Von Renate Jacobi, Saarbrücken
Im Bereich des arabischen Konditionalsatzes läßt sich ein Typus beob¬
achten, dessen Besonderheit in einer vom Normalfall stark abweichenden
logischen Struktur besteht. Da er sich formal vollkommen in das syn¬
taktische Schema des Bedingungssatzes fügt, wird er von den einhehni¬
schen Grammatikern und den ihnen folgenden europäischen Gelehrten
nicht als Sonderfall hervorgehoben. Wir finden ihn jedoch bei C. Brok-
KELMANN* in seiner Eigenart erkannt und beschrieben, und H. Recken-
dobe^ hat sich darüber hinaus um eine nähere Deutung dieses Phänomens
bemüht. Da, wie mir scheint, weder Beockelmanns noch Reckendoefs
Darstellung diesem Satztypus ganz gerecht wird, sei hier emeut eine
Erklärung versucht*.
Es handelt sich um die von Reckendorf als ,, Bedingungssätze mit
Verschiebung" bezeichneten Typen, bei denen der Nachsatz nicht die
logische Folge des Vordersatzes darstellt, sondern in einer vom Neben¬
satz unabhängigen, in keiner Weise begrifflich bedingten Aussage besteht.
Als Beispiele gibt Reckendorf in deutscher Sprache die beiden Sätze :
1. „Wenn Zaid stiehlt, nun so hat schon sein Vater gestohlen." 2. ,,Wenn
Zaid stiehlt, nun, so werden Diebe bestraft*." Diese Sätze werden von
ihm nicht näher gekeimzeichnet. Sie repräsentieren jedoch zwei im
Arabischen auch formal unterschiedene Konstruktionen, welchen sich
mit wenigen Ausnahmen alle Sätze dieses Bereiches zuordnen lassen. Im
ersten Beispiel enthält der Nachsatz ein in der Vergangenheit liegendes
Ereignis; es steht gewöhnlich qad mit dem Perfekt, in der Verneinung
mä mit Perfekt^: In yaqtulüka fa-qad talalta 'urüSahum. ,,Wenn sie dich
1 Grundriß der vergleichenden Qrammatik der semitischen Sprachen. 2. Bd.
Syntax. Beriin 1913 (Nachdmck Hildesheim 1961). Abk.: GvG. Die Ab-
kiu-zung der Literaturangaben richtet sich nach dem „Wörterbuch der klassi¬
schen arahischen Spraclie", Wiesbaden 1957 ff. Bei arabischen Zitaten wird nur die Abkürzung angegeben.
^ Die syntaktischen Verhältnisse des Arahischen. Leiden 1895. Abk.: Synt.
V. — Ardbische Syntax. Heidelberg 1921. Abk.: Synt.
' Die folgenden Ausfühmngen gehen z. T. auf ein Kapitel meiner Disser¬
tation zurück (R. Tietz: Bedingungssatz und Bedingungsausdruck im
Koran. Tübingen 1963). Grundlage der Untersuchung bildet das gesamte
koranische Material und eine repräsentative Anzahl von Fällen aus der alt¬
arabischen Dichtung. * Synt. V. 703.
5 Meine Untersuchung der Bedingungssätze im Koran hat ergeben, daß
die Negation mä mit Perfekt immer eintritt, werm im positiven Falle ein
qad oder la- mit Perfekt zu erwarten wäre.
Bedingungssätze „mit Verschiebung" 79
töten, nun, du hast ihre Macht zerstört" (Marz. II Nr. 275, 4). — Fa-in
a'radü fa-mä arsalnäka 'aJaihim hafizan. ,,Wenn sie sich nun abwenden
(und deiner Aufforderung keine Folge leisten, ist das ihre Sache). Wir
haben dich nicht als Hüter über sie gesandt" (Sure 42, 48/47)*. Im
zweiten Fall gibt er eine allgemein anerkannte Tatsache, oft in Form
einer Sentenz, oder eine entschiedene Behauptung des Sprechers wieder;
in der Regel steht ein Nominalsatz, aber auch qad mit Imperfekt kommt
vor: Fa-in yaku 'Ämirun qad qäla gahlan fa-inna mazinnata l-gahli
S-äabäbu. ,,Wenn Ämir etwas Törichtes gesagt hat, nun, die Jugend ist
die Zeit, in der man Torheit erwartet" (Näbiga 4, 1). — Fa-in kunta dä
gahlin fa-qad yuhti'u l-fatä. ,,Wenn du eine Torheit begangen hast (be¬
gehst), nun, ein Jüngling irrt wohl zuweilen" (al-Hazin, Ag. XIV 83, 6).
