Research Collection
Journal Article
Die ökologische Bedeutung der Spinnen in Forst-Ökosystemen, eine Literaturzusammenstellung
Author(s):
Nyffeler, Martin Publication Date:
1982-09
Permanent Link:
https://doi.org/10.3929/ethz-a-005800894
Originally published in:
Anzeiger für Schädlingskunde, Pflanzenschutz, Umweltschutz 55(9), http://doi.org/10.1007/
BF01902703
Rights / License:
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ETH Library
Anz. Sdrädlingskde., Pflanzensdrutz, Umweltsdrutz 55, 134-137 (1982)
@ 1982, Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg ISSN 0340-7330
/
InterCode: ASUMDTEntomologiscbes Institut der ETH, Züricb, Schueiz
Die ökologische Bedeutung der Spinnen in Forst-Okosystemen, eine Literatu rzusammenstellungl
Von
M, Nvrrrnn
Abstract
The ecological importance
of
spidersin
forest ecosystems, aliterature
reviewThe most important literature on the ecological import- ance
of
spidersfor
forest ecosystems was compiled and analyzed. Forest spiders norrnallylive in
densitiesof
50to
200 individuals/m2 and prey,at
leastin
Europe, pre- dominantly on small soft-bodied insects (Diptera and Col- lembola mainly). However, bigger insects, including various forest pests, are also foundin their
prey. According tothe
present standof
knowledgethe
spidersof the
soilsurface seem to be important insect predators, whereas the ecological importance
of
spidersliving
on the trees is still controversial.Spinnen gehören
in
Forst-Okosystemen zu den häu-figsten Kleinräubern. So
bestanden beispielsweise in Ostsadrsen42olo der Fauna einer Kiefernkrone
ausSpinnen (Hönacorr, 1960). Von rund 840 mittel-
europäischenSpinnenarten bevorzugen nadr Vrri
(1953)
etwa
50 0/o denVald. Die
Besiedlungsdidrten der Spinnen liegenin \(äldern in
der Größenordnung zwisdren 50und
200Individuen/mz
(Scnruror, 1960;KrncHNnn, 1964; CnnrsropHE u. BteNorN, 1977, u. a.),
In
einzelnen Waldbiotopenwaren
sogar schon Spin- 1 Ausgeführtmit
lJnterstützung durdr den Sdrweizerisdren Nationalfondszur
Förderung der'S(issensdraftlidren For- sdrung.nendichten von
)
500 Individuen/m2 beobadrtet wor-den (Pr,rnsr, 7946; 'WrtorltauN, 1978;
ScHerrrn, 1980). Die Spinnendidrte kann von Baumart zu Baum-art
stark variieren(Kuusrsro,
1941). Auch dieArten-
zusammensetzung der Spinnenfauna untersdreidet sidr mand-rmal wesentlichin Abhängigkeit der
Baumart(Srnerrow et al., 1979).In
\Wäldern werden Spinnenin
versdriedenenStraten, von der
Bodenoberfläche überdie Kraut- und
Strauchschichtbis hinauf in
die Baumkronen gefunden.In
den versdriedenen Straten habensicl
zumTeil
untersdriedlidre Spinnenarten ein- genischt(Arnrnr,
1976;Unrz et al.,
7978).Für
eu- ropäiscle\(älder
der gemäßigten und kälteren Zonengilt
folgendes:Im
bodennahen Bereidr herrsdrenoft
kleine Netzspinnen aus den FamilienLinyphiidae
undMicryphantidae zahlenmäßig vor (Huxre,
1965;Mrnrn u. Onnr'Er, 1975;
CnnrsropHEu.
BtaNoIN,L977,u. a.).
