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Motivational Interviewing as well as boundaries and problems in the implementation

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Academic year: 2021

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Fachbereich: Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung

Studiengang: Soziale Arbeit

Motivierende Gesprächsführung

sowie

Grenzen & Problematiken in der Umsetzung

Bachelorarbeit zur Erlangung des akademischen Grades:

Bachelor of Arts (B.A.)

vorgelegt von:

Janek Guddat

Erstprüfer:

Dipl.-Soz.-Päd. Kristine Waack

Zweitprüfer:

Prof. Dr. Volker Kraft

urn:nbn:de:gbv: 519-thesis 2014 - 0380 - 4

Neubrandenburg, am: 24.06.2014

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Abkürzungsverzeichnis

u.Ä. und Ähnliches u.a. und anderes o.a. oder anderes z.B. zum Beispiel

MG Motivierende Gesprächsführung u.v.m. und vieles mehr

bzw. beziehungsweise Bsp. Beispiel bspw. beispielsweise evtl. eventuell d.h. das heißt vs. versus eng. englisch TTM Transtheoretisches Modell

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Inhaltsverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ... 2

1 EINLEITUNG ... 5

2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN MOTIVIERENDER GESPRÄCHSFÜHRUNG ... 7

2.1 KLIENTENZENTRIERTE GESPRÄCHSFÜHRUNG ... 7

2.1.1 Humanistisches Menschenbild und Persönlichkeitstheorie ... 8

2.1.2 Die drei Grundhaltungen ... 9

2.1.3 Voraussetzungen des therapeutischen Prozesses ... 11

2.2 DAS TRANSTHEORETISCHE MODELL ... 12

2.3 THEORIE DER KOGNITIVEN DISSONANZ ... 14

2.4 SELBSTWAHRNEHMUNGSTHEORIE NACH DARYL J.BEM ... 16

3 MOTIVATION ... 18

3.1.1 Intrinsische und extrinsische Motivation ... 18

3.1.2 Ambivalenz-Konflikte ... 19

3.1.3 Entscheidungswaage ... 21

3.1.4 Scheinbar widersprüchliche Reaktionen ... 21

3.2 ZENTRALE MOTIVATIONSBESTANDTEILE MOTIVIERENDER GESPRÄCHSFÜHRUNG ... 22

3.2.1 Absicht (importance) ... 22

3.2.2 Fähigkeit ... 22

3.2.3 Bereitschaft ... 23

4 MOTIVIERENDE GESPRÄCHSFÜHRUNG ... 24

4.1 MOTIVIERENDE GESPRÄCHSFÜHRUNG WAS IST DAS? ... 24

4.2 DAS WESEN DER MOTIVIERENDEN GESPRÄCHSFÜHRUNG ... 25

4.2.1 Partnerschaftlichkeit ... 25

4.2.2 Evocation ... 26

4.2.3 Autonomie ... 26

4.3 HANDLUNGSPRINZIPIEN DER MOTIVIERENDEN GESPRÄCHSFÜHRUNG ... 26

4.3.1 Empathie ... 27

4.3.2 Diskrepanzen fördern... 28

4.3.3 Widerstand Umlenken ... 28

4.3.4 Selbstwirksamkeit fördern ... 29

4.4 STRATEGIEN &FERTIGKEITEN MOTIVIERENDER GESPRÄCHSFÜHRUNG (PHASE 1) ... 29

4.4.1 Offene Fragestellungen ... 30

4.4.2 Aktives Zuhören ... 30

4.4.3 Bestätigen ... 31

4.4.4 Zusammenfassen ... 32

4.5 CHANGE-TALK HERVORRUFEN ... 32

4.6 AUF CHANGE-TALK REAGIEREN ... 35

4.6.1 Direktive Techniken... 35

4.6.2 Nicht-direktive Techniken ... 36

4.7 AUF WIDERSTAND REAGIEREN ... 36

4.8 ZUVERSICHT VERBESSERN UND METHODEN FÜR EINEN PRODUKTIVEN ... 38

(CONFIDENCE-TALK) ... 38

4.9 INTENSIVIEREN DER SELBSTVERPFLICHTUNG FÜR EINE VERÄNDERUNG (PHASE 2) ... 40

4.9.1 Wohlbedachte Zielargumentationen planen ... 41

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4.9.3 Selbstverpflichtung hervorrufen ... 43

5 ETHISCHE BEDENKEN & GRENZEN ... 45

5.1 WO BEFINDET SICH DIE GRENZE MOTIVIERENDER BEEINFLUSSUNG ... 48

5.1.1 Leitlinien ethischen Handelns ... 48

5.1.2 Weitere Grenzbetrachtungen ... 49

6 ANWENDUNGSPROBLEMATIKEN ... 52

6.1 HÄUFIGE ANWENDUNGSPROBLEMATIKEN DER ERSTEN PHASE ... 52

6.2 ZUVERSICHTSFALLEN ... 53 7 FAZIT ... 55 QUELLENVERZEICHNIS ... 58 ONLINEQUELLEN ... 58 LITERATUR ... 59 ANHÄNGE ... 61 ANHANG A ... 61 EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG... 62

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1 Einleitung

Das Arbeitsfeld eines Sozialarbeiters erlaubt es, Menschen in fasst allen Lebenslagen helfend und res-sourcenorientiert, zur Seite zu stehen. Sozialarbeiter können dazu eingesetzt werden, Menschen dahin-gehend zu befähigen, wieder aktiv und autonom am Leben teilzunehmen, um sich anschließend erneut in ihrer Lebenswelt zurecht zu finden. Sei es aufgrund eines Schicksalsschlages, einer Krankheit, gesell-schaftlicher Benachteiligung oder einem anderen Grund geschuldet. Die Soziale Arbeit besitzt dagegen ein breites Repertoire anerkannter Methoden und Konzepte, die sich auf fundiertes und empirisch, be-legbares Wissen stützen können. Manchmal können veränderte Lebensumstände Krisen hervorrufen, welche die Lebensqualität eines Menschen stark beeinträchtigen. In diesen schwierigen Zeiten kommt es darauf an, auf einfühlsame Weise und in partnerschaftlicher Beziehung an einer Veränderung zu ar-beiten, um sich den Gegebenheiten anzupassen.

Jener komplexen Aufgabe hat sich der Beratungsansatz der motivierenden Gesprächsführung gewidmet, dieser Menschen dabei unterstützen soll, sich aus unterschiedlichsten Gründen zu verändern. Der Kern dieses Ansatzes besteht darin, die intrinsische Motivation des Hilfesuchenden zu verbessern, vorhande-ne Ambivalenzen aufzulösen und dadurch eivorhande-ne Verhaltensveränderung zu begünstigen. Des Weiteren gilt die motivierende Gesprächsführung, als ein eigenständiger Ansatz, der auch in Kombination, oder als zusätzliches Hilfsangebot in anderen Therapieformen Verwendung findet.1 Eine erste klinische Studie zur MG2 wurde im Jahr 1983 veröffentlicht. Von da an wurde ihre Wirksamkeit in vielen klinischen Stu-dien nachgewiesen und fand im klinischen Kontext immer mehr Befürworter. Das Konzept wurde von den beiden Psychologen William R. Miller und Stephen Rollnick entwickelt. William R. Miller lehrt als Professor an der University of New Mexico in Albuquerque (USA) und Stephen Rollnick ebenfalls als Professor an der Cardiff University (UK). Die Psychologen arbeiteten ursprünglich vor einem klinischen Hintergrund, an der Methodik der motivierenden Gesprächsführung und Ihr Ansatz fand vor allem in der Behandlung von abhängigem Verhalten Verwendung, doch bald darauf konnte sich, Ihre Methode auch in vielen anderen Bereichen wie: Allgemeiner medizinischer Behandlung, Gesundheitsförderung, dem Vollzugswesen und in der Sozialen Arbeit etablieren. Allmählich fokussierte man sich nun mehr, auf all-gemeine Verhaltensveränderungen, als ausschließlich auf eine Behandlung von abhängigem Verhal-ten.3Um das Konzept der MG in nachvollziehbarer Weise beschreiben zu können, wird die vorliegende Arbeit im zweiten Kapitel zunächst die wesentlichsten geistigen Grundlagen, auf deren Fundament einst die MG entwickelt wurde, komprimiert und übersichtlich darstellen. Demzufolge werden unter Punkt zwei die klientenzentrierte Gesprächsführung, das Transtheoretische Modell, die Theorie der kognitiven

1

vgl. Arkowitz 2010, S. XV

2 Motivierende Gesprächsführung wird im englischen Original als „Motivational Interviewing“ bezeichnet und

wird in dieser Arbeit gelegentlich mit "MG" abgekürzt.

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Dissonanz und die Selbstwahrnehmungstheorie mit ihren Grundhaltungen, Methoden und weiteren wesentlichen Charakteristiken, in kurzen Zusammenfassungen vorgestellt. Das dritte Kapitel wird sich dem Begriff der Motivation und einiger ihrer Bestandteile widmen, welche für die MG eine besondere Rolle spielen. Ebenso werden die Schwierigkeiten, die beim Auflösen von Ambivalenzen entstehen kön-nen thematisiert. Punkt vier beinhaltet eine Darstellung vom Konzept der MG. Vorwiegend geht es in diesem Kapitel darum, den Wesenscharakter der Motivierenden Gesprächsführung zu vermitteln und die damit verbundenen Handlungsprinzipien. Weiterhin werden Strategien und Fertigkeiten zur prakti-schen Anwendung durch den Behandelnden erläutert. Anschließend bilden das fünfte und sechste Kapi-tel die zentralen FragesKapi-tellungen dieser Arbeit. Das fünfte KapiKapi-tel beschäftigt sich mit den Grenzen mo-tivierender Gesprächsführung und versucht unter anderem mit Hilfe von ethischen Überlegungen zu untersuchen, inwieweit eine Methode innerhalb der Sozialen Arbeit angewandt werden sollte, die sich zur Aufgabe gemacht hat, Menschen in eine bestimmte Richtung hin zu verändern. Miller und Rollnick sehen allein darin einen Grund zur Achtsamkeit, weil es möglich ist Menschen richtungsweisend zu be-einflussen und plädieren folglich für ein hohes Maaß an Verantwortung und Gewissenhaftigkeit, im Um-gang mit demjenigen der Hilfe in Anspruch nimmt.4 Des Weiteren werden einige Richtlinien zusammen-gestellt, die eine vertretbare Anwendung der MG gewährleisten sollen. Ferner werden auch Bedingun-gen dargelegt, unter deren VoraussetzunBedingun-gen eine Therapie ermöglicht werden kann. Das sechste Kapitel dieser Arbeit widmet sich den Problematiken, die durch falsche bzw. übereilte Herangehensweisen des Gesprächsführers verursacht werden könnten und wie es möglich ist diese zu umgehen. Dem folgen im Fazit eine Zusammenfassung dieser Arbeit und ein Resümee der wichtigsten Ergebnisse, hinsichtlich der Grenzbetrachtung und den Anwendungsproblematiken motivierender Gesprächsführung.