Die durch diese beiden Typen repräsentierte Erscheinung finden wir bei
Reckendobf in folgender Weise erklärt: ,,Aus dem Inhalt des Neben¬
satzes folgt nicht der Inhalt des Hauptsatzes, sondern die Tatsache, daß
der Hauptsatz geäußert wird ... Der Haupts, steht fest ; das Bedingte
ist bloß, ob er mit dem Nebens. irgendwie in Einklang oder Widerstreit
ist und darum Anlaß gibt, ihn auszusprechen." Als Kriterium für emen
echten Bedingungssatz nimmt er die Tatsache an, daß bei Vemeinung
des Vordersatzes auch der Nachsatz negiert werden müsse, was bei den
genannten Beispielen nicht möglich sei. Auf Grund seiner Interpretation
kommt er nun zu einer Erweiterung der beiden Sätze, die hier im Gegen¬
satz zu seiner Darstellung ohne Negation angeführt werden: 1. ,,Wenn
Zaid stiehlt, so (ist Anlaß daran zu erinnem, daß) schon sein Vater
gestohlen hat." 2. ,,Wenn Zaid stiehlt, so (ist Anlaß darauf aufmerksam
zu machen, daß) Diebe bestraft werden^." Wird nun der Vordersatz
negiert, so fällt auch der „Aidaß" fort, den Nachsatz auszusprechen;
wir haben also einen echten Bedingungssatz vor uns.
Reckendobf hat den Begriff der ,, Verschiebung" eingeführt, um die
innere Beziehung zwischen Vorder- und Nachsatz näher zu bestimmen.
Prüfen wir seine Erklärung und die daraus folgende Ergänzung des ei¬
genthchen Nachsatzes, so zeigt sich, daß die Verschiebung in fast allen
FäUen nur eine formal-syntaktische ist. Es kann theoretisch bei jedem
Bedingungssatz eine Floskel, etwa ,,... so muß man sagen, daß ...",
zwischen Protasis und Apodosis eingefügt werden, die damit die syntak¬
tische Funktion der Apodosis übernimmt. Das Charakteristische der
hier in Frage stehenden Konstruktion ist daher mit Reckendorfs Er¬
klärung nicht getroffen. Wie irreführend darüber hinaus der Gedanke
ist, die Äußerung des Hauptsatzes folge aus dem Inhalt des Nebensatzes,
1 Die Übersetzung der koranischen Stellen ist zitiert nach R. Paret,
Der Koran. Lief. 1—3, Stuttgart 1963—65.
2 Synt. V. 704.
erkennt man an manchen seiner Beispielsätze, die allen Anforderungen
an einen echten Bedingungssatz genügen*.
Weniger ausführlich behandelt Bbockelmann diese Konstruktion.
Er bezeichnet die Beziehung zwischen der Bedingung und ihrem Nach¬
satz als ,,oft sehr lose" und unterscheidet drei Fälle: ,,Der Nachsatz ent¬
hält ... oft nicht eine Tatsache, die als natürliche oder logische Folge
aus der Bedingung sich herleitet, sondern entweder den Inhalt einer
Äußerung, die man in dem Fall zu erwarten hätte, oder eine Tatsache
oder einen Grundsatz, mit denen die Bedingung sich in Übereinstimmung
oder im Widerspruch befindet, oder endlich einen Grundsatz, nach dem
aus der Bedingung eine bestimmte Folgerung zu erwarten wäre^." Von
seinen Beispielen ist hier für jeden der drei Fälle eines ausgewählt:
1. In tas'ali fa-l-magdu. . .qad haUa ft Tainiin ,,Wenn du fragst, so
(sage ich dix, daß) der Ruhm in Taim zu Hause ist." (Marz. IV Nr. 812,
I) — 2. In yasriq fa-qad saraqa ahun lahü min qablu. ,,Weim er gestohlen
hat, (so ist das nicht verwunderlich, da) auch ein Bruder von ihm schon
früher gestohlen hat." (Sure 12, 77) — 3. Immä tata'äSau fa-fi t-ta'äSi d-dä'u. ,,Wenn ihr euch unwissend zeigt, so bildet eine solche Verstellung
den Kern der Krankheiten." (Härit Mu'all. 65)
Das erste Beispiel hebt sich bei genauer Betrachtung deutlich von den
anderen ab. Hier besteht in der Tat ein ursächlicher Zusammenhang
zwischen dem Inhalt des Nebensatzes und dem Aussprechen des Haupt¬
satzes, indem jener eine Frage, dieser die Antwort darauf enthält, und
es wäre zutreffend, von einer Verschiebung im Sinne Reckendoeps zu
sprechen. Sätze dieser Art, die einzigen, die seiner Erklärung vollkom¬
