• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Die obligatorische Folsäurefortifikation von Nahrungsmitteln" (15.04.2011)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Die obligatorische Folsäurefortifikation von Nahrungsmitteln" (15.04.2011)"

Copied!
8
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

ÜBERSICHTSARBEIT

Die obligatorische

Folsäurefortifikation von Nahrungsmitteln

Ein in Deutschland kontrovers diskutiertes Thema Wolfgang Herrmann, Rima Obeid

ZUSAMMENFASSUNG

Einleitung: Die obligatorische Anreicherung von Grundnah- rungsmitteln mit Folsäure zur Prävention von Neuralrohrde- fekten (NTDs) wurde in den USA 1998 eingeführt. Mittlerweile haben sich mehr als 50 Länder dem Verfahren angeschlossen.

Methoden: Selektive Literaturrecherche und Berücksichti- gung nationaler Studienergebnisse

Ergebnisse und Diskussion: Frauen im gebärfähigen Alter sollen vor einer eventuellen Konzeption über ausreichend Folat verfügen, um dadurch eine Prävention folatsensitiver NTDs zu erzielen. Der Anteil der folatsensitiven NTDs liegt bei 20 bis 60 % der gesamten NTDs. Bloße Empfehlungen zur Folsäuresupplementation vor der Konzeption haben sich als untauglich erwiesen. Über mit Folsäure fortifizierte Nah- rungsmittel lässt sich die Folataufnahme signifikant stei- gern; ihr Anteil liegt üblicherweise bei etwa 50 % der täglich empfohlenen Gesamtfolataufnahme. Eine Erhöhung der Fo- lataufnahme durch Folsäuresupplementation für die gesam- te Bevölkerung wird derzeit kritisch diskutiert. Folatmangel steht mit einem erhöhten Krebsrisiko sowie weiteren Er- krankungen in Beziehung. Andererseits wurde bei sehr ho- her Folsäureaufnahme auch Besorgnis über die mögliche Gefahr einer Progression des Wachstums präneoplastischer Läsionen geäußert. Bislang sind diesbezügliche Studiener- gebnisse aber nicht einheitlich oder beziehen sich auf Tier- modelle, die einen vom Menschen abweichenden Folatme- tabolismus aufweisen. In Deutschland gibt es jährlich etwa 800 Schwangerschaften mit NTD. Die Mehrheit dieser Schwangerschaften wird nach positivem pränatalen Scree- ning abgebrochen. Die Inzidenz an NTDs in Deutschland ist im Vergleich mit EUROCAT-Daten sehr hoch: EUROCAT-Mit- telwert 7,88/10 000 Geburten (zwischen 2004–2008), Deutschland etwa 12,36/10 000 Geburten (Mittelwert der Register Mainz und Sachsen-Anhalt). Die hohe Effektivität wie auch das günstige Kosten-Nutzen-Verhältnis einer Fol- säuresupplementation zur Prävention von NTDs sprechen für die obligatorische Folsäurefortifikation von Nahrungsmitteln.

►Zitierweise

Herrmann W, Obeid R: The mandatory fortification of staple foods with folic acid: A current controversy in Germany. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(15): 249–54.

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0249

D

ie Inzidenz von Neuralrohrdefekten (Neural tube defect [NTD]) reicht von 0,5 bis 14 pro 1 000 Le- bendgeburten (e1, e2). Die häufigsten Neuralrohrdefekte sind Spina bifida, bei der das Rückenmark offen bleibt, und Anenzephalie, bei der sich die kranialen Regionen des Gehirns nicht entwickeln (e3). Der Schluss des Neu- ralrohres geschieht ungefähr 28 Tage nach der Konzepti- on. Die häufigsten maternalen Risikofaktoren für die Ge- burt eines Kindes mit Neuralrohrdefekt sind neben Folat- mangel Übergewicht und Diabetes. Folatmangel wäh- rend der Schwangerschaft ist außer für Neuralrohrdefek- te auch Risikofaktor für weitere Geburtsdefekte (e4–e6).

Perikonzeptionelle Folsäuresupplementation senkt die Inzidenz von Neuralrohrdefekten signifikant um 20 % bis 60 % (1, 2, e7–e8). In einem Cochrane Review unter Einschluss von 6 425 Frauen aus vier Studien wurde be- richtet, dass perikonzeptionelle Folatsupplementation die Inzidenz von Neuralrohrdefekten deutlich reduziert [re- latives Risiko (RR) 0,28; Vertrauensbereich 0,13 bis 0,58] (2). Rezidivierende Neuralrohrdefekte werden nach einer Metaanalyse durch Folsäuresupplementation in 85 bis 100 % der Fälle verhindert (e9, e10).

Der Beitrag fokussiert auf die Folatversorgung in Be- zug zum Risiko für Neuralrohrdefekt und zusätzlich auf das mögliche Risiko einer obligatorischen Folsäureanrei- cherung von Nahrungsmitteln für die Allgemeinbevölke- rung. Diese Übersichtsarbeit basiert auf einer selektiven Literaturrecherche in PubMed (folate fortification, NTD prevention, folate in Germany, folic acid in pregnancy) und berücksichtigt nationale Studienergebnisse.

Biologische Folatfunktionen

5-Methyltetrahydrofolat (MTHF) ist die physiologisch aktive Folatform. Durch Übertragung der Methylgruppe von 5-MTHF auf Homocystein entsteht Methionin, aus dem der universelle Methylgrupendonor S-Adenosyl- Methionin (SAM) gebildet wird. 5,10-Methylen-THF wird für die Synthese von Thymidin und 10-Formyl- THF für die Purinsynthese benötigt.

Folataufnahme, Empfehlungen

Natürliche Folate sind 30 bis 80 % weniger bioverfüg- bar als Folsäure (e11, e12). Die empfohlene tägliche Aufnahme (recommended dietary intake, RDI) für Fo- lat ist auf 400 µg diätetische Folat-Äquivalente (DFE) festgesetzt worden. Das festgelegte obere tolerable Li-

Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Universitätsklinikum des Saar- landes: Prof. Dr. rer. med. Obeid, Prof. Dr. med. habil. Hermann

(2)

mit für die Folsäureaufnahme beträgt 1 mg/d (e13).

Über die üblichen Fortifikationsprogramme wird dieses obere Limit weder erreicht noch überschritten, voraus- gesetzt, es werden keine zusätzlichen Supplemente von

> 400 µg Folsäure/d eingenommen (etwa 34 % der Amerikaner nehmen zusätzliche folsäurehaltige Präpa- rate) (e14).

