Nachrichten über Taberistan.
Nach dem Tärikh-i - Taberistan von Abu-I-Hassan
ben Isfendiär.
Von Prof. Spiegel.
Die EntziflFerung' von Miinzlegenden taberistanensisclier Mün¬
zen, welebe dem Hrn. Prof. Olshausen in Kiel vor einigen Jabren
gelungen ist, bat die Aufmerksamkeit der Gelebrten in neuerer
Zeit auf die dunkle Gescbicbte dieses entlegenen Landes gelenkt
und dieselben nach |Notizen für dieselbe suchen lassen. Alles,
was man bis vor wenig Jahren von der Gescbicbte dieses Landes
wusste, war das Verzeichniss der Dynastien welches Hr. v. I'rähn
in Petersburg einmal gelegentlich gegeben hatte '). Nach ihm
war Taberistan unter folgende Dynastien getheilt: 1) die Karini-
den vom Jahre 50 vor der Hedschra — 224 nach d. H. 2) Die
Däbwaihiden oder erste Linie der Gäwjiarehiden von 40—140
d. H. 3) Die Baduscpaniden oder zweite Linie der Gäwpnrehiden
von 45 — 881 d. H. 4) die B.ivendiden oder Keiusiden. 5) die
Ispebbediden. Genauere Angaben über die einzelnen Herrscher
dieser Dynastien waren aber nicbt mitgetheilt. Diese Lücke ha¬
ben in neuerer Zeit verscbiedene Gelehrte zu ergänzen gesucht,
wie Kraffl in Wien und Mordtmann in Constantinopel. Beide Ge¬
lehrte haben ibre Notizen aus den grösseren moslemischen Ge-
schichtswerken zu gewinnen gesucht, und da lag es denn in der
Natur der Sache, dass ein so entlegenes, unbedeutendes Land
wie Taberistan nur selten mit einer Notiz bedacht war.
Das Interesse, das auch ich an der dunklen Gescbicbte Ta-
heristans nahm, hatte mir während meines Aufenthalts in London
im Jabre 1847 eine Specialgescbichte Tabcristans von einem ge¬
wissen Abu • l ■Hassan ben Isfendiär in die Hände geführt, deren
älteren Theil ich durchlas. Die daraus gemachten Notizen schei¬
nen mir bei dem fast gänzlichen Mangel an sonstigen Angaben
der VeröflTentlicbung wobl werth, obwohl ich weit entfernt bin.
1) Vgl. Olshausen, die Pehlevilegenden etc. S. 13.
ihnen einen unhcdingtcn Werth zuzugestehen, wenn sie von an¬
deren Quellen abweichen, wie dies nicht selten der Fall ist. Ich
enthalte mich daher auch aller weiteren Vergleichungen mit den
übrigen mir zu Gebote stehenden Notizen , ich gebe blos die ältere
Geschichte Taberistans, wie der Codex sie hat.
Die Geschichte Taberistans wird von unserem Autor bis in
die Mitte der Sasanidenherrschaft zurückgeführt, was er aus
noch älterer Zeit berichtet, hat gar keinen historischen Werth.
