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20 Jahre Treuhandanstalt: Gestern Heute Morgen Vortrag: Ist die Treuhandanstalt die Mutter aller Heuschrecken?

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Dr. Gesine Lötzsch, MdB 19.04. 2010

20 Jahre Treuhandanstalt: Gestern — Heute — Morgen Vortrag: Ist die Treuhandanstalt die Mutter aller Heuschrecken?

Als ich bei der Sendung „Anne-Will“ die Meinung vertrat, dass die Treuhand die Mutter aller Heuschrecken war, da verlor der neben mir sitzende ehemalige Beauftragte der Treuhand, Herr Dohnanyi, die Contenance.

Er ist wirklich immer noch der Auffassung, dass die Treuhand gute Arbeit geleistet hat. Kein Funken Selbstkritik. Keine Selbstzweifel.

Wenn man sich die Medienberichterstattung um den 20. Jahrestag der Treuhand anschaut, dann findet man nur eine Handvoll Artikel.

Der Einzige, der wirklich die Treuhand noch öffentlich verteidigt, ist Herr Dohnanyi. Nicht der Bundespräsident Köhler, nicht die Kanzlerin Merkel, nicht der Finanzminister Schäuble.

Alle Drei tragen oder trugen Verantwortung für die Treuhand und die Abwicklung der DDR-Wirtschaft.

Keiner der Drei hielt es für nötig, nach 20 Jahren eine Bilanz der Treuhand-Arbeit zu ziehen.

Auf der Internetseite der Bundesregierung habe ich den Suchbegriff

„Treuhand“ eingegeben.

Der aktuellste Eintrag war vom 9. November 2009.

Es ging dabei nicht um die Treuhand, die Ostdeutschlands Wirtschaft

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Auf der Internetseite des Bundespräsidenten fand sich unter dem Suchbegriff „Treuhand“ nur eine Rede des Bundespräsidenten vom 12. September 2009 zum 70. Geburtstag von Birgit Breuel.

Daraus ein Auszug: ,,In dieser größten Beteiligungsholding der Welt hat Birgit Breuel funktionierende Arbeitsstrukturen geschaffen und das vorangetrieben, was sie und Detlef Rohwedder als Leitbild ihrer Arbeit definiert hatten: „Privatisierung ist die wirksamste Sanierung.“

Der Bundespräsident lobt 2009 ein Leitbild — mitten in der

schwersten Wirtschafts-und Finanzkrise der Bundesrepublik — das nicht nur in Ostdeutschland, sondern in der ganzen Bundesrepublik gescheitert ist.

Wie weit weg ist dieser Bundespräsident vom Leben der Menschen in diesem Land, wie unkritisch darf ein Bundespräsident eigentlich sein?

Ich werde später noch einmal auf dieses gescheiterte Leitbild:

„Privatisierung ist die wirksamste Sanierung“ eingehen.

Noch ein Zitat aus der bemerkenswerten Rede: „In Fachkreisen weiß man die Leistung der Treuhandanstalt und ihrer Mitarbeiter schon heute zu würdigen. Ich bin mir gewiss, dass diese auch vom

historischen Urteil bestätigt werden wird,...“

Wenn der Bundespräsident wirklich der Überzeugung ist, dass die Arbeit der Treuhand im historischen Rückblick gewürdigt werden wird, warum hat er nicht den 20. Jahrestag genutzt, um eine historische Würdigung auszusprechen?

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Ich wollte es genau wissen und habe die Bundesregierung im

November 2009 gefragt, welche Maßnahmen die Bundesregierung zum 20. Jahrestag der Treuhandanstalt plane?

Hier die Antwort der Bundesregierung: „Die Arbeit der Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums (sog.

Treuhandanstalt) wurde und wird in zahlreichen Rückblicken zur Wiedervereinigung gewürdigt. Dies wird voraussichtlich auch im Rahmen von Veranstaltungen zum Jubiläum Freiheit und Einheit im Jahr 2010 der Fall sein. Besondere Maßnahmen zum 20. Jahrestag ihrer Gründung sind derzeit nicht geplant.“

Diese Antwort klingt nicht nach einem wahren Bekenntnis zur Arbeit der Treuhand.