Die RDI für Folat ist nicht populationsbezogen und berücksichtigt daher weder die speziellen Erfordernisse junger Frauen noch die von älteren Menschen. Postme- nopausale Frauen, die eine folatdefiziente Diät konsu- mierten und dann auf eine folatreiche Diät wechselten, zeigten, dass ungefähr 400 µg Gesamtfolat/d erforder- lich sind, um die Blutparameter Serumfolat oder Ho- mocystein zu normalisieren (e15, e16). Die mittlere Homocysteinkonzentration erreicht ein Steady-State- Niveau von nahezu 11,0 µmol/L bei einer Folataufnah- me von 400 µg/d (e17) oder einem Serum-Folatspiegel von etwa 14 nmol/L (e18). Eine Folsäuresupplementa- tion von etwa 200 µg/d (340 DFE, Faktor 1,7) ernied- rigte nach einer Studie aus Irland die Homocysteinkon- zentration im Plasma signifikant (die mittlere Nah- rungsfolataufnahme in Irland beträgt ungefähr 281 µg/d) (3). Eine Steigerung der Supplementation auf 400 µg/d hatte keinen zusätzlichen homocysteinsen- kenden Effekt, während 100 µg/d Plasmahomocystein nicht beeinflussten.

Die tägliche natürliche Folataufnahme in den ver- schiedenen europäischen Ländern liegt durchschnitt- lich zwischen 230 bis 280 µg (e19–e22). Entsprechend der Nationalen Verzehrsstudie (NVS II) liegt der Medi- an der Zufuhr an Folat-Äquivalenten in Deutschland für Männer bei 283 µg/d und für Frauen bei 252 µg/d (4). Die Dortmund Nutritional and Anthropometric Longitudinally Designed (DONALD)Studie an deut- schen Kindern und Jugendlichen erreichte nur mit Hilfe der Folsäuresupplementation bei 50 % der Probanden mindestens 80 % der empfohlenen Folataufnahme (e23). Lediglich Kinder < 1 Jahr waren ausreichend mit Folat versorgt (möglicherweise durch vitaminangerei- cherte Nahrungsmittel). In der European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC)Studie hatten 50 % der Studienprobanden eine DFE-Aufnah- me von < 103 µg/d (e24). Nach kontrollierten Diätstu- dien korreliert die Folataufnahme (diätetisches Folat und Folsäure) mit metabolischen Markern im Blut (Ho- mocystein) (e12). Wir haben bei deutschen Senioren

> 60 Jahre in etwa 25 % der Fälle erniedrigtes Serumfo- lat gemessen (5, e25). Verglichen mit US-Probanden der National Health and Nutrition Examination (NHA- NES)Studie, die ein mittleres Serumfolat von 39 nmol/L aufwiesen, ist die mittlere Folatkonzentration älterer deutscher Probanden mit 13,9 nmol/L sehr nied- rig (5). Bei schwangeren deutschen Frauen zeigten Da- ten, dass 22 % während der Schwangerschaft rauchten und nur 17 % Folsäurepräparate bis zur Geburt einnah- men. Rauchende Mütter hatten verglichen mit nichtrau- chenden eine signifikant niedrigere Folatkonzentration im Serum (18,4 vs. 30,6 nmol/L) wie auch im Nabel- schnurblut (Median 57,1 vs. 61,0 nmol/L) (6).

Folsäuresupplementation vor und während der Schwangerschaft

Das Centre for Disease Control and Prevention (CDC) der USA hat 1992 für alle Frauen im gebärfä- higen Alter die Aufnahme von zusätzlich 400–800 µg/d Folsäure gefordert. In Ländern mit Folsäurefor- tifikation von Grundnahrungsmitteln wurde bereits ein Jahr nach der Einführung eine deutliche Abnah- me von Neuralrohrdefekten beobachtet (e2, e26).

800 µg Folsäure/d sind bezüglich der Prävention von Neuralrohrdefektn nicht effektiver als 400 µg/d (e27, 1). Für Frauen mit einer positiven Anamnese bezüg- lich einer früheren Schwangerschaft mit Neuralrohr- defekt wird die tägliche Einnahme von 4 bis 5 mg Folsäure empfohlen. Allerdings ist bislang nicht be- kannt, wo die für die Prävention des Neuralrohrde- fektes niedrigste, noch ausreichende Folsäuredosie- rung liegt.

Die international unterschiedlichen Strategien zur Steigerung der Folataufnahme junger Frauen haben allesamt wenig Erfolg gezeigt. Edukative Maßnahmen und Vorsorgeprogramme in den Niederlanden haben nach zehn Jahren nur bei 30 bis 42 % der jungen Frau- en zu einer ausreichenden präkonzeptionellen Folsäu- resupplementation geführt (e28, e29). In Deutschland ist die perikonzeptionelle Gesamtfolataufnahme (ein- schließlich des Verzehrs folsäurehaltiger Multivita- mingetränke) nur bei 8,6 Prozent der Frauen als aus- reichend berichtet worden (7). Der Deutsche Bundes- rat empfahl im Jahr 2006 die Verbesserung der Folat- aufnahme (Aufklärungsmaßnahmen für die Frauen und das Personal von Gesundheitseinrichtungen) [www.bundesrat.de]. Bislang haben die Maßnah - men aber zu keiner Abnahme von Neuralrohrde - fekten in Deutschland geführt. Bei nicht-schwangeren deutschen Frauen liegt die mittlere diätetische Folat- aufnahme bei 225 bis 252 µg/d (8). Die mittlere tägli- che Folataufnahme schwangerer Frauen liegt, entspre- chend einer Studie aus drei europäischen Ländern, zwischen 311 und 327 µg/d (9). Die entsprechende Folataufnahme in Deutschland liegt zwischen 254 und 271 µg/d (9). Nur 6 % der Studienteilnehmerinnen er- reichte die in Deutschland, Österreich und der Schweiz empfohlene Folataufnahme für Schwangere von 600 µg/d und nur 26 % hatten eine diätetische Gesamtfolataufnahme von 400 µg/d. In Deutschland waren in der zwanzigsten Schwangerschaftswoche nur 36 % der Schwangeren mit Folsäure supplemen- tiert (9).

Das europäische Register für Geburtsdefekte EUROCAT berichtet für die meisten europäischen Län- der, verglichen mit Ländern mit Fortifikationsprogram- men, eine signifikant höhere Prävalenz an Neuralrohr- defekten (www.eurocat-network.eu). Mitteilungen über Geburtsdefekte in Deutschland aus dem Jahr 2008 zei- gen die höchste Inzidenz an Neuralrohrdefekten seit 1996 (16,84 versus 15,76 pro 10 000 Geburten in Sach- sen-Anhalt). Der EUROCAT-Mittelwert liegt bei 7,88 pro 10 000 Geburten (zwischen 2004–2008), in Deutschland sind es 12,36 pro 10 000 Geburten (Mit-

(3)

telwert der Register Mainz und Sachsen-Anhalt). Das bedeutet jährlich etwa 800 Neuralrohrdefekte in Deutschland. Etwa 50 % davon könnte man mit Folsäu- re verhindern.

