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Frommelt, Christian (2018): Wie gut funktioniert der EWR? NACHGEFRAGT. Liechtenstein-Institut, Bendern.

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LIECHTENSTEIN-INSTITUT

NACHGEFRAGT

Januar 2018

Wie lässt sich Ihre Arbeit in diese Forschung einordnen?

Die zahlreichen Ausnahmen, die für einzelne EU-Mitgliedstaaten gelten, sowie die enge Anbindung gewis- ser Nicht-Mitgliedstaaten an die EU unterstreichen die hohe Bedeutung differenzierter Integration. Die For- schung konzentrierte sich bisher aber vor allem auf interne Differen- zierung. Externe Differenzierung stiess im Unterschied dazu nur auf wenig Forschungsinteresse. Ereig- nisse wie das zwischenzeitlich wie- der zurückgezogene isländische EU- Beitrittsgesuch, die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU über ein Rahmenabkommen sowie jüngst der Austritt des Vereinigten Königreichs (UK) aus der EU haben die Forschung zu externer Differen- zierung aber neu belebt. Meine Dis- sertation war dabei Teil eines For- einzelne Rechtsakte (Sekundärrecht)

für alle Mitgliedstaaten gleich ver- bindlich, spricht man von unifor- mer Integration. Dies ist aber nicht immer der Fall. Die temporäre oder dauerhafte territorial unterschiedli- che formelle Verbindlichkeit von EU- Recht wird deshalb als differenzierte Integration bezeichnet. Dabei ist zwi- schen interner Differenzierung und externer Differenzierung zu unter- scheiden. Während interne Differen- zierung auf die unterschiedliche Ver- bindlichkeit von EU-Recht zwischen den einzelnen EU-Staaten verweist, beschreibt externe Differenzierung, dass basierend auf Verträgen zwi- schen der EU und einem Nicht-EU- Staat gewisse EU-Regeln auch für diesen Nicht-EU-Staat verbindlich sind. Differenzierte Integration gilt allgemein als eine Strategie der EU, um auf die unterschiedliche Integra- tionsfähigkeit und -willigkeit der eu- ropäischen Staaten zu reagieren, und ist so zu einem festen Bestandteil des europäischen Integrationsprozesses geworden. Meine Dissertation kon- zentriert sich schwerpunktmässig auf den EWR als ein besonders weit- reichendes Beispiel externer Diffe- renzierung.

In den vergangenen Jahren hat die Forschung über differenzierte Integra- tion mehr Interesse auf sich gezogen.

Der Fokus Ihrer Dissertation liegt auf dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Warum haben Sie sich genau auf den EWR konzentriert?

Das EWR-Abkommen wurde am 2. Mai 1992 unterzeichnet und trat am 1. Januar 1994 in Kraft. Liech- tenstein ist seit dem 1. Mai 1995 EWR-Mitglied. Der EWR hat also eine lange Geschichte. Zugleich ist das EWR-Abkommen für die EWR/

EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen immer noch das klar wichtigste Instrument zur Gestal- tung ihrer Beziehungen mit der Eu- ropäischen Union (EU). Auch aus der Sicht der EU nimmt der EWR einen besonderen Platz ein: Kein anderes Abkommen zwischen der EU und ei- nem Nicht-Mitgliedstaat sichert eine so weitreichende Einbindung in den europäischen Integrationsprozess.

Dies macht den EWR interessant für Staaten, die der EU nicht beitreten wollen oder können, sowie für Staa- ten, die nicht länger EU-Mitglied blei- ben wollen. Zudem liefert die Ausein- andersetzung mit dem EWR wichtige Erkenntnisse für die Debatte über die Zukunft des europäischen Integ- rationsprozesses.

Was verstehen Sie unter externer Differenzierung?

Sind EU-Regeln wie z. B. einzelne Vertragsartikel (Primärrecht) oder

Wie gut funktioniert der EWR?

Christian Frommelt zu seiner Dissertation «In Search of Effective Differentiated Integration: Lessons from the European Economic Area (EEA)»

Am 7. April 2017 verteidigte Christian Frommelt an der ETH Zürich erfolgreich seine Disser- tation. Die Dissertation mit dem Titel «In Search of Effective Dif- ferentiated Integration: Lessons from the European Economic Area (EEA)» kann auf der Web- site des Liechtenstein-Instituts heruntergeladen werden. Hier beantwortet Christian Frommelt einige Fragen.

Mit «Nachgefragt» präsentiert das Liechten- stein-Institut Interviews zu aktuellen The- men. Die Interviews nehmen Bezug auf Vor- träge oder Publikationen von Mitarbeitenden des Liechtenstein-Instituts und liefern dabei wichtige Hintergrundinformationen.

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Christian Frommelt: «Kein anderes Modell ermöglicht eine so weitgehende Integration von Nicht-Mit- gliedstaaten wie der EWR. Was für die EWR/EFTA-Staaten funktioniert, muss nicht für andere Staaten funktionieren.»

(2)

EFTA-Staaten sicherzustellen, ohne dass die Integrität der EU-Rechts- ordnung sowie die Autonomie der EU-Beschlussfassung eingeschränkt werden. Die Effektivi- tät des EWR kann aber auch daran gemessen werden, inwieweit der EWR tatsächlich einen gemeinsamen liberali- sierten Markt und damit ein «level playing field»

für seine Marktteilneh- mer schafft. Diese Auf- listung an Definitionen ist nicht abschliessend.

Je nachdem welche Perspektive ein- genommen wird, fällt die Bewertung der Funktionsweise des EWR un- terschiedlich aus. Folglich ist es mir wichtig zu betonen, dass meine Dis- sertation nur eine mögliche Perspek- tive auf den EWR bietet.

Von der Politik wird die Funktions- weise des EWR meist gelobt.