Zur Zeit des .Sasaniden Kobäd starb eine alte Dynastie, die
Dynastie der Dschenefschähe in Taberistan aus , und Kobäd soll
nun seinen ältesten Sohn, Keiüs, als Statthalter nach Taberistan
gesandt haben. Dieser war tapfer und wusste sich beliebt zu
machen , er erhielt das Land in Ruhe und verjagte die Türken,
die sich in Choräsän festgesetzt hatten. Während Keiüs so in
Taberistan beschäftigt war, fielen im eigentlichen Persien die
bekannten Religionsstreitigkeiten mit Mazdak vor und bald darauf
starb Kobäd und der jüngere Sohn desselben, Anuschirvän, nahm
das Reich in Besitz. Diese .\nmassung verdross den älteren Bru¬
der, der laut das Reich für sich verlangte und, da blosse Worte
nichts halfen , zu Thaten seine Zuflucht nahm und seinem Bruder
mit Waffengewalt das Reich zu entreissen suchte. Hierin jedoch
war er unglücklich, er wurde nicht blos geschlagen, sondern
aucb gefangen genommen. Vermittlungsanträge Anuschirväns —
der seinem Bruder die Statthalterschaft einer Provinz antragen
liess , wenn er ibn als Oberherrn anerkenneu und Reue über sein
früheres Betragen bezeugen wolle ■— wies Keids hartnäckig
zurück und so gab Anuschirvän den Befehl zu seiner Hinrich¬
tung. Ein Einfall der Turkomanen rief Anuschirvän um diese
Zeit nach Choräsän , wo er dieselben zur Schlacht nöthigte. Vor
Beginn der Schlacht erschienen plötzlich zwei Heereshaufen , ge¬
führt von zwei Jünglingen mit geschlossenem Visir und glänzen¬
der Rüstung , die sich alsbald auf die Turkomanen warfen und
durch ihre Tapferkeit wesentlich zur Entscheidung des Tages
beitrugen. Naeh Entscheidung der Schlacht wollten sie sicb un¬
erkannt mit ihrem Heere wieder zurückziehen , Anuschirvän aber
beschwor sie sich zu nennen. Sie gaben sich nun als die Söhne
eines persischen Grossen, Sukbra, zu erkennen, der von dem
Sasaniden Piroses, als er gegen die Haithaliden zog, als Statt¬
halter in der Hauptstadt zurückgelassen war '). Der Feldzug
endigte unglücklich mit der Niederlage und Ermordung des Pere¬
ses, nun rückte aber .Sukbra mit einem ueuen Heere nach und
zwang die Haithaliden die Beute herauszugeben und sich ruhig
zu verhalten. — Piroses hatte drei Söhne hinterlassen, Baläscb,
1) Vgl. Mirkkood bei de Sncy, Memoires sur diverses antiquites de la Perse. S. 351—53. Von den Söhnen Sukhras weiss Mirkbond kein Wort, die Erzählung ist wohl oacb einer späteren Begebenheit erfunden. Vgl. unten.
5 *
64 Spiegel, Nachrichten über Taberistan.
Kobäd und Dsbäniäsp, der erstgenannte wurde König, Dsbämäsp un¬
terwarf sich , Kobäd aber floh zu den Turkomanen. Nach dem bald
erfolgten Tode des Baläscb kam Kobäd zurück und wurde haupt¬
sächlich auf Sukbra's Betrieb König. Sukbra wurde von dem
neuen Herrscher zu grossen Ehrenstellen erhoben, dies erregte
den Neid Anderer, man verleumdete Sukbra und er wurde in den
Kerker geworfen; seine Söhne flohen nacb Choräsän, um nicht
das Schicksal ihres Vaters theilen zu müssen, und sie waren es,
die jetzt dem Könige Anuschirvän den wichtigen Dienst erwiesen
hatten. Anuschirvän wollte sie belohnen und belehnte den älteren
Bruder mit der Provinz Sabulistan, dem jüngeren, Karin, gab er
die Orte Venda Umid, Amol und Lagbur in Taberistan. Von
diesem Karin leitet die oben erwähnte Dynastie der Kariniden
ihren Ursprung her.
Die zweite Linie taberistanensischer Herrscher, die dcrGävp.ire-
hiden oder Däbwaihiden, leitet ihren Ursprung gleichfalls von den
Sasaniden her. Es ist bereits oben gesagt worden , dass Dsbäniäsp,
der jüngste Sobn des Peroses, sich seinem Bruder Baläscb unter¬
warf, als dieser die Regierung antrat, dafür musste er aber
flüchten als Kobäd sie übernahm. Er hielt sicb lange Zeit in
Armenien auf, liess sicb aber zuletzt in Gilän nieder. Einer
seiner Nachkommen, Gil ben Gilänscbäb, der den Beinamen Gäv-
päre führte, kam nacb Taberistan, wo er in die Dienste des
sasanidischen Feldherrn Adzer Valash trat und gegen die Turko¬
manen gute Dienste leistete. Die verwirrten Zeiten der letzten
Sasaniden benutzend machte er Ansprüche auf einen Theil Ta¬
beristans, welche anzuerkennen man auch für gut fand. Er re-
sidirte fortwährend in Gilän und hinterlicss zwei Söhne, Däbwaib
und Bädusepän, beide Stammväter taberistanensischer Dynastien.
Däbwaib folgte dem Vater in der Regierung.
