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Beiträge zur Assyriologie und vergleichenden semitischen
Sprachwissenschaft, herausgegeben von Friedrich Delitzsch
und Paul Haupt 2. Band, 2. und 3. Heft (= S. 274
bis 645) Leipzig (Hinricbs) 1892 u. 1893; 3. Band (4 Hefte,
589 S.), Leipzig 1895—1898.»)
Dieses von mir in Bd. 46 der „Zeitscbrift" angekündigte Unter¬
nehmen ist seither in erfreulicher Weise fortgeschritten , so dass
nun bereits drei stattliche Bände fertig vorliegen. Da ich dort
versprochen, auch über den Inhalt der weiteren Hefte (Bd. II, 2 ff.)
Bericht zu erstatten, so ist es nun höchste Zeit, diese Zusage ein¬
zulösen. Das uns in denselben gebotene Material ist erstaunlich
reichhaltig, ja geht in gewisser Hinsicht über den Rahmen des
ursprünglichen Programmes hinaus. Wfihrend ich damals beklagte,
dass das sumerische gar nicht vertreten sei (welche Lücke unterdes
einigermaassen von den Herausgebern ausgefüllt wurde), so ist nun
durch die Herbeiziebung auch rein arabischer Publikationen und
Aufsätze des guten zu viel gethan. Denn welcher Arabist wird
sich deshalb, weil im 3. Bande (S. 1—59) ein Traktat Ibn Gauzi's
über den Hadith und (S. 561—587) ein Aufsatz von Mr. Williams
über den in Nord-Marokko gesprochenen Dialekt abgedruckt ist,
das teuere , doch ganz andere Gebiete umfassende Sammelwerk
anschaffen? Und umgekehrt wird jeder Assyriolog und Semitist
sich darüber beklagen, dass in den, von manchem unter ihnen mit
grossen Opfern erworbenen „Beiträgen" fast 100 Seiten stehen, die
in ein ihnen ganz fremdes Gebiet gehören. Brockelmann's treff¬
hche Ausgabe von Ibn Gauzi's Kitäb al- Wafä fi fadä'il al-Mustafä
(6. Jahrh. der H.) würde wo anders viel besser ihren Zweck erfüllt
haben, beispielsweise gleich in unserer „Zeitschrift".
Von geographisch-historischen Abhandlungen ist vor allem her¬
vorzuheben die ausführliche Monographie über den „Untergang
Ninivehs" (111,87—188) von Obei-st a. D. Adolf Billerb eck
und Dr. Alfr. Jeremias (mit drei Karten), die dadurch, dass
1) Mit besonders eingehender Berücksichtigung des wichtigen Aufsatzes
Ton Franz Praetorius (11,312—341) „Über die hamitischen Sprachen Ost¬
afrika's".
Hommel, Delitzschs und Haupts Beiträge zur Assyriologie. 527
hier ein Assyriolog und Bibelforscher zusammen mit einem militär-
topographiscb geschulten Praktiker arbeitete, besonderen Wert ge¬
winnt. Leider ist die andere hierhergehörende Arbeit ,Zur Topo¬
graphie Babylons" von M'Gee (III, 524 — 560) über die als
Einleitung und Quellensammlung dienende Transskription der hierher¬
gehörenden , auch einige interessante Inedita umfassenden Texte
nicht hinausgekommen , da die in Aussicht gestellte Übersetzung
und Ausbeutung dieser Stücke (neubabylonische Bauinschriften) durch
den inzwischen eingetretenen Tod des Verfassers unterbrochen ist;
aber vielleicht springt für den bereits begonnenen 4. Band ein
anderer Schüler Delitzsch's in die Lücke , was um so wünschens¬
werter wäre, als durch die gerade in Babylon arbeitende deutsche
Orient-Expedition ja noch manche Texte hinzukommen werden und
die topographische Erforschung der Residenz Nebukadnezars vielleicht
bald ein ganz neues Bild geben dürfte. Als Resultat des Studiums
der alten Tempel Urkunden von Telloh giebt sich der kleine Auf¬
satz Thureau Dangin's über die Bezeichnung der altbabyloniscben
Bruchzahlen (Les chiffres fractionnaires , III , 588—589), während
die bibliographische Zusammenstellung Muss - Arnolt's über die
schriftstellerische Thätigkeit unseres Altmeisters Jules Oppert
(II, 523—556 nebst wohlgelungenem Porträt) sich in dankenswerter
Weise den früheren Bibliographien Flemming's über Grotefend,
Henry Rawlinson und Ludolf anreiht.
Einen kritischen Nachtrag zu schon edierten Keilschrifttexten geben die „textkritischen Bemerkungen zu Layard 17/8", speziell
zu Z. 25—32 von Knudtzon, auf Grund neuer Vergleichung der
im Brit. Museum befindlichen Abklatsche dieser Inschrift Tiglat¬
pilesers III. Doch hat der Verfasser ganz übersehen , dass die
Wahrnehmung, es sei die Mitte, bezw. der Anfang der betreffenden
Zeilen immer um eine Zeile höher zu rücken, der Hauptsache nach
sich schon bei Sayce (in der Einleitung seiner Van Inseriptions)
und dann noch weiter ausgeführt in meiner Geschichte Babyloniens
und Assyriens (S. 649, Anm. 7, und S. 657 u. Anm. 2) findet; nun
wird es durch die Abklatsche selbst definitiv bestätigt.
Den grössten Raum jedoch nehmen die Textpublikationen und
die Neuausgaben schon edierter Texte ein; an Bedeutung .stehen
ihnen eine kleinere Zahl sprachvergleichender Abhandlungen nicbt
nach. Doch bevor ich über die letzteren mich etwas ausführlicher
verbreite , sei wenigstens eine kurze Aufführung der zahlreichen
von verschiedenen Assyriologen edierten und behandelten Keilscbrift¬
texte gegeben , wodurch der reiche und dauernden Wert bean¬
spruchende Inhalt der „Beiträge" anschaulich gekennzeichnet wird.
