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August standen die deutschen Truppen bereits an der Marne

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Alte und Neue Welt im Leben eines Orientalisten

Von Josef van Ess, Tübingen

Am S.April 2003 verstarb Franz Rosenthal, Semitist und Islamkund¬

ler, Ehrenmitglied der Deutschen Morgeniändischen Gesellschaft und

Emeritus der Yale University in New Haven, Connecticut. Er stand im

89. Lebensjahr; geboren wurde er in Berlin, am 3L August 1914, „zu Be¬

ginn des Ersten Weltkrieges", wie er ab und zu sagte. Man mußte dies cum

grano salis verstehen; am 31. August standen die deutschen Truppen bereits

an der Marne. Aber was er ausdrücken wollte, war ohnehin wohl etwas

anderes: daß nämlich die Welt, der er entstammte, mit dem Beginn dieses

europäischen Bürgerkrieges, der im Grunde bis 1945 währte, untergegan¬

gen, zur „Welt von gestern" geworden war. Zwar verlief seine Schulzeit noch

ungestört; er machte 1932 am Berliner Fichtegymnasium das Abitur. Aber

als er 1935 mit 21 Jahren promovierte, waren seine Aussichten auf eine Uni¬

versitätslaufbahn in Deutschland bereits dahin; er kam aus einem jüdischen

Elternhaus. Für ein Jahr wirkte er an einer Privatschule in der Nähe von

Florenz; dann fand er 1937-1938 eine Anstellung als Dozent für semitische

Sprachen an der Berliner Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums.

Von daher kannte er Leo Baeck; er hat 1938 einen Artikel zu dessen Fest¬

schrift beigetragen.' Ansonsten aber veröffentlichte er seine ersten Arbeiten

(abgesehen von der Dissertation^) in den orientalistischen Fachorganen des

Vatikans, in Orientalia und den daran angegliederten Analecta Orientalia.

Die ZDMG war ihm längst verschlossen; der Kontakt zum Vatikan dage¬

gen war vermutlich durch Giorgio Levi Della Vida hergestellt worden,

den Semitisten der Universität Rom, der bereits i.J. 1932 seinen Lehrstuhl

verloren und als Bearbeiter der vatikanischen Handschriften ein geringes

' „Zur Frage der Bildung des arabischen Elativs." In: Festschrift für Leo Baeck. Berlin 1938, S. 175-181. - Ich zitiere im folgenden verkürzt nach dem „Verzeichnis der Schriften von Franz Rosenthal", das G. Endress und O. Overwien im Vorspann zu der Festschrift in Oriens 36 (2001) zusammengestellt haben (S. xiii-xxxiv).

^ „Verzeichnis", Nr. 1: Die Sprache der palmyrenischen Inschriften und ihre Stellung innerhalb des Aramäischen. Leipzig 1936.

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Auskommen gefunden hatte.^ Rosenthal hatte in demselben Jahr, in dem

er in Florenz arbeitete, auch am Internationalen Orientalistenkongreß in

Rom teilgenommen, an dem noch einmal (September 1935) die Einigkeit

der gelehrten Welt unter europäischem Vorzeichen beschworen wurde; die

DMG hat damals bekanntlich ihren Vorschlag zur Vereinheitlichung der

wissenschaftlichen Umschrift vorgetragen, der dann nie über Deutschland

hinaus Früchte trug.''

Bei gleicher Gelegenheit lobte die Lidzbarski-Stiftung eine Preisarbeit

aus: „Die Erweiterung unserer Kenntnisse der aramäischen Dialekte seit

Theodor Nöldekes Veröffentlichungen", ein Thema, wie es deutscher nicht

sein konnte. Rosenthal reichte im April 1938, wohl als einziger Bewerber,

dazu ein Manuskript ein, und im selben Jahr wurde ihm auf dem Orienta¬

listenkongreß in Brüssel, der schon bei weitem nicht mehr so international

war wie der in Rom, der Preis zugesprochen. Dieser wurde damit zum zwei¬

tenmal vergeben; in Rom hatte ihn seinerzeit Nikolaus Rhodokanakis

(1876-1945) erhalten. Die Preisschrift erschien als Buch unter leicht verän¬

dertem Titel 1939 bei Brill in Leiden; jahrzehntelang haben Studenten der

Semitistik sich daran in ihr Fach eingearbeitet. Aber das Preisgeld von 5 000

Goldmark, das der Autor gut hätte brauchen können, wurde ihm vom deut¬

schen Staat nicht ausgezahlt. Rosenthal hatte im übrigen Deutschland be¬

reits verlassen, sehr spät, im Dezember 1938, unter dem Eindruck des kurz

zuvor inszenierten Pogroms. Die Lidzbarski-Medaille erhielt er nach dem

Krieg, i.J. 1953; aber das Stiftungsvermögen war eingezogen und z.T. für

andere Zwecke verwendet worden (auch Lidzbarski war Jude gewesen).^

Es ist trotz mehrfacher Demarchen der DMG nie wieder restituiert worden;

1967 wurde die Stiftung vom Lande Berlin offiziell aufgelöst.*

Rosenthal emigrierte ohne größere persönliche Gefährdung; in den

USA langte er bereits im Februar 1940 an, noch vor Einsetzen des U-Boot-

' Er war einer der elf Professoren gewesen, die sicli 1931 geweigert hatten, den Eid auf die faschistische Regierung abzulegen; dazu näher G. Levi Della Vida („II collega Gentile." In: Fantasmi ritrovati. Rom 1966, S. 21 Iff.) und F. Gabrieli (Araheschi e studi islamici. Neapel 1973, S. 285ff.).

^ ZDMG 89 (1935), S. 8''-f.

^ Vgl. seine Autobiographie Auf rauhem Wege, fugenderinnerungen eines deutschen Professors (Gießen 1927).

' Näheres dazu jetzt bei L. Hanisch: „Nachwuchsförderung im Zeichen der Cho¬

lera. Zur Geschichte der Lidzbarski-Stiftung." In: Sprachen, Mythen, Mythizismen.

Festschrift Walter Beltz zum 65. Geburtstag. Halle (Saale) 2004 (Hallesche Beiträge zur Orientwissenschaft. 32), S. 326ff. Nach der Intention des Stifters waren die Medaille und das Preisgeld eigentlich voneinander zu trennen; letzteres sollte der Förderung junger Wissenschaftler dienen.

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und Bombenkrieges. Er hatte nicht, wie so viele andere vor ihm, den Weg