Aber auch die Nachkommen des Keiüs sollten nocb einmal
eine Rolle in Taberistan spielen, Bäw, der Enkel des Keiüs,
wie. es scbeint ein sehr eifriger Feueranbeter, war einer der
angesehensten Grossen am Hofe des letzten Sasaniden. Nacb
Jezdegerds Ermordung, als die Araber von der einen, die Turko¬
manen von der andern Seite Taberistan bedrohten, übernahm er
die Regierung des Landes, die er 15 Jahre lang führte bis er
von einem gewissen Valash ermordet wurde. Valash regierte nur
zwei Jahre, dann wurde er ermordet und Bäw's Sohn, Sohräb,
auf den Thron gesetzt. Dies ist also die Linie der Bäwendiden
oder Keiusiden.
Ks würde von grossem Interesse sein, wenn uns unser Be¬
richterstatter Näheres Uber die Besitzungen und Verhältnisse die¬
ser einzelnen Dynastien mittbeilte. Dies ist jedoch nicht der Fall
und er wendet seine Aufmerksamkeit ausschliesslich den Däb¬
waihiden, oder, wie er sie nennt, der Dynastie der Gilänschähe
zu. Däbwaib war iu Gilän gestorben, sein Sohn und Nachfolger,
Fercliiln, benutzte die günstige Gelegenbeit, drang in Taberistan
ein und rüclcte bis nacb Nisbapur vor, die Anerkennung der Ein-
wobner erzwingend. Unter seiner Regierung soll Taberistan so
blühend und angebaut gewesen sein, wie man es sicb vorher nicht
denken konnte. Er hielt die Türken im Zaume und machte es ibnen
unmöglich auch nur einen Einfall zu unternehmen. Dagegen batte
er eine schwere Belagerung der Dailemiten in Amul auszubalten;
da die Lebensmittel selten wurden, liess er eine Menge aus Erde
verfertigtes Brod auf die Wälle legen, die getäuschten Dailemiten,
welche Lebensmittel in Ueberfluss bei dem Belagerten vermuthe-
teu , zogen ah und Ferchän wusste durch Anlegung von Kanälen
eine zweite Belagerung unmöglich zu machen. Ernstere Gefahr
aber drohte der Herrschaft Ferchäns durch einen Zug, den der
moslemische Feldherr Jezid auf Befehl des Chalifen Suleimän nach
Taberistan unternahm. Ferchän vermochte in der Ebene nicbt
Widerstand zu leisten, die Feste Gurgän wurde von Jezid besetzt
und eine Besatzung hinein gelegt, Ferchän musste sich begnügen,
von den Bergen aus zu beobachten , was der Feind vornehme.
Scbon wollte Ferchän an seinem Schicksale verzweifelnd aus Ta¬
beristan entfliehen, nach Duilem geben und dort Hülfstruppen
nnwerben, um etwas unternehmen zu können, aber sein Sohn
machte ihm ernstliche Gegenvorstellungen. „Wenn du jetzt ohne
besiegt zu sein fliehst, wirst du nie mehr siegen und es ist sehr
die Frage, ob man dir nicbt in Dailem deine Schätze raubt und
dich an die Araber ausliefert." Ferchän sah ein, dass sein .Sohn
Recht batte und blieb, und schon nacb wenig Tagen wendete
sicb das Geschick zu seinen Gunsten. Bei einem Gefechte mit
Ferchäns Truppen verfolgten die Muselmanen dieselben in das
Gebirge, sie wurden abgeschnitten und 15000 sollen dabei ihren.
Tod gefunden baben. Ferchän schickte sogleich Boten mit der
Nachricht von diesem Siege nach Gurgän an seine Freunde und
forderte sie auf, die dortige moslemische Besatzung zu tödten,
was auch geschab. Auf diese Art war Jezid vollkommen in Ta¬
beristan eingeschlossen, mit einem so geschwächten Heere, dass
CS dem des Ferchän die Spitze nicbt bieten konnte. In dieser
Noth liess Jezid einen gewissen Hajjän kommen, der in seinem
Heere war und den er früher beleidigt hatte. Br bat ihn nun,
die früheren Beleidigungen zu vergessen und einen Frieden mit
dem Feinde zu unterbandeln. Hajjän sagte: „Was machst du so
viele Worte ? da sei Gott vor, dass ich die Sache der Muselmanen verlasse und mit den Feueranbetern gemeinschaftliche Sache mache."
Er gieng darauf zu Ferchän und stellte ihm vor, dass, wenn er
•lezid vernichte, der Chalife gewiss ein grösseres Heer schicken
werde, dem er keinen Widerstand entgegensetzen könne, dass
dagegen , wenn er 300,000 Dirhems annehme und Jezid ruhig
abziehen lasse, er in ruhigem Besitze seines Landes bleiben könne.