Ja, das stimmt. Der EWR wird sowohl von der EU als auch den EWR/EFTA- Staaten meist positiv bewertet. Ein Grund für die positive Bewertung des EWR ist sicherlich, dass die ins- titutionellen Strukturen des EWR in den vergangenen bald 25 Jahren oft flexible Lösungen ermöglichten, um auf Veränderungen im EWR-relevan- ten EU-Recht und die damit einher- EFTA-Staaten sicherzustellen. Die

dritte Phase des EWR-Politikkreis- laufs bezieht sich auf die Umsetzung und Anwendung des übernommenen EU-Rechts durch die

EWR/EFTA-Staaten. Zu- sammengefasst bedingt das Homogenitätsgebot des EWR eine konsis- tente Selektion, mög- lichst schnelle und voll- ständige Übernahme sowie korrekte Umset- zung und Anwendung des EWR-relevanten EU-Rechts. Ist dies er- füllt, gilt der EWR als effektiv.

Das klingt nach einem sehr umfas- senden Verständnis von Effektivität.

Enthält Ihre Dissertation noch andere Definitionen von Effektivität?

Effektivität beschreibt eigentlich nichts anderes als das Verhältnis von einem erreichten Zustand zum definierten Ziel. Je nach Akteur und Perspektive wird Effektivität deshalb unterschiedlich definiert. Aus Sicht der EWR/EFTA-Staaten hat der EWR den grösstmöglichen Marktzugang bei der geringstmöglichen Abgabe von Entscheidungskompetenzen an EU- und EFTA-Institutionen zu ga- rantieren. Im Unterschied dazu hat der EWR aus Sicht der EU einen Re- geltransfer von der EU zu den EWR/

schungsprojekts über differenzierte Integration an der ETH Zürich bei Prof. Frank Schimmelfennig und der Universität Konstanz bei Prof. Ka- tharina Holzinger. Das Projekt ver- suchte, differenzierte Integration auf der Ebene des Primär- und Sekun- därrechts zu quantifizieren und die dahintersteckenden Mechanismen zu isolieren. Ich konnte die Daten zu den EFTA-Staaten liefern.

Angesichts der hohen Anzahl an EU- Regeln scheint dies eine Herkulesauf- gabe zu sein.

Ja, die Datenerhebung war in der Tat die grösste Arbeit. Für jeden einzel- nen EU-Rechtsakt galt es zu prüfen, ob dieser EWR-relevant ist und wenn ja, ob und unter welchen Umständen er in das EWR-Abkommen übernom- men wurde. Insgesamt wurden über 50’000 EU-Rechtsakte für die Analy- sen berücksichtigt. Neben dieser em- pirischen Auswertung des EU-Rechts enthält die Dissertation viele andere Daten aus Umfragen oder statisti- schen Publikationen zu den EWR/

EFTA-Staaten. Auch habe ich zahlrei- che Interviews geführt.

Der Begriff «effectiveness» spielt in Ihrer Forschung eine zentrale Rolle.

Was bedeutet der Begriff in diesem Zusammenhang?

Die der Dissertation zugrundelie- gende Forschungsfrage lautet: Unter welchen Bedingungen ist externe Differenzierung effektiv? Das Ziel des EWR ist die Schaffung eines homoge- nen und dynamischen Wirtschafts- raums. Die Erreichung dieses Ziels wird anhand des Politikkreislaufes des EWR gemessen, welcher sich in drei Phasen unterteilen lässt. In der ersten Phase geht es darum, aus der grossen Menge an neuem EU-Recht die für den EWR relevanten Rechts- akte herauszufiltern. In einem zwei- ten Schritt sind diese Rechtsakte in das EWR-Abkommen zu überneh- men. Die Übernahme erfolgt in der Regel durch den Gemeinsamen EWR- Ausschuss. Die Vertragsparteien ha- ben die Möglichkeit, Anpassungen zu einzelnen EU-Rechtsakten in den Übernahmebeschluss aufzunehmen.

Solche Anpassungen dienen insbe- sondere dazu, die Kompatibilität des zu übernehmenden EU-Rechtsaktes mit der Zwei-Pfeiler-Struktur des EWR sowie den regulatorischen Prä- ferenzen und Kapazitäten der EWR/

Die Übernahme eines EU-Rechts- aktes in das EWR- Abkommen dauert im Schnitt fast doppelt so lange wie im Abkommen

vorgesehen.

Abbildung: Vergleich der Übernahmegeschwindigkeit von EU-Rechtsakten mit und ohne besondere institutionelle Anforderungen

Anmerkungen: Untersuchungsperiode: 1995 bis 2015 (EWR-Beschlüsse); 1994-2015 (EU-Rechtsakte);

nur Richtlinien und Verordnungen. Die Y-Achse beschreibt den Anteil noch nicht übernommener EU- Rechtsakte. Die X-Achse misst die Übernahmedauer in Tagen.

Die Abbildung zeigt, dass EU-Rechtsakte ohne besondere institutionelle Merkmale (schwarze Linie) deutlich schneller übernommen werden als EU-Rechtsakte mit besonderen institutionellen Merkmalen (graue Linie). So wurde die Hälfte der Rechtsakte ohne besondere institutionelle Merkmale bereits nach 280 Tage ins EWR-Abkommen übernommen, während bei Rechtsakten mit besonderen institutionellen Merkmalen die Hälfte der Rechtsakte erst nach 904 Tagen übernommen wurde.

Abbildung 1: Vergleich der Übernahmegeschwindigkeit von

EU-Rechtsakten mit und ohne besondere institutionelle Anforderungen

Die Abbildung zeigt, dass EU- Rechtsakte ohne besondere institutionelle Merkmale (schwarze Linie) deutlich schneller übernom- men werden als EU-Rechtsakte mit besonderen institutionellen Merkmalen (graue Linie). So wurde die Hälfte der Rechtsakte ohne be- sondere institutionelle Merkmale bereits nach 280 Tage ins EWR-Ab- kommen übernommen, während bei Rechtsakten mit besonderen institutionellen Merkmalen die Hälfte der Rechtsakte erst nach 904 Tagen übernommen wurde.