über Frankreich genommen, sondern über Schweden. Jüdische Flüchtlings¬

organisationen hatten ihm geholfen; sein älterer Bruder war für sie in Hol¬

land tätig. Gewählt aber hatte er diese Route, weil zwei ältere schwedische

Kollegen aus der Religionswissenschaft und Orientalistik, H.S. Nyberg

und Tor Andrae, ihm eine Einladung hatten zukommen lassen und sich

um den weiteren Fluchtweg kümmerten. Zum Jahresbeginn 1939 mahnte er

von Uppsala aus noch einmal das Preisgeld an; aber schon im April des glei¬

chen Jahres reiste er weiter nach England. Die USA erreichte er mit einem

preference visa; das Hebrew Union College in Cineinnati, Ohio, hielt eine

Stelle für ihn bereit. Er hatte damit Glück in allem Unglück; manche an¬

dere akademische Emigranten wurden nicht unbedingt mit offenen Armen

empfangen, vor allem wenn sie auf einem Gebiete forschten, das in den USA

noch kein Ansehen besaß.^ Ihm kam sein Aramäisch zugute, das für die Ju¬

daistik unerläßlich war; außerdem befand sich unter den vier Preisrichtern,

die für die Lidzbarski-Stiftung amteten, neben drei Europäern nach den

Bestimmungen auch ein Nordamerikaner. Rosenthal war jetzt Associate

Professor für semitische Sprachen. Das war eine Anfängerstelle, vergleichbar

einer außerplanmäßigen Professur damals in Deutschland. Ohio lag etwas

weit ab vom Schuß; auch das Gehalt war kaum der Rede wert. Aber er war

ja auch erst 26, und zudem in Sicherheit. 1943-1945 arbeitete er, mittlerweile

als nordamerikanischer Staatsbürger anerkannt und bald darauf eingezogen,

als Übersetzer für das Office of Strategie Services, 1945-1946 ebenso für

das Department of State. 1946 erhielt er dann eines der damals noch seltenen

Stipendien der Guggenheim Foundation. Das gab ihm nicht nur Zeit zur

Forschung, sondern auch jene Bewegungsfreiheit, die er zu seiner Arbeit in

den besseren Bibliotheken des Kontinents brauchte. Zum erstenmal reiste er

auch in den Orient.

1948 gelang ihm der Sprung an die Ostküste. Er wurde Professor für

Arabisch an der University of Pennsylvania in Philadelphia, als Nachfolger

von Levi Della Vida, der, damals schon über 60, nach Rom zurückgekehrt

war. Lukrativ war auch diese Stelle nicht; selbst an einer Staatsuniversität

mußte das Gehalt mit dem Dekan ausgehandelt werden, und Arabisch

stand nicht hoch in der Gunst der administrators. Das änderte sich erst, als

man 1971, mehr als zwanzig Jahre später also und nach dem 67er Krieg, G.

Makdisi aus Harvard nach Philadelphia holte; noch Rosenthals unmittel¬

barer Nachfolger S.D. Goitein, der 1957 aus Israel herübergekommen war,

^ Vgl. etwa den Nachruf auf den Ideenhistoriker und Renaissance-Forscher Paul

Oskar Kristeller (1905-1999) im Jahrbuch der Heidelberger Akademie der Wissen¬

schaften für 1999, S. 164-170 (Arno Borst).

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wurde, wie er später gerne erzählte, an der University of Pennsylvania recht

kurz gehalten.* Rosenthal dagegen erreichte, als er 1956 mit 42 Jahren von

dort an die Yale University wegberufen wurde, das Ziel seiner Laufbahn; er

wurde Nachfolger von Julian Obermann, der sich vor langer Zeit einmal

in Hamburg habilitiert hatte, aber bereits 1923 in die USA übergesiedelt war.

Dessen Lehrstuhl, den Louis M. Rabinowitz Chair for Semitic Languages,

vertauschte er allerdings 1967 mit der renommierten Sterling Professorship

for Near Eastern Languages, auf der ihm später der Titel eines Distin¬

guished Professor zuerkannt wurde. Die „endowed chairs" unterschieden

sich durch die Höhe des Stiftungsvermögens, mit dem ihr Namenspatron sie

ausgestattet hatte; danach bemaß sich auch der Spielraum für Beförderungen

am Ort. Die Sterling Professorship wurde frei mit der Emeritierung von

Albrecht Goetze, dem „Hethiter-Goetze" (1897-1971), der Deutschland

1933 im Protest verlassen hatte, ohne selber Jude zu sein, und auch nach dem

Krieg eine Berufung auf seinen alten Lehrstuhl in Marburg mit Verachtung

ablehnte.' Wenn Rosenthal also jetzt „Near Eastern Languages" unter¬

richtete statt „Semitic Languages" oder gar bloß „Arabisch" wie in Phila¬

delphia, so besagte dies noch lange nichts über die Einrichtung eines Faches

Islamkunde. „Islamic Studies" verband man normalerweise allein mit der

Religion; in diesem Sinne fand die Disziplin später in Yale denn auch ihren

Platz im Department of Religions. Rosenthal dagegen vertrat zeit seines

Lebens eine Islamkunde, die aus der Semitistik hervorging und sich in jener

Weise mit ihr verband, wie das bis in die 70er Jahre ebenso bei den orienta¬

listisehen Lehrstühlen an den alten deutschen Universitäten (zumindest in

ihrer Benennung) zum Ausdruck kam. Die Basis seiner Forschung war, in

welcher Form auch immer, die Philologie. Yale legte auf diese Ausrichtung

Wert; die Universitätsbibliothek, Prunkstück des Campus und im Stil einer

gotischen Kathedrale errichtet, zeigt auf ihrem massigen Portal in aufwen¬

diger Steinmetzarbeit die Schriftzeichen aller Sprachen, die es im Orient ge¬

geben hatte oder noch gab. Erst heute wirkt das etwas aus der Zeit gefallen.

' „We have cheated you, Goitein", sagte der Dekan zu ihm bei seiner Verabschiedung.

Ähnhches gilt übrigens für Goiteins späteres Wirken am Institute for Advanced Study

in Prineeton; auch dort erhielt er bis kurz vor seinem Tode (1985) nur ein Gratial, das Jahr für Jahr neu beschafft und genehmigt werden mußte. Erst 1983 wurde Goitein jenes

MacArthur-Stipendium „auf Lebenszeit" zugesprochen, das ihm Sicherheit im Alter gab.

Kritik übte er daran nicht; er fand Gehälter ohnehin zu hoch.

' Vgl. B.R. Foster in: American National Biography IX, S. 166L Rosenthals Helfer H. S. Nyberg, der die Entwicklung seit 1933 mit Sorge beobachtete, notierte, daß Goetze wegen „politischer Unzuverlässigkeit" aus dem Dienst der Preußischen Akademie der Wissenschaften entlassen wurde; vgl. S. Kahle: H. S. Nyberg. En vetenskapmans biografi.

Stockholm 1991, S.216.

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Für sich selber hatte Rosenthal den Schritt zur Islamkunde längst voll¬

zogen. 1943 hatte er mit Richard Walzer, den er von Berlin her kannte und

der in Oxford Zuflucht gefunden hatte, Färäbis Schrift über die Philosophie

Piatos herausgegeben, als Band 2 des Plato Arabus in dem von R. Klibansky

betreuten Corpus Platonicum Medii Aevi - mit (wie sich das gehörte) latei¬

nischer Ubersetzung und Einleitung. 1947 hatte er (wenn wir nur bei den

Monographien bleiben) The Technique and Approach of Muslim Scholarship

herausgebracht,'" 1952 seine History of Muslim Historiography, 1956 Humor

in Early Islam, und kurz nachdem er in New Haven heimisch geworden war

(er wohnte immer außerhalb, in Hamden), erschien 1958 seine dreibändige

Ubersetzung von Ibn Haldün's Muqaddima^^ . Hier allerdings kam es zu

einem damals in den USA weit beachteten Eclat. Rosenthals Werk, heute

ein Klassiker und bis zu der kürzlich erschienenen französischen Uberset¬

zung von Abdesselam Cheddadi'^ gänzlich ohne Konkurrenz, wurde in

der Zeitschrift der Medieval Academy of America'^ von H.A.R. Gibb mit

einer selbst für damalige Verhältnisse unerhörten Schärfe kritisiert. Das

Buch sei, so hieß es dort, „shipwrecked" wegen seines inadäquaten engli¬

schen Ausdrucks, wegen der „monotonous diction in which a subordinate

clause is almost a crime". Ibn Haldün's elegantem und differenziertem ara¬

bischen Stil sei Rosenthal in keiner Weise gerecht geworden. Obgleich

„einer der schärfsten und originellsten Köpfe in der heutigen Arabistik",

fehle es ihm doch zu einem solchen Unternehmen an einem einzigen, „nur

diesem, dafür aber um so wesentlicheren Talent".