men entsprechen, sind in der Dichtung gar nicht selten und kommen
auch im Koran mehrfach vor, z. B. : In kuntum fi äakkin min dini fa-lä
a'budu lladina ta'budüna min düni Ilähi. ,,Wenn ihr über meine Religion
im Zweifel seid (dann laßt euch gesagt sein): Ich diene nicht denen,
denen ihr an (Rottes Statt dient." (Sure 10, 104). Die Bedingung ist in
diesen Fällen oft nur aus rhetorischen Gründen gesetzt, da die Frage
tatsächlich vorausging, als sicher vorausgesetzt wird, oder aber dem
Sprecher erwünscht wäre, etwa weil sie ihm Gelegenheit zu einem Selbst-
* Vgl. z. B. Synt. V. 707, 8: In ta^amma'a autodun wa-a'midatun yauman
fa-qad balagü l-amra lladi kädü. „Wenn einmal Pflöcke und Stützen einig
sind, so haben sie erreicht, was sie vorhatten" ('Iqd I 5, 23/ 10, 13). Die Partikel qad ist hier nicht vorzeitig, sondem verstärkend, bzw. resultativ
gemeint. — Synt. V. 705, lltlnbarra wa-'adala fa-dölika Hlmi bihl. „Wenn
er fromm und gerecht handelt, so kenne ich ihn von dieser Seite." (Kämil
8, 7) Der Kausalzusammenhang zwischen Vorder- und Nachsatz ist hier
weniger eng als bei den meisten Bedingungssätzen. Man braucht jedoch nur
die Bedingung in ihr Gegenteil zu verkehren, so zeigt die veränderte Fol¬
gerung im Nachsatz seine logische Abhängigkeit. ' GvG II 645.
Bedingungssätze „mit Verschiebung" 81
lob gibt, z. B. : Wa-man yaku säHlan 'anni fa-innl mina l-ßtyäni ayyäma
l-Hunäni. ,,Wenn einer nach mir fragt, ich gehöre zu den Jünglingen an
den Tagen von al-Hunän" (an-Näbiga al-öa'di, Ag. IV 129, 1 v. u.).
Sätze dieses Typus bilden eine Sondergruppe und werden im weiteren
Verlauf der Untersuchung nicht mehr berücksichtigt.
Die beiden letzten Beispiele, welche Bbockelmann verschieden inter¬
pretiert, fallen im Prinzip zusammen, und für beide gilt mit geringer
Abwandlung, was er über den dritten Fall sagt, wie auch aus seiner Über¬
setzung von Fall zwei hervorgeht. Bei allen diesen Sätzen enthält der
Hauptsatz den Grund für eine aus der Bedingung zu ziehende Folgerung
(s. o.) Es handelt sich nur der syntaktischen Funktion nach um eine
Apodosis; bei Einsetzung der Conclusio kann der Hauptsatz als kau¬
saler Nebensatz angeschlossen werden. Während sich also bei einem
echten Bedingungssatz aus der Conditio und einer oder mehreren un¬
genannten Prämissen eine Conclusio ergibt, ist in imserem FaU einfach
die Prämisse an die SteUe des Bedingten getreten, und es wird dem An¬
gesprochenen überlassen, das Fehlende zu ergänzen. In dem Satz : ,,Wenn
Zaid stiehlt, nun, Diebe werden bestraft", ist die Folge so wird er
bestraft, denn Diebe werden bestraft". Das andere Beispiel ist etwas
komplizierter, weil mehr als eine Prämisse zu dem vom Sprecher inten¬
dierten Schluß führt. ,,Wenn Zaid stiehlt, nun, sein Vater hat schon
gestohlen." Die Conclusio lautet so ist das nicht verwunderUch
(oder auch: so ist das zu entschuldigen; die Nuancierung bleibt dem
Hörer überlassen), denn sein Vater hat schon gestohlen." Diese Folge¬
rung ist nur unter der Voraussetzung zu ziehen, daß Söhne gewöhnlich
wie ihre Väter handeln. Wir haben also zwei Prämissen, von denen die
eine ungenannt bleibt. Dabei ist die Wahl der zu nennenden Voraus¬
setzung für die Conclusio ohne Belang. Der Satz: „Wenn Zaid stiehlt,
nun. Söhne schlagen ihren Vätern nach", führt zu derselben, oben an¬
gegebenen Folgerung. Theoretisch läßt sich die Zahl der für den Schluß
notwendigen Prämissen vermehren, doch setzt der Sprachgebrauch mit
Rücksicht auf die Verständlichkeit eine natürliche Grenze.
VieUeicht ist es nicht überflüssig, das Prinzip auch an einem arabischen
Satz zu demonstrieren. Das dritte von Beockelmanns Beispielen (S. 322)
ist zumal in der deutschen Übersetzung nicht sofort zu durchschauen.