Im Vorfeld ist zu klären, dass der häufig verwendete Begriff des „Therapeuten“, als auch der männlichen Form, bewusst zugunsten einer besseren Lesbarkeit verallgemeinert wurde. Therapeuten können so-wohl Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, oder sämtliche professionelle Anwender der motivierenden Ge-sprächsführung sein, ebenso wird hier eine Diskriminierung ausgeschlossen, da gleichermaßen Personen weiblichen Geschlechts gemeint sind.

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Theoretische Grundlagen motivierender Gesprächsführung

Der Beratungsansatz der motivierenden Gesprächsführung soll, Menschen dabei unterstützen sich zu verändern. Wie bereits erwähnt besteht der Kern dieses Ansatzes darin, die intrinsische Motivation des Ratsuchenden zu verbessern, sowie vorhandene Ambivalenzen aufzulösen und dadurch eine Verhal-tensveränderung zu begünstigen.

Das Konzept von William Miller und Stephen Rollnick beruht auf den geistigen Grundlagen der klienten-zentrierten Gesprächspsychotherapie von Carl R. Rogers, dem Transtheoretischen Modell zur Verände-rung, der Psychologen James O. Prochaska und Carlo Diclimente, sowie Leon Festingers Theorie der kognitiven Dissonanz und der Selbstwahrnehmungstheorie von Daryl J. Bem.5 Die Folgenden Punkte dieser Arbeit werden die theoretischen Grundlagen motivierender Gesprächsführung in einer kurzen Übersicht der wichtigsten Elemente beleuchten, um das Konzept in verständlicher Weise zu beschrei-ben.

2.1 Klientenzentrierte Gesprächsführung

Die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie wurde um das Jahr 1940 vom amerikanischen Psycho-logen Carl R. Rogers (* 1902 - † 1987) begründet und erlangte fortan große Bekanntheit.6 Dieser Ansatz bildet eine fundamentale Grundlage der motivierenden Gesprächsführung, ebenso lassen sich von ihm auch die Handlungsprinzipien ableiten. Vor allem wenn man die partnerschaftliche- empathische Bezie-hung zwischen dem Therapeuten und seinem Klienten betrachtet, als auch den Zustand der Autonomie beim Klienten lässt. Im Folgenden sollen ihre wesentlichsten Merkmale und therapeutischen Haltungen erläutert werden.

Carl Rogers stellt seinem Ansatz eine grundlegende Hypothese nahe: „Wirksame Beratung besteht aus einer eindeutig strukturierten, gewährenden Beziehung, die es dem Klienten ermöglicht, zu einem Ver-ständnis seiner selbst in einem Ausmaß zu gelangen, das ihn befähigt, aufgrund dieser neuen Orientie-rung positive Schritte zu unternehmen“.7 Dieses Zitat beschreibt die zentralen Inhalte seines Ansatzes und beinhaltet die Grundhaltungen, sowie die phänomenologische Gestaltung einer zwischenmenschli-chen Beziehung und gibt Rückschlüsse über das von ihm geprägte Persönlichkeitskonzept. Einige wichti-ge Begrifflichkeiten treten in der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie, als auch in der motivie-renden Gesprächsführung immer wieder auf und werden hier kurz erklärt. Es sind vor allem Begriffe wie: Nicht direktiv, klientenzentriert oder auch personenzentriert. Diese Begriffe spiegeln ebenso die Entwicklung dieses Ansatzes wider, welche sich in drei Phasen beschreiben lässt. Die erste Phase, die nicht-direktive Phase, verbietet dem Therapeuten das Eingreifen in den Prozess durch 5 vgl. Miller (Internetquelle) 6 vgl. Rogers, C. 1992, S. 9 7 Rogers C. 1997, S. 28

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gen, Tadel, Meinungen oder Interpretationen jeder Art. Für Rogers trägt jeder Mensch die Fähigkeit in sich, von allein ein besseres Verständnis von sich selbst zu erhalten und daraufhin zu einer Anschauung zu gelangen, die eine Verhaltensveränderung ermöglicht, wenn man eine ganz bestimmte Beziehungs-form erfährt.

Um seinem Publikum nahe zu legen, dass nicht direktiv, nicht heißt, nicht aktiv zu sein, entschied Rogers sich dazu, seinen Ansatz fortan klientenzentriert zu nennen. In dieser zweiten Phase fertigte Rogers, nach unzähligen empirischen Untersuchungen das theoretische Konstrukt seines Ansatzes und konkreti-sierte den Bezug zur interpersonellen Beziehung. In der dritten Phase, die personenzentrierte Phase, wollte Rogers den Fokus seiner Arbeit auf den Menschen im Zentrum legen und von der Bezeichnung Klient mehr Abstand nehmen, damit sollte mehr Gleichberechtigung suggeriert werden. Er begann an-schließend seinen Ansatz auf die verschiedensten Lebensbereiche auszuweiten.8 Um den Terminus "nicht-direktiv" ausführlicher zu charakterisieren, werden nun einige wesentliche Merkmale beschrie-ben. Der nicht-direktive Ansatz geht von einer sehr großen Autonomie des Individuums aus und erwirkt Resultate, ohne direkt eine Lösung durch den Berater herbeizuführen. Ferner strebt er eine Entwicklung von Persönlichkeiten an, um sich besser selbst helfen zu können. Es existiert die Annahme, dass Thera-pie nichts ist was einem Menschen angetan wird, sondern etwas ist, was den Menschen dahingehend bewegt, etwas für sich selbst zu tun. Therapien sollten Schwierigkeiten aus dem Weg räumen, um wie-der Mobilität zu erlangen. Emotionale Aspekte stehen mehr im Vorwie-dergrund als intellektuelle. Es ist von einer emotionalen Blockade die Rede, welche verhindert, das Wissen konstruktiv angewendet werden kann. Ein weiteres Merkmal ist, dass sich dieser Ansatz auf aktuelle Begebenheiten konzentriert und weniger auf vergangene. Die gegenwärtig erfahrene therapeutische Beziehung selbst, wird als wesentli-cher Gegenstand einer Weiterentwicklung betrachtet. Ein außerordentlich wichtiger Aspekt ist, dass Rogers seiner klientenzentrierten Therapie keinen antizipatorischen Effekt zur Veränderung nachsagt, sondern die Therapie selbst als Veränderung bezeichnet.9

2.1.1 Humanistisches Menschenbild und Persönlichkeitstheorie

Das Persönlichkeitskonzept von Rogers ist auch als sogenannte "Dritte Kraft" bekannt und zählt neben dem Behaviorismus und der Psychoanalyse zur Humanistischen Psychologie. Sein Persönlichkeitskon-zept besagt, dass jeder Mensch das Bedürfnis nach konstruktiver Veränderung und Selbstverwirklichung besitzt. Der Mensch wird als einzigartiges Individuum, frei von Vorurteilen mit vollen Entscheidungs-kompetenzen angesehen. Das Persönlichkeitskonzept von Rogers enthält des Weiteren, eines der be-deutendsten Annahmen des klientenzentrierten Ansatzes und damit auch für die motivierende

8

vgl. Weinberger 2004, S. 22 f.

9

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9

sprächsführung. Es geht um die Fähigkeit die ein Individuum besitzt, um sich selbst zu erhalten und wei-terzuentwickeln: Die Selbstaktualisierungstendenz.10

2.1.1.1 Selbstaktualisierungstendenz

Sie beinhaltet das Streben nach Weiterentwicklung, Reifung, Selbsterhaltung und Selbstverwirklichung (richtungsweisend), sowie Unabhängigkeit. Alle diese Eigenschaften werden als allgemein positiv bewer-tet. Um das Sich-Weiterentwickeln zu definieren, wird zur Veranschaulichung der Vergleich mit dem unentwickelten und dem entwickelten Organismus herangezogen. Es ist von einer zentralen Energie oder der angeborenen Tendenz zur Selbstaktualisierung die Rede. Diese wiederum das grundlegende Motiv für das Tätigwerden des Menschen, um Autonomie und Selbstständigkeit zu erlangen darstellt. Rogers sagt, dass der Wille oder Drang voran zu kommen größer ist, als die Zufriedenheit aller Anstren-gungen zum Trotz. Als Beispiel wird die Entwicklung eines Kindes genommen, welches unter enormen Anstrengungen den aufrechten Gang erlernt, obwohl es aus Sicht des Kindes noch leichter wäre zu krabbeln. Auf diese Weise wird es eines Tages selbstbeherrscht, unabhängig und sozialisiert sein.11

2.1.2 Die drei Grundhaltungen

Ein Berater kann nur dann eine Methode erfolgreich anwenden, wenn diese mit seinen eigenen Grund-haltungen übereinstimmen.12 Um welche Grundhaltungen der klientenzentrierten Gesprächstherapie es sich hier handelt und warum sie notwendig für das Gelingen einer guten Therapie sind, wird der folgen-de Abschnitt klären.

2.1.2.1 Kongruenz (Echtheit, Transparenz, Übereinstimmung)

Kongruenz bedeutet sich zu geben wie man wirklich ist, d.h. auch des sich Bewusstwerdens und der Akzeptanz des eigenen Gefühlszustandes und die Fähigkeit jenes zu äußern. Es heißt ebenso, sein Gege-nüber zu nehmen wie es ist, in physischer wie psychischer Erscheinung. Weiterhin ist das Verhalten ei-ner Person in sich selbst begründet und fern von äußerer Beeinflussung. Die Beziehung zum Gesprächs-partner sollte offen, klar und ehrlich geführt werden. Resultierend kann es einer Person gelingen in die-ser Beziehung, Gefühle und Haltungen frei zu formulieren und zum Ausdruck zu bringen. Kongruenz bedeutet ebenfalls, dass jede Interaktion auf Augenhöhe geschieht (beide sind gleichberechtigt) und frei von hierarchischen Strukturen. Auch schlüpfen Personen nicht in Rollen oder bauen Fassaden auf, son-dern bringen sich aufrichtig und emotional in die Beziehung ein. Außerdem nehmen sie keine abweh-rende oder auch wertende Haltung ein. Entscheidend ist auch: Nur wer sich öffnet und somit Transpa-renz bieten kann, kann das Fundament einer Vertrauensbasis schaffen und selbiges erfahren. Ferner sollte man einem kongruenten Menschen vertrauen können und daher gilt: Je mehr man sich diesem Prinzip annähert, umso größer ist die Kongruenz.