Rosenthal hatte sich vielleicht nur der in den USA üblichen unver¬

schnörkelten Ausdrucksweise angepaßt; denn noch Enno Littmann hatte

in seiner im übrigen sehr positiven Rezension der (deutsch geschriebenen)

Aramaistischen Forschung^'' ganz anders reagiert und den „eingeschachtel¬

ten Satzbau" moniert. Aber Gibb traf zweifellos die schwache Stelle vieler

deutscher Emigranten. In den Geisteswissenschaften war es nicht nur wich¬

tig, Fakten bzw. Erkenntnisse mitzuteilen, sondern auch das sprachliche

Medium vollendet zu handhaben, vor allem natürlich bei Ubersetzungen.

Gibb selber, Engländer (oder genauer: Schotte) und Inhaber des Laudian

'° „Verzeichnis", Nr. 5. Wieder in Analecta Orientalia, aber jetzt offenbar mit einem

amerikanischen Druckkostenzuschuß; die Finanzlage in Rom war nach dem Krieg wohl

auch beim Vatikan etwas prekär.

" Sie war das „Projekt" gewesen, für das er das Guggenheim-Stipendium erhalten hatte; der Druck wurde finanziert von der Bollingen Foundation.

In der Bibliotheque de la Pleiade; Paris 2002.

" Speculum 35 (1960), S. 139-142.

Auch diesmal nicht in ZDMG, sondern in Orientalia, dort 10 (1941), S. 397ff.

(6)

Chair an der Universität Oxford, hatte, für jedermann überraschend, 1955

einen Ruf an die Harvard University angenommen.'^ Damit brachte sich für

kurze Zeit eine andere Komponente des Ahen Europa in der nordamerika¬

nischen Orientahstik zur Gehung, an einer akademischen Institution, die

zwar reich und renommiert, aber für das Arabische und die Erforschung

des Islams bisher nicht von Bedeutung gewesen war.'* Arabisch trieb man

in Prineeton, bei Philip Hitti.''' Dort waren auch die ersten einheimischen

Kräfte ausgebildet worden, z.T. in Schnellkursen, als man nach der deut¬

schen Kriegserklärung im Dezember 1941 Fachleute für den Vorderen Ori¬

ent brauchte: George Makdisi z.B. oder der Soziologe Morroe Berger.

Sie wurden dann allerdings nicht etwa in Nordafrika, sondern erst 1944 in

der Frühphase der Invasion (V-Day-i- 1) eingesetzt.

Nun hatte es in Yale zumindest Charles Cutler Torrey (1863-1956)

gegeben, der ebenso wie Jewett noch bei Nöldeke studiert und über den

Koran gearbeitet hatte;'^ er war, als Sohn eines Reverend, gleichzeitig ein

produktiver Hebraist und Aramaist (in unserem Sprachgebrauch: ein Alt¬

testamentler) gewesen und nahm insofern Rosenthals Profil in gewisser

Hinsicht voraus." Der Lehrstuhl bestand seit 1841 und war damit der älteste

in den USA überhaupt, wenngleich anfangs noch für Arabisch in Einheit

mit Sanskrit. Zu einer institutionellen Blüte der Islamstudien kam es freilich,

trotz Gibb und Rosenthal, erst einmal weniger an der Ostküste als tief

•5 Vgl. den Nachruf in: JAOS 93 (1973), S. 429ff. (G. Makdisi); ausführlich auch A.

Hourani in: Proc. British Academy 59 (1972), S. 1-31.

So jedenfalls Makdisi 1973. Man muß allerdings berücksichtigen, daß bereits um die Wende zum vergangenen Jahrhundert J.R. Jewett (1862-1943) in Harvard unterrichtete,

ein Missionar von der Art, wie man sie auch in der Sinologie der damaligen Zeit antrifft;

er hatte bei Nöldeke seinen Doktorgrad erworben und später einiges publiziert. Einer

der jetzigen Lehrstühle ist nach ihm benannt. Unter den jüngeren Leuten machte D.C.

Dennett (1910-1947) von sich reden, mit einem Buch über die Steuerpolitik der Umai¬

yaden, das er nach seiner Dissertation publiziert hatte; aber er kam bei einem Zugunglück im Vorderen Orient ums Leben. Die herausragende Figur in der Orientalistik im weiteren

Sinne war lange Zeit der universal gebildete Judaist Harry Austryn Wolfson (1887-

1974); er stammte aus Litauen und war 1903 in die USA gekommen.

Vgl. dessen kurze Notiz „Arabic and Islamic Studies in Prineeton University" in:

MW 31 (1941), S. 292-294.

Vgl. seine Straßburger Dissertation von 1892: The Commercial-Theological Terms in the Koran und später sein Buch The Jewish Foundation of Islam (New York 1933, ^1967), mit dem J. Fück sich in seinem richtungweisenden, wenngleich außerhalb Deutschlands kaum beachteteten Artikel „Die Originalität des arabischen Propheten" in: ZDMG 90 (1936), S. 509ff., auseinandersetzte.

" Vgl. Foster in: ANB XXI, S. 756f. Die zweite Auflage von Jewish Foundation

(New York 1967) erschien mit einer langen, sehr abgewogenen Einleitung von Rosen¬

thal (S. v-xxv).

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unten im Westen, an der University of California in Los Angeles, wo G.E.

VON Grunebaum, den es aus Osterreich nach Chicago verschlagen und der

sich dort unter dem Ubergewicht der Altorientalisten etwas beengt gefühlt

hatte, seit 1957 mit für damalige Verhältnisse ungewöhnlich großzügiger

finanzieller Förderung die Islamwissenschaften verselbständigte und vor

allem auch die Moderne hoffähig machen konnte. Er schuf zudem 1967 die

einzige Ehrung, die das Fach bis heute auf internationaler Ebene zu verge¬

ben hat: die Levi Deila Vida-Medaille, vergleichbar der Lidzbarski-Medaille

in der Semitistik; Rosenthal erhielt sie auf die Dauer ebenso wie Goitein

oder, postum, von Grunebaum selber, im Verbund mit zahlreichen Euro¬

päern. Aber das großzügige Experiment stieß bald an seine Grenzen, nicht

durch VON Grunebaums frühzeitigen Tod, sondern durch die Steuerpolitik

des Gouverneurs Ronald Reagan, die berüchtigte „proposition 13". UCLA

war eine Staatsuniversität. Yale hielt sich, als private Einrichtung, mit seiner

Ein-Mann-Show auf lange Sicht besser.