Eine Folsäuresupplementation soll mindestens einen Monat vor der Konzeption beginnen, da der Schluss des Neuralrohres im ersten Monat nach der Konzeption erfolgt. Die meisten Schwangerschaften sind ungeplant und die mittlere Zeitspanne bis zur ersten pränatalen Visite beträgt neun Wochen, dann ist es bereits für eine Prävention von Neuralrohrdefekten zu spät. Weitere beeinträchtigende Faktoren sind fehlendes Wissen, be- sonders bei sozial benachteiligten Frauen, mangelnde Bereitschaft zur Folsäuresupplementation wie auch Kostengründe. Deshalb wurde 1998 in den USA und Kanada die obligatorische Folsäurefortifikation von Getreideprodukten eingeführt. Die Kosten für die Fol- säureanreicherung sind niedrig (USA ungefähr 1,5 bis 3 US-Dollar/Tonne Weizenmehl) (www.cdc.gov/mmwr/

preview/mmwrhtml/mm5701a4.htm). In Chile werden beispielsweise die jährlichen Kosten der Fortifikation durch nur zwei verhinderte Fälle von Neuralrohrdefek- ten ausgeglichen (e30).

Mittlerweile haben sich über 50 Länder der obligato- rischen Folsäurefortifikation von Grundnahrungsmit- teln zur Prävention von Neuralrohrdefekten ange- schlossen.

Folsäure und Krebsrisiko

Eine gesteigerte Folsäureaufnahme für die gesamte Po- pulation wird mit verschiedenen Bedenken diskutiert (10), wie:

einem erhöhten Krebsrisiko (e31)

der Maskierung eines Cobalaminmangels (Fol- säuresupplementation könnte bei Cobalaminman- gel die Änamiezeichen korrigieren, während die Neurodegeneration voranschreitet (ein mehr theo- retischer als praktischer Aspekt) oder

der Wechselwirkung mit Arzneimitteln (Antifola- te; obwohl bisher nicht bewiesen, könnte Folsäu- refortifikation eine höhere Antifolatdosierung be- dingen) (10).

In Tierexperimenten haben hohe Dosen an Folsäure eine Tumorentwicklung verhindert, demgegenüber aber das Voranschreiten prä-existierender Tumore unter- stützt (11). Die letztgenannte Rolle steht in Überein- stimmung mit dem therapeutischen Einsatz von Antifo- laten. Für die gesteigerte Folataufnahme aus natürli- chen Quellen sind demgegenüber bislang keine negati- ven Auswirkungen berichtet worden. Weiterhin haben klinische Studien bislang keine einheitlichen Resultate bezüglich einer konsistenten Beziehung zwischen er- gänzender Folsäuregabe und gesteigertem Krebsrisiko ergeben, was gegen eine kausale Rolle, besonders im Konzentrationsbereich unterhalb des oberen tolerablen Limits von 1 mg Folsäure/d spricht (Grafik).

Folatmangel wie auch die Überdosierung von Fol- säure können die DNA-Stabilität, die Genexpression und die Zellproliferation beeinträchtigen. Folatmangel kann genetische wie auch epigenetische Auswirkungen

haben und so eine Tumorentwicklung unterstützen (e32). Niedrige Folatkonzentrationen in-vitro oder in- vivo führen zu Fehleinbau von Uracil in die DNA (anstelle von Thymidin) (e33–e35), der durch Folatsup- plementation reversibel ist (e36, 12). Verglichen mit Kontrollen war der Serumfolatspiegel bei Patienten mit kolorektalen Tumoren niedriger, und es wurde DNA- Hypomethylierung der Kolon-Mukosa gefunden (13).

Allerdings konnten nicht alle Studien eine negative As- soziation zwischen Folatsupplementation und Uracil- fehleinbau in die DNA nachweisen (e37). Ein Bericht des World Cancer Research Fund und des American In- stitute for Cancer Research bestätigt für folatreiche Nahrungsmittel einen limitierten Schutz gegen Pankre- askarzinom (14). Offenbar spielt, verglichen mit demo- grafischen (Alter) oder Umweltfaktoren (wie Rauchen oder Alkohol), Folsäure als kanzerogener Faktor keine bewiesene Rolle.

Kolonkarzinom

Mit dem Beginn der Folsäurefortifikation in den USA und Kanada im Jahr 1998 wurde für die folgenden drei Jahre ein Anstieg an kolorektalen Karzinomen um vier bis sechs Fälle pro 100 000 Einwohner beobachtet (15).

Eine kausale Rolle der Folsäure ist damit aber nicht be- legt, besonders da die diagnostischen Kriterien für ko- lorektale Tumore in dieser Zeit deutlich verbessert wor- den sind. Weiterhin betrachtete die Studie nicht die Mortalität von kolorektalen Tumoren. Somit ist nicht klar, ob die angenommene Rolle der Folsäure bezüglich Beschleunigung des Krebswachstums mit einer gestei- gerten Mortalität assoziiert ist.

Fallkontrollstudien zeigten, dass hohes Serumfolat, verglichen mit niedrigem Serumfolat mit einem etwa

GRAFIK

Die duale Rolle von Folsäure bezüglich Adenom- und Krebsrisiko. Eine Folatunterversorgung gilt als erhöhtes Risiko für verschiedene Tumoren (Einbau von Uracil anstatt Thymidin in die DNA; ei- ne Überversorgung mit Folsäuresupplementen wird ebenfalls im Zusammenhang mit erhöhtem Krebsrisiko diskutiert (genetische Dysregulation). Für natürliche Folate gibt es keine Obergrenze.

(4)

50 % niedrigeren Risiko für kolorektale Tumore asso- ziiert ist (Median 31,0 versus 12,2 nmol/L) (16). Bei Patienten mit zu Studienbeginn niedrigem Folatspie- gel reduzierte Folsäure das Risiko für kolorektale Ade- nome (e38). Nach einer prospektiven Studie zeigt die Gesamt-Mortalität bei kolorektalen Tumoren keine Abhängigkeit vom vor der Tumordiagnose erhobenen Serumfolatspiegel (e39). Andererseits waren niedrige Folatspiegel im Blut mit einem höherem Risiko für fortgeschrittene Adenome und hyperplastische Poly- pen assoziiert (e40). Entsprechend einer schwedischen Studie bilden Plasmafolat und das kolorektale Krebsri- siko eine glockenförmige Beziehung. Der Folatspiegel in der untersten Quintile (< 5 nmol/L) war, verglichen mit der höchsten Quinitile (≥15 nmol/L), bei längerer Beobachtungszeit (> 4 Jahre) protektiv gegen kolorek- tale Tumore (e32).

