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Entscheidungen - Ablehnung des Antrags auf Erlass einer eA gegen Verhängung von Auflagen für geplante Versammlung in der Innenstadt von Karlsruhe - vorgesehene Auflagen bedeuten keinen schweren Nachteil iSv BVerfGG § 32 Abs 1

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Academic year: 2022

Aktie "Entscheidungen - Ablehnung des Antrags auf Erlass einer eA gegen Verhängung von Auflagen für geplante Versammlung in der Innenstadt von Karlsruhe - vorgesehene Auflagen bedeuten keinen schweren Nachteil iSv BVerfGG § 32 Abs 1"

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3 BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BVQ 35/05 -

In dem Verfahren über

den Antrag,

im Wege der einstweiligen Anordnung

unter teilweiser Aufhebung der Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs Baden- Württemberg vom 2. Dezember 2005 - 1 S 2387/05 - und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28. November 2005 - 3 K 2581/05 - sowie vom 29. November 2005 - 3 K 2743/05 - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstel- lers gegen die Verfügung der Stadt Karlsruhe - Amt für Bürgerservice und Sicher- heit - in der Weise wiederherzustellen, dass die für Sonnabend, 3. Dezember 2005 in Karlsruhe angemeldete Versammlung unter freiem Himmel mit Aufzug in der Zeit von 17.30 Uhr bis 21.30 Uhr stattfinden kann

Antragsteller: Herr W ...,

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier,

die Richterin Hohmann-Dennhardt und den Richter Hoffmann-Riem

gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93 d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 2. Dezember 2005 ein- stimmig beschlossen:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe:

Die Kammer hat die Begründung ihrer Entscheidung gemäß § 32 Abs. 5 Satz 2 BVerfGG nach Bekanntgabe des Tenors des Beschlusses schriftlich abgefasst.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betrifft die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen ein Versammlungsverbot, die das Verwaltungsgericht nur mit der Maßgabe vorgenommen hatte, dass bestimm- te Auflagen eingehalten werden.

I.

1. Der Antragsteller meldete im September 2005 für Samstag, den 3. Dezember 2005, zwei Versammlungen an. Die eine sollte in der Zeit von 12.30 Uhr bis 16.00 Uhr in Rastatt unter dem Thema "Rastatt stellt sich quer - keine Freiräume für linksex- treme Straftäter" stattfinden, die zweite war anschließend von 17.30 Uhr bis 21.30 Uhr in Karlsruhe unter dem Motto "Daniel Wretström, Sandro Weilkes, Pim Fortyn - kein Vergessen - kein Verzeihen!" geplant. Im Internet wurde auf der Seite

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8 www.rastatt-info.org unter der Überschrift "Doppelschlag im Wilden Süden" für eine

Teilnahme an beiden Demonstrationen geworben.

Für die Versammlung in Karlsruhe war ein Fackelmarsch durch die Innenstadt vor- gesehen, dessen Wegstrecke wie folgt skizziert war: "Auftaktkundgebung Bahnhofs- vorplatz, Umzug bis zum Europaplatz, dort Zwischenkundgebung, Rückweg durch die Innenstadt zum Bahnhofsvorplatz, dort Abschlusskundgebung und Auflösung".

2. Die jeweils zuständige Behörde verbot die Versammlungen in Rastatt und Karls- ruhe. Die hiergegen gerichteten Anträge des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Widersprüche hatten teilweise Erfolg:

a) Bezüglich der in Rastatt geplanten Versammlung stellte das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 29. November 2005 (6 K 2678/05) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs mit bestimmten Maßgaben wieder her, die auf die Be- schwerde der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens hin durch den Verwaltungs- gerichtshof weiter ausgebaut wurden.

b) Hinsichtlich der in Karlsruhe geplanten Versammlung stellte das Verwaltungsge- richt Karlsruhe mit Beschluss vom 28. November 2005 (3 K 2581/05) die aufschie- bende Wirkung des Widerspruchs mit der Maßgabe wieder her, dass bestimmte Auf- lagen einzuhalten seien. Das Gericht entschied, dass dem Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug des Versammlungsverbots verschont zu blei- ben, Vorrang gebührt, dass aber die Veranstaltung neben weiteren Auflagen in räum- licher Hinsicht auf den Bahnhofsvorplatz zu beschränken, in zeitlicher Hinsicht auf 14.00 Uhr vorzuverlegen und auf die Tageslichtzeit zu beschränken ist (Auflage Nr.

