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W O BEFINDET SICH DIE G RENZE MOTIVIERENDER B EEINFLUSSUNG

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es ist eines der Grundprinzipien motivierender Gesprächsführung, in Kooperation an einer Veränderung zu arbeiten. 143

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1. Werden ethische Bedenken oder Dissonanzen innerhalb der therapeutischen Beziehung wahr-genommen, sollten die eigenen Intentionen und die des Gesprächspartners ergründet werden.

2. Differenziert die Haltung des Therapeuten, mit der des Klienten, was ihm zum Wohle dienen sollte, muss der Therapeut seine Herangehensweise überdenken und Befürchtungen sowie An-regungen mitteilen und gemeinsam beleuchten.

3. Umso mehr der eigene persönliche Vorteil im Vordergrund steht, einem spezifischen Behand-lungserfolg zu bewirken, desto unangemessener ist die Anwendung motivierender Gesprächs-führung. Ein eigener Nutzen kann nur zulässig sein, wenn er dem Wohlergehen im höchsten Maße des Klienten entspricht.

4. Bestehen die Möglichkeiten Zwangsmaßnahmen zu gebrauchen, um Verhaltensänderungen ei-ner Person zu bewirken, besteht größte Vorsicht bei der Anwendung von MG. Besteht ein Zu-sammenhang zwischen den Zwangsmaßnahmen und den eigen individuellen Interessen im Be-zug auf das Verhalten eines Menschen, oder einem Behandlungserfolg, ist die Anwendung von MG zu vermeiden.145

Es existieren jedoch auch bestimmte Begebenheiten, wobei die Anwendung motivierender Gesprächs-führung trotz differenzieller Intentionen ethisch vertretbar ist und zwar dann, wenn die Strategien dem Prinzip des Wohlwollens folgen und auch unter unabhängiger Betrachtung angebracht wären. Grund-sätzlich gilt aber zu beachten, dass der Nutzen für den Gesprächsführenden, wenn es einen gibt, so ge-ring wie möglich sein muss, denn je größer sich der Nutzen darstellt, je kontroverser ist die Beurteilung des Sachverhaltes, durch den Therapeuten. In dem Fall muss ein Außenstehender prüfen, ob es um das Wohlergehen des Klienten geht.146

5.1.2 Weitere Grenzbetrachtungen

Wenn im Allgemeinen über Grenzen gesprochen wird, muss man den Horizont erweitern und über die MG hinweg schauen und kann dort suchen, wo sie ihren Anfang nahm. Carl Rogers formulierte einige sehr interessante Punkte, die bei der Suche nach beraterischen bzw. therapeutischen Grenzen sehr hilf-reich sind und auch auf die MG angewendet können. Ein weit verbreitetes Problem ist, dass die Dimen-sionen des therapeutischen Kontextes, selten deutlich verbalisiert werden. Es ist sehr wichtig, dass der Umfang in dem die Verantwortlichkeit, welche der Therapeut für Handlungen und Problematiken des Klienten übernimmt, eindeutig miteinander vereinbart wird. Die Hilfe zur Selbsthilfe sollte im Vorder-grund stehen und der Klient lediglich befähigt werden, eigene Ressourcen zu nutzen. Weiterhin kann sich der Therapeut vor Schuldzuweisungen schützen. Alles hat ein Ende, so auch eine therapeutische

145 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 226-232

146 vgl. ebd. 2009, S 223 f.

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Sitzung. Zeitliche Begrenzungen sind wichtig und suggerieren trotz partnerschaftlicher Beziehung den therapeutischen Kontext, ebenso gibt es eine Strukturform vor, die vom Klienten als auch vom Thera-peuten, konstruktiv genutzt werden kann. Eine der entscheidendsten Grenzen therapeutischer Bezie-hungen beinhaltet die Frage: Wie weit Sympathie gehen darf? Gelegentlich können innerhalb solcher Beziehungen Bedürfnisse entstehen, die über den therapeutisches Kontext hinausgehen. Dazu gehört auch eine ständige Bereitschaft oder zu viel Persönliches zu offenbaren. Es ist wichtig, beide Seiten zu schützen und den eigentlichen Sinn einer Therapie zu wahren. Genauso wie Sympathie eine Rolle spielt, komplettiert Ablehnung eine menschliche Beziehung und ist zu akzeptieren. Ist eine Beziehung nicht ausreichend bestimmt, können Erwartungen gesetzt sein, die beiderseits nicht eigehalten werden könn-ten. Das Setzen von klaren und deutlichen Grenzen ist also, eine der Therapie bedingende Vorausset-zung, die es beiden Parteien ermöglicht, sich innerhalb jenen Bereiches auf natürliche Weise, in Freiheit zu bewegen.147 Man kann aus diesen Bedingungen also auch schließen, dass die Suche nach den Gren-zen einer Therapie immer auch in den Menschen selbst zu suchen ist. Die Prinzipien und Grundhaltun-gen der MG, als auch der klientenzentrierten Gesprächsführung können bei dieser Selbstexploration während einer Therapie helfen.

Rogers postuliert einige Bedingungen, welche er für essentielle Prämissen einer Psychotherapie hält.

