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4.9 I NTENSIVIEREN DER S ELBSTVERPFLICHTUNG FÜR EINE V ERÄNDERUNG (P HASE 2)

4.9.3 Selbstverpflichtung hervorrufen

Im Idealfall gelangt man durch die Zusammenfassung des Veränderungsplans, zum Einverständnis des Klienten. Die simpelste Variante wäre es, den Klienten danach zu fragen, ob es das ist, was er tun möch-te. Reagiert der Klient zunächst noch verhalten, sind die Methoden der ersten Phase anzuwenden, um die noch vorhandene Ambivalenz zu beseitigen. Die Selbstverpflichtung kann noch dadurch intensiviert werden, indem Personen aus dem näheren sozialen Umfeld des Klienten, über die geplante Verände-rung informiert werden und gegebenenfalls um Unterstützung gebeten werden. Häufiges Kommunizie-ren bezüglich der Veränderungsabsichten, steigert die Selbstverpflichtung. Die vereinbarten Ziele sollten nun zeitnah umgesetzt werden, jedoch sollte man stets darauf achten, dass sich der Klient nicht be-drängt fühlt. Die Selbstverpflichtung in Hinblick auf einen Veränderungsplan, komplettiert den konven-tionellen Hergang motivierender Gesprächsführung. Der weitere Verlauf hängt davon ab, inwieweit die Personen jetzt selbstständig arbeiten. Der motivierende Teil kann sich in dieser Phase mehr zu einer handlungsbetonteren Therapie wandeln. Im Therapieverlauf kann die MG jedoch fortwährend einge-setzt werden, da die Ambivalenz nicht gleich in den ersten Anläufen schwindet.135Anschließend ist es wichtig den Kontakt zum Klienten zu wahren und sich über künftige Verläufe zu erkundigen. Egal welche Ergebnisse langfristig zu erwarten sind, beinhaltet der Erfahrungszuwachs einen unschätzbaren Wert, für beide Seiten. Positive Rückmeldung bezüglich erfolgreicher Behandlungen, zählen ebenfalls zu dieser Kategorie. Je nach dem welche Problematik zu behandeln war, kann es vom Vorteil sein, über weitere Therapieformen nachzudenken, oder ob eine weiterführende ärztliche Kontrolle nötig ist. Aus diesem Grund sollte über einen möglich noch vorhandenen Bedarf gesprochen werden.136

Zusammenfassend zeigt die auf der nächsten Seite abgebildete Grafik, noch einmal die Bestandteile der MG, mit ihren Grundlegenden Zielen, Prinzipien und Fertigkeiten, als auch wie sie miteinander korrelie-ren. Der Geist der MG steht, als rahmengebende Haltung über dem Konzept.

134 vgl. ebd. 2009, S. 186 ff.

135 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 189 f.

136 vgl. Keller 1999, S. 89

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Abbildung 4: Bestandteile MG, Körkel, J./ C. Veltrup (Internetquelle)

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5 Ethische Bedenken & Grenzen

Einige Kritiker aus dem Gesundheitswesen, sehen den Einsatz der MG in bestimmten Situationen als ethisch bedenklich. Miller und Rollnik sehen den Rahmen ihrer Methode als überschritten an, wenn man MG dahingehend verwenden würde, um Menschen gezielt zu Teilnahmen an Studien oder zu bestimm-ten Behandlungen drängen würde.137 Ethische Kontroversen beziehen sich häufig auf den Versuch der Einflussnahme und sind Bestandteil fast aller interpersonellen Interaktionen. Sie geraten oftmals dann in den Fokus, wenn Menschen beeinflusst werden Dinge zu tun, die sie nicht wollen und andernfalls wohl auch nicht tun würden. Selbst bei einer gewissenhaften Orientierung an den Grundhaltungen und Prin-zipien der MG, finden immer wieder Argumentationen zu diesem Thema statt. Ein Grund dafür ist, dass die MG darauf abzielt den Willen eines Menschen zu verändern. Menschen aktiv zu einer Veränderung ihrer Ziel- bzw. Wertevorstellungen zu bewegen, kann brisante ethische Fragen aufwerfen und zu Über-legungen führen, wo sich die Grenzen motivierender Gesprächsführung befinden. Die Autoren der MG sehen eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema als wünschenswert an, da es für einen be-wussten und verantwortungsvollen Umgang spricht. Zunächst einmal, um die Komplexität dieser The-matik zu veranschaulichen, gilt es dabei, die Intention des Klienten zu beachten. Konkreter stellt sich die Frage mit welchen Wünschen und Hoffnungen tritt ein Klient in eine therapeutische Beziehung. Verein-zelt erschließen sich die Antworten schon allein aus dem Kontext heraus. Zum Beispiel, welche Beweg-gründe eine Person hat, die eine Finanz- oder Drogenberatung aufsucht. Eine große Vielfalt an dem, was Klienten wollen und zu welchem Zweck die Therapie dann durchgeführt wurde, konnte jedoch auch in sehr spezialisierten Institutionen beobachtet werden. Ein äußerst interessanter Zusammenhang wurde, zwischen dem Behandlungserfolg und den beim Therapiebeginn vereinbarten Dienstleistungen festges-tellt. Denn der Erfolg einer Therapie war umso höher, je mehr Dienstleitungen umgesetzt werden konn-ten, welche von den Klienten gewünscht wurden.138 Kremer und Schulz verwenden in ihrem Werk eine Begrifflichkeit, die diese These zu bestätigen scheint. Die Rede ist von der sogenannten "Adherence"