Rosenthal verstand sich als Schüler von Hans-Heinrich Schaeder

(1896-1957); ihm dankt er im Vorwort zu seiner Dissertation. Gewiß hat er

auch bei Eugen Mittwoch (1876-1942) gehört, dem Berliner Semitisten;

dieser war zwar seit 1933 nicht mehr Seminardirektor, hat aber bis 1935

noch unterrichtet. Jedoch lagen Mittwochs Interessen vor allem auf dem

Gebiet des Äthiopischen; Schaeder hingegen stand als Iranist dem Ara¬

mäischen nahe. Zudem hatte Schaeder seine Berliner Professur gerade erst

angetreten, als Rosenthal mit dem Studium begann; seine Jugend verlieh

ihm besondere Ausstrahlungskraft. Was Rosenthal an Ihm beeindruckte,

war die Weite des Blicks und die Hochschätzung der Antike. Er studierte

im Nebenfach Klassische Philologie; diese Disziplin war In Berlin mit Wer¬

ner Jaeger und anderen hochrangig besetzt und besaß ein Prestige, das In

den Geisteswissenschaften sonst nicht erreicht wurde. Zeit seines Lebens

begleitete Ihn das Interesse an der Rezeption des griechischen Erbes Im

Islam. Aber anders als Richard Walzer (1900-1975), der bei Jaeger pro¬

movierte und sich 1932 In Berlin auch noch habilitieren konnte, beschränkte

er sich nicht auf die Philosophie, sondern ging den Spuren der Antike bis

In die entlegensten Winkel nach: In der Medizin, In den Natur- und Ge¬

heimwissenschaften, In der Geographie und sogar In der Musiktheorie.^°

Die zahlreichen Studien, die er diesem Themenbereich widmete, schlugen

sich dann nieder In dem Buch Das Fortleben der Antike im Islam, einer

überaus nützlichen und angenehm lesbaren Anthologie von Ubersetzungen

^° Oder eher: der Phonetik („Two Graeco-Arabic Works on Music." In: Proc. Amer.

Pbilos. Society 110 [1966], S. 261fr.); vgl. das Schriftenverzeichnis, Nr. 76.

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arabischer Texte, die zuerst auf deutsch erschien^' und zehn Jahre später auf enghsch herauskam.^^

Aber deutsch schrieb Rosenthal sonst kaum noch, nicht einmal auf

dem andern Gebiet, das er aus Berlin mitgebracht hatte: der Aramaistik.

Das war kein Zeichen persönlicher Abneigung; er hat Schaeder und der

Berliner Universität der frühen dreißiger Jahre auch später seine Achtung

nicht versagt.-^^ Schaeder hatte ihm seinerzeit den Weg nach Schweden

geebnet, indem er sich bei Nyberg für ihn verwandte.^'^ Aber Rosenthal

fühlte sich jetzt seiner neuen fJeimat verpflichtet, und er war sich darüber

im klaren, daß er auf deutsch in den USA nicht gelesen werden würde. In

der bei Harrassowitz erscheinenden Porta Linguarum Orientalium ver¬

öffentlichte er 1961 eine Grammar of Biblical Aramaie, die durch mehrere

Auflagen ging und sogar ins Französische übersetzt wurde,^^ und wenige

Jahre später (1967) gab er ebenda ein Aramaie Handbook heraus, zu dem er

selber das Kapitel über die Achämenidenzeit beisteuerte.^* In den auch unter

deutschen Alttestamentlern beliebten Ancient Near Eastern Texts von J.B.

Pritchard übernahm er seit der zweiten Auflage (1955) den Abschnitt über

die kanaanäischen und aramäischen Inschriften,^'' und schließlich ergänzte

er in einem kurzen Aufsatz seine Aramaistische Forschung seit Nöldeke?^

Aber auch der Wechsel des sprachlichen Registers konnte nicht verhin¬

dern, daß das Gebiet in den USA Staub ansetzte. Das Wort philology hatte

mittlerweile einen stark herabsetzenden Beiklang erhalten; nur alte Her¬

ren wie Torrey oder Jewett, die an den ivy league universities ihr Leben

verbrachten, hatten, wie man meinte, an so etwas Gefallen finden können.

Jene kamen, wie sich nicht übersehen ließ, aus theologischer Tradition; das

gehörte nun in die Divinity Schools. Das Aramäische aber wurde mehr und

mehr eine Domäne der stark expandierenden Judaistik. Rosenthal mußte

sich erneut entscheiden. In seinen frühen Jahren hatte er im Hebrew Union

College Annual einiges Judaistische veröffentlicht;^' aber später kehrte er

^' In der von G. E. von Grunebaum herausgegebenen „Bibhothek des Morgenlandes"

(Zürich 1965).

Übersetzt von E. und J. Marmorstein; London 1975/^1994 (vgl. „Verzeichnis", Nr. 11).

Vgl. die z.T. von Bewunderung getragenen Äußerungen in dem Vortrag, den er 1980 anläßlich des XXI. Deutschen Orientalistentages in Berlin gehalten hat (Nr. 110), dort S. lOf.

Kahle 1991 (oben Anm. 9), S. 216. Schaeder stand damals noch in engem Kontakt

zu Nyberg, bevor es wegen seiner Haltung zu dem deutschen Regime zu einer Entfremdung kam. Er hatte im Frühjahr 1938 in Uppsala die Olaus-Petri-Vorlesungen gehalten (ib. 285).

" Nr. 10.

Vgl. Nr. 12 und 78.

27 Nr. 52.

2* „Aramaie studies during the last thirty years"; Nr. 97.

(9)

nur in Festschriftbeiträgen, wo es einen Judaistischen Kollegen zu ehren galt,

zu diesem Gebiet zurück.'" Beim Aramäischen äußerte er sich gelegentlich

noch zu epigraphischen Fragen;^' auch Uberblicke, wie sie in Enzyklopä¬

dien gefordert wurden, gelangen ihm weiterhin gut.'^ Und natürlich schrieb

er Rezensionen, quer über den ganzen Bereich der Semitistik. Aber Studen¬

ten waren nur noch mit der Islamkunde zu gewinnen.

Freilich war die „philology" auch auf diesem Gebiet nicht mehr chic.

Zweimal noch ging er lexikalischen Problemen im Koran nach, wie dies die

europäischen „Orientalisten" getan hatten: der Bedeutung der Wörter samad

(in Sure 112/1) und nastabiqu (in Sure 12/17);" J. Bellamy, der bereits in

Philadelphia sein Schüler gewesen war, übernahm dieses Interesse von ihm.

Die Zukunft aber lag, so schien es, bei der Soziologie. Nur war diese da¬

mals noch nicht zureichend definiert. Rosenthal verstand sie ebenso wie

VON Grunebaum, der sich viel offener an die Spitze des Trends setzte,^'' im

europäischen Sinne als eine Art universaler Kulturgeschichte. Für die Islam¬

kunde bedeutete dies, daß man nicht tätig werden konnte, ohne diese Kultur

erschlossen, also extensiv Quellen gelesen zu haben; so kam die Philologie

unbemerkt wieder zu ihrem Recht. Der Wechsel der Perspektive äußerte sich

weniger in der Methode als in der Wahl der Themen. Von Grunebaum ging

holistisch vor; sein Medieval Islam (zuerst Chicago 1946) konnte sich im

Universitätsbetrieb als text-book etablieren und so die damals noch schwer

zu nehmende Hürde zum Taschenbuch überspringen. Rosenthal dagegen

blieb bei charakteristischen Ausschnitten; er schrieb über GlücksspieP^

und Drogen'*, über Bestechung''' und Werbesprüche („blurbs")'*, über

Kinderpsychologie" und Selbstmord''", über Klage und Hoffnung'", über

2'* Nr. 29, 37 und 40.

Nr. 103 und 106.

3' Nr. 62, 67, 78, 99.

" Nr. 134 und 139.

" Nr. 50 und 107; beide Male wieder in Festschriften.

