Karlsruher Institut f¨ur Technologie Institut f¨ur Theorie der Kondensierten Materie Klassische Theoretische Physik II (Theorie B) Sommersemester 2016
Prof. Dr. Alexander Mirlin Musterl¨osung: Blatt 1
PD Dr. Igor Gornyi, Nikolaos Kainaris Besprechung: 26.04.2016
1. Bahnkurven geladener Teilchen (12+2+6=20 Punkte) Betrachten Sie zwei Teilchen (Masse m1, m2), die aufgrund des Coulombschen Geset- zes miteinander wechselwirken. Das Coulombsche Potential ist umgekehrt proportional zum Abstand zwischen den Teilchen: U(r) = q1q2/r. Hier bezeichnen q1 und q2 die elektrischen Ladungen der Teilchen. Vorausgesetzt sei, dass keine außere Kraft auf die Teilchen wirkt.
(a) Bestimmen Sie die Bahnkurve der Teilchen f¨ur den Fall q1q2 <0. (12 Punkte) (b) Nehmen Sie an, dass die Teilchen anf¨anglich ruhen und sich in einem Abstand R
voneinander befinden. Berechnen Sie nun die Zeit bis die Teilchen kollidieren.
(2 Punkte) (c) Bestimmen Sie die Bahnkurve der Teilchen f¨ur den Fall q1q2 >0, wenn die Cou-
lombsche Kraft abstoßend ist. (6 Punkte)
L¨osung:
Die Relativbewegung der Teilchen wird von zwei Erhaltungsgr¨oßen eingeschr¨ankt: der Energie und dem Drehimpuls. F¨ur die Energie der Relativbewegung erh¨alt man [s.
Musterl¨osung f¨ur Aufgabe 1 von Blatt 0]:
Erel = µ~r˙2 2 + l2z
2µr2 + q1q2
r , (1)
wobei~r≡~r1−~r2 und
1 µ = 1
m1 + 1
m2. (2)
Da der Drehimpuls
L~rel = (0,0, lz), lz =µ(xy˙−yx) =˙ µr2ϕ˙ (3) eine erhaltene Gr¨oße ist, ist die Energie Erel unabh¨angig vom Polarwinkel ϕin derxy- Ebene. Der Ausdruck f¨ur Erel hat genau dieselbe Form wie derjenige f¨ur die Energie eines eindimensionalen Systems mit dem effektiven Potential
Ueff = lz2
2µr2 +q1q2
r . (4)
(a) Bestimmen Sie die Bahnkurve der Teilchen f¨ur den Fall q1q2 <0. (12 Punkte) F¨ur den Fall q1q2 <0 ist die Coulombsche Kraft anziehend. Das Potential Ueff(r) hat dann die in Abb. 1 dargestellte Form. WennErel <0, in Abb. 1 als gestrichelte Linie dargestellt, dann ist die Bewegung beschr¨ankt. F¨urr gilt dann [s. Blatt 0]
a
1 + ≤r ≤ a
1−, (5)
wobei
a=− lz2
µq1q2, = s
1 + 2Erell2z
µq12q22 . (6) Beachten Sie, dass a ≥ 0 f¨ur eine attraktive (q1q2 < 0) Wechselwirkung. Wenn Erel >0 (d.h. >1) gilt, dann ist die Bewegung unbeschr¨ankt,r≥a/(1 +).
Abbildung 1: Effektives Potential Ueff(r) einer attraktiven (q1q2 <0) Wechselwirkung.
Um die Bahnkurve nun explizit zu bestimmen, benutzen wir Gl. (1):
~˙ r =±
r2
µ[Erel−Ueff(r)]. (7)
Wegen Gl. (3) erh¨alt man
~r˙= dr
dϕϕ˙ = dr dϕ
lz
µr2. (8)
Somit gilt
dr dϕ =±
√2µ lz
r2p
Erel−Ueff(r) (9)
und es ergibt sich:
ϕ=± lz
√2µ
Z dr r2p
Erel−Ueff(r)+ const. (10) F¨ur das Coulombsche Potential kann man das Integral nach Standardregeln be- rechnen:
lz
√2µ
Z dr r2p
Erel−Ueff(r)
r=1/u
z}|{= −
Z du
p2µErel/lz2−u2−(2µq1q2/l2z)u
=−
Z du
p(u1−u)(u−u2) =−2 arctan
√u1−u
√u−u2
, (11)
wobei
u1 = 1
a(1 +), u2 = 1
a(1−) (12)
mit a und aus Gl. (6). Aus Gl. (10) erh¨alt man ϕ−ϕ0 = ±
Z u1
1/r
du
p(u1−u)(u−u2) =±2 arctan
√u1r−1
√1−u2r, (13) wobei ϕ0 der Polarwinkel ist, der r = 1/u1 = a/(1 +) ≡ rmin entspricht (im folgenden setzen wir ϕ0 = 0).