Nach einer Meta-Analyse (fünf Querschnitt- und sie- ben Fallkontroll-Studien) ist das Risiko für kolorektale Tumore bei hoher diätetischer Folataufnahme um etwa 25 % reduziert (17). Bei Einnahme von 1 mg/d Folsäu- re über einen Zeitraum von 6 bis 8 Jahren wurde aber ein tendenziell erhöhtes Risiko für fortgeschrittene oder multiple Läsionen gefunden (RR 1,67, 95 % Kon- fidenzintervall 1,00 bis 2,80; p = 0,05), wobei das Wie-

derauftreten kolorektaler Adenome nicht erhöht war (e41). Eine kürzlich publizierte Metaanalyse (drei Stu- dien) zur Folsäuresupplementation (0,5 bis 5 mg/d über drei Jahre) fand keinen signifikanten Einfluss auf das kolorektale Karzinomrisiko bei Patienten mit Adenom- historie (e42). Drei weitere Studien (Folsäuresupple- mentation 2,5 mg/d in zwei und 20 mg/d in einer Studie über fünf bis sieben Jahre) an Populationen ohne erhöh- tes Risiko für Kolonkarzinom zu Studienbeginn erga- ben ebenfalls keine signifikante Wirkung der Folsäure auf das relative Kolonkarzinom-Risiko (e42).

Brustkrebs

In einer 5-jährigen Verlaufsstudie lag das Risiko für Brustkrebs bei Frauen, die täglich > 1272 DFE (> 748 µg Gesamtfolat) konsumierten, verglichen mit

< 345 DFE (< 203 µg Gesamtfolat), um 22 % niedri- ger (18). Eine andere Verlaufsstudie über neun Jahre an > 11 000 postmenopausalen Frauen hat ebenfalls eine protektive Wirkung von Folat gegen Brustkrebs bei einer täglichen Gesamtaufnahme von > 456 µg/d gegenüber 160 µg/d gefunden [Hazard Ratio (HR) 0,56] (19). In einer dritten prospektiven Studie mit

> 25 000 postmenopausalen Frauen hatten jene mit ei- ner Folataufnahme von > 337 µg/d, verglichen mit

KASTEN

Strategien zur Prävention von Neuralrohrdefekten durch Folsäurefortifikation

Strategie und aus Deutschland vorliegende Daten

1. Repräsentative Daten über die Häufigkeit von Neuralrohrdefekten in der Bevölkerung erheben, in Deutschland existieren nur 2 Register:

– Mainz (aktives Register)

– Sachsen-Anhalt (passives Register)

2. Das Kosten/Nutzen-Verhältnis sollte für das jeweilige Land bestimmt werden (e55, e56).

3. Die mittlere Folataufnahme der Bevölkerung sollte erfasst werden; Daten zum Serumfolat sollten in repräsentativen Stichproben der Bevölkerung erhoben werden (5, 6, e23, e24, e57).

4. Daten zum Folatstatus junger Frauen (Zielgruppe) über klinische Marker erheben (Folatspiegel im Blut und im Serum;

Homocystein im Plasma). Je häufiger Folatmangel in der Zielgruppe vorkommt, desto höher ist der zu erwartende Effekt der Folsäuresupplementation.

5. Festlegung der Art der Verabreichung oder des zu fortifizierenden Nahrungsmittels, das von der Zielgruppe konsumiert werden soll (Brot, Milch).

6. Die Höhe der Folsäurefortifikation sollte für jedes Land, ausgehend von den Punkten 2 bis 4 sowie dem durchschnittlichen Essverhalten der Bevölkerung, individuell festgelegt werden, um die Dosis von 400 µg Gesamtfolat/d zu erreichen.

7. Der Mangel an anderen Nährstoffen, die im Zusammenhang mit Folat stehen, sollte auf der Ebene der Bevölkerung abgeschätzt werden (Cobalamin, Cholin) (e23).

8. Die Folsäurefortifikation sollte mit Regelungen einhergehen, die eine unkontrollierte Verwendung von Folsäuresupplementen oder andere freiwillige Fortifikationen limitieren, um zu vermeiden, dass die Folsäureaufnahme das obere tolerable Limit bei bestimmten Populationen überschreitet.

9. Der Wirkung der Fortifikation auf die Zielgruppe (junge Frauen) sowie andere relevante Bevölkerungsgruppen (ältere Menschen, Kinder) sollte langfristig überwacht werden.

10. Die Fortifikation kann schrittweise, kombiniert mit einer Kennzeichnung fortifizierter Produkte erfolgen.

(5)

≤ 233 µg/d, oder Frauen mit supplementärer Folsäure- einahme < 400 µg/d, verglichen mit Frauen ohne Fol- säuresupplementation, kein gesteigertes Risiko für Brustkrebs (e43). In derselben Studie war eine supple- mentäre Folsäureaufnahme von ≥ 400 µg/d (entspricht einer Gesamtfolataufnahme von > 853 µg/d) mit ei- nem höheren Risiko für Brustkrebs assoziiert (HR 1,32). Die derzeit verfügbaren Daten ergeben keine konsistente Assoziation zwischen dem Brustkrebsrisi- ko und der Folataufnahme im Konzentrationsbereich der Folsäurefortifikation.

Pankreas-, Ovarial- und Prostatakarzinom In einer Verlaufsstudie über 13 Jahre, mit > 27 000 männlichen Rauchern zeigten jene in der obersten Quin- tile (Gesamtfolataufnahme > 373 µg/d), verglichen mit denen der niedrigsten Quintile (Folataufnahme < 280 µg/d), ein geringeres Risiko für Pankreaskarzinom (20).

Nach einer aktuellen Studie mit >100 000 Personen (21) ist eine tägliche Folataufnahme von ≥ 253 µg/d, vergli- chen mit ≤ 179 µg/d, bei Frauen protektiv, während bei Männern die Folsäuresupplementation das Pankreas- krebsrisiko nicht beeinflusste (21). Plasmafolat und Ho- mocystein haben keine Assoziation zum Pankreaskrebs- risiko ergeben (e44, 22). Eine schwedische prospektive Studie über 8,6 Jahre an > 81 000 Männern und Frauen fand, dass eine Folataufnahme von > 350 µg/d, vergli- chen mit ≤ 200 µg/d, mit einem niedrigeren Pankreas- krebsrisiko assoziiert ist (23).

Eine höhere Folataufnahme soll auch nicht mit einem erhöhten Risiko für Ovarial- oder Prostatakarzinom as- soziiert sein (e45). Eine prospektive Studie über 22 Jahre zeigte keine signifikante Beziehung zwischen dem Risi- ko für Ovarialkarzinom und der Folataufnahme (24). In einer Verlaufsstudie über neun Jahre an 65 836 Männern (American Cancer Society Cancer Prevention Study II Nutrition Cohort), in der bei 5158 Männern Prostata- krebs diagnostiziert wurde, gab es keine Korrelation zwischen dem Risiko für Prostatakarzinom und der diä- tetischen wie der Gesamtfolataufnahme (e46).