Wörthch übersetzt lautet der Satz : ,,Wenn ihr Unwissenheit heuchelt —
im Heucheln von Unwissenheit liegt Krankheit." Die notwendige, vom
Sprecher gemeinte Folgerung muß heißen: dann seid ihr krank
(oder: dann werdet ihr Schaden davon haben), denn im Heucheln von
Unwissenheit hegt Krankheit." Der FaU ist hier wieder ganz einfach,
da nur eine einzige Prämisse zur Conclusio führt. An dem Beispiel mag
deuthch geworden sein, daß bei einer folgerichtigen Anwendung unseres
« ZDMG 117/1
Schemas manche Sätze, die zunächst problematisch erscheinen, leichter zu verstehen sind.
Die vorhergehenden Überlegungen haben gezeigt, daß die logische
Beziehung zwischen Vorder- und Nachsatz nicht lose ist, wie Beockel¬
mann meint, sondern auf eine ganz bestimmte, allerdings vom begriff¬
lichen Schema des Bedingungssatzes abweichende Art und Weise fest¬
gelegt. Der gedankliche Zusammenhang ist abgebrochen und in der
Form wieder aufgenommen, daß das fehlende Glied dem Sinne nach
eindeutig determiniert ist. Der Ausdruck ,, Verschiebung", wie er sich
seit Reckendoef eingebürgert hat, ist damit kaum mehr verwendbar.
Da die Bezeichnung „Ellipse", die sich allenfaUs anbieten würde, ein rein syntaktischer Terminus ist, während es sich hier um Begriffsbeziehungen
handelt, schlage ich vor, von SätzenmitlogischemBruchzu sprechen.
Wir haben uns bisher ausschließlich darum bemüht, eine Satzver¬
bindung auf ihre logische Struktm" hin zu analysieren und haben dabei ein
Schema gewonnen, welches theoretisch eine für alle Sprachen möghche Aus¬
sageform darsteUt. Über die Sprachwirklichkeit des Arabischen, d. h. über
die Nutzung dieser Möglichkeit, ist damit noch nichts gesagt. Dieser Fra¬
genkomplex wird uns im folgenden Teil der Untersuchung beschäftigen.
Sätze mit logischem Bruch sind nicht nur im Arabischen oder in den
semitischen Sprachen zu finden. Auch im Deutschen kommen sie nicht
selten vor, wie sich an dem Sprechstil vieler Menschen beobachten läßt,
z. B. : „Wenn er dir nicht hifft — du hast ihm ja auch nicht geholfen."
Entscheidend ist jedoch, daß eine solche Konstruktion im Gegensatz
zu dem arabischen Typus formal eindeutig als Anakoluth gekennzeichnet
ist. Die fehlende Inversion im zweiten Satz zeigt deuthch, daß er nicht
als Nachsatz empfunden wird. Derartige Sätze sind ein Merkmal der
gesprochenen Sprache, sie werden sich aUenfaUs in einer rhetorisch ge¬
färbten Schrift- oder Dichtersprache nachweisen lassen. Als eine echte
ParaUele erscheint dagegen folgender Satz in gebundener Sprache: ,,Und
wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott zu sagen,
wie ich leide" (Goethe, Torquato Tasso V 5). Hier ist, genau wie im
Arabischen, das syntaktische Schema des Bedingungssatzes genau
eingehalten. Trotzdem ist der logische Bruch unverkennbar. Der echte
Nachsatz müßte lauten: so verstumme ich nicht, denn
Goethe hat in seinem Vers eine Konstruktion verwendet, deren Wirkung
gerade auf ihrer Ungewöhnlichkeit beruht. Für deutsches Sprachgefühl,
scheint mir, hegt sie hart an der Grenze des Zulässigen, und es werden
sich wenige Belege dafür finden. Anders ist die Sachlage im Arabischen.
Die relative Häufigkeit dieses Satztypus im Koran und in der Dichtung
läßt den Eindmek entstehen, daß es sich um ein für arabisches Sprach¬
gefühl besonders wirkungsvoUes Stilmittel handelt. Dieser Eindruck
Bedingungssätze „mit Verschiebung" 83
wird verstärkt durch bestimmte Formen des Hauptsatzes, die sieh mehr¬
fach belegen lassen, oder auch durch Fälle von Paronomasie, die gerade
bei dieser Satzverbindung verbreitet sind. Reckendoef gibt in seinem
Werk „Üher Paronomasie in den semitischen Sprachen" (Gießen 1909,
S . 172) mehrere Beispiele dafür. Die folgende Auswahl von Belegstellen soll
das Gesagte verdeutlichen. Der jeweils ergänzte Nachsatz in der ELlammer
beansprucht keine absolute Gültigkeit, da der Interpretation dabei ein
gewisser Spiehaum gelassen ist. Der Sinn ist zwar aus der ursprünglichen Situation heraus eindeutig bestimmt, für uns aber, die wir sie oft nicht ken¬
nen, muß die genaue Nuancierung in manchen Fällen Vermutung bleiben.