Da behandelt zunächst Lehmann einen Siegelcylinder des Königs
Bur-Sin von Nisin mit vermeintlich sumerischer') Legende (II, 589
1) Dass jedoch sämtliche mit NITA (oder (jr ZTR „Diener") -ZU schliessen¬
den Siegelcyünderlegenden vielmehr semitisch zu lesen sind, indem arad-zu
bis 621), bei welcher Gelegenheit er auch die ebenfalls vorher un¬
edierte Gy linderlegende eines gewissen Dada, Patesis von Nippur,
mitteilt ; im Anschluss daran spricht dann Delitzsch (II, 622
bis 626) über die richtige Transskription „einiger altbabyl. Königs¬
und Personennamen", worin vor allem die zweifellos richtige Um¬
schreibung des so oft begegnenden ersten Elementes Shu- als
Gimil- besondere Beachtung verdient. Eine Reihe längst aus
II. Eawl. bekannter aber meist ungenau erklärter bilinguer „Rätsel
und Sprichwörter" kommentiert und übersetzt in ausserordentlich
scharfsinniger Weise Martin Jäger (II, 274—305); nur ist es
zu bedauern , dass er dem sumerischen Teil , den er nach Halevy-
scher Manier für kryptographisches Semitisch hält, viel zu wenig
gerecht wird. Der altbabylonischen mythologischen Litteratur ge¬
widmet ist die interessante Abhandlung Edward J. Harper's
„Die babylonischen Legenden von Etana, Zü, Adapa und Dibbarra»),
mit 32 Tafeln autographierter Keilscbrifttexte" (II, 390—521) nebst
den „Zusatzbemerkungen" Zimmern's zu Adapa (II, 437—438)
und dem als Nachtrag zu betrachtenden Artikel Morris Jastrow's
,A new Fragment of the Babylonian Etana-legend" (III, 363—385).
Meissner veröffentlicht einige „altbabyloniscbe Briefe" aus der
Hammu-rabi-Epocbe (II, 557—564 und 573—579) und mehrere
Fragmente „altbabylonischer Gesetze" (III, 493—523), letztere zwar
aus der Kuyunjik-Sammlung , aber wie Meissner nachweist, gleich¬
falls aus der Zeit der 1. babyl. Dynastie, und somit eine wertvolle
Parallele zu der bekannten bilinguen Ana-itti-su-Serie, von der ich
zuerst seiner Zeit den altbabylonischen Ursprung nachwies (Gesch.
Bab s u. Ass.s, S. 382 flf.).
In die assyrische Zeit gehören die „assyrischen Freibriefe"
(Adad-niräri's III und Assurbanipal's), welche ebenfalls Meissner
(11,565—572 und 581—588) mitteilt, die von Arthur Strong
behandelten Orakel an Asarhaddon („On some oracles to Esar¬
haddon" II, 627—645) und die „Bauinschriften Asarhaddon's" von
Meissner und Rost (III, 189—362), letztere eine umfang- und
inhaltreiche , äusserst dankenswerte Monographie , die sich würdig
den früher von den beiden gleicben Gelehrten veröffentlichten Bau¬
inschriften Sanheribs (Leipzig, Ed. Pfeiffer 1893) anreiht. Hervor¬
zuheben ist aus diesen ausser für die Baugeschichte besonders auch
noch für die Mythologie interessanten Texten und dem beigefügten
gelehrten Kommentar S. 210 die Eruierung der Ausdrücke parütu
„Kalkstein" und ^jiZit „Alabaster", S. 283 die auch von mir schon
,.sein Knecht" (althabylonische Orthographie für arad-su) und nicht etwa arad- ka „dein Kneclit" transskribiert werden muss, kann ich jetzt durch den Hinweis auf einen Cylinder (Ball. Light from the East, p. 153), wo amat-za „ihre (der Istar) Magd" steht, endgültig bestätigen; ich hatte schon in meiner Gescb. Bab.s ll. Ass.s arad-zu stets durch „sein Knecht" übersetzt.
1) Diese sicher falsche Lesung des Kamens des Pestgottes ist durch Girra, bezw. Nirgal, zu ersetzen.
Hommel, Delüzsclia und Haupts Beiträge zur Assyriologie. 529
vermutete, jetzt zweifellose Identität von Düru und Dür-ilu, S. 280
die Übersetzung von bit-mummu durcb Kunstakademie, dem Wohn¬
ort der märe ummäni^) und so manches andere, was aufzuzählen
hier nicht der Raum ist. Zu S. 283 Sallaru „Grundmauer (?)"
möchte ich an die Analogie- von r]0 erinnem; wie letzteres sowohl
„Becken, Schale' als „Schwelle' bedeutet, so heisst auch Sallaru
ausser „Topf, Kessel' an unserer und an andern Stellen gewiss nur
„Schwelle", zu deren kultischer Bedeutung man Trumbull's Threshold
Covenant vergleiche. Die „Bahn des Ea' S. 243 und 357 ist nicht
der Wendekreis des Steinbocks , sondern , wie ich schon längst in
meiner „Astronomie der alten Chaldäer' (Ausland 1891 und 1892)
nachgewiesen, der zwischen dem Widder und Schützen gelegene
Teil der Ekliptik. Sehr interessant ist die S. 239 und 282 über¬
setzte und besprochene Götteraufzählung von Dür-ilu , an deren
Spitze ilat GAL [An-gal, oft irrtümlich von den Babyloniern mit
Anü rabü wiedergegeben) steht; diese Gottheit ist nämlich stets
der Mond, der auf sumerisch sowohl gal als ai hiess und östlich
vom Euphrat, also im eigentlichen Babylonien, stets weiblich und
dann als Gemahlin des Samas, aufgefasst wurde, während er west¬
lich vom Euphrat, in ür, und so auch in Mesopotamien (Harran),
wo westsemitischer (arabisch - aramäischer) Einfluss vorherrschte, männlich war.