10 vgl. Weinberger 2004, S. 23 f. 11 vgl. Rogers, C. 2009a, S. 422 - 424 12 vgl. Rogers, C. 2009a, S. 34

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10 2.1.2.2 Empathie (Einfühlendes Verstehen)

Empathie heißt: Sich einfühlen können in die Erlebniswelt des Gesprächspartners, sich voll und ganz auf die Gefühle des Klienten einzulassen und diese zu verstehen (das innere Bezugssystem), sowie dessen Gefühle, Gedanken und Erleben (echtes Verständnis einer Person). Die Gefühlswelt des anderen als die meine zu verspüren, ohne dabei seine Integrität zu vernachlässigen. Man sollte nicht interpretieren und bewerten, jedoch die Gefühle versuchen nachzuvollziehen, die jene Person hat. Weiterhin wird sich darum bemüht, den Klienten in seinem Erleben, d.h. mit seinen damit verbundenen Wertehaltungen, Motiven, Wünschen und Ängsten zu verstehen. In ideeller Weise sollen die Gefühle und persönlichen Bedeutungen gespürt, gar erlebt werden und dieses Empfinden wird dem Gesprächspartner dann mitt-geteilt. Weiter sollte ein interessierter, aufgeschlossener Mensch zu Rate stehen und dabei nicht for-dernd nach Erkenntnissen wirken. Nur so ist es möglich, sich in dessen innere Welt hineinzuversetzen, diese auch zu verstehen und zu akzeptieren, wie der einzelne Mensch empfindet. Rogers geht von der Annahme aus: Um einen Menschen genau verstehen zu können, sollte zuerst einmal davon ausgegan-gen werden, dass sich die Personen ihrer gesamten inneren Welt bewusst sind. Dieses Bewusstwerden kann mit Hilfe von Selbstexploration gemeinsam offengelegt werden. Dadurch lässt sich ergründen, wie diese innere Welt zusammengesetzt aus Gefühlen und Wahrnehmungen, sowie gelebten Erfahrungen, aussieht. Jene Erfahrungen haben besondere Wertungen und sind von unterschiedlicher Bedeutung.13 2.1.2.3 Bedingungslose Wertschätzung (Akzeptanz)

(bedingungsfreie positive Zuwendung)

Eine ohne an Bedingungen gebundene Wertschätzung ist hier gemeint. Es werden keinerlei Wertungen oder Urteile über einen Menschen und dessen Verhalten abgeben. Der Mensch wird als eigenständiges Individuum respektiert, welches mit seiner Gefühlswelt und den daraus resultierenden Handlungen ein Ganzes darstellt. Ferner werden auch keine eigenen Werte, Meinungen und Ratschläge eingebracht, auch wenn diese zunächst gut gemeinte Ratschläge zu sein scheinen. Wichtig ist ebenfalls, dass eine Differenzierung zwischen dem Wert als Mensch und der Bewertung seiner Handlungen durchgeführt wird. Dies soll aber nicht bedeuten, dass man alles gutheißen muss, was sein Gegenüber tut oder sagt! In dieser Form zu akzeptieren bedeutet: Je weniger Bedingungen an eine Beziehung gestellt werden, je höher sollen die Erfolgschancen innerhalb einer Therapie sein und dafür ist es notwendig, dass der ge-genwärtige Zustand in seiner Natur, vollständig zu respektieren ist.14 Im folgenden Zitat betont Rogers, welchen hohen therapeutischen Nutzen, bedingungsfreie positive Zuwendung hat:

„Wenn der Therapeut eine positive, akzeptierende Einstellung gegenüber dem erlebt, was der Klient in diesem Augenblick ist, dann wird es mit größerer Wahrscheinlichkeit zu therapeutischer Bewegung oder Veränderung kommen. Der Therapeut ist gewillt, den Patienten sein jeweiliges momentanes Gefühl

13

vgl. Rogers, C. 1992, S. 216 ff.

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ausleben zu lassen - Verwirrung, Groll, Furcht, Zorn, Mut, Liebe und Stolz.“15 Wichtig ist noch zu erwäh-nen, dass die Grundhaltungen von Rogers nicht als unabdingbar zu verstehen sind, sondern vielmehr eine Orientierung, zu einer humanen Interaktionsweise.

2.1.3 Voraussetzungen des therapeutischen Prozesses

Um diese kurze Übersicht der klientenzentrierten Gesprächsführung abzuschließen, werden hier nach-stehend einige Bedingungen aufgeführt die Rogers postulierte, welche er für essentiell hält, um einen therapeutischen Prozess beginnen zu können.

1. Zwei Menschen sind in Kontakt.16 Sie fangen an eine Beziehung zueinander aufzubauen, d.h. sie nehmen einander wahr, sie bedeuten sich etwas und stehen in Wechselwirkung. Eine Beziehung muss vorhanden sein, jedoch ist es nicht möglich alle Aspekte bewusst wahrzunehmen.17

2. Die erste Person (Klient) befindet sich im Zustand der Inkongruenz (Nichtübereinstimmen zweier Tendenzen, wie dem Erleben vs. Selbstkonzept) und fühlt sich angreifbar oder angsterfüllt (der Klient hat ein Problem). Der Klient hat Empfindungen, die er nicht empfinden will.18

3. Die zweite Person (Therapeut) ist kongruent (echt)19 Er empfindet nichts, was er nicht mit sich selbst identifizieren würde.

4. Der Therapeut hegt keine Bedingungen an den Klienten, nimmt ihn an, wie er ist und wert-schätzt ihn.20

5. Der Therapeut erlebt auf einfühlende Weise den inneren Bezugsrahmen seines Klienten und versucht ihm sein Erleben auszudrücken.

6. Der Klient ist in der Lage, die wertschätzende und emphatische Haltung bzw. Kommunikations-weise sich selbst gegenüber, wenigstens teilKommunikations-weise wahrzunehmen.21

Nicht nur, dass die MG in der Anwendung von partiell eingesetzten, non-direktiven Methoden auf den Grundlagen der klientenzentrierten Gesprächsführung wandelt, sondern gerade das Vermitteln einer partnerschaftlichen Beziehung und dem Verbleib der Autonomie beim Klienten, gibt wieder welch große Bedeutung dieser Ansatz für die MG hat.

15 Rogers C. 2012, S. 67 16 vgl. Rogers, C. 2009b, S. 46 17 vgl. Kriz/ Slunecko (Hg.) 2011, S. 18 18 vgl. Rogers, C. 2009b, S. 46 19 vgl. Rogers,C. 2009b, S. 46 20 vgl. Kriz/ Slunecko (Hg.) 2011, S. 18 21 vgl. Rogers, C. 2009b, S. 47

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2.2 Das Transtheoretische Modell

Das Transtheoretische Modell ist ein trans- bzw. multidisziplinärer Ansatz, der versucht eine Organisati-onsstruktur der bedeutendsten Vorgänge und Prinzipien der Verhaltensveränderungen zu konzipieren, wie z.B. das Konzept der Bewusstwerdung von Freud, oder das Kontingent Management von ner.22Die beiden Psychologen James O. Prochaska und Carlo Diclimente, sind die Entwickler des zumin-dest im amerikanischen Raum sehr bekannten und vielversprechenden Modells, welches versucht Ver-haltensveränderungen zu erforschen. Das Transtheoretische Modell (kurz. TTM) versteht sich als Bera-tungs-, als auch Therapiemethoden übergreifender Ansatz, der zur Darstellung beabsichtigter Verhal-tensveränderung fungiert. Es systematisiert dabei den Vorgang der VerhalVerhal-tensveränderung, als ein Durchlaufen temporärer und inhaltlich, sukzessiver Stufen der Verhaltensänderung (eng. "stages of change").23 Im Allgemeinen geht es in diesem Ansatz darum, zu ergründen, in welcher Phase oder Stufe der Veränderung man sich befindet und welche Handlungen nötig sind, sich weiterzuentwickeln.24 Ent-scheidend dabei ist, dass persönliche Entscheidungsvorgänge im Zentrum stehen. Einhergehend werden beim TTM rational-kognitive, sowie affektive und verhaltensbezogene Bestandteile menschlicher Natur diskutiert. Des Weiteren werden soziale und biologische Verhaltenseinflüsse als extern definiert, welche durch subjektive Verarbeitungsweisen, unterschiedliche Wahrnehmungen hervorrufen. 25 Eine der be-deutendsten Anwendungsformen des TTM ist die MG. Dadurch, dass in der motivierenden Gesprächs-führung das Stufenmodell integriert wird, gelingt es ihr, aussagekräftige Handlungsvorgaben und Reflek-tionen für Therapeuten in den spezifischen BeratungssituaReflek-tionen, herzustellen.26 Das TTM wird mittler-weile in vielen Bereichen angewendet, wo es um gesundheitsförderndes Verhalten geht wie z.B.: Ge-sunde Ernährungsweisen, sportliche Betätigung, Umgang mit Stresssituationen, Verhütung u.v.m.. Nun folgend werden kurz die wichtigsten Aspekte des TTM, sowie jene Bestandteile, welche für die Verwendung in der motivierenden Gesprächsführung von großer Bedeutung sind, erläutert.

Aufgrund empirischer Untersuchungen gehen die Autoren davon aus, dass der Veränderungsvorgang aus fünf bzw. sechs sukzessiven Schritten besteht, welche aus dem zeitlichen Ablauf und dem Prozess-charakter resultieren. Der Aufenthalt in den einzelnen Phasen ist individuell sehr unterschiedlich, jedoch ist für eine erfolgreiche Veränderung das Durchqueren aller Phasen notwendig, da sich ansonsten die Gefahr eines Rückfalls erhöht.27 Die einzelnen Stufen werden wie folgt auf der nächsten Seite eingeteilt:

22 vgl. Keller 1999, S. 7 23 vgl. ebd. 1999, S. 11 24 vgl. Busch 2011, S. 180 25 vgl. Keller 1999, S. 18 26 vgl. ebd. 1999, S. 13 27 vgl. ebd. 1999, S. 18 f.