Anmerkungen: Untersuchungsperiode: 1995‒2015 (EWR-Beschlüsse); 1994‒2015 (EU-Rechtsakte);

nur Richtlinien und Verordnungen. Die y-Achse beschreibt den Anteil noch nicht übernommener EU- Rechtsakte. Die x-Achse misst die Übernahmedauer in Tagen.

(3)

Was hat dies für Konsequenzen?

Die tatsächlichen Konsequenzen un- terscheiden sich je nach Rechtsakt.

So kann eine verzögerte Übernahme z. B. dazu führen, dass Unterneh- men in den EWR/EFTA- Staaten keinen Zugang zum Binnenmarkt mehr besitzen. Umgekehrt kann es aber auch sein, dass Unternehmen in den EWR/EFTA-Staaten bei gleichem Marktzu- gang bevorzugt sind, da

sie gewisse Regulierungsstandards nicht befolgen müssen.

Wie lässt sich die Übernahmeverzö- gerung erklären?

In meiner Arbeit habe ich eine ganze Reihe an Erklärungsfaktoren empi- risch getestet. Angesichts der gros-

sen Datenmenge war die Operationalisierung dieser Faktoren nicht immer einfach. Die ge- testeten Einflussfakto- ren waren aber meist signifikant. So konnte ich beispielsweise nach- weisen, dass Merkmale wie die Kompatibilität eines EU-Rechtsaktes mit dem institutionel- len Rahmen des EWR oder mit dessen funkti- onalem Geltungsbereich sowie allgemein die Politisierung eines Rechtsaktes die Übernahmege- schwindigkeit beeinflussen. Je gerin- gehenden politischen Herausforde-

rungen für die EWR/EFTA-Staaten zu reagieren. Die Anpassungsfähig- keit eines Abkommens und seiner Mitglieder an veränderte Umweltbe- dingungen bietet deshalb einen wei- teren Zugang zu effektiver externer Differenzierung.

Der Politikprozess des EWR ist sehr komplex und langwierig. Wie lässt sich die Effektivität des EWR anhand dieses Prozesses konkret messen und was konnten Sie dabei beobachten?

Ein Beispiel für eine Homogeni- tätsverletzung ist die verzögerte Übernahme von EU-Recht in das EWR-Abkommen. Statt der im EWR- Abkommen vorgesehenen 180 Tage dauerte die Übernahme eines EU- Rechtsaktes in das EWR-Abkom- men im Zeitraum zwischen 1994 und 2016 durchschnittlich etwa 330 Tage. Bei etlichen

Rechtsakten dauerte die Übernahme sogar mehrere Jahre. Eine solche Übernahmever- zögerung führt in der Regel zu einer unter- schiedlichen Verbind- lichkeit von EU-Recht in den EWR/EFTA- und EU-Staaten oder anders ausgedrückt zu Diffe- renzierung. Das heisst, die Bestimmungen ei- nes EU-Rechtsaktes sind

nur für die Bürger und Unternehmen der EU-Staaten verbindlich, nicht aber für die EWR/EFTA-Staaten.

ger die Kompatibilität und je höher die Politisierung, desto grösser war die Übernahmeverzögerung. Die em-

pirische Analyse zeigt also, dass die Effektivität des EWR wesentlich von den konkreten Merk- malen des in das EWR- Abkommen zu überneh- menden EU-Rechtsaktes abhängt.

Welche Schlussfolgerun- gen lassen sich daraus ableiten?

Eine zentrale Schlussfolgerung mei- ner Dissertation ist, dass der institu- tionelle Rahmen externer Differen- zierung zwar eine notwendige, aber keine ausreichende Bedingung ef- fektiver externer Differenzierung ist.

Anders ausgedrückt: Nur weil sich die Vertragsparteien auf konkrete Institutionen und Prozesse geeinigt haben, heisst dies noch lange nicht, dass damit die Effektivität externer Differenzierung dauerhaft gesichert ist. In einem dynamischen Integra- tionsregime wie dem EWR ist das Sicherstellen der Homogenität eine permanente Aufgabe. In diesem Zu- sammenhang verweise ich auch auf die Charakteristik der EWR/EFTA- Staaten, die als wohlhabende und stabile Demokratien über eine hohe Verwaltungskapazität, aber aufgrund ihrer geringen Grösse und hohen Abhängigkeit vom Zugang zum EU- Markt gegenüber der EU nur über eine geringe Verhandlungsmacht verfügen. Aus Sicht der Compliance-

Der kontinuierliche Dialog zwischen den EWR/EFTA-

Staaten und der EU auf administra-

tiver als auch auf politischer Ebene bildet die Grundlage

für Vertrauen und Glaubwürdigkeit.

Abbildung 2: Anteil EU-Rechtsakte mit unterschiedlichem Anwendungsdatum in den EU- und den EWR/EFTA- Staaten (N=4573; 1994–2015)

Die Abbildung zeigt, dass lediglich 16 Prozent der im Untersuchungszeitraum ins EWR-Abkommen übernommenen EU-Rechtsakte zeitgleich in den EU- und den EWR/EFTA-Staaten angewendet wurden. Bei allen anderen Rechtsakten verzögerte sich die Anwendung in den EWR/EFTA-Staaten, womit die mit einem Rechtsakt verbundenen Rechte und Pflichten nur für die EU-Staaten aber nicht die EWR/EFTA-Staaten verbindlich waren.