Wir geben zunächst zwei Beispiele für Paronomasie, die zugleich einen
charakteristischen Aussagetypus darstellen. Der Hauptsatz enthält ent¬
weder einen Parallelfall zu der Bedingung oder das ausdrückliche
Gegenteil : Wa-in yukaddibüka fa-qad kaddabat qablahum qaumu Nühin ...
, jTJnd wenn sie dich der Lüge zeihen (braucht man sieh nicht zu wundern
. . .). (Schon) vor ihnen haben die Leute Noahs ... (ihre Gesandten) der
Lüge geziehen"* (Sure 22, 42/43). — In kuntu ahta'tu fa-mä ahtä l-qadar.
,,Wenn ich geirrt habe, (hat das nichts zu bedeuten.) Das Schicksal irrt
nicht (oder: hat nicht geirrt) (a. l-'Atähiya, Ag. III 143, 20).
Zuweilen bedeutet der Hauptsatz eine Steigerung gegenüber der Be¬
dingung. Der Ausfall des fa- im folgenden Beispiel ist darüra : Fa-in taku
dä qahnlin inna 'Amran huwa l-qamaru l-mudi'u l-mustaniru. ,,Wenn du
ein freundlicher Mensch bist, (so will das wenig heißen). 'Amr ist der
leuchtende, erhellende Mond" (unbek. Sklavin, Ag. VII 57, 7). — Fa-in
taku nälatnü Kulaibun bi-qirratin fa-yaumuka fihim bi-l-masifaii abradu.
,,Wenn uns die B. Kulaib Kühlimg brachten, (so will das wenig heißen).
Dein Tag unter ihnen in dem vom Sommerregen getroffenen Gebiet war
kühler." (al-Muhabbal as-Sa'di, Ag. X 34,11). Auch solche Fälle können
paronomastisch sein : In käna li-z-zaribäni §uhrun muntinun fa-la-juhru
anfika yä Muhammadu antanu. ,,Wenn der Iltis eine stinkende Höhle
hat, (so will das wenig heißen). Die Höhlung deiner Nase, Muhammed,
stinkt noch mehr" (al-Hakam b. 'Abdal, Ag. II 158, 3). — In tä'hudü
A-sm^a mauqifa sä'atin fa-ma'hadu Lailä uxi-hiya 'adrä'u a'gahu. „Wenn
ihr Asmä' während einer Stunde Aufenthaltes gefangen gehalten habt,
(braucht ihr nicht stolz darauf zu sein). Die Zeit, die Lailä, eine Jungfrau, (unsere) Gefangene war, ist erstaunlicher." ('Urwab. al-Ward, Ag.II 194,5).
Bei zwei parallelen Bedingxmgssätzen, die eine Altemative ausdrücken,
scheint es fast zur Regel geworden zu sein, daß der zweite einen logischen
Bruch aufweist: Fa-man tabi'ani fa-innahü minni fa-man 'asäni fa-
innaka gafürun rahimun. ,,Wenn einer mir folgt, gehört er zu mir. Und
1 Wie der ergänzte Nachsatz zeigt, stimmt Pabets Auffassung von diesen
Sätzen völlig mit der unseren überein.
••
wenn sich einer mir widersetzt (sei er deiner Gnade anempfohlen). Du
bist barmherzig und bereit zu vergeben" (Sure 14, 36/39). — Wa-in
yamsaska Ilähu bi-durrin fa-lä käSifa lahü illä huwa wa-in yamsaska bi-
hairin fa-huwa 'alä kulli Sai'in qadirun. ,,Weim Gott Not über dich
kommen läßt, gibt es niemand, der sie beheben könnte, außer ihm. Und
wenn er dir etwas Gutes zukommen läßt (ist auch das ein Zeichen seiner
Allmacht). Er hat zu allem die Macht." (Sure 6, 17). — Fa-in tahyä lä
amlal hayäll wa-in tamul fa-mä fi hayätin ba'da mautika tä'ilun. ,,Wenn
du am Leben bleibst, bin ich meines Lebens nicht überdrüssig. Wenn du
aber stirbst, (wül ich auch sterben). Nach deinem Tod hat das Leben
keinen Wert mehr" (Näbiga, 21, 24). — Nicht selten wird der Hauptsatz durch mitlu eingeleitet : Fa-in astati' aglib wa-in yaglibi l-hawä fa-mitlu
lladi laqitu yuglabu sähihuh. ,,Wenn ich dazu imstande bin, siege ich.