Endlich sind noch eine Reihe von ürkunden aus der neu¬
babylonischen Zeit vertreten. Von den „Zur Topographie Babylons'
durch M^Gee zusammengestellten Texten Nahopolassars und Nebu¬
kadnezars (III, 524—560) war schon oben die Rede. Ein ganzes
Heft (III, 3) füllen die hundert von Ludw. Demuth^) und
Ernst Ziemer'') behandelten Kauf kontrakte der Zeit des Cyrus
und Kambyses, denen Delitzsch als Einleitung „Notizen zu den
neubabylonischen Kontrakttafeln' vorausschickte (III, 385—392). Von
diesen 100 nach Pater Strassmaiers Keilschriftedition transskribierten
und übersetzten ürkunden sind gleichzeitig 39 auch in Peisers
Texten (Keilinschr. Bibl., Bd. IV) erschienen, dort jedoch ohne
Kommentar, so dass also die Aufnahme auch dieser kleineren Hälfte
durchaus nicht überflüssig erscheint , ganz abgesehen davon , dass
die philologische Akribie weit mehr auf Seite der von diesen beiden
Schülern Delitzschs behandelten Texte zu finden ist.
Zum Schluss sind noch vier sprachvergleichende Ab¬
handlungen zu erwähnen, die zwar den Textpublikationen gegen¬
über einen verhältnismässig kleinen Raum einnehmen, dagegen
inhaltlich um so grössere Beachtung beanspruchen dürfen, als sie
1) Dazu bemerke ich, dass dieses mummu wohl aus mu'ammu zusammen¬
gerückt sein wird, und also von dem gleichen Stamm DON kommt, wie umm&nu.
2) Fünfzig Hechts- und Verwaltungsurkunden aus der Zeit des Königs Kyros (III, 393—4441.
3) Fünfzig Babylonische Rechts- und Verwaltungsurkunden aus der Zeit des Königs Kambyses (III, 445—492).
sämtlich überaus wichtige Probleme behandeln. Zu meinem eigenen,
seit seinem Erscheinen oft citierten Aufsatz „über den Grad der
Verwandtschaft des Altägyptischen mit dem Semitiscben" (II, 342
bis 358), der am Schluss auch noch die interessante Prage nach
dem Verhältnis des Ägyptischen zum Berberischen streift, ist ausser
dem gleichzeitig (1892) in dieser Zeitschrift erschienenen Aufsatz
Ermans (Bd. 46, S. 93—129) und dem Steindorflfs (Das altägyptische
Alphabet und seine Umschreibung, Bd. 46, S. 709—730, und dazu
Hommel, ZDMG. 53, S. 347—349) vor allem noch Kurt Sethes
Werk „Das ägyptische Verbum" Leipzig 1899 und Ermans Abband¬
lung „Die Flexion des ägyptischen Verbums", Sitz.-Ber. der Berl.
Akad. 1900, XIX 1) ergänzungsweise nachzutragen. Bei dieser Ge¬
legenheit möchte ich bemerken, dass Sethes Wahrnehmung von dem
ursprünglichen triliteralen Charakter der meisten bisher biliteral
angesetzten ägypt. Wurzeln (z. B. mS gebären, eigentlich m^f) durch¬
aus nicht gegen meine sumerisch-ägyptischen Vergleichungen (z. B.
gerade für sumerisch mug, mud, mus „erzeugen", „gebären")
spricht, da wir die direkten Beweise dafür haben, dass, wenn solche
einsilbige Wörter aus dem Sumerischen ins Semitische herüber¬
genommen wurden, sie durch Ansetzung einesj triliteralisiert worden
sind (z. B. sa^, rag „lieben", semitisch rahü; dig „berühren" tihü,
oder bei Nominibus guz „Thron", kussü); zur Palatalisierung von
g zu dsch (vgl. für k zu tsch kwt „du", babyl. kuatu : twt) bilden interessante Belege ndrj „zimmern", babyl. nagdru, und dnh „Flügel",
arab. ganäh , so dass man also die Proportionsgleichung aufstellen
kann : k : t = g : c,
wozu übrigens zu bemerken ist, dass wenn auch äg. t später zu
t und d später zu d (dann auch mit Verhärtung zu t, z. B. ädm
„hören" sotm) wurde, dennoch ganz ursprünglich d Vertreter des
semitischen Sade und (wie ich kürzlich, ZDMG. 53, 348 nachgewiesen)
t Vertreter des semitischen Zajn gewesen ist.
Ganz speziell die semitische Sprachvergleichung bebandeln zwei
Aufsätze, nämlich der von F. Philippi in Rostock, „die semitische
Verbal- und Nominalbildung" (II, 359—389) und die meines Er¬
achtens hochbedeutende, ein ganz neues Programm aufstellende Studie
Siegm. Fraenkels in Breslau „Zum sporadischen Lautwandel in
den semitischen Spracben" (III, 60—86).
Philippi spricht sich zum Teil für, zum Teil gegen Barths
Nominalbildungstheorie aus; eine ZDMG. 44, 692 ff. erschienene Anti¬
kritik Barths gab Philippi überhaupt den Anlass, in den Beiträgen
die Feder zu diesen seinen Ausführungen zu ergreifen. Eine be¬
merkenswerte Annäherung an meine eigenen Aufstellungen (Aufs.
1) S. 317—353 = 37 S. in Grossolstav. Man vergleiche besonders den dritten Abschnitt (S. 350 = 34 ff. , der die Überschrift trägt: Das Verhältnis zu den semitischen Sprachen. Meiner Meinung nach stammen diejenigen Semiten, welche der ägyptischen Urbevölkerung Kultur und eino neue Sprache gaben, von Ostarabieu, dem Grenzlande Babylonie'
3 I
Hommel, Delitzschs und Haupts Beiträge zur Assyriologie. 531
u. Abh., 92 ff. u. 114 ff", und schon vorher ZDMG. 44, 535 ff.), die er seltsamerweise ganz ignoriert, liegt in Philippis Zurückführung
des Imperf jakbul auf jakabul , aus welch letzterem dann auch
durch Accentzurückziehung das Präs. jakabul entstanden sein soll
(S. 375); meine These (zu welcher man jetzt auch noch die be¬
stätigenden Ausführungen meines Schülers Ernest Lindl, „Die
babyl.-ass. Präsens- und Präteritalformen", Müncben 1896 vergleiche) lautete bekanntlich: „Grundform des semit. Imperfekts (bezw. Präsens)
jikdbul '); daraus dann durch Zurückziehung des Accents die ur¬
sprünglich für den Jussiv verwendete Form jlkabul, aus der natür¬
lich , da das a nicht mehr durch den Ton geschützt war , jikbul
werden musste". Wenn das Perfekt von Anfang an Icabül gelautet
hätte , dann wäre aus ji-kahul überhaupt gleich jikbul geworden ;
aber die babyl. Flexion des Perfekt {kabul, kabtat, kabidta etc.)