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1. Stufe: precontemplation ( Absichtslosigkeit) - Eine Veränderung erscheint zu diesem Zeitpunkt nicht erstrebenswert.

2. Stufe: contemplation (Absichtsbildung) - Erste Gedankenbildung in Richtung Ver- änderung.

3. Stufe: decision (Entscheidung) - Absichtserklärung; eine Entscheidung über das Vorhaben Veränderung wurde getroffen.

4. Stufe: action (Handlung)-Handlungen werden umgesetzt die eine Verän-

derung fördern.

5. Stufe: maintenance (Wartung) - Die vollzogene Veränderung wird versucht auf-

recht zu erhalten.

6. Stufe: relapse (Regression) (Rückfall) - Begehen von Verhaltensweisen vor der Veränder- ung, bzw. die den Anlass lieferten.28

Ein geradliniges Durchlaufen der Phasen ist weniger die Regel, daher kommt es auch immer wieder vor, dass eine Person in alte Verhaltensweisen zurückfällt (Regression). Die sechste Stufe wird aus diesem Grund als ein normaler Bestandteil des Prozesses verstanden, da der Rückfall in ein früheres Stadium jeder Zeit möglich ist, stellt sie eine variable Komponente dar. Die Veränderung wird von den Autoren oft als spiral-förmiger Prozess symbolisiert, dadurch wird eine Spanne suggeriert, welche keine Endlos-schleife implizieren soll.29

Neben dem Stufenmodell zur Verhaltensveränderung, besteht ein weiteres Kernkonstrukt des TTM und dieses besteht aus den Strategien zur Verhaltensveränderung, die erklären wie jene Veränderungen vonstatten gehen. Sie werden einmal in kognitive Strategien ("experimental processes") und verhal-tensorientierte Strategien ("behaviorale processes") unterteilt. Durch das Zusammenführen der beiden Konzeptionen, wird eine stufen- und verhaltenspezifische Intervention möglich, welche eine Weiterent-wicklung innerhalb der Phasen unterstützt.

kognitiv-affektive Prozesse

x Steigerung des Problembewusstseins („consciousness raising“) x Emotionales Erleben („dramatic relief“)

x Neubewertung der persönlichen Umwelt („environmental reevaluation“) x Selbstneubewertung („self-reevaluation“)

x Wahrnehmen förderlicher Umweltbedingungen („social liberation“)

behaviorale Prozesse x Selbstverpflichtung („commitment“) 28 vgl. Körkel 2005, S. 4 29 vgl. Keller 1999, S. 23

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14 x Kontrolle der Umwelt („stimulussontrol“) x Gegenkonditionierung („counterconditioning“)

x Nutzen hilfreicher Beziehungen („helping relationships“) x (Selbst-) Verstärkung („reinforcement management“)30

Das TTM beinhaltet neben den Phasen und Prozessen, auch die sogenannte Entscheidungsbalance, („decisional balance“) welche die wahrgenommenen Vor- und Nachteile einer Verhaltensveränderung argumentiert und entspricht in etwa einer Entscheidungswaage,31 die in der MG verwendet wird. Des Weiteren spielt im TTM auch die Selbstwirksamkeitserwartung („Self-Efficacy“) eine große Rolle und repräsentiert u.a. die Zuversicht (in der MG: "Confidence"). Ihr gegenüber steht die Versuchung ("Temp-tation") und repräsentiert ein Verhalten, in schwierigen Situationen zu vermeidende Handlungsweisen begehen zu wollen.32 Das TTM weißt viele Ähnlichkeiten zur MG auf, jedoch wurden beide Konzepte separat entwickelt. Gemeinsam gehen beide Ansätze davon aus, dass Menschen Veränderungen auf verschieden Bereitschaftsniveaus bewältigen, ebenso betrachten sie Ambivalenz als einen Bestandteil von Veränderungsprozessen. Die MG setzt jedoch besonders vehement darauf, die Ambivalenz aufzulö-sen und dahingehend die Motivation für eine Veränderung zu steigern.33 In vielen Untersuchungen konnte bewiesen werden, dass unter Berücksichtigung aller Veränderungsmethoden, während des Durchlaufens der Stufen, eine Stabilisierung des Veränderungsprozesses, erreicht werden konnte. Zu-sammenfassend lässt sich über das TTM sagen, dass es auf eine aktive Veränderung der Lebenssituation angelegt ist und einen nützlichen Ansatz für Beratung und Therapie darstellt, ebenso vermittelt es, dass Veränderung ein kontinuierlicher Prozess ist.34

2.3 Theorie der Kognitiven Dissonanz

Die Theorie der kognitiven Dissonanz entwickelte der US-amerikanische Sozialpsychologe Leon Festinger (*1919; † 1989), welche er 1957 in seinem Buch: "A Theory of Cognitive Dissonance", mit dem deut-schen Titel: „Theorie der kognitiven Dissonanz“ veröffentlichte. Für ihn lässt sich der Begriff Dissonanz mit nicht zu einander passenden Korrelationen zwischen Kognitionen erklären, diesen er für einen auto-nomen, motivierenden Bestandteil hält. Gerade diese Überzeugung stellt für die MG einen wesentlichen Nutzen dar. Kognitionen bedeuten für Festinger Ansichten, Einstellungen, oder auch Erkenntnisse über sich selbst und der Umwelt. Für Festinger stellt eine wahrgenommene Kognitive Dissonanz somit eine Voraussetzung dar, sich aktiv um eine Verringerung der Dissonanz zu bemühen.35 Festinger stellt zwei 30 vgl. ebd. 1999, S. 25 ff. 31 vgl. Keller 1999, S. 29 32 vgl. ebd. 1999, S. 32 33 vgl. Arkowitz 2010, S. 2 34 vgl. Busch 2011, S. 194 f. 35 vgl. Festinger 1978, S. 17

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grundlegende Hypothesen auf. Zum einen heißt es, dass das Vorhandensein von psychologisch unange-nehmer Dissonanz, also jene die nicht zum eigenen Selbstkonzept passt, Menschen dahingehend moti-viert, diese zu verringern und dadurch Konsonanz hervorzubringen. Als zweites heißt es, dass bei vor-handener Dissonanz, neben Reduktion auch aktiv Situationen und Informationen vermieden werden, die zu einem Anstieg der empfundenen Dissonanz führen könnten.36 Hinzukommend geht diese Theorie auch davon aus, dass ein Mensch der gezwungen wird, ein spezifisches Verhalten anzunehmen, oder es auszudrücken, welches seiner Überzeugung zuwider ist, Dissonanz empfinden wird und diese versucht aufzulösen.37 Ferner konnten Untersuchungen aufzeigen, dass nicht alle paradoxen Kognitionen im glei-chen Umfang verunsichern, sondern jene Dissonanzen am schwerwiegendsten sind, die eine Gefahr für das Selbstbildnis darstellen.38

Unter welchen Bedingungen entsteht Dissonanz?

Festinger beschreibt in den folgenden fünf Situationen das Entstehen kognitiver Dissonanz.

1. Dissonanz entsteht meistens dann, wenn es um Entscheidungen geht und mindestens zwei Kog-nitionen nicht miteinander harmonieren. Die zu wählenden Alternativen enthalten positive, als auch negative Bedingungen. Stimmen die positiven Eigenschaften der abgelehnten Wahlmög-lichkeit, mit den negativen Eigenschaften der gewählten Möglichkeit überein, so verhalten sich diese dissonant zu einander. Stimmen die positiven Eigenschaften mit der gewählten Möglich-keit und den negativen Eigenschaften der Abgelehnten überein, verhalten sich diese zur began-gen Handlung konsonant.

2. Dissonanz tritt fast jedes Mal auf, wenn ein offensichtliches Verhalten, durch Aussicht auf Be-lohnung oder Strafe erzeugt worden ist.

3. Dadurch, dass Menschen neue Informationen erlangen, oder wie hier unter zweitens beeinflusst worden sind, können kognitive Elemente erzeugt werden, die zu bestehenden Kognitionen dis-sonant sind. (Selektieren von Informationen)

4. Offensichtliche Konflikte innerhalb einer Gruppe können zu Dissonanz der Mitglieder führen. 5. Bedeutende Ereignisse können bei mehreren Personen gleichzeitig Dissonanz auslösen, sofern

dieses ähnliche Reaktionen hervorrufen. Beispielsweise ein Paradigmenwechsel.39

Dissonanzen verringern!?

Der Tatsache entsprechend, dass Menschen bemüht sind die Dissonanz zu verringern, werden nun drei wesentliche Möglichkeiten vorgestellt, wie eine Reduktion erreicht werden kann:

x Durch eine Verhaltensänderung, welche mit der dissonanten Kognition übereinstimmt. 36 vgl. ebd. 1978, S. 16 37 vgl. Bem 1974, S. 72 f. 38 vgl. Aronson u.a. 2004, S. 188 39 vgl. Festinger 1978, S. 254

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16 (z.B. in Bezug auf Rauchen; → damit aufhören)

x Durch Rechtfertigung, in Folge einer geänderten, dissonanten Kognition. (z.B. Rauchen gefährdet nicht die Gesundheit)

x Durch ein Hinzufügen neuer, konsonanter Kognitionen, rechtfertigen. (z.B. Rauchen entspannt)

Menschen versuchen auf unterschiedlichste Art und Weise ihre Dissonanz los zu werden, oder kreieren die originellsten Illusionen und verteidigen ihr destruktives Verhalten. In Ausnahmefällen konnte bei totkranken Menschen beobachtet werden, dass außergewöhnliche, wenn doch gleichzeitig irreal-positive Wunschvorstellungen, Lebenzzeitverlängerungen bewirken konnten.40

In der MG findet man den Gefühlszustand der kognitiven Dissonanz unter einer Bezeichnung wieder, die als Diskrepanz zwischen einem derzeitig wahrgenommenen Zustand bzw. Verhalten und den prinzipiel-len Werte- und Zielvorstellungen einer Person beschrieben wird. Dieser Kontrast wird in der MG gezielt unter Berücksichtigung vorhandener, bzw. einhergehender Ambivalenzen des Klienten verstärkt und bewusst spürbar gemacht, da dieser einen motivierenden Effekt in sich darstellt. Dahingehend wird die Theorie der kognitiven Dissonanz von Miller und Rollnick als ein grundlegendes Prinzip motivierender Gesprächsführung angesehen.41

2.4 Selbstwahrnehmungstheorie nach Daryl J. Bem

Der sich anschließende Abschnitt wird das in dieser Arbeit letzte grundlegende, für die MG bedeutende Prinzip und seine entsprechende Relevanz erläutern.