(eng.: Festhalten, Befolgen). Sie kennzeichnet die Einhaltung, des in Kooperation zwischen dem Klienten und Therapeuten ausgehandelten Therapieziels, bzw. Plans. Die Adhärenz ist im hohen Maße zutref-fend, wenn die Pläne bzw. Therapieziele überwiegend in Zusammenarbeit entstanden sind. Ferner bein-haltet sie ein fundiertes Wissen über alle Aspekte eines salutogenen, klientenspezifischen Verhaltens.

Beobachtungen, bezüglich einer im hohen Maße vorhanden Adhärenz haben gezeigt, dass Therapieer-folge hoch und die Rate der Therapie Abbrüche gesunken ist. Eine Therapieform, bei der die Adhärenz besonders groß ist, ist die motivierende Gesprächsführung.139 Plakativ könnte man also behaupten, dass positive Veränderungen wahrscheinlicher sind, wenn Klienten das kriegen, was sie wollen. Das heißt

137 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 57

138 vgl. ebd. 2009, S. 215 f.

139 vgl. Kremer/ Schulz 2012, S. 19 ff.

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also, wenn Klienten für ausreichend kompetent befunden werden und an den Therapieabläufen aktiv beteiligt sind. Situationen die Konflikte provozieren, entstehen oft dann, wenn Klienten wider ärztlicher Expertise handeln und bspw. Medikamente verlangen, die sie eigentlich nicht benötigen. Angemessener Weise ist es sinnvoll, einen Klienten nicht dahingehend zu fragen, was er will, sondern den Klienten überdenken zu lassen, was er eigentlich vom Therapeuten will. Nun da geklärt wurde mit welchen Ab-sichten Personen in Therapie treten, ist es wichtig zu klären, was Therapeuten beabsichtigen. Eine in der MG übliche Situation ist, dass eine Person über ihre Zukunft entscheiden möchte und mehrere Optionen hat. Es gibt es mehre Arten von Interesse oder Absicht die ein Therapeut entwickeln kann. Dabei werden drei Arten von Interesse unterschieden: Mitgefühl, Meinung und Investition, welche einzeln für sich existieren können. Mitgefühl meint eine gefühlvolle und uneigennützige Fürsorglichkeit, in Bezug auf das Wohlergehen eines Klienten. Meinung vertritt eine Ansicht darüber, welche Option die Interessen des Klienten im hohen Maße widerspiegeln. Meinungen implizieren Urteile und können falsche Erwar-tungen und heftigen Widerstand auslösen (Berücksichtigung beider Seiten der Ambivalenz!) und deshalb sollte man sie nur geben, wenn es subjektiv nötig ist oder man ausdrücklich danach gefragt wird. Investi-tion bedeutet einen Vorteil, Erfolg, Ertrag bzw. einen Nachteil oder Verlust für den Therapeuten, wel-cher in Verbindung mit der Entscheidung steht, die der Klient trifft. Investitionen können Materielles als auch Symbolisches charakterisieren, ebenso könnten Therapeuten zu viel investieren, wenn sie selbst in einer Thematik involviert sind, bzw. ein ausgeprägtes Wertempfinden in eine bestimmte Richtung auf-weisen und Klienten dahingehend beeinflussen. Therapeuten können also nicht objektiv genug handeln, wenn zu viel von ihnen selbst in einem Klienten bzw. seiner Situation steckt, oder Menschen die damit in Beziehung stehen und eine Befangenheit auslösen könnten. Ebenso erscheint es selbstverständlich, dass die Intentionen von Klienten und Therapeuten nicht immer kongruent sind. Genauso ist eine hohe Übereinstimmung gegeben, wenn sich die Zielvorstellungen gleichen. Widersprechen sich die Intentio-nen, können das Prinzip des Wohlwollens und der Autonomie an einander geraten. In der Auffassung was dem Klienten hilft und was er sich wünscht, treten gerade zu Anfang der Therapie Differenzen auf.