1), der Antragsteller als Versammlungsleiter ab 13.00 Uhr für die Polizei am Veran- staltungsort ansprechbar sein muss (Auflage Nr. 2 Abs. 2) und um 13.30 Uhr der Poli- zei die Ordner vorzustellen hat (Auflage Nr. 3 Abs. 5).

Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht unter anderem aus, zu Lasten des Antragstellers sei zu berücksichtigen, dass er die Versammlung nicht ordnungsge- mäß im Sinne des § 14 VersG angemeldet habe. Ein Veranstalter müsse bei der An- meldung bestimmte Grundmerkmale der Versammlung (Angaben zu Zielen und Ge- genstand der Veranstaltung, Ort, Zeitpunkt, Art) angeben. Die Versammlungsbehörde müsse sich anhand solcher Angaben in der versammlungs- rechtlichen Anmeldung zum einen ein Bild davon machen können, was für einen möglichst störungsfreien Verlauf der Veranstaltung an Verkehrsregelung und sonsti- gen Maßnahmen zu veranlassen sei. Sie müsse zum anderen erkennen können, welche Vorkehrungen im Interesse Dritter sowie im Gemeinschaftsinteresse erforder- lich seien und wie beides aufeinander abgestimmt werden könne. In der schriftlichen Anmeldung sei die Wegstrecke für den Demonstrationszug nur grob skizziert worden.

Damit sei der Ablauf der Demonstration, zumal angesichts des angegebenen Zeit- raums von vier Stunden, völlig unzureichend beschrieben gewesen. Der Antragsteller sei sich der unzureichenden Beschreibung auch bewusst gewesen, denn er habe mit der Anmeldung angekündigt, die genaue Wegstrecke baldmöglichst mitzuteilen. Dies

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12 sei jedoch unterblieben. Auch habe er nicht die ihm angebotene Möglichkeit eines

Kooperationsgesprächs wahrgenommen, bei dem er die von ihm intendierte Weg- strecke hätte konkretisieren können.

Der Antragsteller plane seine Versammlung am 3. Dezember 2005, dem Samstag vor dem 2. Advent, im Innenstadtbereich von Karlsruhe. Große Teile der Innenstadt, darunter auch der vom Antragsteller für seine Kundgebung ins Auge gefasste Euro- paplatz, seien bereits vom Weihnachtsmarkt belegt. Es sei in der Gegend gerade in den Abendstunden mit vielen Menschen zu rechnen, die ihre Weihnachtseinkäufe er- ledigen und den Weihnachtsmarkt besuchen wollten. Des weiteren seien mit Blick auf die von dem Antragsteller geplante Veranstaltung bereits Gegendemonstrationen an- gemeldet, und es sei damit zu rechnen, dass sowohl die vom Antragsteller angemel- dete Veranstaltung als auch die Gegendemonstrationen, selbst wenn sie von den Veranstaltern friedlich intendiert seien, auch gewaltbereite Störer anzögen. Im Innen- stadtbereich seien angesichts der Veranstaltung des Weihnachtsmarkts und des da- mit verbundenen Besucherandrangs jedenfalls in der Dunkelheit polizeiliche Maß- nahmen zum Schutz der Versammlungsteilnehmer und unbeteiligter Dritter erheblich erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Durch die räumliche Beschränkung auf den vom Antragsteller selbst für seine Demonstration ausgewählten Bahnhofs- vorplatz und - zusätzlich - eine zeitliche Verlagerung auf die Tageszeit ab 14.00 Uhr sei es der Ordnungsbehörde grundsätzlich möglich, einen störungsfreien Verlauf der Veranstaltung zu sichern.

Auf diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe regte der Antragsteller zunächst eine Abänderung des Beschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO an. Er wies darauf hin, dass die Demonstration in Rastatt um 12.30 Uhr beginnen solle. Wegen der gerichtlichen Auflagen müsse er aber bereits um 13.00 Uhr in Karlsruhe sein, um die Veranstaltung dort durchführen zu können. Damit würde ihm entweder die Mög- lichkeit genommen, die Demonstration in Rastatt durchzuführen oder die Demonstra- tion in Karlsruhe zu veranstalten. Eine Änderung des Beschlusses vom 28. Novem- ber 2005 lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 29. November 2005 (3 K 2739/05) ab.