Ferchän sah die Wahrheit dieser Vorstellungen ein und Hess den
IV. Bd. *
66 Spiegel , NaehriehWn über Taberislan.
Jezid gegen das genannte Lösegeld abziehen. Trotz dieses un¬
glücklichen Ausganges schrieb Jezid doch einen prahlerischen
Brief an den Chalifen, worin er unter Anderem sagte: ,,\Vir ha¬
ben so viele Beute gemacht, dass die Kameele sie nicht fortzu¬
bringen vermögen." Als später die Lüge entdeckt wurde, sagte
er: „Wir hatten die Beute wirklich gemacht, aber wir vermuchten
sie nicbt herauszubringen." Man liess jedocb diese Kntschuldi-
gung nicht gelten und warf ibn ins Gefängniss. — IVacli Jezids
Abzüge suchte Ferchän das Land wieder zur vorigen Blütbe zu
bringen, aber er starb bald darauf. .Seine ganze Regierung hatte
17 Jahre gewährt und er hinterliess einen minderjährigen Sohn,
Churshid. Während der Minderjährigkeit desselben übernahm
Ferchäns Bruder, Dasmihir, die Regierung. Seine Regiernncr
war glücklich, denn sie war ruhig, kein fremder Eroberer machte
während derselben irgend einen Angriff auf Taberistan. !)(>(.
Ruhm , den Taberistan unter Ferchäns Regierung gehabt batte
schwand unter Dasmibirs Regierung gänzlich dahin. Dasmihir
betrachtete die Regierung nur als ein anvertrautes Gut und als
Churshid grossjährig geworden war und deren Abtretung ver¬
langte, berief er ihn an seinen Hof um sie ihm zu übergeben.
Diess verdross jedoch die Söhne Dasmibirs, die selbst zu regie¬
ren gedachten, und sie beschlossen Churshid zu ermorden, i)ei
einem Gastmahle, das sie ihm geben wollten. Churshid wurde
aber noch rechtzeitig von einer Sklavin gewarnt, entfloh und
kehrte mit einem Heere zurück, mit dem er seine Vettern schlug-
und zu seinen Gefangenen machte. Seinen Oheim, der niclit den
geringsten Antheil an der Verschwörung gehabt hutte, bebandelte
er bis zu seinem Tode mit der grössten Achtung, die .Sklavin, die
ihn vom Tode errettet hatte, machte er zu seiner Gemahlin. Chur¬
shid scbeint kein schlechter Fürst gewesen zu sein, aber durch
seine Strenge machte er sich die Grossen des Reiches abgeneigt
und seine Prachtliebe drückte die Unterthanen. Er fiel übrigens
durch die Treulosigkeit des Chalifen Mansür. Churshid hielt es
für klug, sich dem mächtigen Chalifen unterwürfig zu zeigen;
er kam so viel als möglich dessen Wünschen zuvor und schickte
Geschenke und Tribut von allen Einkünften des Landes, zum
Zeichen, dass er zu dem Chalifen in demselben Verhältnisse der
Abhängigkeit zu stehen glaube wie seine Vorfahren zu den Sa-
sauiden. Allein eben der reiche Tribut reizte Mansürs Habsucht
und er wünschte das Land selbst zu besitzen, das solche Pro¬
dukte hervorbringen könne. Er schickte deswegen einen Ge¬
sandten an Churshid mit der Bitte, einen Theil seines Heeres
nacb Taberistan legen zu dürfen, da in seinem Lande die Ernte
nicht gerathen und Hungersnoth zu befürchten sei. Churshid
gab gerne seine Erlaubniss und seine Arglosigkeit rührte den
Gesandten des Chalifen so, dass er gleich nach der ersten Audienz
eine zweite nachsuchte, in der Absicht, dem Herrscher Taberistans
Alles zu entdecken und ilin vor der bevorstehenden Gefahr zu
warnen. Churshid jedoch, in der Meinung, der Gesandte fuche
die Audienz blos nach um irgend eine lästige Forderung zu ma¬
chen, schlug ihm dieselbe ab und der Gesandte begab sich hin¬
weg unter lauten Klagen über den unvermeidlichen Untergang
eines edlen Fürsten. Omar ben Ala wurde nach Taberistan
gesendet und legte seine feindliche Absicht gleich dadurch an
den Tag, dass er zum Cebertritte zum Isläm aufforderte. Der
Hass gegen Churshid muss gross gewesen sein: Häuptling um
Häuptling fiel ah, Churshid musste fliehen ohne an Widerstand
zu denken, und erst nach zwei Jahren kam er wieder zum Vor¬
schein mit einem Heere, das er in den umliegenden Ländern ge¬
worben hatte. Allein alle seine Bemühungen waren vergeblich.