Der US-amerikanische Sozialpsychologe Daryl J. Bem gilt als Erfinder der Selbstwahrnehmungstheorie. Er geht davon aus, dass die wichtigsten, Einstellungen bzw. inneren Zustände im menschlichen Verhalten gründen und beobachtbar sind.42 Genauso wie es möglich ist, durch Beobachtung den Zustand eines anderen Menschen abzuleiten, ist es nach Bems Theorie möglich, durch Selbstbeobachtung (überwie-gend unbewusst) auch auf den eigenen, inneren Zustand zu schließen. "Wollen wir wissen, wie sich je-mand fühlt, so beobachten wir, wie er sich verhält."43 Resultierend können wir durch Beobachtung eines Verhaltens auch prognostische Aussagen darüber treffen, welche Reaktionen bestimmte Verhaltenswei-sen auslöVerhaltenswei-sen bzw., welche zu erwartenden Reaktionen mit den damit verbundenen Empfindungen von uns selbst ausgehen könnten.44 Einen Schritt weiter geht die Theorie in der Annahme, dass Personen beim Ergründen einer Meinung, bzw. Haltung die eine Person hat, auch die äußeren Umstände und die damit einhergehenden kognitiven, gefühlsmäßigen und sozialen Begleiterscheinungen Einfluss nehmen. 40 vgl. Aronson u.a. 2004, S. 188 ff. 41 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 60 f. 42 vgl. Bem 1974, S. 75 43 Bem 1974, S. 75 44 vgl. Bem 1974, S. 75

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Einfach ausgedrückt soll das heißen: Menschen werden in ihrer Wahrnehmung durch verschiedenste Umweltfaktoren beeinflusst. Es stellen sich dementsprechend auch Fragen nach den Beweggründen, die eine Person für ein bestimmtes Verhalten hatte. Ferner konnten auch Korrelationen zwischen Rol-lenübernahmen und Einstellungsänderungen beobachtet werden, sowie Ableitungen über Prinzipien von Ursache und Wirkung getroffen werden,45 welche diese Theorie mit den Attributionstheorien ver-knüpft. Jene Theorien versuchen nämlich kausale Erklärungen zu finden, wie Menschen Informationen verwenden, um daraus Verhaltensweisen von Personen herzuleiten.46 Die Theorie der Selbstwahrneh-mung von Daryl J. Bem gibt also Aufschluss darüber, dass menschliches Verhalten Einstellungen bedin-gen kann und diese von außen beeinflusst werden können. Mit anderen Worten findet eine Analyse des eigenen Verhaltens statt, als mögliche Informationsquelle für die Selbstwahrnehmung. Des Weiteren wird untersucht, welche Auswirkungen die Übernahme einer Rolle auf Verhalten und Einstellung haben kann.

Für die MG ist jene Ansicht von besonderer Bedeutung, dass die Veränderung des persönlichen Verhal-tens eine der Möglichkeiten ist, die Meinungen und Haltungen eines Menschen zu ändern.47

45 vgl. ebd. 1974, S. 86 f. 46 vgl. Försterling/ Stiensmeier (Hg.) 1994, S.1 47 vgl. Bem 1974, S. 86

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3 Motivation

Die Begründer motivierender Gesprächsführung sehen den Kern ihres Ansatzes in der Verbesserung intrinsischer Motivation, um die Bereitschaft eines Menschen zur Veränderung zu erhöhen.48 Daher ist es wichtig, den Terminus "Motivation" etwas genauer zu betrachten.

Heinz Heckhausen (*1926 - †1988), ein deutscher Psychologe und Hochschullehrer verwendete den Begriff Motivation, für motivationale Prozesse, die speziell auf das Setzen von Zielen Bezug nehmen. Das heißt, als etwas, dass sich auf Vorgänge und Ereignisse bezieht, die an ihrer Vorstellung und Realisier-barkeit gemessen werden, die eine Person aufwenden muss, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Er benutzt jedoch noch einen weiteren Begriff, etwas das er als Volition bezeichnet. Unter Volition versteht er, jene Form der Motivation, welche sich konkret auf das Hinstreben bereits existierender Ziele bezieht und ist damit eine Handlungsfrage, wie ein Ziel umgesetzt werden könnte. Motivation beschäftigt sich demnach überwiegend mit den Wunschvorstellungen, vor bzw. nach einem angestrebten Ergebnis und dem Abwägen bezüglich der Realisierbarkeit. Volition hingegen mit der Planung und der zur Umsetzung nötigen Handlungen einer Zielvorstellung. Volition ist also ein der Motivation ergänzender Vorgang.49 Die Definition des Pschyrembel Wörterbuch für den psychosozialen Bereich, stellt für die MG eine sehr hilfreiche Erklärung dar. In diesem wird die Motivation in intrinsische und extrinsische unterteilt und ferner betrachtet es die Förderung der Motivation, z. B. zur Verhaltensänderung oder Lebensstilände-rung. Unteranderem ist das eine zentrale Aufgabe, in der Behandlung chronisch Kranker.50 Zunächst wird zur allgemein Definition von Motivation die Summe aller subjektiven Beweggründe oder auch Vor-gänge betrachtet, welche die Entscheidung zu einem bestimmten Verhalten, zur Erreichung einer mit positiven, zu erwartenden Konsequenz beinhaltet. Daneben werden auch die benötigten Aufwendungen zur Bewältigung einer Zielvorstellung mit einbezogen. Hinzu kommt, dass nicht jedes Verhalten eines Menschen mit bloßer Motivation zu erklären ist, sondern es werden lerntheoretische Situationen hinzu-gefügt wie: Verstärkung und Anreiz, diese signifikanten Einfluss auf die Frequenz eines bestimmten Ver-haltens haben.51

3.1.1 Intrinsische und extrinsische Motivation

Der Duden definiert das Adjektiv intrinsisch mit etwas das von innen herkommt, aus eigenem Antrieb entsteht und in der Sache selbst liegende Anreize bedingt. 52 Pschyrembel knüpft daran an, bezieht sich aber konkret auf das Verhalten, innerhalb der eigenen personalen Ebene, welches seines eigenem Cha-rakters selbst willens vollzogen wird (Bsp. Nahrungsaufnahme aufgrund eines Hungergefühls). Zusätzlich 48 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 47 49 vgl. Heckhausen 2006, S. 281 50 vgl. Pschyrembel (Internetquelle) 51 vgl. ebd.(Internetquelle) 52 Duden (Internetquelle)

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wird dieses Verhalten der Stoßtheorie zugeordnet, die besagt das ein Verhalten dieser Ebene durch ei-nen inneren Zustand ausgelöst wird (z.B. Triebe, Haltungen, Gefühle). Miller und Rollnick sehen das Fundament intrinsischer Motivation, in einer akzeptierenden und unterstützenden Beziehung, durch die es dem Menschen ermöglicht wird, sich selbst besser zu erforschen. Intrinsische Motivation entsteht in der Person selbst. Sie kann aber in der beschriebenen Beziehung besonders gut heranreifen 53

Der Duden beschreibt extrinsisch, als etwas das von außen her bestimmt, angeregt oder gelenkt wird. Beispiele dafür sind äußere Zwänge wie Lob oder Strafe.54 Pschyrembel verortet extrinsisch außerhalb der personalen Ebene und begründet diese Motivationsform durch Umweltbeeinflussung. Diese wird instrumentell benutzt, um etwas in gesteigerter Art und Weise zu erlangen und assoziiert Handlungen zweckorientiert (Bsp. Literatur wird gelesen, um eine gute Note zu bekommen). Umwelteinflüsse kön-nen ebenso motivierenden Charakter besitzen (Bsp. Sinnesreize führen zu gesteigerten Bedürfnissen).55 Miller und Rollnick sind der Auffassung, dass Motivation viele Charakteristika eines zwischenmenschli-chen Prozesses aufweist und ein Ergebnis von Interaktionen zwiszwischenmenschli-chen Personen darstellt. Diese Hypo-these weicht etwas von der allgemein vertretenen Ansicht ab, Motivation sei etwas, dass dem Men-schen von Natur aus innewohne. Motivation sei jedoch etwas, das dem zwiMen-schenmenschlichen Prozess entspringt und erhält genau in diesem Punkt eine große Bedeutung, für die Psychotherapie. Denn oft-mals existiert der Glaube, sogleich Personen therapiert werden, sie auch schon für eine Veränderung bereit wären. Treten dann keine Erfolge ein oder werden Weisungen nicht befolgt, kann die Verantwor-tung schnell beim Patienten liegen und dieser bezichtigt werden, nicht genug motiviert zu sein. Kritisch sollte hierbei jedoch der Blick auf den zwischenmenschlichen Kontext liegen und dieser zusammen ref-lektiert werden. Die Autoren sind davon überzeugt, dass das Erforschen und das Intensivieren von Moti-vation für eine Veränderung an sich, zwischenzeitlich die notwendigste Aufgabe innerhalb einer helfen-den Beziehung kennzeichnet.56 Daraus kann man also schließen, dass es keine Person gibt die unmoti-viert ist, sondern ihre Motivation auf etwas anderes ausgerichtet ist und es Aufgabe der MG sein kann, diese "fehlgeleitete" (ungelöste Ambivalenz) Motivation, in eine konstruktive Richtung zu weisen.57

3.1.2 Ambivalenz-Konflikte

In der motivierenden Gesprächsführung befasst sich eine Hauptaufgabe, das Auflösen der Ambivalenz, mit jener Thematik, warum es Menschen trotz bewusstem Fehlverhaltens so schwer fällt, an Ihrer Moti-vation festzuhalten und für Außenstehende Widerwillens zu handeln. In diesem Abschnitt wird es darum gehen, jene Konflikte und das damit verbundene, scheinbar diffuse Verhalten näher zu beleuchten.