Wenn aber die Liebe siegt, (trifft mich kein Tadel). Was mir begegnet ist,
besiegt jeden auf solche Art Liebenden" (Marz. III Nr. 534, 4). — Fa-in abkihl u'dar wa-in aglibi l-asä bi-säbrin fa-mitli 'indamä Stadda yasbiru.
,,Wenn ich ihn beweine, bin ich entschuldigt. Wenn ich aber den Schmerz
durch Fassung überwinde, (ist das die angemessene Haltung). Meines¬
gleichen zeigt Fassung im Unglück" (Nusaib, Ag. 1 144,22). — Es kommt
auch vor, daß beide Sätze logischen Bruch haben: In tu'addibhum fa-
innahum Hbäduka wa-in tagfir lahum fa-innaka anta l-'azizu l-hakimu.
,,Wenn du sie bestrafst, (ist das dein Recht). Sie sind deine Diener*. Und
wenn du ihnen vergibst, (steht das ebenfalls in deinem Belieben). Du
bist der Mächtige und Weise" (Sure 5, 118). — Sehr ähnlich ist ein Vers
Näbiöas: Fa-in aku madünmn fa-'abdun zälamtahü wa-in taku dä 'utbä
fa-mitluka yu'tibu. „Wenn mir Unrecht geschieht, (braucht es dich nicht
zu kümmern). Du hast nur einem Sklaven Unrecht getan. Wenn du mir
aber Gnade erweist, (handelst du angemessener). Deinesgleichen ist
gnädig" (Näbiga III 12).
Neben mitlu wird auch rubba(mä) häufig zur Einleitung des Haupt¬
satzes verwendet: Fa-in yaku ardähu Yazidu bnu Mazyadin fa-yä-rubba
hailin faddahä wa-sufüfin. ,,Und wenn ihn Yazid b. Mazyad getötet hat,
(tut das seinem Ruhm keinen Abbruch). So manche Reiterschar und so
manche Schlachtreihe hat er zerstreut" (al-Färi'a hint Tarif, Ag. XI 8,
2 V. u.). — Fa-in tumsi mahgüra l-finä'i fa-rubbamä aqäma bihi ba'da
l-wufüdi wufüdun. ,,Und wenn du deines Hofraumes beraubt bist, (bietet
die Erinnerung dir Trost). So manches Mal hielt dort eine Gtesandtschaft
nach der anderen" (Marz. II Nr. 266, 3). — In tusbihi lä Sai'a fiki fa-
ruhbamä uiri'ti min ka'sin taladdu li-dä'iqin. , ,Weim du (nun) leer geworden
bist, (achte ich dich trotzdem nicht gering.) So manches Mal wurdest du
* Die Übersetzung ist hier ausnahmsweise nicht nach Pabet zitiert, da
bei ihm das Schema des Satzes nicht so klar ersichtlich ist.
Bedingungssätze „mit Verschiebung" 85
gefüllt aus einem Becher, der wohlschmeckend ist, wenn man von ihm
kostet" (b. Artät, Ag. II 81,18). — In umsi kalian lä utä'u fa-rubbamä
suqtu l-katä'iba maSriqan au magriban. „Wenn ich müde geworden bin
und man mir nicht mehr gehorcht, (tröste ich mich mit der Erinnerung).
So manches Mal habe ich die Reiterscharen ostwärts und westwärts
geführt" (Mu'amm. 92, 1).
Sehr behebt ist eine Sentenz im Hauptsatz; im folgenden Vers sind
sogar zwei parallele Hauptsätze sentenziös : Fa-in sdbarta fa-inna s-sabru
makrumatun vxi-in ^azi'ta fa-qad käna lladi käna. „Wenn du dich gefaßt
zeigst, (handelst du richtig). Gefaßtheit (im Unglück) ist eine Tugend.
Und werm du verzweifelst, (nützt es dir gar nichts). Was geschehen ist,
ist geschehen" (a. öalda al-YaSkuri, Ag. X 115, 2 v. u.). — In ^afatni
l-yauma Hindun ba'da umddin wa-qtiräbin fa-sabilu n-näsi turran li-fina'in
wa-dahäbin. ,,Wenn Hind mich heute vernachlässigt, nachdem sie sich
zuvor liebevoU und zugänglich gezeigt hat, (kann mich das nicht er¬
schüttern.). Der Weg der Menschen insgesamt führt zu Vergehen und
Untergang." ('Umar b. a. Rabi'a, Ag. I 76, 6f. v. u.). — Fa-in takuni
d-dunyä bi-Ldbnä tagayyarät fa-li-d-dahri wa-d-dunyä butünun wa-
azhurun. ,,Und wenn sich die Welt in Bezug auf Lubnä verändert
hat, (so ist das der Lauf der Dinge.) Das Schicksal und die Welt haben
eine Vorder- und eine Rückseite" (Qais b. Darih, Ag. VI 114, 7 v. u.).