Die Unternehmung fiel unglücklich uus und seine ganze Familie
kam in die Hände der Sieger. .41s Churshid diese Schreckens¬
nachricht hörte, bemächtigte sicb seiner Verzweiflung und er ver¬
giftete sicb. Kr war der letzte aus der Familie der Gilänshähe,
die im Ganzen 119 Jahre üher Taberistan geherrscht haben soll.
Nacb Ausrottung und Besiegung der Gilänsbäbe wurde Ta¬
beristan durch Statthalter der Chalifen verwaltet Als Jahr der
Eroberung wird das Jabr 140 der Hidsbra angegeben. Der erste
Statthalter hiess Chatib, er blieb blos zwei Jahre; ihm folgten
mehrere andere in noch kürzeren Zeiträumen '), bis endlich der
Eroberer Taberistans, Omar ben Ala, ernannt wurde, der die Statt¬
halterschaft bis zum Tode Mansürs führte. Bei dem Nachfolger
Mansürs, Mahdi, verläumdet, wurde Omar von diesem abberufen,
an seine Stelle trat Zeid ben Däiig, der drei Jabre blieb. Hierauf
verwaltete Omar ben Ala zum zweiten Male das Land, aber blos ein
Jahr, dann erhielt er Jahja ben Michnak zum Nachfolger. Um diese
Zeit beschlossen die Muselmanen den Charäg oder den Tribut der
Ungläubigen in Taberistan zu erheben, um so mehr, da das Land
mit Gewalt eingenommen worden sei. Unruhen werden unter den
früheren Statthaltern nicht erwähnt. Aus der Erhebung dieses Tributs
darf man wohl sehliessen, dass der Isläm noch keine sehr grossen
Fortschritte in Taberistan gemacht hatte, und daraus, dass der
Statthalter die Tributerhebung nicht vollzog, dass er seine Stel¬
lung nicht für ganz sicher gehalten haben mag. Und in der
That, als Jahja's Nachfolger, Abd-ul-Hamid, darauf bestand , den
Tribut zu erbeben, brach der Aufstand aus. Die Unzufriedenen
1) Ich habe mir fulgende notirt : Chatib zwei Jahre.
Abu-Chozeima 1 Jahr.
Ruh ben - Hätim ben-Keizer ben-Muhallab im J. 144 d. H. 1 Jahr.
Cbalid ben-Barmak el-Kätib 4 Jahre.
Omar ben-Ala — J. d. H. 158.
Zeid 3 Jahre 2 Monate.
Omar ben - Ala 1 Jahr.
5 •
6S Spii-gel, Nachrirhien Uber Tahrrislan.
entledigten sich der Ar.-iber auf eine Weise, welche an die sici-
lianische Vesper erinnert. Sie wählten einen Abkömmling der
alten Geschlechter, Vendäd ') Hormuzd , zum Leiter des Aufstnn-
des und ermordeten an einem Tage alle Araber in Taberistan.