Wenn die Protagonisten der Privatisierung, die Freunde des

Neoliberalismus, nicht mehr die Kraft oder den Willen haben, den Geburtstag der „größten Beteiligungsholding der Welt“ zu feiern, dann ist etwas faul im Staate Dänemark.

Die Kanzlerin, der man ein gewisses politisches Gespür nachsagt, hat rechtzeitig erkannt, dass ihre Umfragewerte nicht steigen werden, wenn sie sich mit den Ergebnissen der Treuhand schmückt.

Die Ergebnisse der Treuhand — die auf der heutigen Anhörung dargestellt wurden — zeigen, dass es eigentlich keinen Grund zum Feiern gibt.

Eigentlich. Doch ich bin der Meinung, dass wir heute feiern können!

Wir feiern den Untergang einer zerstörerischen Ideologie, die Ideologie des Neoliberalismus.

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Wenn das Staatsoberhaupt und die Kanzlerin sich nicht mehr trauen, die wichtigste Institution es Neoliberalismus des 20. Jahrhunderts, die Treuhand, zu feiern oder wenigstens eine Grabrede zu halten, dann macht mir das Mut!

Die Menschen in unserem Land sind nicht mehr bereit, dem

Privatisierungswahn, der mit der Treuhand begann und bis heute noch nicht beendet ist, weiter zu folgen.

Dass Private es besser können als der Staat, Kommunen oder Genossenschaften ist nach 20 Jahren Treuhand widerlegt!

Ich war in der letzten Woche beim RBB in der Sendung „klipp&klar“.

Das Thema: „Mein See, mein Steg, mein Weg! Osten vorm Ausverkauf?“

Der Anwalt Becker hat sich von der BVVG für 400.000 Euro den Wandlitzsee gekauft und die Wandlitzsee Aktiengesellschaft gegründet. Ein absurder Vorgang!

Ich habe meine Praktikantin gebeten, für mich einen See in den alten Ländern zu kaufen.

Sie hat einen ganzen Tag im Internet gesucht, sogar Makler

angerufen und stieß immer nur auf Verwunderung. „Wir können Ihnen ein Seegrundstück verkaufen, aber Seen verkaufen wir nicht.“

Was im Westen auf völlig Unverständnis stößt, das ist im Osten absurde Realität.

Absurd ist aber nicht die Aktiengesellschaft, sondern die Gesetze, die es der BVVG erlauben, Seen, Äcker und Wälder zu verkaufen.

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Jeder Demokrat muss sich doch die Frage stellen, was wird aus

unserer Demokratie, wenn der letzte See, der letzte Acker, der letzte Wald und das letzte Krankenhaus privatisiert ist?

Dann kann der Demokrat über nichts mehr entscheiden, dann haben wir keine Demokratie mehr.

Im Programmentwurf unserer Partei wird genau der Zusammenhang von Demokratie und Eigentum in diesem Sinne diskutiert.

Immer mehr Kommunen wollen ihre Unternehmen, die sie häufig aus purer Geldnot verkaufen mussten, wieder haben.

Rekommunalisierung ist das Gebot der Stunde in Ost- wie auch in West-Kommunen!

Jede Partei, die heute mit dem Leitmotiv „Privatisierung ist die

wirksamste Sanierung“ antreten würde, hätte keine Chance gewählt zu werden.

Wollt der Sozialdemokrat Tiefensee noch im letzten Jahr die

Deutsche Bahn verkaufen, hat der CSU-Verkehrsminister Ramsauer die Privatisierung der Bahn gestoppt.

Ostdeutschland zeigt, wohin der Privatisierungswahn geführt hat: Die Arbeitslosigkeit ist doppelt so hoch wie in den alten Ländern, junge Menschen wandern nach Süddeutschland ab und aus dem

Industrieland DDR ist ein Agrarland geworden.

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Welche Schlussfolgerungen zieht die LINKE aus dem Treuhand- Desaster?

Die erste Schlussfolgerung ist, dass die Privatisierungspolitik der Treuhand im Auftrage der Bundesregierung, was häufig vergessen wird — gescheitert ist.

Deshalb muss der Bundestag beschließen, dass die BVVG, eine der Treuhandnachfolgeorganisation, sofort die Privatisierung von Seen, Äckern und Wäldern einstellt.