lehrt, dass der Accent ursprünglich auf der ersten Silbe (also kdbul
bezw. kdbii) lag , und dass die westsemitische Betonung kahdla -)
erst eine sekundäre Neuerung ist. Direkt beweisen kann man ja
solche Sachen nie für alle, aber meine diesbetreffende Aufstellung
hätte doch zum mindesten eine eingehende Diskussion verdient. Die
Stellung , die man zu solchen Fragen einnimmt , hängt natürlich
auf das engste mit der Anschauung , die einer von der uralten
semitischen Litteratursprache der Babylonier hat , zusammen ; wer
hier aus dem Vollen schöpft, wird so manche Erscheinungen mit
einer andern Brille betrachten.
Nun zu Fränkel's epochemachendem Aufsatz, der zunächst
an Barth's „Etymologische Studien" anknüpft, aber dessen oft glück¬
lichen, oft aber auch bedenklichen Vergleichungen, die auf der An¬
nahrae basieren , dass jeder Lautwandel nur auf lautliche Gründe
zurückgeht, durch folgende Thesen erweitert, bezw. einschränkt:
a (vgl. S. 61), Sporadischer Lautwandel entsteht dadurch, dass ein
Wort, durch die Bedeutungsanalogie eines seinem Begriffskreise
verwandten Wortes angezogen, sich ihm auch lautlich annähert
(z. B. ,iSsi>.yo mischen, hebr. aber ':j073, wegen dgs begriffs verwandten
■tjo: giessen); b (vergl. S. 62), Lautähnliche, begriffsverwandte
Wörter assimilieren sich in ihren Bedeutungen, die Bedeutung eines
1) Aus dem Perfekt kabul durch ein Beziehungspräfix ji , welches erst hei der Flexion durch Pronominalelemente (2. s. takdbul, 1. pl. ni-kdbul) ersetzt wurde, gebildet.
2) Bei ka'mla (hobr. käbbl) und kabila (hebr. käbil) hat im westsemi¬
tischen wenigstens noch das äthiopische (in seinem kdbla) die alte Be¬
tonung bewahrt, gegenüber kabdla (hebr. käbdl, aram. kebdl, äth. kabdla).
Die Vokalisation kabala ist überhaupt erst im westsemitischen durcb Vokal¬
harmonie aus kabula und kahila, um Transitiva auch äusserlich von den In¬
transitiven zu differencieren, entstanden; dass fcaWZ einst auch für die Transitiva in Gebrauch war, lehrt ja allein schon das Part. Act. kdbil (durch Dehnung aus kabil differenciert) , wozu man auch die entsprechenden Nomina der Form kabil, die im arabischen oft kabal neben sich haben (z. B. katif, kataf Schulter) vergleiche.
Wortes kann durch Einwirkung eines ihm lautähnlichen begriffs¬
verwandten Wortes nach dessen Richtung specialisiert werden (z. B.
ynn scharf, sauer sein, aher auch „bedrücken", weil das laut¬
ähnliche und zugleich begriffsverwandte DUn letztere Bedeutung
hat). Wenn Fraenkel am Schlüsse seiner wertvollen Bemerkungen
zu einzelnen Vergleichungen Barths (S.63 —83), denen er noch
beherzigenswerte methodologische Winke (S. 83—85) beifügt , auf
S. 86 mit Recht ein gründliches Studium von Barths Broschüre
jedem semitologischem Sprachvergleicher ans Herz legt, so darf
mit gleichem Recht eine solche Forderung für Fraenkels Aufsatz
gemacht werden. Ich habe seit langem nichts so lehrreiches und
zugleich mich überzeugenderes gelesen als diese 27 Seiten , und
die vielen weiteren Wahrnehmungen , die ich besonders aus dem
(auch schon von Fraenkel herangezogenen) Gebiet des A'^ulgär-
arabischeni) und aus dem Babylonisch-Assyrischen beibringen könnte,
bestätigen im wesentlichen nur die Aufstellungen Fraenkels. Für
heute begnüge ich mich , zu S. 84 auf die von mir (nicht von
Jensen) zuerst aufgestellte Gleichung lahru, westsem. rahü, und
zu S. 85 (tunesich sid „Löwe" gegenüber asad) auf Hudh. 87, 9
hinzuweisen , um dafür noch etwas ausführlicher bei der letzten
sprachvergleichenden Abhandlung, die ich zu besprechen habe , der
von Praetorius, zu verweilen.
„Über die hamitischen Sprachen Ostafrikas" betitelt sich dieser
wichtige, Bd. II, S. 312—341 abgedruckte Aufsatz des hier ganz
besonders kompetenten Hallenser Semitisten. Seit Jahrzehnten hat
ja Praetorius nicht bloss den afrikanisch - semitischen Sprachen
(äthiopisch und amharisch) , sondern auch den sog. kuschitischen
Idiomen, und um diese handelt es sich hier, seine spezielle Auf¬
merksamkeit zugewendet, wie ausser verschiedenen kleineren Studien
vor Allem seine Galla - Grammatik kundthat. Wenn wir dem
Sammeleifer Leo Reinisch's die meisten Materialien für diese bis
vor Kurzem noch so wenig gekannten Sprachen verdanken , so ist
es Praetorius' grammatische Begabung, die ihn vielfach tiefer ein¬
dringen liess als seinen Wiener Kollegen, und es ist deshalb gewiss
von besonderem Wert, wenn gerade Praetorius es unternommen bat,
„den Eindruck , den er von den Verhältnissen der kuschitischen
Sprachen empfangen, in groben Linien wiederzugeben." Und auch
wenn ich, der ich ebenfalls seit 20 Jahren diese Forschungen ver¬
folge, in einigen Hauptpunkten Praetorius widersprechen muss, so
bleibt es immer interessant, von ihm ein zusammenfassendes Urteil
über die Probleme, die diese merkwürdigen Idiome uns aufgeben,
zu hören. Aber nicht bloss interessant, sondern in höchstem Grade
1) Hier liegt nocli eine Fülle neuen Materiales verborgen , besonders in den durcli Graf Landberg zugänglich gemachten südarabischen Dialekten; vgl.
vor allem das eben erschienene grosse Werk L'Arabie Meridionale, vol. I Hadbramüt.