Die Erbitterung war so gross, dass selbst Weiber ibre Männer
an den Bärten auf die Strasse zogen und sie den Verschworenen
übergaben. Mehrere Feldherren, die der Chalife Mahdi zur Be¬
strafung dieser Freveltbat nacb Taberistan schickte, wnrden er¬
mordet und ihr Heer zerstreut. Selbst als Vendäd Hormuzd der
üebermacht zuletzt weichen musste, hielt er sich nocb lange in
den Wäldern. Omar ben Ala war es gewesen, der ibn banpl-
sächlich bedrängt hatte. Zuletzt blieb Vendäd Hormuzd nichts
übrig, als sich zu ergeben, er wurde nach Bagdad geführt und
dort gefangen gehalten. Nach Vendäd Hormnzd's Besiegnng wurde
Taberistan wieder durch Statthalter der Chalifen regiert, die nach
den Launen ihrer Herren sehr oft wechselten. .Vendäd Hormuzd
blieb über zwei Jahre lang in der Gefangenschaft. Da befahl der
Chalife Mahdi, ihm den Kopf abzuschlagen, als Sühne für einen
angesehenen Muselman, den Hormuzd's Bruder Vendä-sefän in
Taberistan hatte umbringen lassen. Vendäd Hormuzd stellte dem
Chalifen vor, wie er an der That ganz unschuldig sei, dass es
aber besser wäre, anstatt ihm den Kopf abzuschlagen, ihn narli
Taberistan zu schicken, um den Kopf des wirklich Scbuldisjen
dem Chalifen zu überliefern. Der Plan geliel dem Chalifen, Vendäd
Hormuzd ward in einen Feucrtempel gebracht und mnsste schwö¬
ren, dass er den Kopf seines Bruders schicken wolle , sobald ihm
derselbe zu Gesicht komme, dann ward er nach Taberistan ent¬
lassen. Kaum war aber Vendäd Hormuzd dort angekommen, so
Hess er seinem Bruder sagen, er möge, so lange der Chiilifc
Mahdi lebe, ibm nicht vor das Gesiebt kommen, und beide Brüder
trieben nun ihr Wesen wie zuvor, verbunden mit einem anderen
Gebirgsbäuptling, Namens Shirvin. Das Ansehen der arabischen
Statthalter galt nur in den ebenen Theilen des I^andcs, im Ge¬
birge waren die Aufrührer Herren und Meister. Die Beschützung
der alten Landesreligion trug gewiss nicht wenig dazu bei, ihnen
die Zuneigung des Landes zu erhalten. So blieben die Sachen
bis Härün al-Rashid an die Regierung kam. Dieser zog mit
einem mächtigen Heere nach Taberistan und forderte Unterwer¬
fung. Er liess den Vendäd Hormuzd und Shirvin im Besitze des
Hochlandes von Taberistan , aber sie mussten seine Oberherrschaft
anerkennen und ibre Söhne als Geissein stellen. Von nun an
konnten sie nichts mehr unternehmen und sie blieben ruhig, bis
sie endlich unter Mamün's Regierung starben. Nacb ihrem Tode
theilten sich Shabriär, der Sobn Sbirvin's, und Kärin, der Sohn
1) Vendäd isl ein gal parsiseher, in den Huzväresch-GIossen in der Kon nctlSI vorkommeoder Name.
\'üiiilnd's , in «lic Kcniciniij»-. Soltuld Mamün diesen Regierungs- weclisel liitrte, so snclitc er ilire Treue auf die Probe zu stellen;
er liess sie daher wissen, dass er einen Zug gegen die byzan¬
tinischen (iriecben zu uiitcriiehinen gedenke, und forderte sie auf mit Hiilfs(ru[i|M-n zu ihm zu stossen. .Shabriär liess sicb entschul¬
digen, Karin aber kam in glänzender Rüstung und mit gut aus¬
gerüsteten Truppen '). Durch seine Tapferkeit erwarb er sich
die Achtung des Chalifen in hohem Grade und dieser versprach
ihn reichlich zu belohnen und zu hohen Ehren zu befördern , wenn
er zum Isläm übertreten wolle, ein Ansinnen, das Kärin stand¬
haft zurückwies. Er wurde mit Ehren in seine Heimath entlassen,
aber der auf diesem Zuge erworbene Ruhm und die Gunst des
Chalifen nützte dem Kärin nichts, in Taberistan war er jeden¬
falls der schwächere. Gleich nnch seiner Rückkehr nahm ibm
Shabriär mehrere Dörfer weg und Kärin musste es sicb gefalleo
lussen. .Seine übrige Regierung war ruhig und er hat nur da¬
durcb noch eine Bedeutung, dass Mäsiär, einer der grössten
Ispehbede, sein Sohn war. Es wird erzählt, dass, wie so häufig
in der orientulischen Geschichte, ein Traum dem Vuter die künf¬
tige Grösse des Sohnes vorher verkündet habe. Die ersten Schick¬
