Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4721. November 2003 AA3053
S E I T E E I N S
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as beharrliche Bohren der ärztli- chen Körperschaften und Ver- bände sowie der Medizinstudenten hat gefruchtet: Am 30. September 2004 wird der 1988 eingeführte Not- behelf der Pflicht-Praktikumsphase als Ärztin/Arzt im Praktikum (AiP) durch den Gesetzgeber gekippt.Nachdem zu Beginn des Winterse- mesters 2003/2004 am 1. Oktober die novellierte Approbationsordnung für Ärzte in Kraft getreten ist und die Medizinstudenten von nun an konsequent auf mehr Praxisbezug getrimmt werden sollen, war es nur folgerichtig, das unliebsame Kon- strukt des AiP aus der Bundesärzte- ordnung zu eliminieren. Nach an- fänglichem Zögern hat das Bundes- kabinett diesen Schritt beschlossen, und das parlamentarische Bera-
tungsverfahren zur Änderung der Bundesärzteordnung ist jetzt in Gang gesetzt worden. Der AiP fällt bereits in einem Jahr weg, und nicht erst – wie ursprünglich beabsichtigt – im Jahr 2009, wenn eine ganze Stu- dentengeneration das Medizinstudi- um nach den neuen Ausbildungsvor- schriften durchlaufen hätte.
Der formale Rechtsakt muss aber noch über einige Hürden gebracht werden. Auch müssen die Klinikar- beitgeber und die Politik dafür sor- gen, dass die künftigen, voll appro- bierten Ärzte auch wie Assistenzärz- te ausreichend und angemessen be- zahlt werden.
Zudem müssen noch Ungereimt- heiten ausgebügelt werden. Nach dem Kabinettsentwurf vom 5. No- vember ist nämlich zum 1. Oktober
2004 der AiP für alle diejenigen abge- schafft, die nach dem 30. September 2004 ihr drittes Staatsexamen abge- legt haben.Alle anderen, die schon in der AiP-Phase stecken, müssen den 18-monatigen Kuli-Praktikumsstress noch absolvieren. Wenn dies so blie- be, hätte dies eine Zweiklassenbe- handlung zur Folge: der AiP, der den Jungarzt in der Klinik einarbeitet, er- hielte ein Drittel von dessen Gehalt.
Denn voll approbierte Ärzte, die nach dem 1. Oktober in die Klinik einrücken, erhalten das Dreifache des heute geltenden AiP-Salärs. Kein vernünftiger Student wird deshalb noch vor dem 30. September 2004 das Medizinexamen machen wollen – lieber bummelt er und dehnt sei- nen Studentenstatus bis zum Stich- tag aus. Dr. rer. pol. Harald Clade
Arzt im Praktikum
Notbehelf gekippt
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oman Herzog, Bundespräsident a. D., hat offenbar eine Mission.Gerade erst lieferte die nach ihm benannte Kommission die Vorlage für eine grundlegende Reform, da will er mit einer handverlesenen Schar von Mitstreitern im „Konvent für Deutschland“ der Politik im All- gemeinen und speziell der soeben von Bundesrat und Bundestag ein- gesetzten Kommission zur Reform der bundesstaatlichen Ordnung auf die Sprünge helfen. Dem Konvent gehe es nicht darum, sich in die inhaltliche Ausgestaltung einzelner Reformen einzumischen, sondern durch Veränderungen des politi- schen Entscheidungssystems die Um- setzung von Reformen schneller vor- anzubringen, betonte Herzog. Die Erneuerung des Föderalismus be-
deute eine große Chance für die Wiederherstellung der Reformfä- higkeit in Deutschland. Allerdings bestehe die Gefahr, dass die derzeit politisch Verantwortlichen die Fö- deralismusreform ausschließlich un- ter dem Aspekt der Machtfrage an- gehen und entscheidende Themen, wie Neuordnung der Finanzverfas- sung und der Kompetenzverteilung, einfach ausklammern. Damit dies nicht geschieht, hat sich der „Kon- vent für Deutschland“ diese Struk- turreform als erstes Betätigungsfeld erkoren.
Wenn es zutrifft, dass man hinter- her alles besser weiß, dann ist die Zu- sammensetzung des „Konvents für Deutschland“ Garant für dessen Kompetenz; denn hier ist mit Klaus von Dohnanyi, Peter Glotz, Otto
Graf Lambsdorff, Rupert Scholz oder Henning Voscherau eine illustre Truppe versammelt, die ihre politi- sche Laufbahn bereits in der Rück- schau betrachten kann. Und was die- se Truppe als Vorschläge für einen
„Streckenplan“ zur Föderalismusre- form vorlegte, kann sich sehen lassen:
mehr Gestaltungsspielraum und Fi- nanzautonomie der Länder; eine für den Bürger durchschaubare Aufga- benverteilung zwischen Bund, Län- dern und Gemeinden; Rückgang an bundeseinheitlichen Detailregelun- gen und damit Abbau der Zustim- mungsbedürftigkeit von Bundesge- setzen im Bundesrat. Es soll Völker auf dieser Erde geben, bei denen der Rat der Ältesten Gehör findet. Viel- leicht sollten wir es hierzulande auch einmal damit versuchen. Thomas Gerst