POLIWIK
natürlich weiterführende Gespräche erhöht die Akzeptanz der Patienten und schafft ein gutes Klima für Zu- sammenarbeit.
Hilfe für Ärzte und Fachpersonal
Der Broschüre liegen nicht nur altruistische Motive zugrunde: Ärzten und Pflegepersonal stellt sie eine Er- leichterung dar. Wie häufig wiederho- len sich Fragen nach Telefonnum- mern, Besuchszeiten, Modalitäten rings um Operationen und Untersu- chungen?
Gleichzeitig stellt eine gute Or- ganisation des Tagesgeschehens hohe Anforderungen an die beteiligten Be- rufsgruppen. Wie angenehm ist es dann, mitten in einem Ansturm von Telefonanrufen, Tagesgeschäft, Liefe- rungen usw. dem neuankommenden
Ein praktischer „Wegweiser" für den Kranken hauspatienten, entwickelt am Städtischen Klinikum Braunschweig: Titel-Illustration
Patienten zunächst eine Broschüre in die Hand geben zu können.
Auch mit Vorurteilen läßt sich ein wenig aufräumen. Schwestern und Pfleger „trinken eben nicht ständig Kaffee", wenn sie wenig Zeit für Pati- enten haben. Der Einblick in die „ver- steckten Tätigkeiten" des Pflegeper-
AKTUELL / BLICK INS AUSLAND
sonals erhöht die gegenseitige Tole- ranz und Anerkennung.
Auch die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen bekommen die Verän- derungen bewußt oder unbewußt zu spüren. Sie können in Augenblicken zeitlicher Bedrängnis auf Beschrei- bungen im „Wegweiser" Bezug neh- men und das anschließende Gespräch kürzer fassen, da sie Wissen von sei- ten vieler Patienten voraussetzen können. Damit bleibt mehr Zeit für wesentlichere Gespräche mit Patien- ten und Angehörigen. Die Deutlich- keit von Arbeitszeiten schafft auch hier Verständnis dafür, daß eben nicht um 19 Uhr der zuständige Stations- arzt für Angehörige zu sprechen ist.
Eine verbesserte Transparenz und Kommunikation zwischen Pati-
Wie viele Hospitäler in den Ent- wicklungsländern war die evangeli- sche Klinik in Machame, einer ärmli- chen Stadt in Tansania, noch vor zehn Jahren auf den Import von Infusionen westlicher Hersteller angewiesen. Auf Dauer überstieg der Bedarf den äußerst knappen Etat des Kranken- hauses. Schlechte Straßen und klap- perige Lastwagen waren Schuld dar- an, daß die Waren nur unregelmäßig eintrafen.
Der Anästhesist Georg Kamm, der damals in Machame arbeitete, hatte deshalb die Idee, die Infusionen im Land selbst herzustellen. Mit Hilfe einer deutschen Firma baute er eine
enten und deren Angehörigen einer- seits und den Berufsgruppen im Kran- kenhaus andererseits stellen nicht nur die Grundlage für eine erhöhte Zu- friedenheit und Minderung von Kon- flikten dar, sondern helfen auch, öko- nomischer zu arbeiten.
Der Patient als „Kunde" — ein neues Qualitätskriterium?
• Die Broschüre „Ihr Wegwei- ser" als Grundlage für eigene Model- le kann angefordert werden gegen den Selbstkostenpreis von 15,— DM bei: Dr. med. Ulrike Schlein, Im Sohl 18, 34516 Vöhl-Obernburg.
Anschrift der Verfasserin Dr. med. Ulrike Schlein Im Sohl 18
34516 Vöhl-Obernburg
Filtriermaschine, die das Prinzip der Reversen Osmose nutzt. Bei der Pro- zedur wird Wasser durch eine feine Membran gepreßt. Funktioniert die Technik einwandfrei, erhält man ein bakterienfreies und nahezu völlig ent- ionisiertes Wasser, dessen Qualität mit der von destilliertem Wasser ver- gleichbar ist.
Kein Mangel mehr
Das Reinstwasser wird an- schließend zum Beispiel mit Glukose gemischt, die Lösung gefiltert und ab- gefüllt. Die wesentlichen Vorteile die-
Infusionsprojed in Tansania
Einfache Mittel -
wirkungsvolle Erfolge
Starker Blutverlust, Erbrechen und Durchfall mit der Gefahr des Austrocknens: Jedes Krankenhaus der Welt behandelt solche Symptome mit Infusionen. In Deutschland kein Problem, in Tansania, Kenia oder Zaire häufig eine Frage des Überlebens. Denn Infusi- onslösungen sind dort teuer und oft schwer zu bekommen. Der Anästhesist Dr. Georg Kamm, der für die Evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe in Bonn (EZE) nach Tansania gegangen ist, hat das Problem dadurch gelöst, daß er eine eigene Produktions- stätte für Infusionslösungen in dem ostafrikanischen Land errichtete. Inzwischen ist das Projekt so erfolgreich, daß auch andere Länder Afrikas dem Beispiel gefolgt sind.