Anmerkung: Nur Richtlinien und Verordnungen; nur erstes Compliance-Datum

Abbildung: Anteil EU-Rechtsakte mit unterschiedlichem Anwendungsdatum in den EU- und den EWR/EFTA-Staaten (N=4573; 1994-2015)

Anmerkung: Nur Richtlinien und Verordnungen; nur erstes Compliance-Datum

Die Abbildung zeigt, dass lediglich 16 Prozent der im Untersuchungszeitraum ins EWR-Abkommen übernommenen EU-Rechtsakte zeitgleich in den EU- und den EWR/EFTA-Staaten angewendet wurden. Bei allen anderen Rechtsakten verzögerte sich die Anwendung in den EWR/EFTA-Staaten, womit die mit einem Rechtsakt verbundenen Rechte und Pflichten nur für die EU-Staaten aber nicht die EWR/EFTA-Staaten verbindlich waren.

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days 1081 and more days

Differenzierte Integration ist eine

Reaktion auf die unterschiedliche Integrationsfähig- keit und -willigkeit

der europäischen

Staaten.

(4)

Forschung bieten die EWR/EFTA- Staaten also ideale Bedingungen, um internationale Verpflichtungen zu er- füllen. In meiner Dissertation argu- mentiere ich deshalb, dass die Funk- tionsweise des EWR nicht nur von dessen institutioneller Struktur und den Eigenschaften des zu überneh- menden EU-Rechts, sondern auch von der Charakteristik der EWR/

EFTA-Staaten abhängt. Anders aus- gedrückt: Was für die EWR/EFTA- Staaten funktioniert, muss nicht für andere Staaten funktionieren.

Welche weiteren Aspekte des EWR haben Sie untersucht?

Neben der Übernahmegeschwindig- keit habe ich auch die Übereinstim- mung von EU- und EWR-Recht in den einzelnen vom EWR abgedeckten Politikfeldern untersucht. Zu diesem Zweck habe ich unter anderem die in das EWR-Abkommen übernomme- nen Richtlinien und Verordnungen mit den gesamthaft in der EU per 31.

Dezember 2015 geltenden Richtlini- en und Verordnungen verglichen. Die empirische Untersuchung zeigt, dass der funktionale Geltungsbereich des EWR zwar sehr viele Politikfelder umfasst, die Übereinstimmung von EU- und EWR-Recht aber je nach Politikfeld stark divergiert und oft nur etwa zwei Drittel des im ent- sprechenden Politikfeld geltenden EU-Rechts auch tatsächlich ins EWR- Abkommen übernommen wurden.

Dieses Ergebnis hat mich überrascht, da ich in Anbetracht der Zielsetzung des EWR vermutet hätte, dass gewis- se Bereiche voll und andere gar nicht integriert sind. Daraus lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass sich der Geltungsbereich externer Diffe- renzierung nicht klar abstecken lässt und sich deshalb immer wieder die Frage nach der Relevanz von neuem EU-Recht für ein Modell externer Dif- ferenzierung stellt.

Das heisst also, dass nicht alle Rechts- akte eines EWR-relevanten Politik- feldes tatsächlich auch in das EWR- Abkommen übernommen werden.

Wird damit nicht die Homogenität verletzt?

Ja, für viele Politikfelder gilt, dass nicht alle Rechtsakte mit einer EWR-relevanten Rechtsgrundlage tatsächlich in das EWR-Abkommen übernommen werden. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass damit

die Homogenität verletzt wird. So muss ein Rechtsakt, der einem EWR- relevanten Politikfeld zugeordnet werden kann, nicht zwingend EWR- relevant sein. Auch innerhalb eines EWR-relevanten Politikfelds regeln viele Rechtsakte primär EU-interne Fragestellungen und müssen des- halb nicht in das EWR-Abkommen übernommen werden. Inwieweit tatsächlich eine Verlet-

zung der Homogenität vorliegt, müsste für je- den Fall einzeln geprüft werden, was angesichts der grossen Datenmen- ge nicht möglich war.

Es gibt aber durchaus Rechtsakte, die nicht in das EWR-Abkommen übernommen wurden, obwohl eine solche Übernahme im Sinne der Homogenität und

des Geltungsbereichs des EWR-Ab- kommens hätte stattfinden sollen.

Neben dem diffusen Geltungsbereich verweisen Sie auch auf Änderungen in der Zwei-Pfeiler-Struktur des EWR.

Genau. Das Grundkonzept der in- stitutionellen Struktur des EWR- Abkommens hat sich seit dessen In- krafttreten nicht verändert. Deshalb

gilt weiterhin, dass die EFTA-Überwachungs- behörde und der EFTA- Gerichtshof analog zur EU-Kommission und zu den EU-Gerichten die Umsetzung und Ausle- gung des EWR-Rechts in den EWR/EFTA- Staaten überwachen sollen. Auch gilt wei- terhin, dass die EWR/

EFTA-Staaten keine Souveränität – im Sinne

Der EWR hat sichergestellt, dass sich die EU und die EWR/EFTA-Staaten trotz der fortschrei-

tenden Dynamik des europäischen

Integrationspro- zesses nicht weiter

auseinander entwickelt haben.

Abbildung 3: Vergleich des geltenden EU- und EWR-Rechts (Stand 31. Dezember 2015)

Die Abbildung zeigt den Grad der Übereinstimmung des am 31. Dezember 2015 geltenden EU-Rechts mit dem am 31. Dezember 2015 geltenden EWR-Recht. Die Einteilung nach Kapitel ergibt sich aus dem Fundstellennachweis des EU-Rechts (siehe eur-lex.europa.eu). Zum Beispiel zeigt die Abbildung, dass in Kapitel 3, also im Kapitel Landwirtschaft, 41.4 Prozent der in der EU geltenden EU-Rechtsakte auch in das EWR-Abkommen übernommen wurden.

Anmerkung: Nur Richtlinien und Verordnungen; nur konsolidierte Rechtsakte.