sale Mäsiär's schienen jedocb nicbt geeignet seine künftige Grösse
ahnen zu lassen. Nach dem Tode Kärin's nahm er zwar Besitz von
den Gütern seines Vaters, aber Shabriär, der diese Güter selbst
wünschte, begann Streitigkeiten, die hald in offene Feindselig¬
keiten ausarteten, in denen Shabriär vollkommen Sieger blieb,
Mäsiär flüchtete zu Vendä Umid, dem .Sohne Vendä - sefän's , allein .Shaliriär, sobald er dieses hörte, verlangte seine Auslieferung
und Vendä Umid, zu schwach zum Widerstande, musste gehor¬
chen. Mä>>iär fand jedocb Gelegenheit zu entfliehen und irrte
eine Zeitlang in den Wäldern Taberistans umher, bis er zu einem
persischen Grossen in Irak kam, der ihn lieb gewann uud mit
sich an den Hof des Chalifen zu Bagdad nahm. Hier hatte er
Gelegenheit den (.Chalifen Mamüii kennen zu lernen, der sich sehr
wohl un Mäsiär's Vater Kärin und dessen Dienstleistungen erinnerte,
sich aber entschieden weigerte , etwas für Mäsiär zu thun , wenn
dieser nicbt zum Isläm übertrete, wozu sich denn Mäsiär aucb
bereit finden liess. Um diese Zeit starb in Taberistan Shabriär
und hinterliess seine Besitzungen seinem Sohne Sbähpür, der
sich aber durcb seine Bedrückungen bei seinen Unterthanen so
verbasst machte, dass sie eine Gesandtschaft nach Bagdad schick¬
ten und den Chalifen um .Schutz baten. Mamün ernannte den
Müsa ben Hufs zum Stuttbalter der Ebene Taberistans, den Mä¬
siär zum Statthalter des gebirgigen Theiles. Mäsiär fand in
1) Seine Erscheinung bei dem Heere des Chalifen wird ganz iibnlicb erzählt wie oben das der Söhne Sukbra's bei Nushirvän und mag dieser Er¬
zählung zum \'orbilde gedient haben.
ro Spiegel, Nachrichten über Taberislan.
Taberistan alsbald Anbang, brachte ein Heer zusammen, besiegte
Shäbpür und nabm ihn gefangen. Shabpür, der merkte, dass
Mäsiar ihm nach dem Leben trachtete, schickte an Müsa eine
Botschaft und bot ibm 100000 Dirhems, wenn er ihn unter seinen
Schutz nehmen wolle. Müsa bot ihm die Freiheit an, wenn er
dem Chalifen 100000 Dirhems bezahle, den Isläm annehme und
sicb fortan blos als Statthalter des Chalifen betrachte. Müsa
machte aus diesen Verhandlungen kein Geheimniss; so geschah
es, dass sie zur Kenntniss Mäsiärs kamen, der, sobald er sie
hörte, den Sbähpür augenblicklich enthaupten liess. Müsa nahm
allerdings diese rasche That sebr übel anf, doch wurde der
Streit beigelegt und beide regierten neben einander als Statt¬
halter Mamün's, Mäsiär in den Gebirgen, Müsa in der Ebene.
Nach vier Jahren starb Müsa und erhielt seinen Sobn Muhammed
zum Nachfolger, dieser wurde jedoch gar nicbt geachtet, denn
Mäsiär hatte sich ein solches .4nsehen zu verschaffen gewusst,
dass sein Wort in der Ebene eben so viel galt als auf den Ber¬
gen. Mäsiär kann kein Fürst genannt werden wie Ferchän und
Churshid, aber er war klug und grausam und wusste durch
unterwürfige Gesandtschaften an den Chalifen stets den wahren
Stand der Dinge in Taberistan zu verbergen, und er scheute kein
Mittel die Möglichkeit abzuschneiden, dass ein Gerücht von seiner
Grausamkeit über Taberistan binausdringe. Für den Notbfall
jedoch hatte er sich mit einem guten Heere versehen und Dämme
und Kanäle in guten Stand gesetzt, die ohne seine Bewilligung
nicbt überschritten werden durften. Zum Parsismus trat er ganz
offen zurück, und besonders in der Ebene, wo viele Muselmanen
lebten, ertönten die Klagen der Rechtgläubigen. So lange Mamün
lebte, verhielt sich Alles ruhig; man glaubte, dass Mäsiär in der
Gunst des Chalifen zu hoch stehe, als dass man ihm schaden
könne; kaum aber batte Motasem die Regierung übernommen, als
aucb schon Beschwerden an ihn gelangten. Die Sache wurde
untersucht und das Ergebniss der Untersuchung war: dass in
Taberistan die Magier die herrschende Partei seien , die Muselma¬
nen aber auf jede Weise unterdrückt würden, so dass die Moscheen
verlassen ständen und die Spuren des Isläm fast verwischt seien.
