftlichkeit impliziert, ist diese Position auch aus anderen Gründen völlig unverständlich. Man kann nicht immer weniger (nämlich bei den Betriebskosten) bezahlen und gleichzeitig immer mehr (näm- lich bei Krankenhausbedarfsfragen, Großgeräteanschaffung u. a.) be- stimmen wollen. Gerade dadurch entstehen ja vielfältige Reibungsver- luste und Unwirtschaftlichkeit, daß Angebots- und Nachfragestruktur immer stärker miteinander ver- mischt werden.

Über die Anschaffung eines Großge- rätes entscheidet doch heute ohne- hin kaum noch das Krankenhaus al- lein — vielleicht auch in Rückkoppe- lung mit dem Nachfrager (nämlich den Krankenkassen für die Versi- cherten und Patienten); über die An- schaffung entscheiden heute Büro- kraten und Technokraten, zweifellos nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne jegliches finanzielles Risi- ko, ohne unternehmerische Verant- wortung und ohne verschiedene an- dere Voraussetzungen. Diese Ein- schränkung des eigenverantwortli- chen Entscheidungsspielraums der Krankenhausleitungen hat sich letzt- lich auch negativ auf das Interesse am Aufdecken und an der Umset- zung von Rationalisierungsmöglich- keiten ausgewirkt. Statt dessen geht bei der heutigen Finanzierung durch Förderung (Übernahme der Investi- tionskosten durch die öffentliche Hand) eine unübersehbare Schwem- me von Beschaffungsanträgen ein, ohne daß dort immer beurteilt wer- den könnte, ob der Beschaffungsan- trag unabdingbar notwendig, nütz- lich, prestigebedingt oder vielleicht nur mal der Versuch war, auch et- was „vom großen Kuchen" zu be- kommen.

Es soll nicht bestritten werden, daß ein bedarfsgerecht gegliedertes Sy- stem leistungsfähiger Krankenhäu-

ser eine umfassende und langfristi- ge Krankenhausbedarfsplanung vor- aussetzt. Für das Funktionieren ei- ner Krankenhausbedarfsplanung ist aber eine Beteiligung der öffentli- chen Hand an der Finanzierung der Krankenhäuser oder gar eine Ver- staatlichung des Krankenhauswe- sens weder Notwendigkeit noch Ge- währ. Eine sachgerechte Kranken- hausbedarfsplanung könnte durch- aus auch bei einer vollen Finanzie- rung über den Preis durchgeführt und umgesetzt werden.

Dadurch würde eine Konkurrenz-Si- tuation geschaffen, die eine kosten- günstige und nachfragegerechte Er- stellung von Krankenhausleistungen begünstigt und eine wirtschaftliche Betriebsführung für die einzelnen Krankenhäuser existenz-notwendig machen würde. Bei dieser Finanzie- rungsform würde das Verhältnis Krankenhäuser— Krankenkassen auf eine völlig neue Basis gestellt. So könnten die Krankenkassen bei- spielsweise nicht die Übernahme von Betriebskosten mit der Begrün- dung verwehren, sie wären in den

Investitionsentscheidu ngsprozeß (derzeit Angelegenheit der Förder- behörde), der die Folgekosten aus- gelöst hätte, nicht einbezogen ge- wesen.

8. Zusammenfassung und Ausblick Was die Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung anbelangt, so konnte bis 1972 geradezu von einem

„gesetzesfreien Raum" gesprochen werden. Seitdem sind immer weiter- gehendere Eingriffe durch Gesetze, Verordnungen, Erlasse, Vorschrif- ten, Ausführungsbestimmungen und behördliche Praxis in die Struk- tur, die Planungs-, Entscheidungs- und Finanzautonomie der Kranken- häuser zu verzeichnen.

Wenn Prof. Dr. Dr. Hoffmann, Düs- seldorf, Präsident des Verban- des Leitender Krankenhausärzte Deutschlands, davon spricht, daß die heutige staatliche Krankenhaus- politik nichts anderes sei als der Er- satz des Zufalls durch den Irrtum, und wenn Prof. Dr. Adam, Münster,

die Auffassung vertritt, daß keines- falls die Krankenhäuser zu verurtei- len seien, wenn sie sich lebenserhal- tender Manipulationen bedienten, sondern daß der Gesetzgeber zu ver- urteilen sei, der durch törichte Ge- setzesnormen dazu beiträgt, die gu- ten Sitten zu verderben, so sollte das zumindest sehr zu denken geben.

Aber selbst wenn man diese Urteile als zu hart empfinden sollte, so scheint doch gegenwärtig festzuste- hen, daß nicht nach dem ökonomi- schen Prinzip verfahren wird, das heißt der Versuch unternommen wird, eine vorgeplante Kranken- hausversorgung der Bevölkerung mit möglichst geringen Kosten si- cherzustellen, sondern nach der pervertierten Forderung: „Wir müs- sen sparen, koste es, was es wolle!"

In dieser Situation sind die Einfluß- möglichkeiten der Krankenhausge- sellschaften leider sehr gering. Un- abhängig davon bleibt zu hoffen, daß endlich auch einmal alternative Planungs- und Finanzierungsmodel- le, möglicherweise auch eine Ver- körperschaftung der Krankenhäu- ser, ernsthaft geprüft werden. Es wird jedenfalls höchste Zeit, daß das dualistische Finanzierungssystem, die Fixierung auf den Pflegesatz, das starre Selbstkostendeckungs- prinzip, der Gewinn- und Verlustaus- gleich in der heutigen Form, die praktizierten Abgrenzungsspitzfin- digkeiten, der Rechnungswesenfeti- schismus und verschiedene andere Unzulänglichkeiten endlich durch ökonomisch vernünftige und prakti- kable Regelungen abgelöst werden.

Gesetze und Verordnungen können und sollen zwar Rahmenbedingun- gen schaffen, Wirtschaftlichkeit läßt sich aber auch für Krankenhäuser nicht behördlich verordnen.

Anschrift des Verfassers:

Diplomvolkswirt, Diplomhandelslehrer

Dr. rer. pol. Joachim Baumgarten Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft e. V.

Keithstraße 1-3 1000 Berlin 30

Referat, gehalten anläßlich des „Symposiums wirtschaftliche Aspekte der Strahlentherapie"

vom 31. Januar bis zum 2. Februar 1980.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 9 vom 26. Februar 1981 419

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