Leider wurde unser entsprechender Antrag von den Regierungsparteien abgelehnt.

Privatisierung ist eigentlich Euphemismus. Es geht um Enteignung. Die Enteignung muss beendet werden!

Die LINKE fordert, dass die Bundesregierung nicht weiter Gemeineigentum verkauft.

Das gilt nicht nur für die Seen, Wälder und Äcker, sondern auch für die Deutsche Bahn, für Wohnungen und Krankenhäuser.

Die Seen müssen den Ländern und Kommunen kostenlos übertragen werden.

Die LINKE verfügt über ein „Leitbild Ostdeutschland 2020“. Dazu hat der Abgeordnete Roland Claus etwas gesagt.

Eine Konsequenz des Privatisierungswahns war eine flächendeckende Massenarbeitslosigkeit in Ostdeutschland.

Ich kenne viele Menschen, die in den letzten 20 Jahren in prekären Beschäftigungsverhältnissen waren, dann wieder arbeitslos wurden

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und sich durch das Leben hangeln mussten und jetzt das Rentenalter erreicht haben.

Das was sie als Rente bekommen, ist ein Skandal.

Das Rentenniveau ist in Ostdeutschland dramatisch gesunken.

Neu-Rentner, die 2006 das Rentenalter erreicht haben, haben schon - 14,5 %weniger Rente als Rentner, die im Jahre 2000 das Rentenalter erreicht haben.

Schaut man sich die Zahlen der Menschen, die 2007 in den

Ruhestand gegangen sind, an, dann kann man folgende Einteilung vornehmen: Menschen, die aus stabiler Beschäftigung kommen, Menschen, die aus der Übergangsarbeitslosigkeit kommen und Menschen, die aus den alten Bundesländern kommen.

Die größte Gruppe, die aus stabiler Beschäftigung gekommen sind, sind Männer aus den alten Bundesländern.

Die größte Gruppe, die aus der Übergangsarbeitslosigkeit kommen, sind Männer aus dem Osten.

Und die größte Gruppe, die aus der Langzeitarbeitslosigkeit kommen, sind Frauen aus dem Osten.

Deshalb wird sich die LINKE nicht nur für die Rentner einsetzen, deren Ansprüche aus DDR-Zeiten nicht anerkannt werden, sondern auch für die neuen Rentner, die als Folge der Treuhandpolitik, mit einer gebrochenen Erwerbsbiografie in den letzten 20 Jahren leben mussten.

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Die LINKE fordert die Bundesregierung auf, endlich den Rentenwert Ost an den Rentenwert West anzugleichen und dabei keine

Schlechterstellung der Rentner Ost zuzulassen.

Ostdeutschland steht vor dramatischen Veränderungen.

Wenn der Solidarpakt 2019 ausläuft und der

Wettbewerbsförderalismus weiter vorangetrieben wird, dann stehen die Ost-Länder und Kommunen spätestens 2020 vor der

Zahlungsunfähigkeit.

Es ist nicht wahrscheinlich, dass sich die ostdeutsche Wirtschaft in den nächsten 10 Jahren so schnell entwickelt, dass die

Arbeitslosigkeit signifikant sinkt und die Einnahmen der Kommunen so schnell steigen, dass die notwendigen Ausgaben der Länder und Gemeinden gedeckt werden könnten.

Mit ähnlichen Problemen haben auch immer mehr Kommunen im Westdeutschland zu kämpfen.

Die Kommunen haben schon jetzt ein strukturelles Defizit von 12 Mrd. Euro jährlich.

Dieses Problem ist nur zu lösen, wenn der Bundestag ein gerechteres Steuersystem beschließen würde.

Die jetzige Bundesregierung hat allerdings einen anderen Weg eingeschlagen.

Sie will weiter Unternehmen und Besserverdienende entlasten.

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Die Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen ist eine Täuschung.

Die minimalen Steuersenkungen werden durch die zu erwartenden Gebührenerhöhungen in den Kommunen wieder aufgefressen.

Ja, Ostdeutschland braucht weiter solidarische Unterstützung durch die reicheren Länder.

In diesem Zusammenhang will ich aber doch darauf verweisen, dass der Osten sehr wohl etwas an die alten Länder zurück gibt.