Mit Verfügung vom 28. November 2005 hat die Stadt Karlsruhe die im Gerichtsbe- schluss vom selben Tag (3 K 2581/05) als Maßgabe aufgenommenen Auflagen im Wesentlichen wortgleich unter Anordnung des Sofortvollzugs angeordnet. Den An- trag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hinsichtlich der bereits im Beschluss genannten Auflagen lehnte das Verwaltungsgericht am 29. November 2005 ab (3 K 2743/05). Es fehle am Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antragsteller sich gegen Handlungs- und Unterlassungspflichten wende, die ihm bereits durch das Gericht auferlegt worden seien.

Die daraufhin vom Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 28. November 2005 erhobene Beschwerde richtete sich gegen die vom Verwal- tungsgericht hinsichtlich Zeitpunkt und Ort der Versammlung tenorierten Auflagen.

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16 Zur Begründung trug er unter anderem vor: Der vom Gericht erwähnte Umstand,

dass der Europlatz am 3. Dezember in den Abendstunden mit einem Weihnachts- markt belegt sei, dürfte zwar ein tatsächliches Hindernis für die Durchführung einer Zwischenkundgebung sein; indes sei dies kein Grund, ihm einen Umzug generell zu verwehren. Vielmehr sei die Antragsgegnerin verpflichtet gewesen, gegebenenfalls einen alternativen Platz für eine Zwischenkundgebung zu benennen. Dass Gegende- monstrationen geplant seien, könne ihm wegen des Erstanmelderprivilegs ohnehin nicht zum Nachteil gereichen. Soweit das Gericht darauf abstelle, dass in der Dunkel- heit polizeiliche Maßnahmen zum Schutz von Versammlungsteilehmern und unbetei- ligten Dritten erheblich erschwert, wenn nicht gar unmöglich seien, sei dieser Aspekt nicht geeignet, auch eine rein stationäre Versammlung auf die Tageslichtzeit zu be- schränken.

Die Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg am 2. De- zember 2005 zurück. Die an diesem Tag bekannt gegebene Entscheidung enthielt keine Gründe. Erst einige Tage später - nach Ablauf des geplanten Tags der Ver- sammlung - begründete der Verwaltungsgerichtshof seine Entscheidung.

3. Noch am 2. Dezember 2005 hat der Antragsteller beim Bundesverfassungsge- richt beantragt, unter teilweiser Aufhebung der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28. und 29. November (3 K 2581/05 und 3 K 2743/05) sowie unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 2. Dezember 2005 (1 S 2387/05) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs durch Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Weise wieder herzustellen, dass die Stadt Karlsruhe verpflichtet werde, die für den 3. Dezember 2005 angemeldete Versammlung unter freiem Himmel mit Aufzug in der Zeit von 17.30 Uhr bis 21.30 Uhr zuzulassen und dem Aufzug eine geeignete Wegstrecke zuzuweisen, beginnend und endend am Bahnhofsvorplatz. Zur Begründung verwies der Antragsteller auf die zeit- liche Kollision mit der in Rastatt geplanten Demonstration. Durch die Maßgabe, dass die Versammlung in Karlsruhe um 14.00 Uhr zu beginnen habe und nur während der Tageslichtzeit durchgeführt werden dürfe, sei es unmöglich, beide Veranstaltungen durchzuführen. Erschwerend komme hinzu, dass er, der Antragsteller, auf Grund der Auflagen bereits um 13.00 Uhr in Karlsruhe sein müsse. Überdies stelle es einen schweren Nachteil dar, dass die Versammlung auf eine rein stationäre Versammlung beschränkt bleibe, deren Wirkung geringer sei als die einer Demonstration mit Um- zug.

II.

Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist zur Abwehr schwerer Nach- teile für den Antragsteller nicht nach § 32 Abs. 1 BVerfGG geboten.

1. Der Antrag ist unzulässig, soweit der Antragsteller nicht in einer im Eilverfahren ausreichenden Weise dargelegt hat, dass die Auflage, die Versammlung zur Tages- lichtzeit durchzuführen, einen schweren Nachteil im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG

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21 Demonstrationsanliegen nicht auch zur Tageslichtzeit verfolgt werden kann. Auch

das Motto der Demonstration gibt keinen Hinweis darauf, warum das Anliegen nur in der Dunkelheit angemessen wahrgenommen werden kann.