Kehrt man diese Prämissen in ihr Gegenteil, erhält man Sachverhalte sowie Bedingungen, die eine the-rapeutische Beziehung begrenzen, beeinträchtigen oder nicht ermöglichen. Diese Schlussfolgerung kann ebenso für die motivierende Gesprächsführung genutzt werden, da ihr Ansatz den Bereich der klienten-zentrierten Gesprächsführung miteinschließt.

x Der Mensch besitzt ausreichende Kraft dem Leben gewachsen zu sein, als auch im gewissen Maße das Potenzial und die Ausdauer, um die Führung über die jetzige Situation zu überneh-men. Es erscheint nicht utopisch, die Gegebenheiten, welche er Wahrnimmt in irgendeiner Wei-se zu beherrschen, oder zu verändern.

x Der Mensch hat die Möglichkeit, seine Diskrepanzen in miteinander vereinbarten Kontakten, dem Therapeuten mitzuteilen.

x Der Mensch ist in der Lage seine Diskrepanzen zu kommunizieren und es könnte förderlich sein, wenn er sich bewusst um Hilfe bemüht.

x Der Mensch ist zum Zeitpunkt einer Therapiesitzung frei von direkter Beeinflussung seiner An-gehörigen.

x Der Mensch sollte ausreichend kognitive Fähigkeiten besitzen, um sich in seiner Umwelt zurecht zu finden und sein Verhalten, entsprechend wechselnder Einflüsse modifizieren können.

147 Rogers C. 1997, S. 92, ff.

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x Der Mensch sollte in einem entsprechendem Alter sein: Um sich autonom dem Leben anzuneh-men - (Mindestalter) und um noch opportunistisch genug zu sein (Höchstalter).148

Eine weitere Grenzbetrachtung therapeutischen Handelns setzt die Berücksichtigung der äußeren Fakto-ren voraus, welche einen bedeutenden Einfluss auf jede Behandlung hat. Schon Miller und Rollnick konnten aus einer veränderten Umwelt, eine Veränderung der Personen ableiten.

Situationen des Lebens können sich manchmal so schwer und komplex darstellen, dass es einem Men-schen selbst mit veränderten Einstellungen und noch so großen Kraftanstrengungen, nicht möglich ist, sie nach ihren Vorstellungen umzugestalten und dadurch meistern zu können. Gesellen sich zu kogniti-ven als auch gesundheitlichen Defiziten, noch schmerzliche Erfahrungen innerhalb der sozialen Gemein-schaft eines Menschen oder einer destruktiven Umgebung, wird es diesem Menschen nur äußerst schwer gelingen, sich an diesen Umweltbedingungen anzupassen und eine Veränderung zu vollziehen, sollten sich die Bedingungen nicht ändern. Ebenfalls wird die Anwendung MG auch dann nicht möglich sein, wenn ein Mensch unter einer akuten Phase, einer schizophrenen Psychose leidet oder an einer schweren akuten Depressionen und es ihm verwehrt bleibt sein Unbehagen in einer Form auszudrücken, mit der sich arbeiten ließe. Möglicherweise sind Menschen mit schweren akuten, psychischen Störungen auch nicht im Stande, ausreichende Kontroll- als auch Reflektionsmechanismen zu aktivieren, um den therapeutischen Prozess konstruktiv umzusetzen und durchzuhalten. Hinzukommt, dass Menschen die an derart schwerwiegenden psychischen Störungen leiden, wahrscheinlich auch nicht in der Lage sind, entsprechende Hilfe anzunehmen und in diesen Situationen fremdbestimmtes Handeln zum Wohlerge-hen eines MenscWohlerge-hen notwendig wird, um ihn und andere MenscWohlerge-hen nicht zu gefährden. Ferner wird ein Therapeut oder Sozialarbeiter auch nicht helfen können, wenn er einem Menschen gegenüber sitzt, der partout keine Hilfe annehmen möchte, weil er vielleicht keine widersprüchlichen Empfindungen, welche hier als Diskrepanz, oder Ambivalenz bezeichnet wurden, nicht ausreichend spüren kann.149 Motivieren-de Gesprächsführung ist somit ein Ansatz, Motivieren-der für Menschen hilfreich sein könnte, die eine Diskrepanz zwischen ihren gegenwärtigem Verhalten und ihren grundlegenden Einstellungen verspüren.

Alle Grenzen die in dieser Arbeit bisher angesprochen wurden, sind keine statischen Leitbilder, welche auf alles und jeden anwendbar sind. Sie können jedoch Richtlinien darstellen und für einen verantwor-tungsvollen, ethisch vertretbaren Umgang sorgen und aufzeigen in welchem Rahmen sich ein Thera-peut, Sozialarbeiter, oder jeweilige Experte bewegen darf. Es wird wahrscheinlich auch an Hand dieser Grenzbetrachtungen bzw. Richtlinien gelingen, einen bestimmten Personenkreis ausfindig zu machen, auf dessen die Behandlung mit der motivierenden Gesprächsführung anwendbar ist.

148 Rogers C. 1997, S. 76, f.

149 Rogers C. 1997, S. 77 f.

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6 Anwendungsproblematiken

Jedes Konzept oder jede Methodik, die gebräuchlich ist und oft praktiziert wird, kann zu einer um-gangssprachlichen Betriebsblindheit führen und auch beim besten Experten eine routinemäßige Leicht-sinnigkeit auslösen und somit ein gewissenhaftes Handeln in Frage stellen. Resultierend können sich vermehrt Fehler einschleichen und eine Selbstreflektion findet nur noch sporadisch statt. Als nützliche Hinweise können folgende Grundsätze beachtet werden.

x Gespräche und Abläufe sollten immer in Kooperation mit dem Klienten und an seinen Bedürfnis-sen und Wünschen ausgerichtet werden, die in Verbindung mit einer Veränderung stehen.

x Vom Klienten sollten immer wieder Rückmeldungen eingeholt werden, um eine Bewertung des Arbeitsklimas, der Beziehung und des Ablaufs, als auch immer mal wieder zur Zielsetzung, zu er-möglichen.

x Der Fokus sollte fortwährend auf den Nutzen der geplanten, als auch auf den bereits geschehe-nen liegen. Ressourcen aus der Lebenswelt des Klienten, köngeschehe-nen wenn möglich gerne damit in Verbindung gebracht werden.150