Und sich dafür Kritik an seinem komplizierten Stil einhandelte, die, im Gegensatz zu Gibbs Kritik an Rosenthal, bis heute ein Topos geblieben ist; vgl. jüngst P.M. Cobb in: JAOS 122 (2002), S. 639, wo „the Von Grunebaumbast of earlier styles of translation"

einem „intelligent twenty-first-century English" gegenübergestellt wird (was man als Deutscher nur versteht, wenn man den Namen „von Grünebaum" als „von Grunebom"

ausspricht).

" Gambling in Islam (1975); Nr. 16.

The Herb. Hasbisb versus medieval Muslim society (1971): Nr. 14.

" Nr. 73.

Nr. 105, als Ubersetzung für arab. taqäriz.

5' Nr. 49.

Nr. 38.

„Sweeter tban Hope" (1983); Nr. 18.

(10)

Fremdsein''^ und Sex, ob homoerotisch''' oder heterosexuell''''. Dabei ging es

ihm nicht nur um Realien und die Fülle des überlieferten Details, sondern

auch um zentrale Begriffe. „Hoffnung" war einer von ihnen, „Wissen" ein

anderer,''* auch „Zeit"''* und „Freiheit", der letztere eher im Gegenlicht und

„prior to the nineteenth century".''^ Er wollte die „Gestimmtheit" (mood) der

islamischen Gesellschaft erfassen. So sagt er es im Vorwort zu dem spätesten

Werk dieser Art („Sweeter than Hope"), und er kam damit dem nahe, was

man um diese Zeit Mentalitätsgeschichte zu nennen begann.

Vieles davon bereitete sich lange vor; die Monographien waren z.T. sehr

umfangreich. Er begann meist mit einer Erkundung des Wortfeldes und

einem Ausflug in die Semitistik, wegen der Etymologie; das war das „Wör¬

ter und Sachen"-Schema, das er aus Deutschland kannte.''* In den USA kam

es nie zum Tragen, weil Islamkunde und Semitistik, ähnlich wie eine Gene¬

ration später in Deutschland, auseinanderdrifteten.'" Im Hauptteil kam es

ihm vor allem darauf an, Ordnung zu schaffen, ohne über Gebühr zu verein¬

fachen. Dabei erschloß er die Vielgestaltigkeit des Phänomens immer auch

über die Poesie; denn „mehr als irgend etwas anderes dient sie dazu, grund¬

legende menschliche Gefühle und Haltungen auszudrücken, ... oft Gefühle

und Haltungen, die von der Gesellschaft offiziell mißbilligt werden".*" Von

Grunebaum sah dies genauso; aber durchführbar war es natürlich nur auf¬

grund einer bestimmten Ausbildung. Die Spezialisten der nächsten Gene¬

ration machten, wenn sie soziologisch oder historisch arbeiten wollten, um

Nr. 128, eine seiner letzten Arbeiten (1997); vgl. aueh Nr. 129.

« Nr. 127.

Nr. 101; vgl. auch Nr. 113: Reflections on love in paradise. Für die 6. Giorgio Levi Deila Vida Conference 1977, die ihm zu Ehren abgehalten wurde, wählte er den Titel So¬

ciety and the sexes in medieval Islam; das Thema war damals noch ganz jugendfrisch.

"5 Knowledge Triumphant (1970); Nr. 13.

Nr. 126.

"•^ Nr. 9. Zur Moderne hat Rosenthal sich im Gegensatz zu von Grunebaum kaum

geäußert; die Ausnahme ist ein kurzer Aufsatz über die Muslimbrüder in Ägypten (Nr. 39, geschrieben 1947, unmittelbar nach seinem ersten und einzigen Aufenthalt dort).

Auch die Indogermanistik, die ihm vermutlich schon von seinem Studium her ver¬

traut war, zog er hierzu heran. Manches wuchs sich zu einem eigenen Kapitel aus, wie etwa in seinem Buch über das Glücksspiel die Überlegungen zum bis heute umstrittenen Ursprung des Wortes „Hasard" {Gambling, S. 172ff.).

In der Rezension eines Buches von M.M. Bravmann beklagte er 1979, daß die „re-

construction of intellectual history in the Semitic-speaking area by means of comparative Semitic philology" eine „seemingly vanishing art" sei (JSS 24 [1979], S. 104).

'° So in dem methologischen Vortrag The Study of Muslim Intellectual and Social His¬

tory, den er 1980 in Ann Arbor hielt (Nr. 17). Ein gutes Beispiei dafür, wie er eine Realie ganz aus poetischen Beispielen erschloß, ist sein Aufsatz über die „Klimaanlage" des mamlükischen Ägypten, den „Windfang" (pers. bädgir, arab. bäd(a)hang; Nr. 94).

(11)

Gedichte meist einen großen Bogen. Rosenthal konnte es sich noch leisten,

enzyklopädisch vorzugehen. Ein Generalist war er gleichwohl nicht, und

manche sahen darin ein Manko. „He did not give them the real thing", so

ging später die Rede. Was er nicht hot, war ein Modell, also genau das, was

man in den jungen Metadisziplinen anstrebte. Nichts war bei ihm passepar¬

touthaft formuliert; er erklärte jedes Detail für sich. Für die große Form

stellte sich damit das Problem der Fokussierung; die Titel seiner Bücher, vor

allem seiner früheren, versprachen, so mochte man einwenden, mehr, als sie

zu halten imstande waren. Humor in Early Islam (1956) handelte allein von

einer literarischen Figur, dem Medinenser al-As'ab (über den Rosenthal

auch den entsprechenden EI-Artikel schrieb), und A History of Muslim His¬

toriography (1952) enthielt vor allem die kommentierte Ubersetzung dreier

arabischer Texte mit einer - allerdings sehr langen - Einleitung. An dem

Muslim Concept of Freedom (1960) mochte einen Amerikaner enttäuschen,

daß der westliche Freiheitsbegriff („freedom and democracy") sich kaum

blicken ließ. Aber das waren natürlich Enttäuschungen aus der Sicht des

Lesers. Bei der „Freiheit" redete Rosenthal nicht von dem Ideal, sondern

von dem Begriff {hurriya, nicht istiqläl), und die drei gewichtigen Quellen¬

texte, in denen arabische Gelehrte des Mittelalters sich zum Skopus der Ge¬

schichtsschreibung äußerten, hat er selber zum erstenmal für die Orientali¬

stik entdeckt.*' Den Muslimen war die Nähe zu ihrer Tradition ohnehin nur

recht. Bereits 1963 erschien eine arabische Übersetzung der ersten Auflage

der Historiography^^, 1978 die des Concept of Freedom^^ und 1997 eine tür¬

kische von Humor in Early Islam''''.

Er scheint pausenlos gelesen zu haben. Als er 1983 zu einem Kolloquium

über Philosophie und Mystik eingeladen wurde, das in Dumbarton Oaks

stattfand - eine Ehre, die man in den USA kaum ausschlägt -, durchpflügte

er mehrere Monate lang die Werke des Ibn 'Arabi; das tun selbst die Kenner

der islamischen Mystik nur in Ausnahmefällen. Was ihn daran interes¬

sierte, war allerdings auch eher, wieweit Ibn 'ArabT sich in der Philosophie

ausgekannt hatte;** die Mystik selber hat er sonst nie in den Mittelpunkt

irgendeiner seiner Arbeiten gestellt.** Er war sehr nüchtern, Sohn eines

Nur der umfangreichste von ihnen, Sajjawis I'län hit-taublh Uman damma t-ta'rif, war vorher schon einmal gedruckt worden (Damaskus 1349/1930).