Abbildung: Vergleich des geltenden EU- und EWR-Rechts (Stand 31. Dezember 2015)

Anmerkung: Nur Richtlinien und Verordnungen; nur konsolidierte Rechtsakte.

Die Abbildung zeigt den Grad der Übereinstimmung des am 31. Dezember 2015 geltenden EU-Rechts mit dem am 31. Dezember 2015 geltenden EWR-Rechts. Die Einteilung nach Kapitel ergibt sich aus dem Fundstellennachweis des EU-Rechts (siehe eur-lex.europa.eu). Zum Beispiel zeigt die Abbildung, dass in Kapitel 3, also dem Kapitel Landwirtschaft, 41.4 Prozent der in der EU geltenden EU- Rechtsakte auch in das EWR-Abkommen übernommen wurden.

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Chapter 1 Chapter 2 Chapter 3 Chapter 4 Chapter 5 Chapter 6 Chapter 7 Chapter 8 Chapter 9 Chapter 10 Chapter 11 Chapter 12 Chapter 13 Chapter 14 Chapter 15 Chapter 16 Chapter 17 Chapter 18 Chapter 19

Chapter 20 EU law incorporated

EU law incorporated or incorporation awaited

(5)

einer substanziellen, verbindlichen Entscheidungskompetenz – an EU- Institutionen übertragen können, da für eine solche Kompetenzübertra- gung erst die norwegische und islän- dische Verfassung geändert werden müssten. Innerhalb des materiellen Geltungsbereichs des EWR wurden in der EU zwischenzeitlich aber ver- schiedene Agenturen und andere de- zentrale Einrichtungen geschaffen, die gegenüber den Mitgliedstaaten verbindliche Entscheidungen tref- fen können. Das Homogenitätsgebot verpflichtet die EWR/EFTA-Staaten, diese EU-Einrichtungen mit den ih- nen zugesprochenen Kompetenzen in das EWR-Abkommen zu über- nehmen. Diese Übernahme ist aber oft sehr schwierig, da für jede Ein- richtung eine spezifische Lösung gefunden werden muss. Einerseits muss eine solche Lösung mit den po- litischen und verfassungsrechtlichen Prinzipien der EWR/

EFTA-Staaten und mit der Zwei-Pfeiler-Struk- tur des EWR kompatibel sein und andererseits die Autonomie der EU- Beschlussfassung und Integrität des EU-Rechts wahren. Darüber hinaus muss eine Lösung natür- lich effektiv sein – also die entsprechende EU- Institution muss ihren regulatorischen Auftrag erfüllen können.

Das klingt nach einer grossen Herausforde- rung. Lassen sich hierfür überhaupt nachhaltige Lösungen finden?

Bis jetzt konnte nach oft langen Ver- handlungen stets eine Lösung zur Zufriedenheit der EU und der EWR/

EFTA-Staaten gefunden werden. Ge- rade in Norwegen und Island werden diese aber oft als Scheinlösungen kritisiert, welche das Grunddilemma nicht nachhaltig lösen. Auch ich teile diese Kritik. Im Endeffekt wurden in den vergangenen Jahren etliche auf den konkreten Einzelfall bezogene Entscheidungsregeln zur Zwei-Pfei- ler-Struktur des EWR hinzugefügt.

Unabhängig davon ob diese Entschei- dungsregeln tatsächlich kompatibel mit den Grundprinzipien des EWR und der EWR/EFTA-Staaten sind, haben sie die Komplexität des EWR

weiter erhöht. Damit machen sie auch eine klare Verortung des EWR als intergouvernemental oder supra- national faktisch unmöglich. Folglich ist es nicht möglich, die Auswirkun- gen des EWR auf die nationalstaat- liche Souveränität und Demokratie richtig einzuordnen.

Gemäss Ihren Ausführungen haben wir im EWR also einen diffusen Geltungsbereich und eine komplexe und teils inkonsistente institutionelle Struktur. Damit zeichnen Sie ein sehr kritisches Bild des EWR.

Ich habe bereits gesagt, dass dies nur eine Perspektive auf den EWR ist. Ich möchte den EWR auch nicht zu stark kritisieren. Für mich steht ausser Frage, dass der EWR für alle EWR/

EFTA-Staaten ein Erfolg war und er eine wichtige Rolle im europäischen Integrationsprozess spielt. Im Fal- le von Liechtenstein, wo eine EU- Mitgliedschaft aufgrund der Kleinststaatlichkeit eine sehr grosse Her- ausforderung bedeuten würde, erachte ich den EWR sogar als beinahe alternativlos. Das heisst aber nicht, dass wir über die Schwächen des EWR hinwegsehen können.

Massnahmen wie die im Jahr 2014 erfolgte Ein- führung des Fast-Track- Procedure zeigen, dass es durchaus Ansätze gibt, um die Funktions- weise des EWR zu ver- bessern. Ferner soll der kritische Blick auf den EWR uns auch die Illusi- on nehmen, dass externe Differenzierung eine einfache, inklu- sive und effiziente Alternative zu ei- ner EU-Vollmitgliedschaft bietet.

Eine häufig gegen den EWR vorge- brachte Kritik ist dessen Demokra- tiedefizit. Haben Sie dieses in Ihrer Dissertation analysiert?