Hommel, Delitzschs und Haupts Beiträge zur Assyriologie. 533
lehrreich ist sein Aufsatz, und ich will denn auch zuerst mich
daran machen , das darin auf jeden Fall Bleibende gebührend her¬
vorzuheben. Er wird es mir dann auch nicht übel nebmen, wenn
ich zu anderen seiner Aufstellungen mich in direkten Gegensatz
setzen muss.
Da ist nun vor Allem der glückliche Nachweis zu betonen,
dass die sog. postfigierende Konjugation des Galla, Somali, Sabo
und anderer kuschitischer Sprachen nur scheinbar dem semitischen
Perfektum entspricht, welches vielmehr in diesen Sprachen (wie um¬
gekehrt im Altäg. das Imperfekt) ganz verloren gegangen ist, sondern dass hier lediglich ein postfigiertes Imperfekt eines Hilfsverbs vor¬
liegt, so z. B. im Saho
Sing, bete er ass Plur. beten sie assen
bette sie ass
bette du assest betten ihr asst
bete icb ass benne wir assen,
wo also in Wirklichkeit das Iraperf eines Hilfsverbs e, bezw. ä
„sagen' in der bekannten Flexion
Sing, e (aus je, vgl. von ke: jakke „ich werde sein"
te takke
te takke
e akke
PI. en (aus jen) jakkin
ten takkin
ne nakke)
dem Stamme het „essen" angefügt ist. Charakteristisch ist imn,
dass, während doch der Araber sagt jakünu (bezw. Jakun, jaku)
akala er wird gegessen haben, und nicht etwa akala jaku, hier
dieses Hilfsverb in ganz unsemitischer Weise postfigiert wird. Dass
das zunächst mit weiteren ebenfalls ganz unseraitischen Vorgängen
in der Formenlehre in diesen Sprachen im Zusammenhang steht,
hat Prätorius S. 326 ganz richtig in folgender Weise formuliert:
„Ich raeine, dass rait der (oben geschilderten) Suffixflexion
zusammenhängt die Unvei änderlichkeit der Wurzel ') und der
Hintenantritt der Stammbildungszusätze -), während die Präfixflexion
(d. h. das gewöhnliche, nicht in Form eines angehängten Hilfsverbs
auftretende Imperfekt) Hand in Hand geht mit Veränderlichkeit
der Wurzel') und Vornantritt der Stammbildung.szusätze."
1) Vgl. darüber die lichtvolle Auseinandersetzung S. 326 — 3:^2. Dabei ist Veränderlichkeit der Wurzel eine spezioll dem Semitischen eigene Erscheinung, Unveränderlichkeit aber ein Charakteristikum der altaischen etc. Sprachen, im Altertum auch des sumerischen (z. H. da// verdoppeln. dil> schlagen, du// Tafel).
2) Bekanntlich fügt ein Teil der sog. kuschitischen Sprachen das Kaus.-*, das IJetie.\iv-< und das (wohl aus j» entstandene) l'iissiv-»i hinten an, z. B.
bä herausgehen, bäs herausfuhren; im Galla uml Agau herrscht nur diese Art, bei andern (Bishari, 'Afar. Suho; wenigstens bei den unveränderlichen Wurzeln, während die veränderlichen nach semitischer Art .jene Elemento vorn antreten lassen.
3 8 *
Bis hieher kann ich Praetorius nur rückhaltlos folgen. Auch
er hetrachtet ja die kuschitischen Idiome mehr oder weniger als
Mischsprachen, in denen echt Semitisches und ganz ünsemitisches
(bei welch letzterem zunächst das Nubische in Betracht zu ziehen
sein wird) in merkwürdiger Weise sich ablösen; und zwar scheint
er (vgl. z. B. S. 327 unten) das Semitische als das ursprüngliche
Substrat anzusehen , da er die veränderlichen Wurzeln den unver¬
änderlichen gegenüber als das primäre betrachtet.
Nun aber kommt im IV. Abschnitt (S. 334 ff.) eine linguistische Unklarheit, bezw. ein ling. Widerspruch, der die sonst so wertvollen
Einzelbeobachtungen auch dieses letzten Kapitels in schiefes Licht
setzt. Praetorius nennt nämlich die ganz unsemitiscbe Wortstellung,
welche den meisten kuschitischen Sprachen (worin sie offenbar vom
Nuba beeinflusst sind) eigen ist, „vorbauend", die semitische Syntax dagegen „hinterbauend", und meint nun, dass der postfigirende Formenbau z. B. des Galla durchaus seiner „hinterbauenden" Syntax
innerlich entspreche , und dass z. B. Bischari (Bedscha) , Afar und
Saho, deren Formenbau zu einem erheblichen Teil präfigierend ist,
eben deshalb auch ausgesprochen „vorbauende" Syntax aufweisen.
Wie Prätorius vorher (z. B. auf S. 326 rmd 327) die Veränder¬
lichkeit der Wurzel und die Präfixflexion (gegenüber dem postfigierten Imperfekt des Hilfsverbs) als das primäre angesehen hatte, so glaubt
er nun (S. 334), sei dementsprechend der vorbauende Charakter der
kuschitischen Syntax das ursprüngliche. Dennoch aber erklärt er
auf derselben Seite, dass bei diesem (scheinbaren) Zusammenstimmen
kein tieferer gemeinsamer Grund vorliege , dass vielmehr hierin
lediglich Zufall zu suchen sein werde , und schliesst diese ganze
Wahrnehmung mit den Worten „und in den Agau-Sprachen stehen
Formenbau und Syntax in dem denkbar schärfsten Gegensatz zu
einander: der Formenbau ist ganz postfigierend, während die Syntax
durchaus vorbauend ist."