2. Soweit eine mögliche Verfassungsbeschwerde zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag nicht unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre, prüft das Bundesverfassungsgericht, ob einstweiliger Rechtsschutz zur Abwehr eines schwe- ren Nachteils dringend geboten ist. Dafür muss es die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweiligen Anordnung Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwä- gen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 88, 185

<186>; stRspr).

a) Der Prüfung eines Antrags nach § 32 Abs. 1 BVerfGG legt das Bundesverfas- sungsgericht in aller Regel die Tatsachenfeststellungen und Tatsachenwürdigungen in den angegriffenen Entscheidung zu Grunde (vgl. hierzu etwa BVerfGE 34, 211

<216>; 36, 37 <40>; siehe auch BVerfGK 3, 97 <99>). Etwas anderes gilt, wenn die Tatsachenfeststellungen offensichtlich fehlsam sind oder die Tatsachenwürdigung unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechtsnorm offensichtlich nicht trägt (vgl. BVerfGK 3, 97 <99>). Davon ist vorliegend nicht auszugehen.

(1) Maßgeblich für die verfassungsgerichtliche Überprüfung im Eilverfahren sind die vom Verwaltungsgericht im Beschluss vom 28. November 2005 genannten Gründe auch im Hinblick auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs. Die am 2. Dezem- ber 2005 bekannt gegebene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs enthält kei- ne eigene Begründung. Damit ist bei der Entscheidung über den Antrag auf Erlass ei- ner einstweiligen Anordnung davon auszugehen, dass der Verwaltungsgerichtshof das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegrün- det zurückgewiesen hat (vgl. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Zwar fehlt der Hinweis dar- auf, dass das Rechtsmittelgericht die Auffassung der Vorinstanz teilt (vgl. Kopp/

Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 122 Rn 8); dies ist - sofern die Begründung der Vorinstanz nach oben genanntem Maßstab ausreichend ist - indes kein Gesichts- punkt, der im Rahmen der Folgenabwägung nach § 32 BVerfGG Bedeutung erlangt.

Will das Gericht seine Entscheidung in Fällen, in denen nach § 122 Abs. 2 VwGO ei- ne Begründung nicht obligatorisch ist, eigenständig begründen, muss dies, wenn die Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes beim Bundesverfassungsgericht abseh- bar ist, so frühzeitig geschehen, dass der Antragsteller die Gründe in seinen Antrag einbeziehen und das Bundesverfassungsgericht sie in seiner Entscheidung berück- sichtigen kann. In versammlungsrechtlichen Streitigkeiten ist effektiver Rechtsschutz häufig nur im Eilrechtsschutzverfahren zu erreichen (vgl. BVerfGE 69, 315 <341>).

Die Ausstrahlungswirkung des Art. 8 GG haben die Gerichte interpretationsleitend auch bei ihrer Entscheidung über Erfordernis und Zeitpunkt der Begründung zu be- rücksichtigen.

(2) Die Tatsachenfeststellungen und -würdigung des Verwaltungsgerichts sind nicht

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26 offensichtlich fehlsam.

Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die öffentliche Sicherheit bei Durchführung einer Versammlung im Zentrum der Innenstadt am Samstag vor dem 2. Advent, in dem die betroffenen Plätze und Stra- ßen erfahrungsgemäß dicht bevölkert und jedenfalls durch die Stände des Weih- nachtsmarkts besonders unübersichtlich sind, erheblich stärker gefährdet ist als bei Durchführung der Versammlung zur Tageslichtzeit in einer nicht durch den Weih- nachtsmarkt belegten Örtlichkeit.