Der EWR wird in der Tat oft für sein Demokratiedefizit kritisiert, welches sich vor allem in den eingeschränk- ten Partizipationsmöglichkeiten und dem fehlenden Stimmrecht der EWR/EFTA-Staaten am EU-Rechts- setzungsprozess manifestiert. Bild- haft gesprochen, fehlt im EWR die Kongruenz zwischen Entscheidern und Betroffenen. Dieses Demokra-

tiedefizit ist offensichtlich. Die tra- ditionelle Kritik am Demokratiede- fizit des EWR wird in meiner Arbeit aber etwas relativiert. So folgt aus der oft verzögerten Übernahme und den EWR-spezifischen Anpassungen, dass es sich bei der Übernahme von EU-Recht in das EWR-Abkommen nicht um einen automatischen Pro- zess handelt. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass das Verhältnis EU und EWR/EFTA-Staaten weniger hierarchisch ist, als man es aufgrund der überlegenen Verhandlungsmacht der EU annehmen könnte. Nach mei- ner Meinung ist dies auf die auf Kom- promiss und Konsens ausgerichtete Grundkonzeption der EU zurückzu- führen. Zudem sind die in Artikel 102 des EWR-Abkommens vorgesehe- nen und für die EWR/EFTA-Staaten natürlich ungleich bedrohlicheren Sanktionsmöglichkeiten im Falle ei- ner Homogenitätsverletzung wenig spezifiziert. Und schliesslich zeigt die empirische Analyse, dass der tatsächliche Integrationsstand der EWR/EFTA-Staaten geringer ist als oftmals angenommen. Betrachtet man nur die rechtliche Integration – und lässt die darüber hinausge- hende Europäisierung ausser Acht –, besteht weiterhin ein grosser Unter- schied zwischen EU- und EWR-Mit- gliedschaft. Diese Punkte lösen das Demokratiedefizit natürlich nicht auf, relativieren es aber etwas.

In Ihrer Dissertation sprechen Sie von einer Demokratiefalle. Was ist damit gemeint?

Im EWR ist es faktisch unmöglich, eine Balance zwischen Input- und Output-Legitimität zu erzielen. Un- ter Input-Legitimität verstehe ich die Einbindung innerstaatlicher Akteure wie z. B. von Parlamenten, Parteien und Verbänden in den Ent- scheidungsprozess, während sich die Output-Legitimität an der Ziel- setzung des EWR und damit der Schaffung eines homogenen sowie dynamischen Wirtschaftsraums be- misst. Sobald die EWR/EFTA-Staaten innerstaatliche Akteure verstärkt in den Übernahmeprozess einbinden, erhöht sich das Risiko von Übernah- meverzögerungen sowie EWR-spezi- fischen Anpassungen und reduziert sich damit die Homogenität von EU- und EWR-Recht. Des Weiteren kri- tisiere ich die geringe Transparenz und hohe Inkonsistenz im EWR.

Der EWR ist für alle EWR/EFTA-Staaten ein Erfolg und spielt eine wichtige Rolle

im europäischen Integrationspro- zess. Der kritische Blick auf den EWR soll aber die Illusion nehmen, dass exter-

ne Differenzierung eine einfache, inklu- sive und effiziente Alternative zu einer

EU-Mitgliedschaft

bietet.

(6)

Kommen wir wieder zurück zur Aus- gangsthematik. Der EWR gilt als ein Benchmark externer Differenzierung.

Welche Rückschlüsse liefern nun Ihre Analysen für die Forschung zu exter- ner Differenzierung?

Erste Teile meiner empirischen Ana- lyse habe ich ja bereits vor einigen Jahren publiziert. Diese haben dann die Debatte zwischen der EU und den EWR/EFTA-Staaten über den «Back- log» – also die verzögerte Übernah- me von EU-Recht in das EWR-Ab- kommen – wesentlich geprägt. Mit Blick auf die Forschung zu externer Differenzierung bietet die Dissertati- on unter anderem eine ausführliche Darstellung und Analyse der Prozes- se und Institutionen des EWR. Auch werden verschiedene Spezifika der EWR/EFTA-Staaten und ihre Aus- wirkungen auf deren Europapolitik beleuchtet. Da immer noch wenig Literatur zum EWR vorliegt, sehe ich hier einen grossen Mehrwert meiner Arbeit.

Im letzten Teil der Dissertation führen Sie aber auch eine neue Typologie und Logik externer Differenzierung ein.

Genau. Dies hat damit zu tun, dass externe Differenzierung bisher nur auf Ebene der Abkommen zwischen der EU und einem Nicht-Mitglied- staat betrachtet wurde und das durch diese Abkommen übernom- mene EU-Recht nicht untersucht wurde. Deshalb unterscheide ich zwischen «first-order differentiati- on» und «second-order differentia- tion». Erstere bezeichnet den Schritt von Nicht-Integration zu selektiver Integration durch den expliziten Verweis auf Teile des EU-Rechts und definiert damit den Geltungsbereich eines Abkommens zwischen der EU und einem Nicht-Mitgliedstaat. Das Beispiel des EWR zeigt aber, dass es innerhalb dieses Geltungsbereichs verschiedene Ausnahmen gibt, die entweder für alle oder nur einzel- ne EWR/EFTA-Staaten gelten. Diese spezifischen Ausnahmen innerhalb des Geltungsbereichs des EWR-Ab- kommens bezeichne ich als «second- order differentiation». Möchte man das Integrationsniveau der EU- und EWR/EFTA-Staaten vergleichen, sind diese Ausnahmen sehr wichtig.

So zeigt die empirische Analyse bei- spielsweise, dass über 40 Prozent der in das EWR-Abkommen über-

nommenen EU-Rechtsakte für Liech- tenstein nicht gelten.

Wie lassen sich die vielen Ausnah- men für Liechtenstein erklären? Und wie präsentiert sich die Situation bei den anderen EWR/EFTA-Staaten?

Die Ausnahmen für Liechtenstein hängen vor allem mit dessen Klein- räumigkeit und den engen Bezie- hungen zwischen Liechtenstein und der Schweiz zusammen. Man muss bei der Interpretation allerdings vorsichtig sein, da ein Teil des sus- pendierten EWR-Rechts via den sek- toriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU in Liechtenstein Anwendung finden. So oder so zielen die Ausnahmen Liechtensteins we- niger auf die Wahrung der Souverä- nität oder materieller Präferenzen – wie dies meist bei Ausnahmen für die EU-Staaten der Fall ist –, sondern sollen die kleine Verwaltung Liech- tensteins entlasten. Auch Norwegen und Island haben einige Ausnahmen.