Aber in Wirklichkeit ist das letztere gerade das zu erwartende,
so dass also in diesem Fall von einem Gegensatz absolut nicht die
Rede sein kann. Was Prätorius „vorbauende" Syntax nennt, ist
altaische Syntax (um das Altaische als typisches Beispiel hierfür
anzuführen), und ihr muss notwendiger Weise postfigierender Formen¬
bau entsprechen (vgl. nur das Türkische), während das dem diametral
gegenüberstehende Semitische von Haus aus, um mit Prätorius zu
reden, „hinterbauende' Syntax aufweist, dafür aber präfigierenden
Formenbau (z. B. sakbala, i'ktabala, nakbula oder inkabala) hat ').
Das ist ein Grundgesetz der Linguistik, und es bildet folgerichtig nun auch den Schlüssel für die richtige Auffassung der kuschitischen
Sprachen. Sehen wir uns danach nun einmal den Befund bei den
1) Das Altägyptische und das Berberische (letzteres wohl auch eine Misch¬
sprache, lexikalisch altlibysches Substrat, aber mit rein semitischer Formenlehre und Syntax) stehen in dieser Hinsicht mit dem Semitischeu auf gleicher Stufe.
3 8 *
Hommel, Delitzschs und Haupts Beiträge zur Assyriologie. 535
einzelnen dieser Sprachen genauer an, wobei immer noch die Frage
Olfen bleiben soll, ob das Semitische oder das Turanische (dieser
Ausdruck ist hier gerade wegen seiner Unbestimmtheit bequemer
als altaisch) das ursprüngliche oder das erst eingedrungene ist;
ich ersetze den Ausdruck „vorbauend" hier durch „Tui-anisch", wofür ich schliesslich auch nubisch sagen könnte'), und „hinterbauend"
durch „Semitisch":
Bedscha: Wurzeln zu erheblichem Teil veränderlich (semitisch).
Die veränderlichen Wurzeln haben die Verbalstamm-
bildungselemente vorn (semitisch), die unveränder¬
lichen hinten (Prätorius, S. 333).
Konjugation: postfigierte Hilfsverba.
Syntax: ausgesprochen turanisch (S. 334), vgl. dazu
Genitiv + Nomen (S. 336), und die Postpositionen.
Formenbau dagegen erheblich präfigirend (S. 333. 334),
also semitisch.
Agau-Dialekte (Chamir, Bilin. etc.): Wurzeln unveränderlich (S. 326).
Formenbau: postfigierend (S. 334).
Konjugation: postfigierte Hilfsverba (S. 326).
Syntax: turanisch (S. 334), z. B. Gen. + Nomen, Post¬
positionen, Subj. -(- Obj. -|- Verb.
Saho: Wurzeln zu erheblichem Teil veränderlich (S. 326).
Konjugation : noch sehr häufig das gewöhnliche semit.
Impf, (und zwar bei den veränderlichen Wurzeln).
Formenbau : erheblich präfigierend (S. 333. 334).
Syntax: ausgesprochen turanisch (S. 334), z. Beispiel
Gen. + Nomen (S. 336), Postpos. (S. 338).
Afar (Danäkil): wie Saho.
Somali: Wurzeln zum kleinen Teil veränderlich, die Mehrzahl
dagegen unveränderlich (wie im Galla und Agau).
Konjugation: das eigentliche Impf, bereits sehr stark
zurückgegangen, das postfigierte Impf, des Hilfsverbs fast allein herrschend geworden.
Formenbau: suffigierend (Kaus. -s, Refl. -t, Pass. -m).
Syntax: gleich der des Galla semitisch („hinterbauend"),
so z. B. Nomen -f- Genitiv (aber doch daneben auoh
Gen. + Nomen S. 336, und vgl. auch die bereits
klar erkennbaren Spuren des alten hinten ange¬
hängten Relativelements m, welch letzteres z. B.
im Bedscha, vgl. Almkvist S. 148, präfigiert, also
in semitischer Stellung, begegnet).
1) Das Nubisclie ist der Syntax und der Stellung der Pormbildungselemente nach ganz turanisch; die einzige Ausnahme ist die Stellung des Adjektivs nach dem Subst. , jedoch (wie im Sumerischen und Baskischen) so , dass das Kasus¬
suffix an das Adj. angehängt wird, z. B. bö düwi-n nögi „Vater -f- alt -)- Gen.- Suffix -\- Haus" = das Haus des alten Vaters.
Bd. LV. 35
Galla: Wurzeln alle unveränderlich (S. 326).
Konjugation : ausschliesslich das postfigierte Impf, eines Hilfsverbs.
Formenbau: suffigierend (wie im Somali und Agau).
Syntax: semitisch (S. 334), also z. B. Nomen + Gen.
(doch urspr. offenbar umgekehrt (S. 336), wie noch
deutliche Reste beweisen, ebenso auch noch Reste
von Postpositionen (S. 337), sowie einige andere
Spuren turanischer Syntax (S. 339), so z. B. auch
Verbum am Schluss des Satzes (S. 340); ebenso
spielt das alte angehängte Relpron. -m bei der
Verbal-, Nominal- und Pronominalbildung eine
hervorragende Rolle, noch weit mehr als ira Somali).
Zum Schluss dieser Aufzählung sei noch darauf hingewiesen,
dass das semitische Amharisch (ein ursprünglich gleich dem
Ge'ez von der Mahra-Küste nach Abessinien verpflanzter südarabischer
Dialekt, worauf sogar noch der Name hinweist) in der Syntax, vom
Agau beeinflusst, durchaus turanisch geworden ist.