Vor
allem auf Bödenlichter'Wälder
leben auch die netzlos jagenden Wolfspinnen (Familie Lyco- sidae) (PornNEc,1976i NvrrBrrn u. BrNz,
7987 a).Diese erreidren
zwar nidrt
so hohe Individuendidrtenwie die
Netzspinnen,fallen dafür aber durdr
große Bewegungsaktivität auf.Im
Kronenbereich der Nadel-wälder
stellen netzlos jagende Spinnen ausder
Fa-milie Thomisidae häufig den größten Individuen- anteil, während in den Kronen der Laubwälder
dieNetzspinnenfamilien Linyphiidae,
Micryphantidaeu. s. copyright clearance center code statement:
O34O-733018215509-0134$02.50/0
und Theridiidae oft
dominieren(Arnrnr,
1976). Fij'r außereuropäisdreWälder
gelten z.T.
anderefaunisti
sdre Gesetzmäßigkeiten
(vgl. Errrorr,
7930; GrnsoN, 1947;Junl'rl,
7961;Gesoonr u. GoooNrcnr,
7963;Pncr
et a1.,7971;Mourorn
u.Rucnrn,
1972).Die
meisten Spinnensind zur
Flauptsache Präda-toren von
Insekten.Eine
Ausnahmebildet die
auclrin Wäldern
vorkommende SpinnengattungEro
(Fa-milie Mimetidae), die sidr vorwiegend von
Spinnen ernährt(vgl. Pörzscu,7974).
Eine kurze Besdrreibungder
Jagdstrategienhäufiger
'Waldspinnenfindet
sich beiKrncnNrn
(1964).Auf
der Bodenoberflädre ernäh-ren sidr viele Wolfspinnen und kleine
Netzspinnenprimär von
Collembolenund
anderen kleinen, weich- häutigenArthropoden (Eocen,
1969;HÄcvex,
7973:NvEEBnn u. BrNz, l98l a,
1981b). So wurde
bei- spielsweise die bodennah lebende !üolfspinne Pardosa Iugubris(\fald<.) in
einemMisdrwald
beiZüricl
beim Aussaugender Collembolen Orchesella
llauescens(Bounr-nr)2 und
Tomocerus llaaescens(Tunnenc)2
beobadrtet.Volfspinnen
fressen außer Insekten auchAraclniden;
Kannibalismuskann für
sie eine wichtige nahrungsökologisdre Bedeutung haben(Eocen,
7969;Hacsrnuu,
797Q;Hrc"tNDER,
1970). rVährend vonlVolfspinnen und kleinen Netzspinnen nur
kleine, weichhäutigeInsekten überwäldgt werden
können, werdenvon der auf
europäisdren\üaldböden
leben- denTridrterspinne
Coelotes terrestris(\flider)
häufigmittelgroße bis
großeKäfer
getötet(Txnrze4
1961;NrNTvrc, 1981; NvrruLER u. Brrrrz,
1981b). Auf Valdböden spielt sidr folglich
Beuteselektionab.
Se-lektiver
Beutefang scleint sidr auclin
der Vegetations- sdridrt zu ereignen(vgl. Luczer
u. DesRowsra-Pno.r, 1970).In der
Vegetationsschidrt stellen Fluginsekten (v. a.Dipteren) für
viele Spinnenarten eine essentielle Nahrungsquelledar (TunNeurr,
1960; RunnrRTsHo-rrw,
1964;DesnowsKe-Pnol u. Luczer,
1968;Luc-
zAKu. Desnowsre-Pnor, 1970; THonxnrrl,
1975;Urrz u. Brcnr, 1980; NrEErun u. Brwz,
1981 b).Nach
europäisc}enBeridrten handelt es sidr
dabeivor allem um kleine Insekten (Nrrrrnn u.
BnNz,1981 b). Demgegenüber waren
in
Nordamerika sowohlmehrheitlidr kleine
als auch überwiegend mittelgroßeInsekten fangende
pflanzenbewohnende Radnetz- spinnenarten beobadrtetworden (Unrz et al.,
7978;IJrrz
u.Brcnr,
1980).Als polyphage Prädatoren töten Spinnen wirtschaft-
lidr indifferente, nützliche und schädlicle
Insekten.In
den Beutespektrenvon
Spinnensind
sdron zahl- reidre Forstsdrädlinge nadrgewiesen worden. Darunter befinden sich forstschädlicheKäfer wie
z. B. Maikäfer,Heldbod<, Großer Brauner Rüsselkäfer,
GemeinerGraurüßler,
SchwarzerKiefernblattkäfer
sowie meh-rere Borkenkäferarten (KrncuNrn, 1964; Rurrnnrs-
HoFEN,1964;
JrNNrNcsu. Pesr, 1975; Hrrnscn
u.Kneusr,
1976;Moon
u. NyrEErEn, 1982).Audr
zahl- reidre forstschädlicle Sclmetterlinge, wie beispielsweiseLärdrenminiermotte, EidrenwicJrler,
Fid-rtenwidrler, Kiefernknospentriebwicl<ler, Kiefernharzgallenwichler, Kiefernspanner, Bucfienfrostspanner, Forleule, Nonne, 2 Collembolen determiniert durdr Doz.Dr.