Adenome, solide Tumoren, Rolle der Folsäure Nach Tierexperimenten kann sowohl die Dosis wie auch die Terminierung einer Folsäuresupplementation das Adenomwachstum sowie die Umwandlung zum Karzi- nom bei Tieren mit präneoplastischen Läsionen be- schleunigen (e47–e48). Im Mausmodell induzierte Folat- mangel intestinale Tumore (e49). Eine kürzlich durchge- führte Metaanalyse humaner Studien konnte allerdings keinen signifikanten Einfluss von hohen Folsäuredosie- rungen (0,5 bis 20 mg/d über 3–7 Jahre) auf das Wieder- auftreten oder die Inzidenz fortgeschrittener Adenome bei Personen mit Adenomhistorie finden (e42).

Solide Tumore haben eine relativ lange Latenzzeit.

Das gehäufte Auftreten von Tumoren in den ersten drei Jahren nach Beginn der Folsäurefortifikation (15) könnte daher eher mit anderen Faktoren (zum Beispiel Einführung von Koloskopie-Vorsorgeunter- suchungen) als der Folsäure in Zusammenhang ste- hen. Eine potenziell schädigende Wirkung von nicht

metabolisierter, freier Folsäure im Blut konnte bis- lang in klinischen Studien nicht bestätigt werden (e50–e53).

Somit wäre der Folsäure bezüglich Krebsrisiko eine duale Rolle zuzuordnen. Bei moderater Einnahme wäre sie bezüglich der Etablierung neoplastischer Fokusse protektiv, während übermäßige Einnahme (weit über 1 mg/d) über einen langen Zeitraum Tumorwachstum beschleunigen kann (e54). Bislang gibt es aber keine be- weisenden Daten bezüglich einer kausalen Rolle für eine erhöhte Krebsinzidenz oder krebsbezogene Mortalität.

Nationale Strategien zur Folsäurefortifikation, Schlussbemerkungen

Vor Implementierung einer Folsäurefortifikation sollte der Nutzen für die Population unter Abschätzung der in dem Kasten aufgeführten Punkte kalkuliert werden (25). Die hohe Inzidenz an Neuralrohrdefekten in Deutschland könnte mit einer obligatorischen Folsäure- fortifikation um 30 bis 50 % gesenkt und zusätzlich könnten erhebliche Kosten gespart werden. Eine Be- schleunigung der Tumorprogression bei Folsäureauf- nahme in der Größenordnung gegenwärtiger Fortifika- tionsprogramme ist aufgrund des Fehlens konsistenter Resultate und kausaler Beziehungen zu verneinen.

KERNAUSSAGEN

Neuralrohrdefekt (neural tube defect [NTD]) ist ein häufiger Geburtsdefekt, dessen Inzidenz durch Sup- plementation mit einem einzigen Mikronährstoff, der Folsäure, vor der Konzeption signifikant gesenkt wer- den kann. Perikonzeptionelle Folsäuresupplementati- on senkt die Inzidenz von NTDs signifikant um 20 bis 60 %.

Die Folataufnahme in Deutschland ist niedrig und Fo- latmangel häufig; der Median der Zufuhr an Folat- Äquivalenten in Deutschland beträgt für Männer 283 µg/d und liegt für Frauen bei 252 µg/d, empfohlen werden 400 µg/d, für Schwangere 600 µg/d.

Bloße Empfehlungen zur Folatsupplementation bei jungen Frauen haben in Deutschland wie auch in an- deren Ländern die Prävalenz von NTDs nicht ge- senkt.

Ein nationales Programm zur Senkung der NTDs in Deutschland mit Steigerung der Aufnahme supple- mentärer Folsäure oder durch Anwendung einer ge- zielten Fortifikation von Grundnahrungsmitteln mit ge- ringen Folsäuremengen sollte dringend gestartet wer- den.

Eine kausale Beziehung zwischen gesteigerter Fol- säureaufnahme – im Bereich der in den meisten Forti- fikationsprogrammen verwendeten Mengen – und der Entwicklung oder Progression von Tumoren ist nicht bewiesen und scheint auch sehr unwahrscheinlich.

(6)

Interessenkonflikt

Prof. Herrmann erhielt Honorare für Beratertätigkeiten von Axis-Shield-Dia - gnostics und Synervit GmbH. Des Weiteren wurden ihm die Teilnahmegebühren für Kongresse von Abott Diagnostics und Axis-Shield erstattet. Prof. Herrmann erhielt Gelder für Forschungsvorhaben von Synervit GmbH.

Prof. Obeid erhielt Gelder für Forschungsvorhaben von Merck und Synavit GmbH.

Manuskriptdaten

eingereicht: 11. 10. 2010, revidierte Fassung angenommen: 25. 10. 2010

LITERATUR

1. Czeizel AE, Dudas I: Prevention of the first occurrence of neural-tu- be defects by periconceptional vitamin supplementation. N Engl J Med 1992; 327: 1832–5.

2. Lumley J, Watson L, Watson M, Bower C: Periconceptional supple- mentation with folate and/or multivitamins for preventing neural tu- be defects. Cochrane Database Syst Rev 2001; CD001056.

3. Ward M, McNulty H, McPartlin J, Strain JJ, Weir DG, Scott JM: Plas- ma homocysteine, a risk factor for cardiovascular disease, is lowe- red by physiological doses of folic acid. QJM 1997; 90: 519–24.

4. Nationale Verzehrsstudie II. http://www.bmelv.de/SharedDocs/

Downloads/Ernaehrung/NVS_ErgebnisberichtTeil2.pdf?__blob=

publicationFile. Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel 2008: 121–2.

5. Obeid R, Schorr H, Eckert R, Herrmann W: Vitamin B12 status in the elderly as judged by available biochemical markers. Clin Chem 2004; 50: 238–41.

6. Obeid R, Munz W, Jager M, Schmidt W, Herrmann W: Biochemical indexes of the B vitamins in cord serum are predicted by maternal B vitamin status. Am J Clin Nutr 2005; 82: 133–9.

7. Genzel-Boroviczény O, Hachmeister A, von Kries R: Unverändertes Risiko für Neuralrohrdefekte. Mangelhafte Umsetzung der Empfeh- lungen zur Folsäureprophylaxe in der Frühschwangerschaft. Kinder- ärztliche Praxis 1997; 1: 6–9.

8. Lamers Y, Prinz-Langenohl R, Bramswig S, Pietrzik K: Red blood cell folate concentrations increase more after supplementation with [6S]-5-methyltetrahydrofolate than with folic acid in women of childbearing age. Am J Clin Nutr 2006; 84: 156–61.