Nunmehr ward ein Heer gegen Mäsiär geschickt, das ihn ohne
Schwierigkeit gefangen nahm, denn seine grosse Macht erwies
»ich als nichtig, da er in Taberistan so verbasst war, dass man
sich um jeden Preis seiner zu entledigen suchte. Da man ferner
noch entdeckte, dass er sich mit mebreren anderen Personen
verschworen habe, den Chalifen und dessen Söhne zu ermorden,
den Thron der Sasaniden wieder aufzurichten und die parsische
Religion wieder zur Staatsreligion zu erheben, so ward er bei
seiner Ankunft in Bagdad hingerichtet.
Nach Mäsiär's Tode scheint das alte Verhältniss wieder ein¬
getreten zu sein, dass das ebene Land vou den Statthaltern der
l'liulitcn, die Gebirge aber vou den Ispebbeds beberrscbt wurden»
Die Kescbützung der alten Religion war es, was ihnen ihre
Untergebenen treu erhielt. Ks war daher ein Kreigniss von
Wichtigkeit, dass im Jahre 240 der Hidsbra Motasem an den
Ispebbed Kärin ben .Shabriär Gesandte schickte, ibn auiforderte
den Isläm anzunehmen und dieser einwilligte. Von nun an ist
nichts mehr, was die Streitigkeiten in Taberistan vordem wüsten
Treiben moslemischer Häuptlinge in anderen Gegenden im Ge¬
ringsten auszeichnete. Dass Kärin's Nachfolger dem Isläm treu
blieben, sieht man aus den moslemischen Namen wie Dsbafer,
Abu'l-Hassan u. s. w. , die sie führen. Von dieser Zeit gieng auch
gewiss der Parsismus in Taberistan rasch seinem Untergange
entgegen, [es ist aber wirklich merkwürdig genug, dass er so
lange dem mächtigen Vordringen des Isläm widerstanden hat.
Wissenschaftlicher Jahresbericht
zur Generalversammlung 1849.
Von Prof. Fleischer.
Meine Herren I
.A.m Ende des wissenscLat'tliclien Jaliresbericlites für 1847,
abgedruckt im 2. Bde. der Zeitschrift, S. 447 ff. , wurde ange¬
kündigt, dass diese Uebersicbten in ihrer bisherigen Gestalt
durch die nächste, welche die betreffende Literatur bis Aus¬
gang des J. 1849 fortführen wird, abgeschlossen werden sollen.
Im 3ten Hefte des folgenden Bandes hoffe ich diesen Schluss
liefern zu können. Dagegen werden, nach dem im Vorworte jenes
Jahresberichtes dargelegten Plane, von nun an möglichst voll¬
ständige, kurzgehaltene Anzeigen in der Zeitschrift einerseits die
bezüglichen Verheissungen unseres Prospectus erfüllen , anderer¬
seits dem summarischen Berichterstatter durcb Lieferung von Ma¬
terialien seine Arbeit erleichtern nnd das allzu breite bibliogra¬
phische Einzelwerk in Wegfall bringen. Wir kommen dadurch
auf den Wortlaut der .Statuten §. 10 zurück, welcher „einen
Jahresbericht über die wissenschaftliche Thätigkeit der Gesell¬
schaft und über den Zustand der orientalischen Studien überhaupt"
verlangt. Den Uebergang duzu bildet der Bericht, mit dem icb
diessmal vor Sie zu treten die Ehre habe.
Der grosse kämpf unserer Zeit hat auch die D. M. G. seit
ihrer letzten allgemeinen Versammlung im J. 1847 hart berührt
und geprüft. Es galt hier, wie Ihnen unsere Circulare mehr als
angedeutet haben, bei stark verminderter oder ganz ausbleibender
Theilnabme vieler Mitglieder an der Erhaltung unsers Vereins,
dessen Bestehen zu sichern und die begonnenen Unternehmungen
durchzuführen. Die wichtigste dieser Unternehmungen, die un¬
mittelbarste Lebensäusserung und zugleich dus kräftigste Binde¬
mittel der Gesellschaft , ist ibre Zeitschrift. Diese aufgeben
heisst jene auflösen. Sie zu erhalten, musste uns daher vor
Allem am Herzeu liegen , und die Versuchung augenblicklieben
Kleinmuthes , sie bis auf bessere Zeiten einzustellen , wurde glück¬
lich abgewehrt. Wir haben sie erhalten, und es liegen Ihnen
zwei seit dem letzten Jahresbericht gedruckte Bände von 1848