53 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 30 54 vgl. Duden (Internetquelle) 55 vgl. Pschyrembel (Internetquelle) 56 vgl. Miller/Rollnick 2009, S.42 57 vgl. ebd. 2009, S. 38

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Ebenfalls werden hierbei, jene theoretischen Überlegungen aus der Kognitiven Dissonanz Theorie er-kennbar, welche sich in der MG als Diskrepanzen und Ambivalenzkonflikte wiederfinden.

Ambivalenz ist die simultane Anwesenheit von Kognitionen, Gefühlszuständen, Empfindungen oder Ver-haltensweisen, die unvereinbar miteinander sind. Sie ist eine Begleiterscheinung, vor vielen großen Ent-scheidungen und tritt häufig in Verbindung mit Krisen auf.58 Die motivierende Gesprächsführung nimmt sie als einen natürlichen Aspekt, des menschlichen Daseins wahr und als einen Bestandteil von Verände-rungsvorgängen. Aufgrund dessen, stellt ein geschicktes Handling und die Auflösung von Ambivalenz, eine der wesentlichsten Aufgaben in der MG dar, ehe eine Veränderung verwirklicht werden kann.59 Oftmals stellen sich Therapeuten auch die falschen Fragen, wie z.B.: "Warum scheint jemand unmoti-viert zu sein?" Besser wäre es sich zu fragen:" Wo für sie motiunmoti-viert sind!?" Welcher Nutzen und welcher Aufwand hinter einer Veränderung steckt, oder wie dringend er empfunden wird, ist vielen Personen noch gar nicht bewusst.60 Dahingehend kann die Abwesenheit von Motivation, auch als eine ungelöste Ambivalenz verstanden werden und die Frage therapeutischen Handelns in diesem Fall sein: Warum die Person sich nicht genug befähigt fühlt, eine Entscheidung zu treffen!? Sich dieser Problematik nicht aus-giebig zu widmen, kann den Prozess der Veränderung unnötig behindern.61 Beispielgebend für abhängi-ges Verhalten bildet ein sogenannter Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt. Betroffene Personen sind sich oft ihrer negativen Konsequenzen bewusst, welches ihr gefährdendes Verhalten mit sich bringt, doch fühlen sie sich von jenem Verhalten angezogen und stagnieren darin. Sie beabsichtigen eine Verände-rung und gleichzeitig auch nicht. Eine weitere Form ist der AnnäheVerände-rungs-AnnäheVerände-rungs-Konflikt, wobei eine Person zwischen zwei gleichermaßen attraktiven Alternativen wählen kann und die resultierenden Folgen alle samt positiv erscheinen. Dem entgegen steht ein Vermeidung-Vermeidung-Konflikt, der die Wahl zwischen zwei negativen Sachverhalten impliziert und deren Bewegründe überwiegend, negative Eigenschaften bergen. Eine sehr komplizierte Form einer solchen Kontroverse, ist der Annäherungs-Vermeidung-Konflikt. Diese Art scheint außerordentlich viel Stress zu verursachen und besonders schwer zu lösen sein. In diesem Fall ist eine Person von derselben Sache fasziniert, als auch abgewandt. Die Person polarisiert zwischen einem Sachverhalt, einer Person, der Beziehung u.a. Die verzwickteste Form der Ambivalenzkonflikte, ist der doppelte Annäherungs-Vermeidung-Konflikt. Dieser ist gegeben, wenn eine Person vor potenziellen Alternativen steht, welche starke positive, als auch intensive negati-ve Aspekte beinhalten (z.B. Entscheidung zwischen einem Partner, Lebensstil etc.). Umso intensinegati-ver man sich der Sache (X) annähert, desto tragender werden ihre Nachteile, als auch die Vorteile von (Y) und umgekehrt. Die Optionen sind also substituierbar.62

58 vgl. Kremer/ Schulz 2012, S.32 59 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 32 60 vgl. ebd. 2009, S. 38 61 vgl. ebd. 2009, S. 32 62 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 31 f.

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Abbildung 1: Entscheidungswaage, vgl. Miller/Rollnick, 2009 S. 34

Kosten des Status Quo Nutzen einer Veränderung

Kosten einer Veränderung Nutzen des Status Quo

3.1.3 Entscheidungswaage

Eine bildhafte und ausgesprochen nützliche Methode um ambivalentes Verhalten sichtbar zu machen ist das Anfertigen einer Entscheidungswaage. Auf der einen Seite befinden sich die Kosten des Status Quo (Nachteile), sowie der Nutzen (Vorteile) einer Veränderung und auf der anderen Seite die Kosten einer Veränderung und Nutzen des Status Quo.

Das Anfertigen von Entscheidungswaagen bzw. einer Vorteil-Nachteil-Liste mit den Klientenäuß- erungen, kann einen detaillierten Blick auf die spe- zifischen Situationen darlegen und eine Grundla- ge für nachfolgende Schritte, bspw. zur Zielorientie- rung liefern. Daraus folgt, dass ein bewusstes Wahr-

nehmen von ambivalentem Verhalten, bezogen auf die Bereitschaft zur Veränderung, einen ersten mo-tivationalen Prozess darstellt.63

3.1.4 Scheinbar widersprüchliche Reaktionen

Ambivalente Personen reagieren oftmals mit paradoxen Handlungsweisen und sind nur schwer zu ver-stehen, wenn man nicht im Stande ist, die Dynamik der Ambivalenz zu deuten. Bezogen auf die Ent-scheidungswaage, sollte eine Vermehrung der Nachteile im Sinne von Strafen, die Attraktivität der Vor-teile, der anderen Seite erhöhen. Diese zu erwartende Reaktion geschieht nicht in jedem Fall, sondern oftmals tritt Gegenteiliges ein. Die Theorie der psychologischen Reaktanz besagt, dass wenn die indivi-duelle Freiheit einer Person beschränkt wird, die Vorzüge eines problematischen Verhaltens, als auch die Intensität, bspw. ausgedrückt in einem Anstieg der Häufigkeit.64 Um diese Problematik zu umgehen, die auch als aversiver Zustand bezeichnet wird, sollte man konträr zur ursprünglich beabsichtigten Akti-on handeln, um eine kAkti-onforme, gewollte ReaktiAkti-on zu erhalten. Derartige Reaktanzen, treten der Wahr-scheinlichkeit nach geringer auf, wenn Therapeuten vermehrt unterstützende, als direktive Methoden anwenden.65 Innerhalb einer solchen Ambivalenzdynamik, erfüllen derartige Reaktionen einen Sinn und können mitunter Prognosen menschlichen Verhaltens liefern. Diese scheinbar widersprüchlichen Reak-tionen, erschaffen also eine Möglichkeit, sich ambivalent verhaltene Menschen, wie bereits ähnlich er-wähnt, nicht als unmotiviert zu betrachten, sondern als zwei Individuen, welche zu jeweils unterschiedli-chen Zielen motiviert sind. Schlussfolgernd kann man demnach die Ambivalenz, als einen normativen Prozess der Veränderung ansehen, ebenso in ambivalentem Verhalten zu stagnieren und bei Annähe-rungs-Vermeidungs-Konflikten, nicht allein eine Lösung herbeiführen zu können. Das Beseitigen von Ambivalenzen kann zum großen Teil eine Veränderung erleichtern, andererseits ist dabei zu beachten,

63 vgl. Kremer/ Schulz 2012, S.33 64 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 36 f. 65 vgl. Arkowitz 2010, S. 2

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dass ein Mensch nicht auf eine Seite gedrängt werden sollte, denn dadurch kann es eben zu diesen scheinbar widersprüchliche Reaktionen kommen.66

3.2 Zentrale Motivationsbestandteile motivierender Gesprächsführung

Die Autoren der motivierenden Gesprächsführung definieren drei Motivationsbestandteile, welche für das Konzept der MG von großem Interesse sind und diese werden im folgenden Abschnitt erläutert.

3.2.1 Absicht (importance)

"Absicht" bezieht sich auf eine Frage nach der Wichtigkeit oder Wertigkeit. Wie sehr ist eine Person willens eine Veränderung zu vollziehen? In der MG gilt jener Faktor als Stärke, oder auch Intensität der Diskrepanz, zwischen dem aktuellen Zustand und den angestrebten Wunschvorstellungen, welche eine Veränderung mit sich bringen soll. Die Diskrepanz bildet eine Kernkonzeption der Selbstregulationstheo-rie, welche einen kontinuierlichen Vorgang einer Selbstwahrnehmung bedingt. Man stelle sich eine Ma-schine vor, die um ordnungsgemäß zu funktionieren, einen bestimmten Leistungsgrad erbringen muss. Übersteigt sie diesen, bzw. unterschreitet die geforderte Leistung, müssen entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden, um eine stabile Funktionsweise zu Gewährleisten. Um handlungsfähig und flexibel auf sich verändernde Bedingungen reagieren zu können, bedarf es einer genauen Beobachtung von in-nen bzw. nach außen. Ist die Diskrepanz zwischen Realität und Fiktion für eine Person signifikant spür-bar, dann gründet genau in diesem Moment die Motivation zur Veränderung. Ist die bewusst empfun-dene Diskrepanz nur in geringem Maße vorhanden, wird sie meistens als nicht salutogen betrachtet, oder gar dementiert. Die Autoren Miller und Rollnick sehen die Abwesenheit von Diskrepanz in ausrei-chendem Maße, als eine normative Entwicklungsstufe im Vorgang der Veränderung. Handlungsmaxime kann nach ihrer Ansicht nur sein, die Diskrepanz weiter zu verstärken, um den bewusst empfundenen Wert einer Veränderung zu steigern. Da menschliches Verhalten in seiner Komplexität nicht greifbar erscheint, kann die Steigerung der Wertigkeit, bezüglich einer bestimmten Veränderung, nur ein we-sentlicher Bestandteil motivierender Gesprächsführung und der Motivation zur Veränderung an sich sein.