Es ist nun zunächst ganz klar, dass der sog. turanische Ein¬
fluss in allen diesen kuschitischen Sprachen vom Nuba ausging,
welches wiederura in ganz Afrika eine isolierte Stellung hierin
einnimmt , was auf Einwanderung von Elam her hinweist '). Das
Altägyptische und Berberische (letzteres als schon in prähistorischer Zeit ägyptisiertes Libysch aufzufassen) zeigt diesen Einfluss überhaupt
nicht, und unter den kuschitischen Sprachen zeigen ihn wiederum
die Agau-dialekte (das ,Hochkuschitische" Reinisch's), die dem Nuba
geographisch am nächsten sind, am stärksten. Das linguistische
Problem ist nun bei den kuschitischen Sprachen folgendes: sind
dieselben ursprünglich Nuba-Dialekte , welche im Laufe der Zeit
mebr oder weniger seraitisiert wurden, oder aber urspr. semitische
Sprachen, welche durch den Einfluss des Nuba alhnählich raehr oder
weniger turanisiert wurden? Für erstere Möglichkeit spricht, dass
der Wortschatz im Grossen und Ganzen so unsemitisch wie möglich
ist -), für die zweite Möglichkeit dagegen , dass die Formelemente (seien sie nun prä- oder suffigiert) grösstenteils semitisch, und zwar dem ältesten Seraitischen angehörend, sind (vgl. das Kausativeleraent ferner die Personalpronomina Charair hüt ,du", hüten jibr", babj-1.
hll'atu, pl. ku'atunu, oder Saho ata ,du", pl. atin, babyl. attä,
attunu , dagegen westsemitisch antuniü). In jedera Fall sind die
kuschitischen Sprnchen recht eigentlich als Mischsprachen auf¬
zufassen. Die Idee einer einheitlichen „hamitischen" Spraehfamilie ist ohnehin ganz aufzugeben : auch das Altägyptische und Berl)eri.sche
1) Man beachte dazu, dass das Volk der Kesh erst seit der 12. Dyn.
im SUden .Vgyptens auftaucht , also offenbar erst kurz vorher eingewandert ist.
2) Auch mit den nichtsemitischen Bestandteilen des Altägyptischen deckt er sich nur gelegentlich , z. B. (.'hamir hib frieren , äg. heb kUhl ; win gross, äg. wr; erum, ib.to „woiiien ', .Hg. rm (sumerisch lim) etc.
Hommel, Delitzschs und Haupts Beiträge zur Assyriologie. 537
sind Misclisprachen , aber wiederum in ganz anderem Mischungs-
verbältnis. Das einigende Band zwiscben ibnen und dem Kuschitiscben
bildet lediglich das gemeinsame babylonisch - semitische Substrat,
wie -es vor allem klar aus den Formelementen hervorgeht'). Aber
während das Lexikon des Altägyptischen eine grosse Anzahl sumerischer
Lehnwörter aufweist , scheint das Lexikon der Berbersprachen , die
doch grammatisch und syntaktisch dem Altägyptischen so überaus
nahe stehen, wieder auf ganz andere Grundlagen der Beimischung
(Altlibysch, die Sprache der Ureinwohner Ägyptens?) hinzuweisen,
wie andererseits der kuschitische Wortschatz grossenteils wieder
andere Elemente (Nuba?) zu enthalten scheint. Hier hat die ver¬
gleichende Wortforschung zunächst einzusetzen, damit wir von diesen
allgemeinen, sich zunächst aufdrängenden Eindrücken zu gesicherten
Resultaten fortschreiten. Über allen Zweifel erhaben ist zunächst
nur das eine , dass lediglich in den kuschitischen Sprachen ein
turanischer (bezw. nubischer) Einfluss sich geltend gemacht hat, der
also kaum vom Sumerischen stammen kann , auch kaum von dem
uns sonst unbekannten Altlibyscben , da er sich ja sonst doch vor
allem im Altägyptischen und den Berbersprachen zeigen müsste, die
im Gegenteil die reinste semitische Syntax, die man sich nur denken
kann, aufweisen-).
Da vom vierten Band der „Beitrüge" nur noch das Schhissheft aussteht , so hoflFe ich recht bald , und diesmal nicht so verspätet, den Lesern der „Zeitschrift" auch über diesen sehr reichhaltigen
und wieder eine Fülle gediegener Abhandlungen bringenden Band
berichten zu können. Jedenfalls hat sich das ZDMG. 46, 573 f.
ausgesprochene Lob im Lauf der Jahre als ein dauernd berechtigtes
erwiesen , und wir können diesem schönen Unternehmen nur von
Herzen einen gedeihlichen Fortgang wünschen.
Fritz Hommel.
1) Darüber orientiert am besten mein Aufsatz in den „Beitragen", wozu man weiter das 4. Kapitel raeiner Broschüre „Der babyl. Ursprung der ägypt.
Kultur" vergleiche.
2) Es ist deshalb auch höchst unwahrscheinlich, dass (wie Erman, die Fle-xion des altäg. Verbums, S. 3Gf.) meint, die Sprache Nubiens die Reste dessen darstellt, was die älteste Urbevölkerung Ägyptens gesprochen haben soll, und dass die alten Ägypter lediglich als „semitisierte Nubier" zu betrachten wären.
Warum findet sich denn dann gerade im Altägyptischen und Berberischen keine Spur jener nubischen Syntax, welche den kuschitischen Sprachen ihren charakte¬
ristischen Stempel aufgedrückt hat?
Rev. Albert Kropf, D. D., Superintendent of tke Berlin
Mission, A Kaffir-Englisk Dictionary. Smith
Africa. Lovedale Mission Press 1899. VIII 486 S. Lexikon-
Oktav.