9. Franke C, Verwied-Jorky S, Campoy C, et al.: Dietary intake of natu- ral sources of docosahexaenoic acid and folate in pregnant women of three European cohorts. Ann Nutr Metab 2008; 53: 167–74.

10. Smith AD, Kim YI, Refsum H: Is folic acid good for everyone? Am J Clin Nutr 2008; 87: 517–33.

11. Kim YI: Will mandatory folic acid fortification prevent or promote cancer? Am J Clin Nutr 2004; 80: 1123–8.

12. Basten GP, Duthie SJ, Pirie L, Vaughan N, Hill MH, Powers HJ: Sen- sitivity of markers of DNA stability and DNA repair activity to folate supplementation in healthy volunteers. Br J Cancer 2006; 94:

1942–7.

13. Pufulete M, Al-Ghnaniem R, Leather AJ, et al.: Folate status, ge- nomic DNA hypomethylation, and risk of colorectal adenoma and cancer: a case control study. Gastroenterology 2003; 124: 1240–8.

14. Food, nutrition, physical activity, and the prevention of cancer: a global perspective. 2007: 106–7.

15. Mason JB, Dickstein A, Jacques PF, et al.: A temporal association between folic acid fortification and an increase in colorectal cancer rates may be illuminating important biological principles: a hypothe- sis. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2007; 16: 1325–9.

16. Kato I, Dnistrian AM, Schwartz M, et al.: Serum folate, homocystei- ne and colorectal cancer risk in women: a nested case-control stu- dy. Br J Cancer 1999; 79: 1917–21.

17. Sanjoaquin MA, Allen N, Couto E, Roddam AW, Key TJ: Folate intake and colorectal cancer risk: a meta-analytical approach. Int J Cancer 2005; 113: 825–8.

18. Maruti SS, Ulrich CM, White E: Folate and one-carbon metabolism nutrients from supplements and diet in relation to breast cancer risk. Am J Clin Nutr 2009; 89: 624–33.

19. Ericson U, Sonestedt E, Gullberg B, Olsson H, Wirfalt E: High folate intake is associated with lower breast cancer incidence in postme- nopausal women in the Malmo Diet and Cancer cohort. Am J Clin Nutr 2007; 86: 434–43.

20. Stolzenberg-Solomon RZ, Pietinen P, Barrett MJ, Taylor PR, Virtamo J, Albanes D: Dietary and other methyl-group availability factors and pancreatic cancer risk in a cohort of male smokers. Am J Epidemiol 2001; 153: 680–7.

21. Oaks BM, Dodd KW, Meinhold CL, Jiao L, Church TR, Stolzenberg- Solomon RZ: Folate intake, post-folic acid grain fortification, and pancreatic cancer risk in the Prostate, Lung, Colorectal, and Ovari- an Cancer Screening Trial. Am J Clin Nutr 2010; 91: 449–55.

22. Keszei AP, Verhage BA, Heinen MM, Goldbohm RA, van den Brandt PA: Dietary folate and folate vitamers and the risk of pancreatic cancer in the Netherlands cohort study. Cancer Epidemiol Biomar- kers Prev 2009; 18: 1785–91.

23. Larsson SC, Giovannucci E, Wolk A: Methionine and vitamin B6 in- take and risk of pancreatic cancer: a prospective study of Swedish women and men. Gastroenterology 2007; 132: 113–8.

24. Tworoger SS, Hecht JL, Giovannucci E, Hankinson SE: Intake of fo- late and related nutrients in relation to risk of epithelial ovarian can- cer. Am J Epidemiol 2006; 163: 1101–11.

25. Lawrence MA, Chai W, Kara R, Rosenberg IH, Scott J, Tedstone A:

Examination of selected national policies towards mandatory folic acid fortification. Nutr Rev 2009; 67 Suppl 1: 73–8.

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. rer. med. Rima Obeid

Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin Universitätsklinikum des Saarlandes Gebäude 57

66421 Homburg

SUMMARY

The Mandatory Fortification of Staple Foods with Folic Acid:

A Current Controversy in Germany

Introduction: The mandatory fortification of staple foods with folic acid to prevent neural tube defects (NTDs) began in the USA in 1998. Since then, more than 50 countries around the world have followed suit.

Methods: Selective literature review including national study results.

Results and Discussion: Women of child-bearing age need sufficient bodily stores of folate before conception to prevent folate-sensitive NTDs, which make up 20% to 60% of all NTDs. Merely recommending folic acid supplementation before conception has been found to be an unsuitable strategy. Ingestion of folate-fortified food markedly increases folate intake, generally by about 50% of the recommended daily total intake. In Germany at present, debate surrounds the issue whether fola- te intake should be raised by mandatory folate supplementation, which will affect the entire population. Folate deficiency is associated with a higher risk of cancer and other diseases; on the other hand, there is concern that very high folic acid intake might promote the growth of pre-neoplastic lesions. There are no consistent study findings to support the latter hypothesis¸ and the evidence for it is derived from research in animals whose folate metabolism differs from that of man.

About 800 pregnancies with NTD are diagnosed each year in Germany;

in most cases, the pregnancy is terminated after positive prenatal screening. The incidence of NTDs in Germany is estimated at 12.36 per 10 000 births (a mean figure derived from registry data in Mainz and Saxony-Anhalt) and is thus much higher than the mean incidence across Europe, 7.88 per 10 000 births (EUROCAT data for

2004–2008). Mandatory folic acid fortification should be adopted, as it is a highly effective and inexpensive way to prevent NTDs.

Zitierweise

Herrmann W, Obeid R: The mandatory fortification of staple foods with folic acid: a current controversy in Germany. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(15):

249–54. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0249

@

Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:

www.aerzteblatt.de/lit1511

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

(7)

ÜBERSICHTSARBEIT

Die obligatorische

Folsäurefortifikation von Nahrungsmitteln

Ein in Deutschland kontrovers diskutiertes Thema Wolfgang Herrmann, Rima Obeid

e17. Selhub J, Jacques PF, Wilson PW, Rush D, Rosenberg IH: Vitamin status and intake as primary determinants of homocysteinemia in an elderly population [see comments]. JAMA 1993; 270: 2693–8.

e18. Lewis CA, Pancharuniti N, Sauberlich HE: Plasma folate adequacy as determined by homocysteine level. Ann NY Acad Sci 1992;

669: 360–2.

e19. Stahl A, Vohmann C, Richter A, Heseker H, Mensink GB: Changes in food and nutrient intake of 6– to 17-year-old Germans between the 1980s and 2006. Public Health Nutr 2009; 12: 1912–23.

e20. Flynn A, Hirvonen T, Mensink GB, et al.: Intake of selected nu- trients from foods, from fortification and from supplements in various European countries. Food Nutr Res 2009; 53.

e21. Gonzalez-Gross M, Prinz-Langenohl R, Pietrzik K: Folate status in Germany 1997–2000. Int J Vitam Nutr Res 2002; 72: 351–9.

e22. Kersting M, Alexy U: Vitamin and mineral supplements for the use of children on the German market: products, nutrients, dosages.

