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Frommelt, Christian (2020): Die Legitimation des EWR: Ende gut, alles gut? Beitrag im Rahmen der Artikelserie «Der EWR und Liechtenstein» des Liechtenstein-Instituts. Liechtensteiner Volksblatt, 25.7.2020.

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SAMSTAG25. JULI 2020

Der EWR und Liechtenstein

Die Legitimation des EWR: Ende gut, alles gut?

VON CHRISTIAN FROMMELT

F

ast 40 Prozent der Gesetzes- vorlagen, über welche der Landtag entscheidet, haben ihren Ursprung in der Mit- gliedschaft Liechtensteins im Euro- päischen Wirtschaftraum (EWR). Sie dienen meist der Umsetzung von Richtlinien, welche durch die Orga- ne der Europäischen Union (EU) ver- abschiedet und anschliessend von den EWR/EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen in das EWR-Abkommen übernommen wur- den. Dazu kommen etliche EU-Ver- ordnungen, welche in Liechtenstein unmittelbar anwendbar sind, sobald sie in den EWR übernommen wur- den. Der EWR hat somit einen star- ken Einfluss auf die liechtensteini- sche Rechtsordnung. Dies wirft die Frage nach der Legitimität des EWR auf oder salopp gesagt: Wie demo- kratisch ist der EWR?

In der Literatur finden sich unter- schiedliche Ansätze, um die Legiti- mität der europäischen Integration zu messen. Oft wird zwischen Out- put-, Input- und Throughput-Legiti- mation unterschieden. Die Output- Legitimation orientiert sich an den konkreten Leistungen und damit der Nützlichkeit der europäischen Zusammenarbeit für die Menschen.

Die Input-Legitimation wird dage-

gen bestimmt durch die politische Teilhabe der Bürger/-innen und die Fähigkeit der Politik, auf deren kon- krete Anliegen einzugehen. Die Throughput-Legitimation prüft schliesslich, ob die Politik auch für ihre Entscheidungen verantwortlich gemacht werden kann, sowie gene- rell die Transparenz und Offenheit der Entscheidungsprozesse.

EWR unterscheidet sich grundlegend von der EU

Der EWR basiert auf dem Prinzip der intergouvernementalen Zusam- menarbeit. Das heisst, die Input-Le- gitimation ist gewährleistet, solange jeder der drei EWR/EFTA-Staaten und auch deren nationale Parla- mente über ein Vetorecht bei der Übernahme von neuem EU-Recht in das EWR-Abkommen verfügen. Da- mit unterscheidet sich der EWR grundlegend von der EU, in welcher im Sinne einer supranationalen Zu- sammenarbeit Mehrheitsentschei- dungen möglich sind und die natio- nalen Parlamente gegenüber dem durch die EU-Bürger/-innen direkt gewählten Europäischen Parlament in den Hintergrund rücken.

Allerdings ist die intergouvernemen- tale Legitimationskette im EWR zu- nehmend lückenhaft und wird im Unterschied zur EU nicht durch sup- ranationale Institutionen und Me-

chanismen ergänzt. So wird in ein- zelnen Bereichen EWR-relevantes EU-Recht automatisch übernommen.

In anderen Bereichen ist die Zustim- mungskompetenz der EWR/EFTA- Staaten oft nur symbolisch, da z. B.

für gewisse Themen EU-Agenturen Entscheidungen der EFTA-Überwa- chungsbehörde vorbereiten. Auch dort, wo die EWR/EFTA-Staaten for- mell noch ein Vetorecht besitzen, können sie die Übernahme von EU- Recht faktisch nur verzögern, nicht aber gänzlich ablehnen, da sie sonst den für sie so wichtigen Zugang zum EU-Markt verlieren würden. Ebenso ist die Einbindung der nationalen Parlamente der EWR/EFTA-Staaten in den Übernahmeprozess vor allem

formeller Natur. Da das Übernahme- verfahren oft unter Zeitdruck er- folgt, sind auch die Transparenz und Offenheit und damit die Throughput- Legitimation eingeschränkt.

Die Legitimität des EWR basiert deshalb vor allem auf der Output- Dimension: Der EWR sichert den EWR/EFTA-Staaten den Zugang zum EU-Binnenmarkt, das Wie scheint dagegen sekundär. Kein Wunder, wird dem EWR in der Fachliteratur ein Demokratiedefizit attestiert. So- lange der EWR in den EWR/EFTA- Staaten jedoch über einen hohen Rückhalt verfügt und die für die Übernahme von EU-Recht in den EWR vorgesehenen Verfahren ein- gehalten werden, ist das konstatier- te Demokratiedefizit des EWR vor allem normativer Natur. Mit Blick auf Liechtenstein gilt zudem, dass Input- und Throughput-Legitimation im EWR deutlich höher sind als im Zollvertrag Liechtenstein-Schweiz, da hier im Unterschied zum EWR kein eigentliches Übernahmeverfah- ren vorgesehen ist, weshalb das re- levante Schweizer Recht automa- tisch für Liechtenstein gilt.

Ist das Demokratiedefizit des EWR am Ende also gar nicht so schlimm?

Angesichts der Dynamik der euro- päischen Integration stellt sich die- se Frage laufend neu. Sie zu beant- wortet, obliegt jedem selbst.

Zur Person

Christian Frommelt leitet seit 1. April 2018 das Liechten- stein-Institut. Vor seiner Funktion als Direktor war er sieben Jahre als Forschungsbeauf- tragter am Institut tätig. Von Juni 2017 bis März 2018 leitete der Poli- tikwissenschaftler zudem die Fach- expertenstelle Brexit.

Seit 25 Jahren Mitglied im EWR

Aus Anlass des 25-Jahr-Jubiläums der Mitgliedschaft Liechtensteins im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) werden in einer Reihe von Kurzbeiträgen die Funktionsweise des EWR und dessen Bedeutung für Liechtenstein beleuchtet.

Bisher erschienen

«Aus 7 werden 3 – aus 12 werden 27», erschienen am 30. April.

«Doppelt heisst nicht zwei Mal dasselbe!», erschienen am 5. Mai.

«Ein gemeinsamer Wirtschafts- raum – aber nicht nur!», erschie- nen am 8. Mai.

«Zwar kein Stimmrecht, aber im- merhin eine Stimme!», erschienen am 15. Mai.

«Verständlich, inklusiv und effizi- ent? Unmöglich!», erschienen am 4. Juni.

Alle Beiträge sind auf der Website des Liechtenstein-Instituts abrufbar.

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