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Das Gewissen der Medizin

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Academic year: 2022

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Originalien Buchbesprechung

482 Ärzteblatt Sachsen 9 / 2006

Mundschleimhautveränderungen sind frühe Indikatoren für vielfältige allge- meinmedizinische Erkrankungen.

Insgesamt gesehen hat die Zahnmedizin heute und in der Zukunft aufgrund neues- ter wissenschaftlicher Erkenntnisse die große Chance und Pflicht zugleich, medi-

zinischer als je zuvor zu sein. Alle Zahn- kliniken in Deutschland sind integraler Bestandteil medizinischer Fakultäten. Der Wissenschaftsrat der Bundesrepublik Deutschland hat in seiner aktuellen Erklä- rung zur Zukunft der Zahnmedizin keinen Zweifel daran gelassen, dass es auch zukünftig so bleiben muss. Allerdings

fordert er in Forschung und Lehre eine deutlich engere Vernetzung der Zahn- medizin mit der allgemeinen Medizin, als es bisher üblich war.

Priv.-Doz. Dr. Olaf Bernhardt Prof. Dr. Georg Meyer Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Domplatz 11, 17487 Greifswald

Ärztliche Moral von der Antike bis heute Hrsg. Klaus Bergdolt:

384 Seiten mit 4 Abb. Verlag C.H.Beck, München.

29,90 Euro, ISBN 3406521924

Das Wissen in der Medizin hat sich in den vergangenen 2000 Jahren stürmisch ent- wickelt. Ob das aber auch für das Gewis- sen der Mediziner gilt, ist eine spannende Frage. Beim genauen Hinsehen ist es ver- blüffend, wie aktuell und modern die Themen sind, mit denen sich schon die Philosophen und Ärzte der Antike herum- schlugen.

Ein wohl ewiges Thema sind die Konkur- renz und das Geld. Im Rom der Kaiserzeit bestanden nebeneinander unterschied- lichste Schulen, die „Methodiker“, „Pneu- matiker“, „Empiriker“, „Dogmatiker“ und

„Eklektiker“ aller Schattierungen. Man hasste und attackierte sich, wo es ging und kämpfte verbissen um lukrative Pati- enten. Mitleid mit Armen hatte im anti- ken Medizingebäude keinen Platz. „Wo es kein Geld gibt, ist auch keine Kunst“, heißt es bei Aristophanes ganz lapidar. Da war es nahezu revolutionär, dass der römische Arzt Scribonius Largus im 1. Jh.

nach Christus die Forderung aufstellte, jedermann auf gleiche Weise zu behan-

deln. Aber wie? – Darüber gingen die Meinungen auseinander.

Neben fachlichen Leitlinien gab es immer auch moralische Anleitungen zum kor- rekten Verhalten des Arztes. „Über den Umgang des Arztes mit dem Kranken“

hieß eine weitverbreitete Schrift aus Ita- lien im 11. Jahrhundert. Dabei handelte es sich um eine Mischung aus hippokra- tischer Ethik, christlicher Moral und einer großen Prise Bauernschläue. Schmeiche- leien seien durchaus erlaubt, um sich den Patienten gewogen zu halten. Jede Erkran- kung solle der Arzt als schwer und gefähr- lich darstellen, „weil du dann, wenn der Kranke überlebt, höheren Verdienst und Ruhm erntest. Stirbt er dagegen, werden alle bezeugen, du hättest von Anfang an an seiner Gesundung gezweifelt.“

Sind Lüge und Betrug in der Heilkunst gestattet? Seit Alters her hielten es Ärzte für erlaubt und geboten, den Kranken über seinen wahren Zustand zu täuschen, da eine „heitere Grundstimmung“ für die Genesung wichtig sei. Skurriler waren schon die Therapien der „Hippokrati- schen Epidemien“: psychisch bedingte Ohrenerkrankungen wurden dadurch behandelt, dass der Arzt vorgab, einen Gegenstand aus dem Ohr gezogen zu haben. Um den Patienten zu täuschen,

warf er einen bereitgehaltenen Watte- bausch blitzschnell ins Feuer. Der böse Gegenstand verbrannte zischend und der Patient fühlte sich befreit.

Die Verantwortung des Arztes gegenüber seinen Patienten wurde zur Zeit der Pest auf eine schwere Probe gestellt. Manche setzten ihr Leben mutig aufs Spiel in der Sorge um die Kranken. Durch Anste- ckung kamen viele Ärzte zu Tode. Ein Patient, bei dem der Arzt einen Aderlass durchführte, berichtete: „Das Blut, das herauslief, spritzte ihm ins Gesicht. Und am gleichen Tag wurde er krank und starb am darauffolgenden. Ich selbst kam frei- lich durch Gottes Gnade davon“. Viele Ärzte freilich ließen ihre Patienten im Stich, hilflos dem Tod ausgeliefert, und brachten sich auf dem Land in vermeint- liche Sicherheit. Chalin de Vinario schrieb, als in Avignon die Pest ausgebro- chen war: „Wir Ärzte sind uns selbst die Nächsten. Keiner von uns ist von solchem Wahnsinn geblendet, dass er sich mehr um die Rettung der anderen als um die eigene kümmert.“

Vielleicht hatte Petrarca doch Recht, als er sagte: „Medizin hat mit Moral nichts gemein!“

Martin Glauert

Das Gewissen der Medizin

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