Ann Nutr Metab 2000; 44: 125–8.

e23. Sichert-Hellert W, Wenz G, Kersting M: Vitamin intakes from sup- plements and fortified food in German children and adolescents:

results from the DONALD study. J Nutr 2006; 136: 1329–33.

e24. Drogan D, Klipstein-Grobusch K, Dierkes J, Weikert C, Boeing H:

Dietary intake of folate equivalents and risk of myocardial infarcti- on in the European Prospective Investigation into Cancer and Nu- trition (EPIC)—Potsdam study. Public Health Nutr 2006; 9:

465–71.

e25. Morris MS, Jacques PF, Rosenberg IH, Selhub J: Folate and vita- min B-12 status in relation to anemia, macrocytosis, and cogniti- ve impairment in older Americans in the age of folic acid fortifica- tion. Am J Clin Nutr 2007; 85: 193–200.

e26. Lopez-Camelo JS, Orioli IM, da Graca DM, et al.: Reduction of birth prevalence rates of neural tube defects after folic acid fortifi- cation in Chile. Am J Med Genet A 2005; 135: 120–5.

e27. Laurence KM, James N, Miller MH, Tennant GB, Campbell H: Dou- ble-blind randomised controlled trial of folate treatment before conception to prevent recurrence of neural-tube defects. BMJ (Clin Res Ed) 1981; 282: 1509–11.

e28. Weggemans RM, Schaafsma G, Kromhout D: Toward an optimal use of folic acid: an advisory report of the Health Council of the Netherlands. Eur J Clin Nutr 2009; 63: 1034–6.

e29. de Walle HE, de Jong-van den Berg LT: Ten years after the Dutch public health campaign on folic acid: the continuing challenge.

Eur J Clin Pharmacol 2008; 64: 539–43.

e30. Hertrampf E, Cortes F: National food-fortification program with fo- lic acid in Chile. Food Nutr Bull 2008; 29: 231–7.

e31. Hirsch S, Sanchez H, Albala C, et al.: Colon cancer in Chile before and after the start of the flour fortification program with folic acid.

Eur J Gastroenterol Hepatol 2009; 21: 436–9.

e32. Van Guelpen B., Hultdin J, Johansson I, et al.: Low folate levels may protect against colorectal cancer. Gut 2006; 55: 1461–6.

eLITERATUR

e1. Heseker HB, Mason JB, Selhub J, Rosenberg IH, Jacques PF: Not all cases of neural-tube defect can be prevented by increasing the intake of folic acid. Br J Nutr 2008; 1–8.

e2. Busby A, Abramsky L, Dolk H, et al.: Preventing neural tube de- fects in Europe: a missed opportunity. Reprod Toxicol 2005; 20:

393–402.

e3. Copp AJ, Greene ND: Genetics and development of neural tube defects. J Pathol 2010; 220: 217–30.

e4. Ionescu-Ittu R, Marelli AJ, Mackie AS, Pilote L: Prevalence of severe congenital heart disease after folic acid fortification of grain products:

time trend analysis in Quebec, Canada. BMJ 2009; 338: b1673.

e5. Beaudin AE, Stover PJ: Insights into metabolic mechanisms un- derlying folate-responsive neural tube defects: a minireview. Birth Defects Res A Clin Mol Teratol 2009; 85: 274–84.

e6. Kirke PN, Molloy AM, Daly LE, Burke H, Weir DG, Scott JM: Mater- nal plasma folate and vitamin B12 are independent risk factors for neural tube defects. Q J Med 1993; 86: 703–8.

e7. MRC Vitamin Study Research Group: Prevention of neural tube defects: results of the Medical Research Council Vitamin Study.

Lancet 1991; 338: 131–7.

e8. Smithells RW, Sheppard S, Schorah CJ, et al.: Possible prevention of neural-tube defects by periconceptional vitamin supplementati- on. Lancet 1980; 1: 339–40.

e9. Grosse SD, Collins JS: Folic acid supplementation and neural tube defect recurrence prevention. Birth Defects Res A Clin Mol Teratol 2007; 79: 737–42.

e10. Smithells RW: Can vitamins prevent neural tube defects? Can Med Assoc J 1984; 131: 273–4, 276.

e11. Winkels RM, Brouwer IA, Siebelink E, Katan MB, Verhoef P: Bio- availability of food folates is 80% of that of folic acid. Am J Clin Nutr 2007; 85: 465–73.

e12. Hannon-Fletcher MP, Armstrong NC, Scott JM, et al.: Determining bioavailability of food folates in a controlled intervention study. Am J Clin Nutr 2004; 80: 911–8.

e13. Institute of Medicine: Dietary reference intakes for thiamin, ribo- flavin, niacin, vitamin B6, folate, vitamin B12, pantothenic acid, biotin, and choline. Washington, DC, National Academy Press 2000; 150–95.

e14. Yang Q, Cogswell ME, Hamner HC, et al.: Folic acid source, usual intake, and folate and vitamin B-12 status in US adults: National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) 2003–2006.

Am J Clin Nutr 2010; 91: 64–72.

e15. Kauwell GP, Lippert BL, Wilsky CE, et al.: Folate status of elderly women following moderate folate depletion responds only to a higher folate intake. J Nutr 2000; 130: 1584–90.

e16. Jacob RA, Gretz DM, Taylor PC, et al.: Moderate folate depletion in- creases plasma homocysteine and decreases lymphocyte DNA me- thylation in postmenopausal women. J Nutr 1998; 128: 1204–12.

(8)

e33. Crott JW, Mashiyama ST, Ames BN, Fenech M: The effect of folic acid deficiency and MTHFR C677T polymorphism on chromoso- me damage in human lymphocytes in vitro. Cancer Epidemiol Bio- markers Prev 2001; 10: 1089–96.

e34. Duthie SJ, Narayanan S, Blum S, Pirie L, Brand GM: Folate defi- ciency in vitro induces uracil misincorporation and DNA hypome- thylation and inhibits DNA excision repair in immortalized normal human colon epithelial cells. Nutr Cancer 2000; 37: 245–51.

e35. Duthie SJ, Hawdon A: DNA instability (strand breakage, uracil mis- incorporation, and defective repair) is increased by folic acid de- pletion in human lymphocytes in vitro. FASEB J 1998; 12:

1491–7.

e36. Blount BC, Mack MM, Wehr CM, et al.: Folate deficiency causes uracil misincorporation into human DNA and chromosome break- age: implications for cancer and neuronal damage. Proc Natl Acad Sci U S A 1997; 94: 3290–5.

e37. Hazra A, Selhub J, Chao WH, Ueland PM, Hunter DJ, Baron JA:

Uracil misincorporation into DNA and folic acid supplementation.