Das IWH Halle stellt fest, dass die 1,8 Mio. Ostdeutschen, die in den Westen abgewandert sind, jährlich 70-80 Mrd. Euro zum

Bruttosozialprodukt beitragen.

Das Problem ist nur nur, dass diese meist jungen Frauen in den neuen Ländern fehlen.

Hier müssen wir uns die Frage stellen, unter welchen Bedingungen diese Menschen wieder zurück kommen würden.

Dazu haben sich schon viele Wissenschaftlerinnen und

Wissenschaftler geäußert, doch die wirklich zündende Idee ist bisher ausgeblieben.

Ich habe mir die Frage gestellt, wer nach 1990 aus den alten Ländern in die neuen Länder gekommen ist und wer und was sie angezogen hat?

Jeder kennt die Beispiele von Glücksrittern, Halsabschneidern und Heuschrecken, die über den Osten herfielen.

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Jeder kennt Beamte und Privatdozenten, die im Westen keine

Karriere machen konnten und dann ihr Glück im Osten versuchten.

Und natürlich gab es auch viele ehrliche Leute, die einfach helfen wollten, ohne Frage!

Wenn die Bundesregierung selbstkritisch wäre, dann müsste sie sich die Frage stellen, warum ihre Politik so viele Heuschrecken und Glücksritter angezogen hat.

Dr. Richter, Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart (BT- Drs. 12/8404. S. 224) sagte im Treuhand-Untersuchungsausschuss:

,,Dem Verkauf von Unternehmen an sich liegt schon ein kriminogener Anreiz zugrunde, ... Das spricht sich ja in wirtschaftskriminellen

Kreisen herum, auch die die Tatsache, dass hier nicht nur harte Preisbestandteile Gegenstand der Vereinbarung sind, ...‚ sondern auch weiche, sogenannte weiche Preisbestandteile, über die man natürlich viel leichter täuschen kann, ... all das sind die kriminogenen Anreize.“

Die Bundesregierung hätte das wissen müssen.

Sie hat es gewusst und hat es billigend in Kauf genommen.

Sie hat die Treuhand am Rande des Rechtsstaates agieren lassen.

Goldgräber und Glücksritter hat es immer gegeben und sie waren immer dann erfolgreich, wenn es keine klaren rechtlichen

Regelungen und Verfahren gab.

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Die Treuhand war die Mutter aller Heuschrecken.

Sie hat den Lockstoff ausgelegt. Sie trägt auch die Verantwortung für den Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen.

Die LINKE hat schon vor der Finanzkrise daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass den sogenannten Heuschrecken der Zugang zum deutschen Markt wieder versperrt werden muss.

Doch der, der diese Finanzinvestoren als Heuschrecken benannte, hat sie auch zugelassen — Herr Müntefering von der SPD.

Wir haben schmerzhaft erfahren, dass die Deregulierung des Finanz- und Wirtschaftslebens unser Land existenziell bedroht.

Deshalb fordern wir klare Regeln vor allem für die Finanzmärkte und die Verstaatlichung von privaten Banken, die nur noch getarnte Spielcasinos sind.

Ostdeutschland hat nur eine Zukunft, wenn wir uns von dem

Privatisierungswahn abwenden, wenn wir uns von den neoliberalen Wertvorstellungen trennen und wenn wir wieder in Solidarität und in das Gemeinwesen investieren.

Ostdeutschland ist prädestiniert für wirkliche soziale Innovationen.

Wenn es und gelingt, damit meine ich die LINKE, vor allem den vielen kommunalen Mandatsträgern der LINKEN, mit Mut und

Selbstbewusstsein soziale Innovationen zu entwickeln und in der Praxis zu testen, dann könnten wir zu wahren Schrittmachern werden.

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Die Faszination sozialer Innovationen würden vor allem junge Menschen bewegen im Osten zu bleiben oder sogar in den Osten zurückzukommen.

Nichts braucht Ostdeutschland, braucht die Bundesrepublik, braucht Europa, braucht die Welt mehr als soziale Innovationen.

Ich wünsche mir, dass Ostdeutschland Exportweltmeister von sozialen lnnovationen wird.

Ich möchte meinen Beitrag dazu leisten.

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