DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
GUNGSBERICHTE
NAV setzt auf Kooperation
Für den NAV — Verband der niedergelassenen Ärzte Deutsch- lands — ist die Kooperation auf allen Gebieten der ärztlichen Versorgung ein „Gebot der Stunde". Anderer- seits müßten die im ambulanten Sek- tor tätigen Kassenärzte mit hoher Fach- und Sachkompetenz den Si- cherstellungsauftrag für die ärztliche Versorgung verteidigen, noch unbe- ackerte Tätigkeitsfelder bestellen, neu entdecken und mit dem notwen- digen Know-how ausfüllen.
Statt die Kapazitäten im sta- tionären Bereich durch erweiter- te Krankenhausambulatorien und durch eine institutionell verankerte prä- und poststationäre Versorgung auszuweiten, sollte der ambulante ärztliche Sektor gestärkt und die Ko- operation aller Fachgebiete durch ei- ne Förderung von Gemeinschafts- einrichtungen und modernen For- men der gemeinsamen Berufsaus- übung gefördert werden. So der Te- nor eines während der NAV-Bun- deshauptversammlung Mitte No- vember in Köln gebilligten Leitantra- ges (vgl. dazu auch DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Heft 47/1989,
„Kurzberichte").
Aus der Sicht der Berufspoliti- ker des NAV ist es notwendig, Infor- mationsdefizite auch innerhalb der Ärzteschaft abzubauen, um das Lei- stungspotential, das niedergelassene Ärzte vorhalten, wirtschaftlich und effizient zu nutzen.
Der NAV plädiert dafür, die ärztliche Berufsordnung zu revidie- ren, um den Ärzten künftig einzu- räumen, die Patienten sachlich über das Leistungsangebot und -spektrum im niedergelassenen Bereich zu in- formieren.
Der Verband der Niedergelasse- nen befürwortet den Trend zu mehr Gruppenpraxen schon allein deswe- gen, weil in Zukunft die Arbeitszeit auch im Bereich der niedergelasse- nen Ärzte flexibilisiert werde und
Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse spürbar zunehmen. Diese ermöglich- ten den Arzten auch, sich neben ei- ner kurativen Tätigkeit auch in ande- ren Bereichen des Gesundheitswe- sens (Umweltmedizin, Arbeitsmedi- zin, öffentliches Gesundheitswesen u. a.) zu engagieren und dort beruf- lich tätig zu werden. Gemeinschafts- und Gruppenpraxen bieten für den Arzt als Kleinunternehmer und Inve- stor darüber hinaus die Möglichkeit, das Investitionsrisiko auch im appa- rativen Sektor und im Gerätepark in
„Schach und Proportion" zu halten, das Risiko zu begrenzen und auf mehrere Schultern zu verteilen.
Trotz des Plädoyers für mehr
„fachübergreifende" Gruppenpra- xen ist die Einzelpraxis für den NAV die auch heute noch dominierende Form der ärztlichen Berufsausübung im niedergelassenen Bereich. Schon allein, um eine flächendeckende Versorgung zu erreichen und Sub- spezialisierungen zu realisieren, sei die Einzelpraxis notwendig. Dies schließe allerdings in Teilbereichen eine informelle und institutionali- sierte Zusammenarbeit mit anderen Ärztinnen und Ärzten nicht aus, heißt es im Beschluß des NAV.
Noch bestehende rechtliche Hemmnisse sollten beseitigt werden.
Erinnert wird an eine Grundsatzent- scheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. April 1983, die unter bestimmten Konditionen die Zusam- menarbeit mehrerer Ärztinnen/Ärz- te in „gebietsverbindenden" Ge- meinschaftspraxen für rechtlich zu- lässig erklärt hat. Auch die ärzt- lichen Selbstverwaltungen in den Kassenärztlichen Vereinigungen und die Ärztekammern müßten dazu
„grünes Licht" geben.
In besonderem Maße seien Ar- beitsgemeinschaften von niederge- lassenen Arzten und Gruppenpraxen im Bereich der onkologischen Be- treuung, bei der Behandlung und Betreuung von Schlaganfallpatien- ten oder von Patienten nach einem Herzinfarkt notwendig. Diese Ein- richtungen müßten auf regionale Be- sonderheiten Rücksicht nehmen und
darauf zielen, den stationären Sektor zu entlasten.
Um den stationären Sektor nicht mit Bagatellfällen zu belasten, soll- ten Aktivitäten entwickelt werden, um die Kooperation niedergelasse- ner Ärzte mit den Kolleginnen und Kollegen im Klinikbereich zu för- dern. Niedergelassene Ärzte sollten Terminpläne übernehmen, die im stationären Bereich entwickelt wer- den. Als ein „wichtiges Bindeglied zwischen ambulantem und stationä- rem Bereich", insbesondere in der Grund- und Regelversorgung der Krankenhäuser, wird das kooperati- ve Belegarztwesen mit routiniertem Bereitschaftsdienst bezeichnet.
Um keiner überbordenden Inan- spruchnahme von (teuren) Klinik- ambulanzen Vorschub zu leisten, müßten die ärztlichen Körperschaf- ten flächendeckende Notfalldienst- zentralen vorhalten und in Zusam- menarbeit mit den niedergelassenen Ärzten organisieren. Eine bundesein- heitliche Notrufnummer sei zweckmä- ßig, um die Akzeptanz in weiten Kreisen der Bevölkerung zu erhö- hen.
Auch unter dem Vorzeichen ei- ner durch das „Gesundheits-Re- formgesetz" verstärkten Prävention und Krankheitsfrüherkennung — die vom NAV als „eine multidisziplinäre Aufgabe" definiert wird — sei mehr Kooperation gefordert. Der NAV ap- pelliert an die Kolleginnen und Kolle- gen, auch mit Arzthelferinnen, Psy- chologen, Soziologen, Sozialarbei- tern, Krankengymnasten, Diätbera- tern u. a. zusammenzuarbeiten. Auch Kindergärten, Schulen und Familien seien ein Aktionsfeld für mehr Prä- vention unter Stärkung der Eigenver- antwortung der Betroffenen.
Bei allen Initiativen um mehr Prävention und Bestrebungen um ei- ne verstärkte Akzeptanz der Maß- nahmen zur Krankheitsfrüh- erkennung müsse sichergestellt wer- den, „daß kurative und präventive Medizin eine Einheit bilden und nicht gegeneinander ausgespielt wer-
den". HC
I Plädoyer Gruppenpraxen für
I Prävention:
multidisziplinär
A-22 (22) Dt. Ärztebl. 87, Heft 1/2, 8. Januar 1990