Am J Clin Nutr 2010; 91: 160–5.

e38. Wu K, Platz EA, Willett WC, et al.: A randomized trial on folic acid supplementation and risk of recurrent colorectal adenoma. Am J Clin Nutr 2009; 90: 1623–31.

e39. Wolpin BM, Wei EK, Ng K, et al.: Prediagnostic plasma folate and the risk of death in patients with colorectal cancer. J Clin Oncol 2008; 26: 3222–8.

e40. Ulvik A, Evensen ET, Lien EA, et al.: Smoking, folate and methyl- enetetrahydrofolate reductase status as interactive determinants of adenomatous and hyperplastic polyps of colorectum. Am J Med Genet 2001; 101: 246–54.

e41. Cole BF, Baron JA, Sandler RS, et al.: Folic acid for the prevention of colorectal adenomas: a randomized clinical trial. JAMA 2007;

297: 2351–9.

e42. Cooper K, Squires H, Carroll C, et al.: Chemoprevention of colo- rectal cancer: systematic review and economic evaluation. Health Technol Assess 2010; 14: 1–206.

e43. Stolzenberg-Solomon RZ, Chang SC, Leitzmann MF, et al.: Folate intake, alcohol use, and postmenopausal breast cancer risk in the Prostate, Lung, Colorectal, and Ovarian Cancer Screening Trial.

Am J Clin Nutr 2006; 83: 895–904.

e44. Schernhammer E, Wolpin B, Rifai N, et al.: Plasma folate, vitamin B6, vitamin B12, and homocysteine and pancreatic cancer risk in four large cohorts. Cancer Res 2007; 67: 5553–60.

e45. Kotsopoulos J, Hecht JL, Marotti JD, Kelemen LE, Tworoger SS:

Relationship between dietary and supplemental intake of folate, methionine, vitamin B6 and folate receptor alpha expression in ovarian tumors. Int J Cancer 2010; 126: 2191–8.

e46. Stevens VL, Rodriguez C, Pavluck AL, McCullough ML, Thun MJ, Calle EE: Folate nutrition and prostate cancer incidence in a large cohort of US men. Am J Epidemiol 2006; 163: 989–96.

e47. Song J, Medline A, Mason JB, Gallinger S, Kim YI: Effects of dieta- ry folate on intestinal tumorigenesis in the apcMin mouse. Cancer Res 2000; 60: 5434–40.

e48. Lindzon GM, Medline A, Sohn KJ, Depeint F, Croxford R, Kim YI:

Effect of folic acid supplementation on the progression of colo- rectal aberrant crypt foci. Carcinogenesis 2009; 30: 1536–43.

e49. Knock E, Deng L, Wu Q, Leclerc D, Wang XL, Rozen R: Low dieta- ry folate initiates intestinal tumors in mice, with altered expressi- on of G2-M checkpoint regulators polo-like kinase 1 and cell divi- sion cycle 25c. Cancer Res 2006; 66: 10349–56.

e50. Kalmbach RD, Choumenkovitch SF, Troen AM, D’Agostino R, Jacques PF, Selhub J: Circulating folic acid in plasma: relation to folic acid fortification. Am J Clin Nutr 2008; 88: 763–8.

e51. Sweeney MR, Staines A, Daly L, et al.: Persistent circulating un- metabolised folic acid in a setting of liberal voluntary folic acid fortification. Implications for further mandatory fortification? BMC Public Health 2009; 9: 295.

e52. Sweeney MR, McPartlin J, Weir DG, et al.: Evidence of unmetabo- lised folic acid in cord blood of newborn and serum of 4-day-old infants. Br J Nutr 2005; 94: 727–30.

e53. Obeid R, Kirsch SH, Kasoha M, Eckert R, Herrmann W: Concentra- tions of unmetabolized folic acid and primary folate forms in plas- ma after folic acid treatment in older adults. Metabolism 2010 (in press).

e54. Hubner RA, Houlston RS: Folate and colorectal cancer prevention.

Br J Cancer 2009; 100: 233–9.

e55. Grosse SD, Ouyang L, Collins JS, Green D, Dean JH, Stevenson RE: Economic evaluation of a neural tube defect recurrence-pre- vention program. Am J Prev Med 2008; 35: 572–7.

e56. Grosse SD, Waitzman NJ, Romano PS, Mulinare J: Reevaluating the benefits of folic acid fortification in the United States: econo- mic analysis, regulation, and public health. Am J Public Health 2005; 95: 1917–22.

e57. Herrmann W, Quast S, Ullrich M, Schultze H, Bodis M, Geisel J:

Hyperhomocysteinemia in high-aged subjects: relation of B-vita- mins, folic acid, renal function and the methylenetetrahydrofolate reductase mutation. Atherosclerosis 1999; 144: 91–101.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

69 Prozent der als an einer Major Depression leidend identifizierten Per- sonen hatten aus diesem Grund einen Arzt konsultiert, und in 41 Prozent der Fälle war auch eine medikamentö-

24 Dies betrifft ins- besondere Fragestellungen im Zusammenhang mit der Präimplantationsdiag- nostik, die in Deutschland noch nicht oder nicht in der gleichen Intensität wie in

Nach der Schweiz (10,7 Prozent), Frankreich (7,7 Prozent), Österreich (6,61 Prozent) und Dänemark (4,83 Pro- zent) liegt Deutschland mit 4,26 Prozent vor den Niederlanden mit

Die Missgunst der Patienten wäre einem (zurecht) sicher, wenngleich diese meist nicht wissen können, wie schwierig es sich gestaltet, nur schon eine gute Vertre- tung für die

Auch wenn nicht eindeutig geklärt ist, ob die Bedeutung von Ehe und Partnerschaft für die Gesundheit mit dem Alter zu­ oder abnimmt, besteht darin Einigkeit, dass auch im höheren

A uch wenn viele im Gesund- heitswesen Tätige meinen, dass die finanziellen Mittel zu knapp sind: Im Jahr 2006 wurden 236 Milliarden Euro für die Wieder- herstellung

e 800 m un tzen der Lä rläufe in de ei geringer ttkämpfe m deergebnis mpfe sind im Protoko en Läufe w alifikation e Finalläuf rungen wer ufe werden eldeter Sc mmer entfäl

Während immer noch mehr Frauen als Männer Teilzeit arbeiten, ist der Unterschied zwischen den beiden Gruppen im Bundesdienst geringer als in der Privatwirtschaft.. 6,4 Prozent