A-182 (20) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 4, 27. Januar 1995
Mit Hilfe eines einfachen, aber wirkungsvollen Ver- fahrens werden in Moshi, Tansania, Infusionslösun- gen für die landeseige- nen Kliniken hergestellt.
Foto: Köhler
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ser Methode sind der geringe Ener- gieverbrauch und die große Menge reinen Wassers, das in kurzer Zeit ge- wonnen werden kann. Außerdem verhindert die schnelle Arbeitsweise ein Keimwachstum in den Infusions- lösungen.
Diese erste Produktionseinheit in Tansania zahlte sich bald aus: „Seit wir die Infusionen selbst herstellen, gibt es keinen Mangel mehr", berich- tet Kamm. Aus dem Experiment ist längst ein großes Projekt angepaßter Medizintechnologie geworden. Die Projektbasis wurde von Machame
nach Moshi verlegt, das wegen seines großen Flughafens günstiger liegt.
Mittlerweile gibt es rund 50 Pro- duktionseinheiten in Tansania, die zwei Drittel des jährlichen Bedarfs an Infusionen — etwa 80 000 — für das ost- afrikanische Land decken. Nach An- gaben Kamms spart Tansania damit mindestens zwei Millionen Dollar im Jahr.
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Inzwischen ist in Zaire ein ent- sprechendes Projekt mit zunächst elf Einheiten entstanden. Kleinere Pro- duktionsstätten haben in Madagaskar und Kenia ihren Betrieb aufgenom- men. In Äthiopien ist eine Einheit in Vorbereitung. Aber nicht nur diese Länder wollen mit Hilfe der Projekt- basis in Moshi ihre eigenen Infusio- nen herstellen. Regelmäßig fragen auch Staaten Asiens in Moshi oder beim Würzburger Missionsärztlichen Institut an.
Unterstützt wurde Kamm zunächst von der Evangelischen Zen-
tralstelle für Entwicklungshilfe in Bonn. Die Anschubphase hat das Bischöfliche Hilfswerk Misereor mit- finanziert. Für die neuen Infusions- einheiten in Madagaskar und Zaire ist ein Zuschuß bei der Europäischen Union beantragt. Freilich gibt es auch Kritik an der Methode. Beanstandet wird vor allem, daß Keime sich im Fil- termodul bilden oder Bakterien in das
Reinstwasser gelangen könnten.
Nach Auffassung von Dr. Bernd Köhler von der Tropenmedizinischen Abteilung der Missionsärztlichen Kli- nik Würzburg ist diese Sorge nur be- rechtigt, wenn unsachgemäß mit den technischen Geräten umgegangen werde. Bisherige Erfahrungen hätten gezeigt, daß diese Gefahr bei guter Ausbildung und regelmäßigem tech- nischen Service nicht besteht.
Günstige Lösung
Köhler verweist darauf, daß die Mitarbeiter um die Gefährlichkeit ei- ner Verkeimung wüßten. Ihnen sei bewußt, daß ein rasches Verarbeiten der Lösung die „beste Vorsorge" sei.
Außerdem erfolge die Lieferung technischer Ausrüstungen erst, wenn sich die Mitarbeiter einer gründlichen Ausbildung im Ausbildungszentrum in Moshi unterzogen hätten und ein Netzwerk für Beratung und techni- schen Service aufgebaut sei.
Die enge Zusammenarbeit mit dem Missionsärztlichen Institut Würzburg betrifft insbesondere die technischen Weiterentwicklungen.
Das Institut liefert zum Beispiel Ver- besserungsvorschläge zur Sterilfiltra- tion und zur Qualitätskontrolle. Bei regelmäßigen Besuchen in Tansania wird geprüft, ob die Vorschläge in die Tat umgesetzt sind.
Die Investition von 30 000 Dollar für die Ersteinrichtung einer Einheit amortisiere sich nach zwei Jahren, sagt Karl-Heinz Hein-Rothenbücher, Geschäftsführer des Würzburger In- stituts. Diese Summe liege vergleich- weise niedriger als die Kosten für im- portierte Lösungen. Oberarzt Köhler glaubt, Staaten wie Tansania könnten eine Menge Geld sparen, wenn die Aufarbeitung anderer Medikamente wie Päckchen zur oralen Rehydratati- on, Augentropfen, Hautsalben sowie Cloroquin, Chinin oder Schmerz- mittel in das Projekt einbezogen wür- de. So ließe sich die medizinische Ver- sorgung in wichtigen Bereichen stabi- lisieren.
Anschrift des Verfassers Gideon Zoryiku Weißenburgstraße 17 97082 Würzburg
A-184 (22) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 4, 27. Januar 1995