Als letztes Beispiel sei noch eine sehr schön durchgeformte Antithese
mit Parallelismus der Satzglieder angeführt: Fa-in aku fi Sirärikumü
qalilan fa-inni fi hiyärikumü katlrun. ,,Wenn ich unter den Bösen bei
euch wenig gelte, (so will das nichts heißen). Unter den Guten gelte ich
viel" (Marz. III Nr. 419, 9)i.
Selbst diese Auswahl von Belegen läßt erkennen, daß die Konstruk¬
tion mit logischem Bmch für die arabischen Dichter und Mohammed eine
behebte Ausdrucksform darstellt, die sich in ihrer stilistischen Funktion
deutlich von einem echten Bedingungssatz unterscheidet. Ihre rhetorische
Wirkung beruht vor allem auf dem Moment der Spannung, das durch die
Unterbrechung der erwarteten Gedankenfolge geschaffen wird, und das
den Ansprach an die Phantasie des Hörers stellt, sich die unausgesprochene Folgerang selbst auszumalen.
Es wird methodisch von Nutzen sein, sich hier noch einmal an den
VersausGoBTHEs „Ta«so"zu erinnem, den wiroben (S. 324u.) als Parallele
herangezogen hatten. Als Begründung dafür diente die Feststellung, daß
im Deutschen wie im Arabischen das syntaktische Schema des Bedin¬
gungssatzes genau eingehalten sei. Nach rein formalen (Jesichtspunkten, wie sie auch für die arabischen Grammatiker galten, ist diese Parallehtät
in der Tat gegeben; sie erweist sich jedoch als fragwürdig, wenn wir die
1 Vgl. dazu WKAS I 67 a, 19ff., wo weitere Belegstellen angegeben sind.
ganz verschiedene Struktur der beiden Sprachen in unsere Überlegungen
einbeziehen. Im Deutschen besteht durch Inversion im Nachsatz die
Möghchkeit, die Beziehung von Haupt- und Nebensatz auf eindeutige
Weise festzulegen. Wesentlich lockerer und keineswegs eindeutig ist die
Verbindung von Vorder- und Nachsatz durch fa- im Arabischen, da die
Verknüpfungsfunktion dieser Partikel eine sehr allgemeine ist. So könnte
sie, wie bei manchen Formen von IsoUerung*, auch in unserem Fall nur
dazu dienen, ein Anakoluth zu überbrücken, und es ist sogar denkbar,
daß sich der Grebrauch von fa- erst von diesem Satztypus her analog auf
alle formal ähnlichen, d. h. also alle nominalen oder nicht mit einem
Jussiv, bzw. Perfekt, beginnenden Nachsätze übertragen hat, die ohnehin
nicht immer ganz leicht von den begrifflich unabhängigen Hauptsätzen zu
scheiden sind^*. Durch eine solche Annahme würde zudem der einseitige Ge¬
brauch von /«- in Bedingungssätzen erklärt ; es ist ja grundsätzlich nicht
einzusehen, warum die Partikel nicht auch vor einem Verbum stehen sollte .
Wie manche anderen Konstruktionen, die sich aus der lockeren Form
der mündlichen Rede erklären*, ist auch der Satz mit logischem Bruch
in den Kanon der Nationalgrammatik eingegangen, wobei die formale
Übereinstunmung mit einem echten Bedingungssatz seine Besonderheit
entweder ganz verschleierte, oder zumindest ihre Erwähnung und nähere
Erläuterung überflüssig machte. Es ist schwer zu sagen, wieweit das
Sprachgefühl der Araber in jener Zeit der systematisierenden Sprach¬
betrachtung noch fähig war, hier Unterschiede zu registrieren. In der
Frühzeit der arabischen Literatur dagegen, als mit der Beduinendichtung
und dem Koran die Grundlage für alle spätere Normierung entstand,
dürften Eigenart und rhetorische Möglichkeiten eines Anakoluth noch
voll empfunden worden sein. Es wmi mit dem natürlichen Pathos der
Araber und der Art der genaimten Literatur zusammenhängen, daß
diese Möghchkeiten in so hohem Maße verwirkhcht wurden. Koran und
Dichtung waren zunächst ausschheßlich für den mündlichen Vortrag
bestimmt und wurden lange Zeit hindurch vorwiegend mündlich tra¬
diert. Trotz ganz verschiedener Thematik ist ihnen ein stark polemischer
Zug gemeinsam ; beide Faktoren haben die Entwicklung zu rhetorischen
Stilformen begünstigt. Viele dieser Elemente sind im nachkoranischen
Prosastil zu finden (vgl. Anm. 3), und es wäre zu untersuchen, in welchem
Ausmaß das auch für unsere Konstruktion zutrifft. Ihre besondere sti¬
listische Funktion läßt allerdings vermuten, daß sie auf Literaturgattun¬
gen der Rhetorik und Polemik beschränkt blieb.