3.2.2 Fähigkeit

Das Vorhaben, eine Veränderung zu vollziehen, ist das Eine, sich aber auch für eine Veränderung taug-lich zu fühlen, genug Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu haben, ist das Andere. Oftmals erkennen Menschen ihr gefährdendes Verhalten und sehen die Notwendigkeit zur Veränderung, sind ihr gegenü-ber agegenü-ber wenig optimistisch und trauen sich kaum zu, sie tatsächlich umsetzen zu können. Wenn jemand sagt, dass er etwas tun könnte, wenn er nur die Kraft dazu hätte, dann suggeriert das eine Hohe

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wendigkeit, jedoch nur eine bescheidene Zuversicht. Auch hier heißt es, wenn die Diskrepanz ausrei-chend vorhanden ist und der Drang sich zu verändern derart ausgeprägt ist, um genügend Einfluss zu nehmen, werden Möglichkeiten gesucht, diese zu realisieren. Sobald eine Person glaubt, ein adäquates Mittel gefunden zu haben und fortwährend der Überzeugung nach handelt, eine Veränderung bewerk-stelligen zu können, wird das Vorhaben aller Wahrscheinlichkeit nach umgesetzt. Fühlt sich ein Mensch, von seiner wahrgenommen Diskrepanz unter Druck gesetzt, weiß sich aber nicht zu helfen, wie diese Situation gemeistert werden könnte, treten oftmals Veränderungen in Denk- als auch Wahrnehmungs-prozessen auf, welche als "defensiv" bezeichnet werden. Charakteristisch äußern sich diese Verhaltens-muster, durch Verleugnungen, Rationalisierungen und Projektionen auf externe Sachverhalte oder Per-sonen.

3.2.3 Bereitschaft

Ist eine Frage der Priorität, welchen Vorzug wir einer Veränderung geben. Die Bereitschaft zur Verände-rung kann genügend Zuversicht, als auch Glaube es schaffen zu können beinhalten und trotzdem treten keine Handlungen ein, die einer Veränderung bedingen. Ist eine geringe Bereitschaft vorhanden, sagt dies etwas über einen verhältnismäßigen Stellenwert aus, die eine Veränderung zum gegenwärtigen Zeitpunkt besitzt. Eine Veränderung wird als notwendig angesehen, jedoch eine Umsetzung hinausgezö-gert. Ein mangelndes Vorhandensein von Bereitschaft, wird oft als negativ angesehen, doch in der MG wird diese, als ein normaler Bestandteil menschlichen Verhaltens angesehen und kann darüber hinaus, Informationen bezüglich der nächsten Stufe einer Veränderung repräsentieren.67

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4 Motivierende Gesprächsführung

Die Motivierende Gesprächsführung erfolgt in zwei aufeinander folgenden Phasen, mit sich überschnei-denden Zielen. In der ersten Phase, entwickelt sich die intrinsische Motivation zur Veränderung, des Weiteren wird gezielt versucht, die Ambivalenz zu erforschen und aufzulösen. Die zweite Phase will, die Selbstverpflichtung zur Veränderung intensivieren und einen Veränderungsplan erstellen, um diese zu ermöglichen.68

4.1 Motivierende Gesprächsführung was ist das?

Im Allgemeinen versucht motivierende Gesprächsführung, Menschen zu befähigen, sich in Richtung Veränderung zu entwickeln und dieses in einer Art und Weise umzusetzen, in der eine gemeinsame und gleichberechtigte Betrachtung der Problematik geschieht. Die MG stellt also ein Angebot zur Selbsthilfe bereit, welches auf einem Prinzip der Gleichrangigkeit beruht.69 Die Autoren Miller und Rollnick definie-ren die motiviedefinie-rende Gesprächsführung, "als eine klientenzentrierte, direktive Methode zur Verbesse-rung der intrinsischen Motivation für eine VerändeVerbesse-rung, mittels der Erforschung und Auflösung der Am-bivalenz".70 Demnach gilt die MG, als eine Weiterentwicklung, im Sinne der von Carl Rogers ins Leben gerufenen klientenzentrierten bzw. personenzentrierten Gesprächstherapie. Im Gegensatz zu Rogers setzt diese Methode jedoch bewusst auf Direktivität, indem sie aktiv auf das Auflösen von Ambivalenzen Einfluss nimmt. Der Therapeut kann auf Gesagtes augenblicklich reagieren und auf diese Weise den sogenannten Change-talk71erzeugen, dieser dazu führt, dass der entgegengebrachte Widerstand redu-ziert und direkt die Bereitschaft zur Veränderung beeinflusst wird. Die Anwendung des Change-talk wird noch im weiteren Verlauf dieser Arbeit unter Punkt 4.5 betrachtet. Weiterhin betont die MG eine Fokus-sierung, auf den gegenwärtigen Zustand einer Person, ohne den Auftrag neue Fertigkeiten zu vermitteln, oder in der Vergangenheit des Klienten zu forschen. Ergänzend kann man über die MG sagen, dass sie eher eine Kommunikationsmethode, als ein Sammelwerk von Techniken darstellt und nichts ist, was man einem Menschen aufdrängt, sondern eine Interaktionsweise umschreibt, die Menschen auf natürli-chem Wege zur Veränderung bewegt. Ein zentrales Mittel motivierender Gesprächsführung ist es also, durch Steigerung der intrinsischen Motivation, als auch dem Ergründen und Auflösen von ambivalentem Verhalten, unter Berücksichtigung persönlicher Haltungen und Wertevorstellungen, eine Veränderung im eigenen Interesse, ohne dabei fremdbestimmtes Verhalten zu vermitteln, zu erleichtern. Zu

68 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 80 69 vgl. ebd. 2009, S. 46 70 vgl. ebd. 2009, S. 47 71

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scheiden ist, dass sich MG von motivierenden Strategien abhebt, die Veränderungen durch extrinsische Mittel anstreben (z.B. Auflagen, Strafen, materiellen Gewinn u.Ä.).72

Die Wirksamkeit und Effektivität dieser Form der Gesprächsführung konnte in etlichen Forschungser-gebnissen bei Substanzmissbrauch und anderen gesundheitlichen Problematiken erwiesen werden und hatte demzufolge großen Einfluss auf Forschung und praktischer Anwendung.73 Weitreichende empiri-sche Belege, wie zahlreiche Ergebnisstudien zur Wirksamkeit, können auch auf der Homepage der ame-rikanischen Gesellschaft nachgelesen werden (http://www.motivationalinterview.org). Der Ansatz der motivierenden Gesprächsführung scheint, im besonderen Maße dann hilfreich zu sein, wenn die Klien-ten aus eigener Kraft nicht mehr weiter kommen. Dem TherapeuKlien-ten kann es in dieser scheinbar wenig hoffnungsvollen Situation gelingen, ein besseres Verständnis der Veränderungsmotivation des Klienten abzuleiten. Jene unterliegt während des therapeutischen Prozesses Schwankungen, auf die sich der The-rapeut einstellen sollte und die er berücksichtigen kann.74

4.2 Das Wesen der motivierenden Gesprächsführung

Nach den Autoren Miller und Rollnick scheint die MG, eine Art und Weise des Zusammenseins mit Men-schen zu sein, eine Exploration der menschlichen Erfahrung und Natur, sowie ein sich Bewusstwerden, über den Gesprächsprozess.75 Doch was spiegelt das Wesen der motivierenden Gesprächsführung wi-der, oder worin liegt Ihr "spirit" wie Sie es nennen, darum geht es in diesem Abschnitt. Drei wesentliche Bestandteile der MG, sind für die Autoren von besonderer Bedeutung: die Partnerschaftlichkeit, die Evocation (Hervorlocken) und die Autonomie.

4.2.1 Partnerschaftlichkeit

Diese Partnerschaftlichkeit meint eine antiautoritäre Begegnung auf Augenhöhe, in der Exploration an Stelle von Tadel tritt, in der helfend gehandelt wird und man keine Überzeugungsarbeit leistet. Es soll eine angenehme, zwischenmenschliche Umgebung geschaffen werden, die Veränderung erleichtern kann, jedoch nicht fordert. Die Bedingungen des gegenwärtigen Zustandes sind vom Therapeuten stets zu überprüfen, denn in der MG sind die Vorstellungen und Absichten von Klient und Therapeut, oft nicht die selbigen und darum ist es essentiell, sich über die eigenen Ziele bewusst zu werden. Trifft dies nicht zu, entgehen einem als Therapeut signifikante Bestandteile des Gesamteindruckes.76 In der Ansicht von Partnerschaftlichkeit werden klar die Parallelen zu Rogers deutlich und seiner

72 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 48 73 vgl. Arkowitz 2010, S. XV 74 vgl. Miller(Internetquelle) 75 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 53 76 vgl. ebd. 2009, S. 54

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Beziehung und seinem Verständnis von Kongruenz (Echtheit). In dem es wie bereits erwähnt darum geht zu verstehen, was in einem vor geht und jenes anzunehmen (akzeptieren, selbiges gilt auch für den Zu-stand des Klienten), als auch die Fähigkeit zu besitzen, dieses zu äußern. Die Begegnung findet nach Rogers ebenfalls auf Augenhöhe statt und zwar von Mensch zu Mensch, demzufolge frei von hierarchi-schen Strukturen.77

4.2.2 Evocation

Der Therapeut hat nicht die Aufgabe die Einsicht, das Verständnis oder den Bezug zur Wirklichkeit zu vermittelten, sondern er sollte diese im Patienten erforschen und ihm entlocken. Damit ist das Vorhan-densein der intrinsischen Motivation gemeint, die in jedem steckt und die Bereitschaft zur Veränderung, diese so Miller und Rollnick, nur angezapft werden müsste. Wenn es dem Therapeuten gelingt, den Pa-tienten mit seinen damit verbundenen Werten und Zielvorstellungen zu sehen.78 Die Schritte zur Verän-derung werden fasst vollständig im Gesprächspartner und durch ihn selbst hervorgerufen. Der Thera-peut hilft dabei, für den Patienten optimale Gegebenheiten zu antizipieren. Daraus folgt, dass die MG vor allen Dingen prozessorientiert und nicht ergebnisorientiert arbeitet. Evokation dient dazu, den Change-talk hervorzurufen.79

4.2.3 Autonomie

Die motivierende Gesprächsführung verteidigt die Entscheidungsbefugnis der Klienten und bekräftigt, dass die Kontrolle bei ihnen liegt, dadurch unterstützt sie, auf diese Weise ihr Recht auf Selbstbestim-mung und Selbstwirksamkeit, mit dem Ziel die intrinsische Motivation zu steigern.80 Da der Patient im-mer eigenmächtig handeln kann, ist er in der Lage, neue Kognitionen zu finden. Ruhig und besonnen kann er seine Situation reflektieren, weiterhin steht ihmjederzeit eine Rückzugsmöglichkeit offen. Auch braucht der Klient nicht befürchten, negativer Kritik oder Bewertung ausgesetzt zu sein. Wenn einem Autonomie verwehrt bleibt, wirkt es kaum erstrebenswert intrinsisch motiviert zu sein, das bedeutet: Kreatives Denken, lohnt sich nicht, wenn während und nach der Therapie die Fremdbestimmtheit droht.81

4.3 Handlungsprinzipien der motivierenden Gesprächsführung

Im folgenden Abschnitt werden die vier Prinzipien des therapeutischen Handelns näher beschrieben, die für eine Anwendung der MG unabdingbar sind.