In den meisten Fällen, bei denen Norwegen eine Ausnahmebestim- mung nachgefragt und zugesprochen erhalten hat, wurde bereits davor eine analoge Ausnahmebestimmung mindestens einem EU-Staat gewährt.

Damit bleibt auch die Homogenität des EWR von einer solchen Ausnah- mebestimmung unberührt.

Den EWR-spezifischen Ausnahmen liegen Ihren Ausführungen zufolge drei Mechanismen zugrunde: konsti-

tutionelle Logik, instrumentelle Logik, prozessbasierte Logik. Was meinen Sie damit?

Die drei genannten Logiken sollen erklären, wann von den EWR/EFTA- Staaten Ausnahmen nachgefragt werden und ob diese auch tatsäch- lich realisiert werden. Ich orientiere mich dabei an einer in der Forschung zu differenzierter Integration be- reits bestehenden Begrifflichkeit. Die konstitutionelle Logik steckt hinter Ausnahmen, die für alle EWR/EFTA- Staaten gelten und dabei der insti- tutionellen Struktur und des Gel- tungsbereichs des EWR Rechnung tragen. In der konstitutionellen Dif- ferenzierung widerspiegeln sich bis heute die politischen Vorbehalte der EWR/EFTA-Staaten gegenüber dem europäischen Integrationsprozess, welche dazu führten, dass die EWR/

EFTA-Staaten bisher nicht der EU beitraten. Die instrumentelle Diffe- renzierung verweist auf spezifische Ausnahmen einzelner EWR/EFTA- Staaten. Demnach können sowohl unterschiedliche materielle und ideologische Präferenzen als auch unterschiedliche Ressourcen und Kapazitäten zu Ausnahmen führen.

Diese Art der Differenzierung unter- scheidet sich nicht von Differenzie- rung in der EU, einzig dass im EWR mehr solche Ausnahmen gewährt wurden als in der EU.

Und die prozessbasierte Logik?

Das ist eine spezifische Logik für Abbildung 4: Umfang der Integration der EWR/EFTA-Staaten gemessen am EU-Sekundärrecht

Die Abbildung weist per Ende Jahr die Verbindlichkeit von EU-Rechtsakten für die EWR/EFTA-Staaten aus. Basierend auf dem EWR-Abkommen galten demnach am 31.12.2012 46 Prozent der EU-Rechts- akte auch für die EWR/EFTA-Staaten. Weitere 2,3 Prozent der EU-Rechtsakte galten für die EWR/EFTA- Staaten basierend auf anderen Abkommen als dem EWR-Abkommen (z. B. Schengen). Bei 4,3 Prozent der Rechtsakte hatte mindestens ein EWR/EFTA-Staat eine Ausnahmebestimmung und 5,1 Prozent der Rechtsakte wurden aufgrund der verzögerten Übernahme noch nicht in das EWR-Abkommen übernommen.

Anmerkungen: Nur Richtlinien und Verordnungen von EU-Rat und/oder EU-Parlament; nur konsolidier- te Rechtsakte.

Abbildung: Umfang der Integration der EWR/EFTA-Staaten gemessen am EU-Sekundärrecht

Anmerkungen: Nur Richtlinien und Verordnungen von EU-Rat und/oder EU-Parlament; nur konsolidierte Rechtsakte.

Die Abbildung weist per Ende Jahr die Verbindlichkeit von EU-Rechtsakten für die EWR/EFTA-Staaten aus. Basierend auf dem EWR-Abkommen galten demnach am 31.12.2012 46 Prozent der EU- Rechtsakte auch für die EWR/EFTA-Staaten. Weitere 2,3 Prozent der EU-Rechtsakte galten für die EWR/EFTA-Staaten basierend auf anderen Abkommen als dem EWR-Abkommen (z. B. Schengen). Bei 4,3 Prozent der Rechtsakte hatte mindestens ein EWR/EFTA-Staat eine Ausnahmebestimmung und 5.1 Prozent der Rechtsakte wurden aufgrund der verzögerten Übernahme noch nicht in das EWR- Abkommen übernommen.

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(7)

dynamische Regime externer Dif- ferenzierung. Demnach wird Diffe- renzierung nicht aktiv nachgefragt, sondern entsteht aus dem Übernah- meprozess heraus, ohne dass hete- rogene Präferenzen zwischen der EU und den EWR/EFTA-Staaten vorlie- gen. Die prozessbasierte Logik von Differenzierung ist zentral für das Verständnis des EWR. Wie ich be- reits gesagt habe, bedeutet eine ver- zögerte Übernahme letztlich nichts anderes als die unterschiedliche Verbindlichkeit von EU-Recht in den EWR/EFTA- und EU-Staaten inner- halb des Geltungsbereichs des EWR.

Die empirische Analyse zeigt, dass weniger als 20 Prozent der seit 1994 in das EWR-Abkommen übernom- menen Rechtsakte gleichzeitig in der EU und im EWR anwendbar waren.

Bei allen anderen Rechtsakten waren die EU-Staaten vor den EWR/EFTA- Staaten verpflichtet, diese in natio- nales Recht umzusetzen und anzu- wenden. In der Dissertation habe ich verschiedene Faktoren identifiziert, welche eine verzögerte Übernahme erklären. Angesichts der Komplexität des EWR-Abkommens ist eine solche Verzögerung letztlich aber system- immanent. Genau diesem Tatbestand möchte die prozessbasierte Logik Rechnung tragen.

Das Argument der institutionellen Komplexität des EWR findet sich an diversen Stellen Ihrer Dissertation.