'W. DuNcrn, Staatliches Museum für Naturkunde, Görlitz, DDR.135 Kiefernsdrwärmer
und \(eißer
Bärenspinner konntensclon in der
Beutevon
Spinnen festgestellt werden, wobei allerdings gewisse Netzspinnen wenig effektivePrädatoren von
Sd-rmetterlingensind (vgl.
unten)(LoucnroN et
a1., 1963; KrncHNnn, 1964; BneuNs, 7976).YIie groß ist nun der Einfluß,
dendie
Wald- spinnen auf Insektenpopulationen ausüben können?Die
Biomasseder
Spinnenauf
der Bodenoberflädrevon
Forst-Okosystemenliegt in der
Größenordnungvon 2-5 kg Frisclgewic}t/ha
(veNorn Dnrrr,
1951;RErcnrE u. Cnosslry, 1967; Moulorn u. RErcntr, 1972;Mntrn
u.Orn'rrr, 1975).Die von
den Spinnen der Streusdridrt verzehrte Insektenmenge lagin
einem amerikanisdren Tulpenbaum-Okosystemin der
Grö- ßenordnungvon
12kg Frisclgewi&tlhalJahr (Mour- nrn
u.RrrcHw,
1972). Das Energiebudget einer\7olf-
spinnenpopulationwurde in
einembritisdren
Forst- Okosystemauf
ca. 9kg
Frisdrgewidrt getötete Beute/ha,
in
einem kalifornischen Forst-Okosystem auf etwasüber
3kg/ha
berechnet(FIAGsrRuu, 7970;
Eocen,l97l). Dabei ist zu
bedenken, daß\flolfspinnen
nureinen Teil der
gesamtenepigäisclen
Spinnenfauna dieser beiden Okosysteme ausmadren. Amerikanisdre '!(issensdraftlerkamen
zu
dem Resultat, daßdie
epi- gäisdren Spinnen eine große Bedeutung als Prädatorender
Streufaunavon '!(äldern
haben können (Cre.nrE u. GneNT, 1968;Mourorn
u.Rrrcnrr.,
1972;MeNlrv et al.,
7976). Desgleidrenmißt der
deutsdre Okologe\(rBroruaNN (1978)
den
epigäischen Spinnen, zusam-men mit den
anderen Streusc}idrt-Prädatoren, eine wiclrtigeFunktion
als Insektenp rädator enzt.