77

vgl. Rogers, C. 1992, S. 213

78

vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 54

79 Dr. med. Mück, Herbert (Internetquelle) 80

vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 54 f.

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4.3.1 Empathie

Eine, wenn nicht gar die wichtigste Haltung der motivierenden Gesprächsführung, ist die Haltung zur Empathie, denn diese begleitet den gesamten therapeutischen Prozess. Diese emphatische Haltung ist ganz im Sinne von Rogers zu verstehen (siehe Punkt 2.1.2.2) und wird vor allem durch die Fertigkeit des aktiven Zuhörens vermittelt. Für Miller und Rollnick unterliegt dem Prinzip von Empathie eine Einstel-lung, die Sie als Akzeptanz charakterisieren. Das Erleben des Gesprächspartners soll durch aktives Zuhö-ren, ohne dabei wertend und beurteilend zu sein, verstanden werden. Akzeptieren bedeutet jedoch nicht, immer einer Meinung mit seinem Gesprächspartner zu sein, es geht hier vielmehr um Anerken-nung. Des Weiteren sollte der Therapeut ein respektvoller, interessierter und aufmerksamer Zuhörer sein, willens die Sichtweise des Patienten zu verstehen.82 Durch das Hineinversetzen in den Klienten werden seine Handlungen und Haltungen deutlich klarer und nachvollziehbarer.83 Diese Auffassung von

Akzeptanz entspricht ebenfalls derer von Rogers und kann in Punkt 2.1.2.3 nachgelesen werden.

Widersinnig scheint die Tatsache, dass sich Menschen oftmals ins Gegenteil entwickeln, jener Überzeu-gung man sie bringen will. Jene Verhaltensweisen verstärkt werden, die man eigentlich vermeiden will. Aus diesem Grund ist es wichtig, mit Respekt und Akzeptanz in Beziehung zu treten, um das Selbstwert eines Menschen zu stärken, um so elegant eine Veränderung herbeizuführen.84 Carl Rogers hat diesem

scheinbaren Paradoxon einen Erklärungsversuch geliefert. Für Ihn ist die Tatsache wenig überraschend, dass Menschen davor zurückschrecken, eine Person in ihrem erleben derart zu verstehen, dass sie aus ihrer Sicht (die Sicht eines Anderen) nachempfinden können, weil sie Angst haben, sich selber dadurch verändern zu können. Weil wir selbst vor Veränderungen zurückschrecken, tendieren wir dazu, aus un-serer Sicht die Menschen zu betrachten und beurteilen sie. Doch wenn wir frei von diesem wertenden Bemühen sind jemanden zu Verstehen, ist es möglich so Rogers: "in einer solchen Atmosphäre kann ich blühen und wachsen"85. Rogers will vermutlich damit sagen, dass eine Veränderung nur dann eintreten kann, wenn der Therapeut versucht, den Klienten in seinem Erleben ganz zu verstehen, ohne dabei sei-ne eigesei-ne Integrität als Persönlichkeit zu verlieren.86Miller und Rollnick sehen eine mangelnde Bereit-schaft zur Veränderung, (in diesem Sinne ein ambivalentes Verhalten), als allgegenwärtigen und ganz normalen Bestandteil von menschlichem Verhalten. Sie betrachten Ambivalenz als eine nicht pathologi-sche Verhaltensweise, sondern einen, dem therapeutipathologi-schen Prozess beiliegenden Bestandteil.87

82 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 58 83 vgl. Arkowitz 2010, S. 5 84 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 57 f. 85 Rogers, C. 1992, S. 217 86 vgl. Rogers, C. 1992, S. 217 87 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 58

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4.3.2 Diskrepanzen fördern

Bei diesem Prinzip kommt die Direktivität der MG zum Ausdruck. Die Autoren betonen, dass es nicht Gegenstand der MG sein sollte, dass die Klienten sich und den gegenwärtigen Zustand in dem sie sich befinden vollständig akzeptieren und den Status quo beibehalten. Des Weiteren wird die Verwendung des aktiven Zuhörens abgelehnt, wenn es zu passiv durchgeführt wird und den Klienten in allem nach-kommt. Menschen die in gefährdenden Situationen sind, wie z.B. eine abhängige Person, die Ihre Ge-sundheit aufs Spiel setzt, sollte bestärkt werden, ihr Verhalten zu ändern. Wie nun können ausgespro-chen diffizile Situationen so repräsentiert werden, dass sie machbar erscheinen? Hier beginnt die Diffe-renzierung der MG von klassischer, klientenzentrierter Psychotherapie. Die MG setzt wie schon er-wähnt, auf aktives Explorieren und Auflösen von Ambivalenzen, um die Bereitschaft zur Veränderung zu fördern. Ebenso ist sie darin bestrebt, die bewusst empfundenen Diskrepanzen zwischen dem Status quo und den vorhandenen Zielen und Wertevorstellungen zu intensivieren.88 Nimmt der Klient diese Diskrepanzen wahr, lässt sich die Motivation zu Gunsten einer Veränderung steigern. Um diesen Effekt zu erreichen, werden zusammen mit dem Klienten, die vorhandenen Diskrepanzen zwischen seinen derzeitigen Verhaltensweisen, sowie seinen Werten und Zielvorstellungen näher beleuchtet. Der Thera-peut konzentriert sich vornehmlich auf die Argumente seines Gesprächspartner, die für eine Verände-rung sprechen und stellt ihm diejenigen gegenüber, welche dagegen sind. Besonders wichtig ist, dass es sich nur um ein Hervorbringen der eigenen Argumente des Gesprächspartners handelt.89

4.3.3 Widerstand Umlenken

Ganz der Annahme nach, dass sich Menschen oft in die gegenteilige Richtung hin entwickeln, in die man sie gerne lenken würde, ist es zum Nachteil des Klienten, wenn der Therapeut die alleinige Absicht hegt, eine Veränderung herbeizuführen. Miller und Rollnick sind der Auffassung, dass sich Menschen zum Negativen entwickeln, wenn sie ihre eigene Position verteidigen müssen und nicht durch eigene erfah-rene Motivation, eine Veränderung herbei sehnen. Im Großen und Ganzen geht es bei diesem Prinzip um einen konstruktiven Umgang mit Widerstand. Ihn geschickt für den Kontext zu nutzen, um so neue Anstöße für eine Perspektive der Veränderung zu erfahren. 90 Der Widerstand im therapeutischen Pro-zess, kann als eine reiche Quelle von Informationen über das individuelle Erleben des Klienten angese-hen werden. Ambivalenz kann viele Aussagen über den Zustand eines Menscangese-hen beinhalten, z.B. Hoff-nungen, Wünsche, Ängste u.v.m. Andernfalls bemerkt der Klient, dadurch welche Vor- und Nachteile für eine Veränderung sprechen. Zeitgleich werden dem Klienten Gefühle und Stimmungen suggeriert, die Diskrepanzen fördern können. Die motivierende Gesprächsführung versucht beide Seiten der Ambiva-lenz zu betrachten und sollten Argumente gegen eine Veränderung auftreten, reagiert der Therapeut 88 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 60 89 vgl. Arkowitz 2010, S. 6 90 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 62

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mit Empathie und Akzeptanz.91 In der MG gilt es, dem Widerstand nicht frontal zu begegnen, sondern eher sanft und respektvoll auf ihn zu reagieren, sowie den Klienten für eine aktive Teilnahme am Prozess zu begeistern. Die Ziele werden nicht vom Therapeuten vorgegeben, sondern gemeinsam erarbeitet, denn eine Grundannahme dieser Gesprächsführung beinhaltet, dass die Personen selbst über angemes-sene Kompetenzen verfügen, um Strategien ihrer Problembewältigung zu entwickeln. Im Verständnis davon, dass Widerstand ein zwischenmenschliches Phänomen in der MG darstellt, kann er als Indikator dafür genutzt werden, dass der Therapeut vielleicht zu direktiv oder ratschlagend wirkt und dazu veran-lassen seine Herangehensweise zu verändern.92

4.3.4 Selbstwirksamkeit fördern

Ein letztes entscheidendes Prinzip für die MG ist es, die Selbstwirksamkeit der Klienten zu unterstützen. Diese appelliert am Glauben, das Menschen selbst die Fähigkeit zur Veränderung in sich tragen und in der Lage sind, ihr Leben selbst zu organisieren und Schwierigkeiten zu meistern. Für die Autoren gilt die Selbstwirksamkeit, als ein Schlüsselelement der Veränderungsbereitschaft und kann prognostische Aus-sagen über den Behandlungserfolg liefern. Denn ein Therapeut wird keinen Behandlungserfolg erzielen können, wenn ein Klient nicht selbst daran glaubt, etwas ändern können, fern ab der Tatsache, alle an-deren Prinzipien so gut wie möglich umgesetzt zu haben. Ebenso ist es von großer Bedeutung für den Therapeuten, ganz im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung, daran zu glauben, dass der Klient zu einer Veränderung fähig ist. Wenn also ein Mensch zum eigenverantwortlichen Handeln befähigt wer-den soll, muss man ihm das nötige Vertrauen entgegenbringen, dass er alle Kompetenzen besitzt, um eine Veränderung herbeizuführen.93

4.4 Strategien & Fertigkeiten motivierender Gesprächsführung (Phase 1)

Der folgende Abschnitt wird die fünf Strategien im Rahmen der vorab beschriebenen Prinzipien motivie-render Gesprächsführung erläutern, die der Therapeut in der praktischen Umsetzung von motiviemotivie-render Gesprächsführung von Beginn an und während des gesamten therapeutischen Prozesses anwendet. Die ersten vier Strategien entspringen der klientenzentrierten Gesprächsführung und werden zielgerichtet praktiziert, um Ambivalenzen und die individuellen Gründe, die für eine Veränderung sprechen, zu er-mitteln.94 91 vgl. Arkowitz 2010, S. 6 92 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 63 93 vgl. ebd. 2009, S. 64 94 vgl. ebd. 2009, S. 98

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