Soweit das Verwaltungsgericht auf Risiken gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern der Demonstration des Antragstellers und der angemeldeten Gegendemonstrationen verweist, ist auch dies nicht offensichtlich fehlsam. Bei der Einschätzung, unter welchen Bedingungen die Polizei zum effektiven Schutz einer Versammlung sowie der an ihr nicht beteiligten Dritten in der Lage ist, sind absehbare Gefahrenquellen einzubeziehen. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht unter den angenommenen Umständen angesichts des in der Innenstadt zu erwartenden großen Personenandrangs und der durch den Weihnachtsmarkt bedingten Unübersichtlichkeit eine andernfalls nicht beherrschbare Gefahr gewalttätiger Zusammenstöße zwischen einzelnen Personen bejaht und zu sichern sucht, dass die Lage polizeilich beherrschbar bleibt. Insofern muss es darauf Rücksicht nehmen, unter welchen Voraussetzungen die verfügbaren polizeilichen Kräfte die Gefahrenabwehr effektiv durchführen können (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 26. März 2001, NJW 2001, S. 1411, 1412).

b) Es bedeutet keinen schweren Nachteil für den Antragsteller, dass das Verwal- tungsgericht dem Interesse am Schutz der öffentlichen Sicherheit durch die vorgese- henen Auflagen Vorrang vor dem Interesse des Antragstellers gegeben hat, den Auf- zug so wie beantragt oder auf einer anderen Wegstrecke durchzuführen.

(1) Insbesondere entsteht ein schwerer Nachteil im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG nicht daraus, dass die Veränderungen des Zeitpunkts der Demonstration zu einer zeitlichen Kollision mit der ebenfalls vom Antragsteller in Rastatt geplanten Ver- sammlung führt. Eine Folgenabwägung ergibt nicht, dass das Anliegen des Antrag- stellers, diese Kollision auszuschließen, stärker zu gewichten ist als der Auftrag der Polizei zum Schutz auch anderer betroffenen Rechtsgüter, die aus Anlass der De- monstration gefährdet sind.

Art. 8 GG gewährleistet das Recht, Versammlungen zu veranstalten und durchzu- führen. Das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über Gegenstand, Zeitpunkt und Ort der Versammlung ist beschränkt, soweit seine Ausübung zur Kollision mit Rechtsgütern anderer führt (vgl. BVerfGE 104, 92 <111 f.>; BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 26. März 2001, NJW 2001, S. 1411, 1413; BVerfGK 2, 1 <6>). In einem solchen Fall kann praktische Konkordanz beim Rechtsgüterschutz auch dadurch hergestellt werden, dass die Modalitäten der Versammlungsdurchfüh- rung durch Auflagen verändert werden. Der Umstand, dass der Antragsteller infolge

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30 der Auflagen nur entweder die eine oder die andere Versammlung durchführen kann,

ändert nichts an der vom Verwaltungsgericht angestellten Gefahrenprognose für die in Karlsruhe geplante Veranstaltung.

Dass der Veranstalter in zeitlicher Nähe auch anderorts eine Veranstaltung zu ei- nem anderen Thema durchführen will, ist Gegenstand seiner eigenen Entscheidung.

Dem Antragsteller hätten Möglichkeiten zur Verfügung gestanden, der entstandenen zeitlichen Kollision bei der Durchführung beider Veranstaltungen entgegen zu wirken.

Abgesehen davon, dass der enge Zeitplan - Beginn der Veranstaltung in Rastatt um 12.30 Uhr für die Dauer von vier Stunden und Beginn der Veranstaltung in Karlsruhe um 17.30 Uhr - bereits das Risiko von Schwierigkeiten bei der Durchführung in sich barg, hätte der Antragsteller - nachdem das Verwaltungsgericht einstweiligen Rechtsschutz nur für die Versammlung zur Tageslichtzeit gewährte - die Anmeldung bei der Stadt Rastatt dahingehend ändern können, dass die dortige Veranstaltung zu einem früheren Zeitpunkt stattfindet. Die Veranstaltungsmotti beider Versammlungen lassen nicht darauf schließen, dass das Abhalten der Veranstaltungen gerade an die- sem Tag sowie in Rastatt erst ab 12.30 Uhr zur Erfüllung der Anliegen des Antrag- stellers unabdingbar ist.

(2) Auch die Auflage, nach der die Veranstaltung nur ortsfest am Bahnhofsvorplatz durchgeführt werden darf, bedeutet keinen schweren Nachteil für den Antragsteller.