Könnte man hier nicht einfach das EWR-Abkommen reformieren?

Klar gibt es Möglichkeiten, die insti- tutionelle Komplexität zu reduzieren und die Prozesse des EWR zu verein- fachen bzw. effizienter zu gestalten.

Dabei kommt nach meiner Meinung dem EFTA-Sekretariat eine Schlüs- selrolle zu, da es über die nötige Ex- pertise und Ressourcen verfügt, um die in einem so komplexen Gefüge mit diversen Akteuren sehr wichtige Koordinationsfunktion auszuüben.

Allerdings müssten die EWR/EFTA- Staaten dem EFTA-Sekretariat dazu auch die nötige Autorität verleihen.

Sehr wichtig ist auch eine aktive Teil- nahme der EWR/EFTA-Staaten am EU-Entscheidungsprozess – selbst wenn die Möglichkeiten dazu be- grenzt sind. So können zu einem frühen Zeitpunkt für den Übernah- meprozess wichtige Informationen generiert werden. Schliesslich müss- ten die EWR/EFTA-Staaten auf natio-

naler Ebene die Grundlagen für ihre Teilnahme am europäischen Integra- tionsprozess verbessern, indem sie mehr Ressourcen bereitstellen, mehr Transparenz gewährleisten und im Falle von Norwegen und Island auch die Verfassung der Integrationsreali- tät des EWR anpassen.

Eine grosse Reform des EWR-Abkom- men sehen Sie aber nicht?

Nein. Eine solche ist für mich derzeit nicht realistisch. Ein Abkommen zwi- schen der EU und einem Nicht-Mit- gliedstaat hat unter anderem dessen Zugang zum EU-Entscheidungspro- zess, den ständigen Austausch der Vertragsparteien, die Übernahme, Überwachung und Durchsetzung der entsprechenden Bestimmungen und schliesslich auch eine Streitschlich- tung zwischen den Vertragspartei- en zu regeln. Wie diese ausgestaltet sind, hängt wesentlich vom Umfang der Integration sowie von der spe- zifischen Charakteristik der integ- rierten Politikfelder ab. Im Falle des EWR ist der Umfang so gross und die integrierten Politikfel-

der so divers, dass sich eine komplexe Struktur nicht vermeiden lässt.

Einer Reform des EWR steht auch entgegen, dass weder aufseiten

der EU noch der EWR/EFTA-Staa- ten sich seit den 1990er-Jahren die Grundprinzipien der Integrations- politik geändert haben. Die EWR/

EFTA-Staaten sind also weiterhin nicht bereit zu einer umfassenden Integration mit einem Transfer von Entscheidungsrechten an EU-Insti- tutionen. Umgekehrt beharrt die EU weiterhin auf der Autonomie ihres Entscheidungsprozesses sowie der Integrität des EU-Rechts, was nichts anderes bedeutet, als dass die letzt- instanzliche Entscheidung über die Auslegung von EU-Recht durch die EU-Institutionen gefällt wird.

Fassen wir nun zusammen: Wie hat sich Ihrer Meinung nach der EWR auf das europäische Integrationsprojekt ausgewirkt?

Meine Bilanz ist ambivalent. Externe Differenzierung führt zu mehr Integ- ration und mehr Europäisierung, da Staaten, die nicht der EU beitreten wollen, immerhin in einigen Poli- tikfeldern eine sehr enge Beziehung mit der EU eingehen und EU-Recht

anwenden. Im EWR lässt sich auch ein institutioneller und funktionaler Spillover erkennen, wodurch die in- stitutionellen Kompetenzen und der funktionale Geltungsbereich mehr- fach ausgedehnt wurden. Als negativ erachte ich jedoch die hohe Kom- plexität externer Differenzierung und das – zumindest symbolische – Festhalten an der Idee einer inter- gouvernementalen Zusammenarbeit.

Das Risiko unterschiedlicher Rechts- standards und damit die Gefahr von Diskriminierung und Rechts- unsicherheit ist bei dynamischen Modellen externer Differenzierung systemimmanent. Ein zugleich effizi- entes und inklusives Modell externer Differenzierung sehe ich deshalb im Moment nicht. Abschliessend möch- te ich aber doch noch zwei Vorteile des EWR hervorheben: Obwohl das EWR-Hauptabkommen seit 1992 nie substanziell angepasst worden ist, gab es doch einige institutionelle Innovationen, um Änderungen in der EU gerecht zu werden. Zudem sichert der EWR einen kontinuierlichen Di-

alog zwischen den EWR/

EFTA-Staaten und der EU, und zwar sowohl auf administrativer als auch auf politischer Ebe- ne. Dieser Dialog schafft Vertrauen und Glaub- würdigkeit. Die Pfadabhängigkeit war bisher zu stark, als dass dieser Dialog zu einem substanziellen In- tegrationsschritt wie z. B. zu einem EU-Beitritt Islands, Norwegens oder Liechtensteins geführt hätte. Er hat aber immerhin sichergestellt, dass sich die EU und die EWR/EFTA-Staa- ten trotz der fortschreitenden Dyna- mik des europäischen Integrations- prozesses nicht weiter auseinander entwickelt haben.

IMPRESSUM

Christian Frommelt, Forschungsbeauftragter am Liechtenstein-Institut.

christian.frommelt@liechtenstein-institut.li Zitiervorschlag: Frommelt, Christian (2018): Wie gut funktioniert der EWR? Bendern. Nachge- fragt, Januar 2018. Liechtenstein-Institut.

Liechtenstein-Institut

St. Luziweg 2 I 9487 Bendern I Liechtenstein T +423 / 373 30 22

info@liechtenstein-institut.li www.liechtenstein-institut.li

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Eine grosse Reform des EWR-Abkom-

mens ist nicht

realistisch.

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