" Von dem irakischen Historiker Sälih Ahmad al-'All. Die zweite, revidierte Auflage, die man heute meist benutzt, kam erst 1968 heraus (vgl. Nr. 6).

" Mafhüm al-hurriya fl l-Isläm, übs. Ma'n Ziyäda und Ridwän as-Saiyid (Beirut).

^* Das bereits 1976 eine Neuauflage erlebt hatte; vgl. Nr. 7.

" Vgl. Nr. 114, dort vor allem die Fußnote auf S. 1.

Allerdings berücksichtigte er sie immer in seinen begriflsgeschichtlichen Unter¬

suchungen (vgl. Freedom, S. 25ff. und 107ff.; Knowledge Triumphant, S. 155ff.).

(12)

Kaufmanns; „misguided mental acrobatics" lag ihm nicht,*^ dafür um so

mehr jene Kombination aus „good sense and quiet logic", wie er sie an Levi

Della Vida rühmte.** Wie er sich in der Philosophie zuhause fühlte, so

auch in der Geschichte; gegen Ende seines Lebens, als er alles gesagt hatte,

was er sagen wollte, ließ er sich überreden, in dem von Ehsan Yarshater

in die Wege geleiteten Tabarl-Projekt die Ubersetzung zweier Einzelbände

zu übernehmen und auch die biographische Einleitung zu schreiben.*' Die

Philosophie, genauer: ihre Geschichte, war demgegenüber die Freude seiner

Jugend gewesen; hier hatte er, ähnlich wie vor ihm Paul Kraus, den Blick

des Entdeckers. Er war es, der den sai^ al-Yünäni auf die Bühne brachte,

„the Arabic Plotinus source";*" er hat aus Ahmad b. at-Taiyib as-SarahsI

eine greifbare Figur gemacht (1943)*' und al-'Ämirl in den orientalistischen

Diskurs eingeführt (1956).*^ Dazu trug entscheidend bei, daß er noch mit

Handschriften arbeitete und sich schnell in ihnen zurechtfand. Bereits 1939

hatte er sich auf der Flucht mit einem unveröffentlichten Birünl-Text, den

er in der Bodleiana fand, die Zeit vertrieben; er konnte ihn 34 Jahre später

bei dem Internationalen Blrünl-Kongreß in Teheran (1973) verwerten.*'

Auch in Berlin hatte er die Bestände der Staatsbibliothek eingesehen; man

merkt es an den Fußnoten, die er seiner frühesten islamkundlichen Publika¬

tion, der Studie über die arabische Autobiographie (1937), mitgab.*"* Später

ermöglichte ihm die Großzügigkeit amerikanischer Stiftungen zahlreiche

Reisen dieser Art, nach Europa (Chester Beatty, Escorial) ebenso wie in den

Orient. 1947 besuchte er Ägypten, nicht ahnend, daß die Ereignisse des fol¬

genden Jahres im Nahen Osten die Gastfreundschaft der Araber auf immer

zerstören würden, nachher dann Marokko, Tunesien und immer wieder

die Türkei, wo die Sammelhandschriften in Istanbul, aber auch in Edirne,

Bursa oder Manisa eine Menge unbekannter Texte preisgaben. Manches

'7 So, allerdings auf die Medizin bezogen, Nr. 98, S. 476f.

5« Nr. 101, dort S. 18.

" Nr. 19-20.

'° Nr. 48: in Orientalia 1952, 1953 und 1955. Vgl. auch Nr. 89.

" Nr. 3; dazu ergänzend Nr. 47, 56, 65 und 122.

" Nr. 57. Er selber gesteht dort S. 43 Paul Kraus die Priorität zu; das bezieht sich aber nur auf eine Bemerkung, die dieser in einer Rezension (in: Orientalia 6 [1937], S. 288) ge¬

macht hatte. Kraus war in Berlin zu Rosenthals Zeit Dozent gewesen; Rosenthal hatte

bei ihm gehört. Vertieft wurde der Ansatz später von Rosenthals Schüler E.K. Rowson, der mit seiner Dissertation die bislang maßgebliche Monographie zu al-'Ämiri schrieb.

" Vgl. Nr. 88 (Beyruni-ye Armagäni, Ankara 1974), dort S. 147.

Nr. 25; vgl. dort S. llf., Anm. 3 (zu Muhäsibi) oder S. 31, Anm. 2 (zu Ibn al-

öauzi). S. 22 erwähnt er auch eine Handschrift aus Gotha. Die Monographie erschien übrigens in Analecta Orientalia 14 (1937) zusammen mit einer der ersten Arbeiten von Grunebaums.

(13)

davon ging in eine Artikelserie ein, die er nach dem Vorbild von Ritters

Philologika unter dem Titel From Arabic Books and Manuscripts zwischen

1949 und 1979 in 15 Folgen in JAOS veröffentlichte.** Anderes publizierte

er separat, darunter auch längere Texte erzählenden Charakters: Legenden,

Fabeln, Prophezeiungen usw., die sich nur schwer einordnen ließen und bis

heute kaum Aufmerksamkeit erregt haben.**

Nach Europa fuhr er auch sonst immer wieder. Seine Ferien verbrachte

er gerne in der Schweiz, wo er sich meist mit Fritz Meier traf, dem er in

seinem Arbeitsethos ähnlich war. Beide liebten, obwohl sehr aufgeschlossen

und gastfreundlich, die Einsamkeit. Rosenthal lebte spartanisch einfach,

zumindest für nordamerikanische Verhältnisse. Der einzige Luxus, den er

sich leistete, waren Bücher, wenige nur, Erstausgaben aus der Frühzeit der

europäischen Orientalistik. Sein Arbeitszimmer glich eher einem Labora¬

torium, Funktionalität in ihrer reinsten Form. Er blieb unverheiratet; lange

Zeit lebte er mit seinem Vater zusammen, der erst 1972 im Alter von 99 Jah¬

ren starb. Die Eltern waren 1939 nach Holland entkommen, wo sie sich bis

zum Kriegsende hatten versteckt halten können. 1946 emigrierten sie in die

USA, weitgehend mittellos; der Teil ihres Vermögens, den sie nach Holland

hatten mitnehmen können, war durch die Umstände des Lebens im Unter¬

grund aufgezehrt worden.*'' Der Bruder war den Deutschen in die Hände

gefallen und in Auschwitz umgekommen. Was Rosenthal selber im Laufe

seines Lebens ersparte, ließ er in eine Stiftung eingehen, aus der jedes Jahr an

der Yale University eine Memorial Leeture zu Ehren seiner Eltern finanziert

wird, im Turnus aus dem Gebiet der Semitistik (bzw. der Altorientalistik)

und dem der Islamkunde.** Er freute sich über Besucher und holte sie, wenn

sie durch die Weite des Landes abgeschreckt schienen, in stundenlanger

Fahrt ab; in späteren Jahren kümmerte er sich auch um deren Unterkunft,

wenn ein Gast (etwa ein Kollege aus der untergegangenen DDR) dem fi¬

nanziellen Niveau der USA nicht gewachsen war. Als er 1980 nach Berlin

kam, um beim Deutschen Orientalistentag über die „Krise der Orientali¬

stik" zu sprechen (der er selber mit größerer Gelassenheit entgegentrat als

Rosenthals Kontakt mit Ritter geht auf das Jahr 1948 zurück, als dieser noch

in Istanbul war. Er publizierte später in der von Ritter gegründeten Zeitschrift Oriens, die als einziges orientalistisches Fachorgan in Deutschland international strukturiert und finanziert war (auf der Basis der Internationalen Gesellschaft für Orientforschung). Auch die ihm gewidmete Festschrift fand dort ihren Platz; sie war zugleich der Band, mit dem der Oriens sein Erscheinen einstellte.