Im
Gegensatzdazv ist die
ökologisdre Bedeutungder Spinnen der
Vegetationssclidrtvon
Forst-Oko- systemennodr umstritten (Vrr6, 1953; KrncnNrn,
7964).Einzelne
Feldstudienhatten
gezeigt,daß
ge- wisse Spinnenartenin
der Vegetationineffektiv
gegenLepidopteren-Sdrädlinge waren (PorNrrr.rc,
1966;KrncnNrn,
1967;Funur4
7977). Nach Angaben die- serAutoren konnten
einzelne Spinnenarten Scimet-terlingspopulationen um
hödrstens 5 0/o reduzieren.Zu einem etwas höheren Mortalitätswert
gelangteENcrr. (1942). Er
schätzte,daß bei einer Kiefern- spannerkalamitär 12-230lo der
Spannerpopulationvon
Spinnenvertilgt wurden, stellte jedodr
zugleidrfest, daß von
Spinnenq/esentlidl weniger
Spannergetötet werden konnten als von Vanzen. Die In- effektivität
gewisser Spinnenartenals
Sdrmetterlings- feindedürfte
z.T. mit
dem spezifischenFlucitvermö-
gender
ScJrmetterlinge zusammenhängen (KrncHNrn,1967; NvrruLER u. BnNz,
1981c). Andere
Autoren hattenvermutet,
daß Spinnenin der
Vegetation von Forst-Okosystemen wichtige Prädatoren von Lepidop- teren, Blattläusen und Müd<en sein können(Surrlrw,
7939;Jull-tnr,
7961;Dernowsr<l-Pnor et
al., 1968 a,b; Luczer, 1968; Fox u. GnrrErrH,
7976).Die,an-
einheitliche Bewertung der Spinnen als
Insekten- prädatorenkönnte damit
zusammenhängen, daß vonBiotop zu Biotop und von
Jahrzu Jahr
andere Um-weltkonstellationen für
Räuber-Beute-Interaktionen herrsdren.So
schwanktein Japan die von
Spinnen verursadrteMortalitätsrate
der Kastaniengallwespein
normalen Jahren zwischen7 und
20 0/ound war in
M. NyrrBI-rn: Die ökologisdre Bedeutung der Spinnen in Forst-Okosystemen136
einem anderen
Jahr
wesentlichhöher
(Ner<eMURA u.Nereuuna,
1977). Zudemhängt die
ökologisdre Be- urteilung der Spinnen stark davon ab, welche Spinnen-art
als Prädator welcher Beuteart studiertwird.
KrncnNrn (1964)
sd'rätztedie
Vertilgungsleistur.rg der Spinnen sämtlidrer Straten (Boden*
Vegetation) eines deutsdren Forst-Okosystemsauf
100kg
Frisch-gewidrt Insekteniha/Jahr. Zum Vergleidr sei
festge- halten, daßin
der Vegetationvon
Brachland, weldresin der
Sukzession eineVorstufe
des \flaldes darstellt, sogarnodr mehr als
100kg
Frischgewicht Insekten/halJahr von Spinnen zerstört werden (Nvrmr.rn,
1982). Demgegenüber werdenin
der Vegetationssdridrtvon
Getreidefeldern höchstensl-2 kg Frisclgewiclt Insekten/ha/Jahr von
Spinnengetöter (Nrrrrrrn
u.8nN2,1979.
Außer als insektivore Prädatoren
erfüllen
die Spin- neninnerhalb von
Forst-Okosystemen auchnodr
an- dereFunktionen,
Spinnen könnenKonkurrenten
von größengleidrenKleinräubern
seinund
dienen diversen anderen Tiergruppen alsHaupt-
oder Nebennahrung (2. B.für
Vögel). Ferner stellen Spinnennerzein \7äl- dern wichtige
Nahrungsquellenfür
Kleptoparasiten dar(TnonNnwr,7975).
Bevor die
ökologiscle Bedeutungder
\Taldspinnenin allen ihren
Aspektenerfaßt
werdenkann,
werdenin Zukunft noch zahlreidre Freilandstudien in
den verscliedenen\flaldtypen durdrgeführt werden
müs- sen.Vor allem wird der Kronenraum der Välder
noch besser untersudrt werden müssen.
Zusammenfassung
Die wid-rtigste Literatur über die ökologisdre Bedeutung der Spinnen
für
Forst-Okosysteme wurde kurz zusammen- gestellt. Daraus geht hervor, daß Spinnenin Väldern
in Didrtenvon 50-200
Individu,en/m2 leben, und sidr, zu- mindestin
Europa, hauptsädrlidr von kleinen, weidrhäuti- gen Insekten ernähr.en (v. a. Dipteren und Collembolen). In der Beute der Spinnen finden sidr aber auch größere und sehr große Insekten, darunter versdriedene Forstsdrädlinge.Nadr dem derzeitigen Stand des \üissens sdreinen die Spin- nen
der
Bodenoberflädre widrtige Insektenprädatoren zu sein, während die ökologisdre Bedeutung derim
Stamm- und Kronenraum lebenden Spinnen nodr umstritten ist.Literaturverzeidrnis
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