Damit folgt:
u1r−1
1−u2r = tanϕ
2 2
⇒ r = 1 + tan2ϕ2
u2tan2 ϕ2 +u1 = 1
u2sin2ϕ2 +u1cos2 ϕ2 = a
1 + cos2 ϕ2 −sin2ϕ2. Das Ergebnis ist
a
r = 1 +cosϕ. (14)
Man erh¨alt so die Polargleichung f¨ur einen Kegelschnitt mit einem Brennpunkt im Zentrum und zwar
(i) f¨ur <1 (d.h.Erel <0) eine Ellipse mit dem Spezialfall eines Kreises f¨ur den minimalen Wert = 0;
(ii) f¨ur= 1 (d.h. Erel = 0) eine Parabel;
(iii) f¨ur >1 (d.h.Erel >0) eine Hyperbel.
Um diese Ergebnisse explizit zu bekommen, betrachten wir nun Gl. (14) in karte- sischen Koordinaten. Mit den Beziehungen
x=rcosϕ, r2 =x2+y2 (15) folgt
(1−2)x2+ 2ax+y2 =a2. (16) F¨ur= 1 (d.h. Erel = 0) ist die Bahnkurve eine Parabel:
x=− y2 2a + a
2. (17)
F¨ur6= 1 gilt
(1−2)(x−x0)2+y2 = a2
1−2, (18)
wobei
x0 = a
1−2. (19)
Nun kann man die Gleichung in die kanonische Form ¨uberf¨uhren (x−x0)2
X2 +ηy2
Y2 = 1 (20)
mit
X2 = a2
(1−2)2, Y2 = a2
|1−2|, η= sign(1−2). (21)
Daraus ist ersichtlich, dass die Bahnkurve f¨ur <1 (d.h.η = 1) eine Ellipse ist:
(x−x0)2 X2 + y2
Y2 = 1, x0 >0. (22)
Anderenfalls, f¨ur >1 (d.h. η=−1) ist die Bahnkurve eine Hyperbel:
(x−x0)2 X2 − y2
Y2 = 1, x0 <0. (23)
(b) Nehmen Sie an, dass die Teilchen anf¨anglich ruhen und sich in einem Abstand R voneinander befinden. Berechnen Sie nun die Zeit bis die Teilchen kollidieren.
(2 Punkte) F¨ur ruhende Teilchen verschwindet der Drehimpuls, lz = 0, und somit Ueff(r) =
−|q1q2|/r. Am Anfang (t= 0) ist die kinetische Energie null und somit Erel = q1q2
R <0. (24)
Wir benutzen Gl. (7):
˙ r=±
r2
µ[Erel−Ueff(r)], r(t= 0) =R. (25) Man erh¨alt:
t = Z R
0
dr q2
µ[Erel−Ueff(r)]
= s
µR 2|q1q2|
Z R
0
dr√
√ r
R−r =π s
µR3
8|q1q2|. (26) (c) Bestimmen Sie die Bahnkurve der Teilchen f¨ur den Fall q1q2 >0, wenn die Cou-
lombsche Kraft abstoßend ist. (6 Punkte)
Im Fall des abstoßendes Potential sind nur positive Energien m¨oglich (Abb. 1).
Abbildung 2: Effektives Potential Ueff(r) einer repulsiven (q1q2 > 0) Wechselwirkung.
Nun ist jedoch a <0 in Gl. (6) und es gilt
|a|/r =−1 +cosϕ. (27) Die Bahnkurve ist eine Hyperbel, Gl. (23), mit x0 > 0. Das bedeutet, dass die Teilchen um sich drehen, bevor sie den Ursprung (Schwerpunkt, x= 0) erreichen.