'''' Vgl. Nr. 69, 70, 82, 115.

^7 Der Vater hatte in Berlin einen Mehlgroßhandel gehabt.

Vgl. die Fußnote in: Oriens 36 (2001), S. 249.

(14)

manche der Deutschen, die ihm das Thema nahegelegt hatten),*' verhielt er

auf einem Spaziergang lange vor der Schule, in die er als Kind gegangen war,

und erinnerte sich an das Haus, von dem aus seine Tante immer aufgepaßt

hatte, daß er sich nicht verspätete.

Die Emigranten nahmen einen Teil ihrer Heimat ins Exil mit. Von

Grunebaum besuchte in Los Angeles den „Viennese Club", in dem man

ein leicht k.u.k.-gefärbtes Wiener Deutsch sprach. Rosenthal fühlte sich

wohl in dem Orientalistenkränzchen, das sich in Yale nach dem Vorbild der

alten deutschen Universitäten konstituiert hatte und in dem man manchmal

sogar der Witwe von Paul Kraus begegnete. Europäische Einwanderer

gingen auch spazieren, allen Fährnissen zum Trotz: Goitein in Prineeton

mit Richard Ettinghausen, jeden Samstagmorgen um Zehn, Rosenthal

in weniger festem Reglement mit seinem jungen Kollegen Gerhard Bö¬

wering, der ihm bis zum Tode nahe blieb. Immer wahrte man dabei eine

gewisse Distanz: Goitein war bis zum Schluß für jeden nur „Professor

Goitein", und Rosenthal hatte zumindest das Glück, daß man seinen

Vornamen nicht abkürzen konnte. ■'^ Aber alle einte sie eine von gegen¬

seitigem Respekt getragene Freundschaft; Rosenthals Nachrufe auf von

Grunebaum''' und Goitein^^ geben davon Zeugnis. Alle waren sie zudem

auf etwas altväterliche Weise umfassend gebildet; das machte es ihnen leicht,

ohne aufgesetzte Interdisziplinarität zu den Nachbarwissenschaften Kon¬

takt zu halten. Rosenthal war Fellow der Medieval Academy of America,

seit 1980, wie Goitein vor ihm (seit 1970) - und seither niemand mehr von

den amerikanischen Islamwissenschaftlern; das Band ist zerrissen. Die Me¬

diävistik hat sich stark spezialisiert und die Islamkunde sich in ihrer großen

Mehrheit vom Mittelalter entfernt; wer mit dem Islam zu tun hat, wird

mittlerweile von den weniger gegenwartsbezogenen Disziplinen wohl auch

zu stark mit der Tagespolitik identifiziert.'''

Rosenthals Generation war auf ihre Weise unwiederholbar; Emigranten

wachsen nicht nach.^'* An ihre Stelle traten die native speakers; sie wurden die

Man soll „nicht dauernd über Sinn und Nutzen nachdenken", wie es dort heißt (Nr. 110, S. 12).

''° Er unterzeichnete seine Briefe mit FR, wobei die beiden Buchstaben in einer Art e-mail-Zeichen miteinander verbunden waren. Das war intimer als der Vorname.

7' Im American Philosophical Society Year Book 1972 (Nr. 86); vgl. auch Nr. 124.

72 Nr. 111-112.

" Angefangen hatte die Reihe übrigens mit Hitti (seit 1957). Mehr als einen Exoten auf einmal haben die Mediävisten nie verkraftet.

7'' Nicht unterschlagen sollte man bei alledem, daß Goitein im eigentlichen Sinne gar

kein Emigrant war. Er war bereits 1923 von Frankfurt nach Palästina gegangen, und er

betonte gerne, daß dies „kein Druckfehler für 1933" sei.

(15)

Träger jener schnellen Expansion, die nun in den USA über die Islamkunde

kam, und sie waren es, von denen man jetzt „the real thing" erwartete. Für

Rosenthal war die Vorstellung, daß „nur die Bekenner einer Religion, die

Erben einer Kultur- und Geschichtstradition, die Sprecher einer Sprache das

Recht haben, ihre Religion, Geschichte, Sprache usw. zu lehren und zu dis¬

kutieren", nicht mehr als ein „primitives Mißverständnis". Wer wußte, wie

sehr Rosenthal die leisen Töne pflegte, mußte hier aufhorchen. Er sagte

dies auch nicht in den USA, sondern wiederum in Berlin, und erst 1980, in

der Rückschau, als er selber bereits seiner Entpflichtung entgegensah.^* Was

ihm dabei vor Augen stand, waren die Folgen, die es in den Departments

of Near Eastern Studies gehabt hatte: Auseinandersetzungen unter „Lands¬

mannschaften", die das menschliche Klima vergifteten - Armenier gegen

Türken, Türken gegen Griechen, Araber gegen Parteigänger des Staates

Israel. Wenn er die Religion vor der Sprache nannte, so, weil dort alles ange¬

fangen hatte, in den ihm vertrauten Judaic Studies, wo die Stellen seit langem

nur noch „ethnisch" besetzt wurden. Rosenthal kam aus der Tradition

des liberalen Judentums; Religion war für ihn Privatsache. Als langjähriger

Chairman seines Departments hat er mit der Autorität des „eider statesman"

und wohl auch aufgrund seiner historischen Erfahrung Konflikte dieser Art

fernzuhalten versucht. Hierbei half ihm der Umstand, daß Yale mit ihm

jemanden gewonnen hatte, der, wie man früher sagte, „das Fach in seiner

vollen Breite vertrat" (mit Ausnahme der Altorientalistik), und sich deshalb

mit der Expansion Zeit lassen konnte.

Die Unwiederholbarkeit der Generation erschien in den einzelnen Per¬

sonen geschichtlich gebrochen. Viel mehr als seinem Lehrer Schaeder

war es Rosenthal gelungen, das Ganze sammelnd zu erfassen und vom

Detail her zu deuten. Aber ein „Soziograph" wie Goitein (der sich selber

so nannte) war er nicht geworden. Goitein war erst spät zu seinem Thema

gekommen und hatte dann ein signifikantes Segment der mittelmeerisch-

nahöstlichen Gesellschaft (A Mediterranean Society^' herausgegriffen.

Mit seinem Namen verband sich ein magnum opus. Rosenthals Arbeiten,

auch sie z.T. sehr umfangreich und unter heutigen Umständen jede für sich

als magnum opus zu werten, kreisten eher um einen gedachten Mittelpunkt,

den er von niemand anderem übernahm und den er auch selber immer

wieder von neuem adjustierte. Er wußte eigentlich erst zum Schluß, daß

er sich von den humanistischen Interessen seiner Jugend auf den „mood"

7' Die Aussage wird dureh den Kontext zudem mehrfach abgeschwächt; vgl. den dor¬

tigen Vortrag, S. 15.