Intentionen oder Interessen eines Klienten, können auch gegen persönliche Investitionen des Therapeu-ten stehen, da Verantwortungsübernahme (Haftung) im Ernstfall drohen kann. Ein bewusstes Trinkver-halten, könnte bei einem Alkoholkranken Patienten kontraproduktiv sein, bspw. ein durch den Alkohol-konsum des Patienten verursachter Verkehrsunfall. Was dem Wohlergehen eines Klienten dienlich ist, kann also mit seinen Wünschen und den eigenen Ansichten des Therapeuten in Zwietracht stehen. Mil-ler und Rollnick sehen die drei Arten von Therapeuten-Interessen als eine nützliche Hilfe, um ethisch bedenkliche Sachverhalte zu klären, wenn diese innerhalb von Patientenentscheidungen berücksichtigt werden.140 Eine weitere Komponente in der therapeutischen Beziehung und Größe, die ethische Beden-ken mit sich bringt, ist die Rolle der Macht. Zunächst einmal wird davon ausgegangen, dass Therapie

140 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 216 ff.

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immer eine Machtposition impliziert, die es dem Therapeuten ermöglicht, Einfluss auf das Verhalten zu nehmen. Die Dimension jedoch, die Macht während einer Psychotherapie erhält, muss vom jeweiligen Kontext her betrachtet werden. Zu Beginn einer Therapie ist der Einfluss auf den Klienten noch sehr gering ausgeprägt. Ein Höchstmaß an Macht findet bspw. in der Bewährungshilfe statt, wenn man davon ausgeht, dass der Therapeut über Freiheit oder Gefangenschaft mitentscheiden darf. Die Präsenz von machtvollem Einfluss in der MG intensiviert ethische Diskussionen. Therapeuten besitzen neben ver-schiedenen Intentionen, also noch eine gewisse Macht, jene zu verwirklichen. Sie müssen also Kompe-tenzen besitzen, um verantwortungsvoll zu handeln, wenn es darum geht Menschen gezielt zu einer Veränderung zu bewegen.141 Wenn MG wahrlich in Lage ist, die Motivation als auch die Bereitschaft und sogar das Verhalten eines Menschen zu beeinflussen, ist diese Tatsache eine der Grundvorrausetzungen, warum MG ethische Bedenken hervorruft. Stimmen die Intentionen des Therapeuten mit dem des Klien-ten wenig bzw. nicht überein, müssen ethische Bedenken geäußert werden. Besonders schwierig wird es, wenn der Befürworter einer Therapie ein Dritter ist. Ein weiterer Fakt ist, dass Interventionen, die eine Veränderung ermöglichen sollen, im übertragenen Sinne oftmals ohne Einwilligung, oder einer Aufforderung seitens der Klienten ablaufen. Dieser Punkt ist vor allem deswegen bedenklich, weil man davon ausgehen muss, dass: (a) motivierende Interventionen erfolgreich sein können; (b) sie ohne direk-te Einwilligung gelingen können und (c) sie manchmal unbewusst ablaufen können.142 Inwieweit Perso-nen die in therapeutischen Beziehungen selbst- oder fremdbestimmt handeln und wie viel Handlungs-kompetenz man beim Klienten lassen sollte, lässt immer wieder ethische Grenzkonflikte aufleben. Kre-mer und Schulz beziehen einen Begriff in diese Argumentation mit ein, der ein fremdbestimmtes Han-deln in bestimmten Situationen durchaus rechtfertigen kann. Damit gemeint ist der Paternalismus. Die-ser orientiert sich am Wohle des Klienten, jedoch von einer äußeren Beurteilung her und weniger am Willen des Klienten. Man geht davon aus, dass die behandelnde Person, über das nötige Wissen verfüge, um dem Wohl des Klienten zu entsprechen. Es heißt auch, dass eine Handlung im hohen Maße paterna-listisch ist, wenn demjenigen der selbst im hohen Maße Kompetenz besitzt, keine Beachtung geschenkt wird. Sogleich gelten Fälle von hohem Paternalismus als ethisch bedenklich, wohingegen ein geringes Maß willkommen sein kann. Ein Mensch der sich in einer Notsituation befindet, bedarf es nach hoher Wahrscheinlichkeit, kein erfragen seiner Hilfsbedürftigkeit. Eine negative paternalistische Handlungs-weise wäre demnach dann gegeben, wenn der Mensch selbst genügend Kompetenzen besitzt und man über seinen Kopf hinweg, entscheiden würde. Das Prinzip "Paternalismus" kann also in Notsituationen helfen und die MG kann sich damit schmücken, ein Ansatz zu sein dem ein geringes Maß an Paternalis-mus innewohnt und damit ethisch gering bedenklich ist, wenn ihre Prinzipien eingehalten werden. Denn

141 vgl. Miller/Rollnick 2009, S. 220 f.

142 vgl. ebd. 2009, S. 221 f.

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es ist eines der Grundprinzipien motivierender Gesprächsführung, in Kooperation an einer Veränderung zu arbeiten. 143