1 Synt. V. 787f. ^ Vgl. S. 322 Anm. 1.
' Ein Beispiel dafür ist die Isolierung des natürlichen Subjekts (Zaidun
mäta abühu. Inna Zaidan mäta abühu.), von Reckendobf ausdrücklich als
Anakoluth bezeichnet (Synt. 366).
Ein Zeugnis aus dem Jahr 688/1289 für die Aus¬
sprache des qäf als hamza im Kairinischen
von Heinz Gbotzfeld, Münster i. W.
In einem Büchlein mit dem Titel ai-maSriq fi nazar al-Magäriba ivcU-
Andalusiyin fi l-qurün al-wustä (Beirut, Där al-Kitäb al-gadid 1963) hat
rh-. Salähaddin al-Munaööid aus gedruckten und handschriftlichen
Quellen Berichte und Schilderungen spanischer und maghribinischer
Reisender über den arabischen Osten, vor allem über Damaskus und
Kairo zusammengetragen. S. 70—82 bringt er Auszüge aus dem bisher
noch nicht ganz publizierten Reisebericht des Muhammad b. Muhammad
b. 'Ah al-'Abdari*, der 688 in Ägypten weilte und besonders die schlech¬
ten Seiten der Kairiner festgehalten hat. S. 80 oben finden wir folgende
Bemerkung, die unsere besondere Aufmerksamkeit verdient: ,,Man
findet unter den Bewohnern von Kairo kaum jemanden mit rede¬
gewandter Zunge, denn die fehlerhafte Sprache ist weitverbreitet. Die
breite Masse spricht das qäf und das käf wie ein hamza {^umhüruhum
yag'alu l-qäfa wal-käfa hamzatan). So habe ich jemanden von ihnen in
der talbiya sagen hören labbaik Allähummu labbaik, wobei er an Stelle
der beiden käf ein hamza sprach."
Zwar wird niemand, der mit der Kairiner Umgangssprache je in Be¬
rührung kam, über den Lautwandel q > ' erstaunt sein, obgleich die
lautliche Erscheinung selber noch nicht restlos geklärt ist*. Erstaunlich
1 GAL G I, 482; S I, 883: Abü Muhammad al-'Abdari. Der richtige Name
lautet aber Muhammad b. Muhammad b. 'Ali v. Ahmad b. Sa'üd al-'Abdarl,
8. Wilhelm Hobnebbach : Das Nordafrikanische Itinerar des AlxUirl vom
Jahre 688/1289, AKM 25, 4, Leipzig 1940, S. 3.
2 Der Wandel q > ' gehört zu den wenigen lautlichen Erscheinungen in
den modemen arabischen Dialekten, für die sich kein Vorbüd in den alt¬
arabischen Dialekten finden läßt. Kofleb kann nur drei t6däi-Beispiele bei¬
bringen (WZKM 47, 1940, 115—6). Eine PhUologenaussage scheint nicht zu
existieren. Die kann zwei Gründe haben: 1. Der Wandel q > ' war in keinem altarab. Dialekt vollzogen. iMoZ-Belege allein sind ja meist keine Stütze für den Ansatz eines Lautwandels. 2. Der Wandel g > ' ist nie in den Gesichts¬
kreis der PhUologen gekommen. Deren Interesse galt ja nicht den altarab.
Dialekten selber, sondern den spezifischen Fehlem, die den Sprechem der
einzelnen Dialekte beim Gebrauch der Hochsprache imterliefen. Der Ersatz
des qäf durch hamza war aber vielleicht zu weit von der Norm entfemt, zu
, »vulgär", als daß sie es der Mühe wert hielten, dies zu notieren (letztere Er¬
wägung gab mir Herr Professor Anton Spitaler zu bedenken). Jedenfalls
kaim das Schweigen der Philologen in keinem Sinn als Argument angeführt
werden. — Herr Dr. Hans-Rudolf Singer erzählte mir, daß in vielen tunisi-
sohen Dialekten, in denen qäf gesprochen wird, der Ersatz des q durch ' ein