5 Bände, Berkeley 1971-1988.

(16)

der islamischen Gesellschaft zubewegt hatte; nur bei ihm selber fügten

sich die zahlreichen Schlaglichter, mit denen er sein Thema erhellt hatte,

zu einem größeren Ensemble zusammen. Sein Ausgangspunkt war und

blieb das Wort; Bilder oder archäologische Befunde berücksichtigte er nur

am Rande.^'' Er hörte auch nicht die Musik der Texte, wie dies fiELLMUT

Ritter so meisterhaft gelang; Verse behandelte er nach ihrem Inhalt, nicht

nach ihren ästhetischen Valeurs. Er traf damit in der Islamkunde insofern

auf einen glücklichen Augenblick, als die sprachlichen Quellen bis dahin

kaum erforscht und häufig noch gar nicht ans Licht gehoben waren. So

verlieh ihm die Entdeckerfreude eine Wandelbarkeit, wie sie unter den¬

jenigen, die heute der Disziplin ihr Gesicht geben, den Spezialisten ebenso

wie den Programmatikern, selten geworden ist. Ein Programm hatte er

nicht; was ihn antrieb, war die Neugierde. Er fuchtelte nicht mit Begriffen

oder methodologischen Heilslehren; bis zum Schluß blieb er undogma¬

tisch und weltoffen. Er wiederholte sich auch nicht; selbst Vorträge hielt er

aus Prinzip nur ein einziges Mal. Er besaß eine stupende, noch nicht von

wissenschaftlichen Frontängsten gehemmte Kreativität. Das Gespräch mit

ihm war bereichernd; er beeindruckte weit über sein Fach hinaus. Er war

nicht nur Mitglied der Medieval Academy, sondern auch der American

Philosophical Society, der American Academy of Arts and Sciences, der

American Academy of Jewish Research und der Connecticut Academy of

Arts and Sciences. In Europa nahmen die Accademia dei Lincei und die

British Academy ihn in ihre Reihen auf; neben der DMG wählte auch die

Societe Asiatique ihn zu ihrem Ehrenmitglied. Er erhielt Ehrendoktorate

des Hebrew Union College, der Hebrew University in Jerusalem, der Uni¬

versität Tel Aviv, der Universität Tübingen und der Columbia University

in New York. Er war ebenso Träger der Levi Deila Vida-Medaille (1977)

wie des Harvey Prize der Universität Haifa (1984), und bis zu seinem Tode

blieb er Mitglied im Exekutivkomitee der Encyclopaedia of Islam.

Sich selber begegnete er mit gelassener Skepsis. Er hatte ein Gefühl für

Vergänglichkeit; über „Vita brevis, ars longa", den ersten Aphorismus des

Corpus Hippocraticum, hatte er 1966, in der Mitte seines Lebens, einen

längeren Aufsatz geschrieben.''* Mit Kritik an den Alten hielt er nicht zu¬

rück; an ToRREYS Doktorarbeit tadelte er die „immature submission to

77 Etwa in der Epigraphik. Das gilt auch für seine Four essays on art and literature in Islam, die einzige Publikation, die das Wort „Kunst" im Titel trägt (1971; Nr. 15). Sie behandeln literarische Reflexe der Kunst, etwa der Kalligraphie, und die umfangreichste darin enthaltene Studie („A note on the Mandil") geht trotz zahlreicher Bildbelege vor¬

nehmlich dem Gebrauch des Wortes mandil nach.

7« Nr. 75.

(17)

the intellectual currents of the time"7' Andererseits war ihm bewußt, wie

friih alles einmal begonnen hatte, in der philologia sacra des Alten Europa;

nur wenige Fachgenossen in den USA verschwendeten daran einen Gedan¬

ken. Er sah sich nicht als Missionar des Neuen; er wollte nur die Zeit, die

ihm gegeben war, auskaufen mit dem, was in seinen Kräften stand. Gerade

darum hielt er die Orientalistik weiterhin für eine Disziplin eigenen Rechts;

er war nicht glücklich darüber, daß viele nun begannen, sich als Historiker

oder Literaturwissenschaftler zu definieren.*" Sollte denn seine Disziplin,

die sich in Europa mit solcher Mühe von der Theologie befreit hatte, dies

nur getan haben, um sich nun anderen Leitwissenschaften an den Hals zu

werfen? Die Zukunft lag, das sah er, in einer „aus dem Großen geschöpften

Spezialisierung";*' aber das hieß auch, daß nur jemand, der die islamische

Kultur als Ganzes im Blick hat und sie in ihrem Werden aus ihren vor¬

islamischen, „orientalischen" Wurzeln zu sehen in der Lage ist, im Detail

neue Wege gehen kann.*^ Was er dabei nicht berücksichtigte, waren die

Kräfte des Marktes. Er selber war nie marktgängig gewesen; dazu fehlte es

ihm schon an der nötigen Eitelkeit. Er erwartete, daß man ihn fragte oder

seine Bücher las; joint ventures ging er nicht ein. Hier ist die Zeit sehr schnell

über ihn hinweggegangen. Die Zersplitterung des Wissens hat so schnell

zugenommen, daß man sie nur noch additiv in den Griff zu bekommen

meint; unterdes ist die Orientalistik so stark marginalisiert worden, wie er

sich das auf dem Höhepunkt seines Schaffens noch nicht vorstellen konnte.

Aber seine Generation ist fruchtbar gewesen und hat die Wüste zum Blühen

gebracht. Kaum eines der Themen, die er aufgegriffen hat, ist bisher wieder

umfassend angegangen worden. Wir sollten ihn nicht vergessen.

" Nr. 300, S. xvii.

*° Vgl. seinen Berliner Vortrag, S. 19.

" Ib., S.20.

" Ib.,S. 18f.

(18)
(19)

Notes on the Hagiography and Cult of a Muslim Saint

in Nager and Hunza (Northern Pakistan)

By Jürgen Wasim Frembgen, Munich

Introduction: The Context of Islamization

The Islamization of the mountain peoples living in the Eastern Hindukush,

Karakoram, and Western Himalaya seems to have taken place gradually,

introducing different sects.' After a first "pulse" of propagation of Sunni

Islam, apparently as late as the 16'*^ century, the Ismailiyya was brought in

from Badakhshan (by the end of the IS'** c). Missionaries spreading the

Twelver-Shi a faith {Ithnä 'Ashari Shi'ism) reached the Karakoram from

Kashmir via Baltistan from about the century, but this by no means im¬

plies that most of the population already converted at that time. Later Sunni

Islam made its inroads from the South. A more thorough conversion to this

orthodox creed apparently started during the course of the IS'"^ century and

continued progressively through the 19''' century. In Indus Kohistan, for

instance, Islamization is connected with different Pakhtun "saints" and

missionaries who came from Swat, Buner, and nearby regions to preach the

new faith.^ Thus, the regional tradition of Islam in the high mountain areas

of Northern Pakistan consists of several streams and waves with differences

in religious faith and practice.

In the central area of Gilgit and in the nearby Hunza-valley, people pre¬

serve the memory of a number of holy men who are thought to have been

missionaries of Islam during the first half of the 16^'^ century.' Thus, Sayyid

Sultan Wali is buried in Amphari and the better known Sayyid Sultan Alif

Shah in Danyor (both villages are situated in the vicinity of Gilgit). In Gilgit

proper, there are the tombs of a few minor saints, namely of Sayyid Safdar

Shah, Sayyid Akbar Shah, and Sayyid Shah Afzal. The most famous bozorg

' Jettmar 1989, pp. 62-64; Dani 1989a, pp. 166-167, 170, 176, 195, 216-217; Caco-

pardo/Cacopardo 2001, pp. 33-34, 38, 54.

2 Frembgen 1999, pp. 83-84.

5 Dani 1989b, pp. 151,153.

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