Dahinstehen kann dabei, ob das Verwaltungsgericht annehmen durfte, dass der An- tragsteller die Veranstaltung durch die bloße Benennung von Anfangs-, Wende- und Endpunkt der Wegstrecke nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 14 VersG angemel- det hat. Unstreitig führt die vom Antragsteller in groben Zügen angemeldete Wegstre- cke über den Weihnachtsmarkt am Europaplatz und es werden bei einem Zu- und Abgang zu diesem Platz unweigerlich weitere stark von Weihnachtseinkäufern fre- quentierte Straßen benutzt, einerlei welche Strecke konkret gewählt wird. Offensicht- lich will der Antragsteller auf diese Weise die durch die Weihnachtseinkäufe am Samstag vor dem 2. Advent geprägte Situation der Zusammenballung besonders vieler Personen und die bei einem Aufzug durch die Einkaufsgegend zu erwartenden Behinderungen der Besucher dieser Straßen und Plätze als Mittel zur Steigerung der Aufmerksamkeit für sein Demonstrationsanliegen nutzen. Dieses hat allerdings kei- nen thematischen Bezug zu Weihnachten oder dem zu Weihnachten üblichen Kon- sumverhalten. Der Antragsteller hat die für den Aufzug vorgesehene Örtlichkeit nicht aus inhaltlichen Gründen seines Demonstrationsanliegens gewählt, so dass durch ei- nen Wechsel des Ortes insoweit kein schwerer Nachteil entstehen kann.

Seine Absicht, die Wirkung der Versammlung zu steigern, will er auf eine Weise si- chern, die unweigerlich zu Beeinträchtigungen der ebenfalls grundrechtlich, insbe- sondere durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Entfaltungsmöglich- keiten der Passanten sowie der Inhaber der Läden und Buden führt. Die Verwaltungsbehörde und die Gerichte haben auch diese Grundrechte in ihre Folge- nabwägung einzubeziehen und nach Wegen zu suchen, um die Beeinträchtigung für

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32 alle Betroffenen möglichst gering zu halten. Ein geeignetes Mittel kann die Verlegung

der Versammlung in örtlicher Hinsicht und unter besonderen Umständen auch ihre Begrenzung auf eine stationäre Veranstaltung sein. Ob diese besonderen Umstände hier einen Aufzug ausschlossen oder dem Antragsteller - wie er meint - eine andere Wegstrecke hätte zugewiesen werden müssen, müsste gegebenenfalls im Haupt- sacheverfahren geklärt werden. Einen schweren Nachteil bedeutet die vom Verwal- tungsgericht vorgesehene Auflage jedenfalls nicht. Es ist vom Antragsteller nicht dargetan, dass bei Zuweisung einer anderen, nicht durch die Innenstadt führenden Wegstrecke eine so erhebliche Steigerung der Wirkungsmöglichkeiten der Versamm- lung hätte erreicht werden können, dass die im Interesse des Rechtsgüterschutzes anderer vorgenommene Begrenzung auf eine ortsfeste Versammlung an dem eben- falls belebten Bahnhofsvorplatz einen schweren Nachteil darstellt.

3. Über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 29. November 2005, die der zweiten Verfügung der Ord- nungsbehörde vom 28. November 2005 gilt, ist nicht zu entscheiden. Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof durch seinen - vom Antragsteller nicht vorgelegten - Be- schluss vom 2. Dezember 2005 (1 S 2389/05) die aufschiebende Wirkung des Wider- spruchs wieder hergestellt. Die erst später erfolgte Begründung ergibt, dass damit für den Antragsteller allerdings nicht die Möglichkeit eröffnet wurde, die Versammlung ohne Auflagen durchzuführen. Vielmehr führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass es der Verwaltungsbehörde nicht gestattet gewesen sei, die gerichtlichen Auflagen - erneut - in Form eines belastenden und selbständig anfechtbaren Verwaltungsakts zu erlassen. Ob dies zutreffend ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Jedenfalls ist mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die zweite Verfügung der Ordnungsbehörde ein Rechtsschutzbedürfnis für verfas- sungsgerichtlichen Eilrechtsschutz gegen den zu Grunde liegenden Beschluss des Verwaltungsgerichts entfallen.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen.

Papier Hohmann-

Dennhardt Hoffmann-Riem

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Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 2. De- zember 2005 - 1 BvQ 35/05

Zitiervorschlag BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 2. Dezem- ber 2005 - 1 BvQ 35/05 - Rn. (1 - 32), http://www.bverfg.de/e/

qk20051202_1bvq003505.html

ECLI ECLI:DE:BVerfG:2005:qk20051202.1bvq003505

Referenzen

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