Vorstehendes Buch stellt einen erhehlichen Fortschritt in der
afrikanischen Linguistik dar. Der Verfasser vs^eilt seit dem Jahre
1845 als Missionar unter den Kaffern, deren Sprache er in diesem
Werk fixiert hat. Er hat also in einem langen Leben Gelegenheit
gehabt, die Sprache gründlich zu studieren. Diese sich ihm bietende
Gelegenheit hat er um so eifriger benutzt, als sein Amt selbst ihn
dazu veranlasste gründlich in die Geheimnisse der Kaffernsprache
einzudringen. Er hatte nicht die Absicht gehabt, ein solches Wörter¬
buch herauszugeben, er hatte ursprünglich sich nur linguistische
Sammlungen für seinen privaten Gebrauch angelegt , wie das ein
jeder Missionar zu thun pflegt. Diese Sammlungen waren im Laufe
der Jahre immer umfangreicher geworden. Bei Gelegenheit der
Revision des Textes der kafferschen Bibelübersetzung leisteten diese
handschriftlichen Sammlungen so vorzügliche Dienste, dass die Mit¬
glieder des betreffenden Komitees den Sammler zur Herausgabe
drängten. Damals fehlte es ihm an Zeit zur Fertigstellung der
Sammlungen für den Druck, und es kam erst auf wiederholtes
Drängen von verschiedenen Seiten dazu. Im Jahre 1895 hat der
Druck begonnen und ist erst im Dezember 1899 beendigt worden.
Kropf hat selbstverständlich seine Vorgänger fleissig benutzt,
aber seine Arbeit übertrifft alles Andere, was uns in kafferscher
Sprache bisher vorlag, besonders nach zwei Seiten.
Zunächst hat Kropf endlich begonnen die Laute durch die
Schrift zu unterscheiden, die im Kafferschen für das ungeübte Ohr
des Europäers gleichklingen, aber für ^das Ohr der Eingeborenen
ganz verschieden sind. Es ist das von sehr grossem Wert fiu- die
Sprachwissenschaft. Nun erst können wir die Entwickelung der
Laute . im Kafferschen sicher verfolgen und vergleichende Studien
mit anderen Bantusprachen anstellen. Wenn Kropf auch hier noch
einige Unterschiede der Laute unberücksichtigt gelassen hat, so ist
doch der Portschritt gegen seine Vorgänger ein sehr grosser.
Ein zweiter grosser Vorzug des Buches liegt in der FüUe von
sicherem Sprachgut, das es bietet. Schon der Umfang des Buches
zeigt, wie Vieles darin geboten ist. Kropf hat nun aber seine
Spalten nicht mit allerlei Vermutungen und unklaren Hypothesen
gefüllt, sondem er hat Wort um Wort verzeichnet, wie er es in
der Sprache fand, und hat Beispiele aus dem lebendigen Sprach¬
gebrauch hinzugefügt. An etymologischem Material bietet er
wenig , nach meinem Geschmack zu wenig — und doch muss ich
ihm mit seiner weisen Beschränkung rechtgeben. Auf welche Ab¬
wege kaffersche Etymologie geraten kann, dafür bot Döhne (A
Zulu-Kafir Dictionary. Cape Town 1857.) ein wamendes Beispiel.
Meinhof, Kroiifs Kaffir-English Dictionary. 539
Von ihm wurde der lebendige Sprachgebrauch gewissermaassen nur
nebenher aufgeführt, die Grundbedeutung wurde aus Formen ab¬
geleitet, die Döhne für Wurzeln hielt. Dabei that er der Form
der Worte Gewalt an, denn er unterschied nicht einmal die Laute,
die der KaflFer heute noch durch die Aussprache unterscheidet. Dass
die heute gleich ausgesprochenen Silben und Laute aber etymologisch
ganz verschiedenen Ursprungs sein können , davon wusste Döhne
Nichts. Aber auch der Bedeutung der Wörter that er Gewalt an,
wie ein Blick in sein Wörterbuch lehrt.
Dem gegenüber hat Kropf das Etymologisieren ausserordent¬
lich beschränkt. Die Lautunterschiede waren ihm zwar besser be¬
kannt als Döhne, aber die Entwickelung der Laute aus einander und
die Elemente der Wortbildung waren ihm doch noch nicht ganz
geläufig. Deshalb that er in vielen Fällen besser, auf die Etymologie
zu verzichten und sorgsam zu notieren, in welcher Bedeutung das
Wort gebraucht wurde. Dadurch ist das von ihm Gebotene völlig
unverdächtig, und das Buch ist ein Schatz für den praktischen
Arbeiter unter den KafFern und eine Fundgrube von Sprachgut für
den Linguisten.
Wie die meisten unserer Veröffentlichungen in afrikanischen
Sprachen, so leidet auch dies Buch darunter, dass es zugleich
praktischen und wissenschaftlichen Zwecken dienen soll.
Ein Wörterbuch, das wissenschaftlichen Zwecken dient, wird
in den Bantusprachen ebenso wie in den semitischen nicht nach
Wörtern, sondern nach Wortstämmen geordnet sein. Die Derivate
zu einem Stamm werden mit Präfixen und Suffixen gebildet, und
es liegt nahe, dass es für eine gründliche Kenntnis der Sprache
wichtig und nötig ist, dass man die Derivate bei ihrem Stamm¬
wort findet.
Eine rein praktischen Zwecken dienende Wortsammlung kann
nun darauf keine Rücksicht nehmen. Der Praktiker will die Wörter,
wie er sie nun einmal hört und liest, im Wörterbuch aufschlagen
können; und da kann man die Wörter dann nicht naoh Stämmen
ordnen, sondern man muss sie alphabetisch aneinanderreihen.
Die Sache wird nun dadurch aber noch schwieriger , dass die
Wörter mehrere Präfixe um sich haben können, und ausserdem ein
oder mehrere Suffixe anfügen können. Durch diese Präfixe und
Suffixe wird Anlaut oder Auslaut oder Beides unter Umständen
verändert , neue Konsonanten treten hervor nach gewissen Laut¬
gesetzen, und die Frage erhebt sich nun : Wo soll das betreffende
Wort gesucht werden ? Wird streng nach wissenschaftlicher Methode
verfahren, so müssen eben auch alle diese veränderten Formen unter
dem Stammwort stehen. Dazu gehört dann , dass die Leser über
alle Präfixe vor Suffixe , sowie über die betreflfenden Lautverände¬
rungen orientiert sind — eine Voraussetzung; die meines Wissens
bei keinem Leser des Buches zutrifft.
Geht man aber aus praktischen Eücksichten auf die Stämme
gar nicht ein, dann steht uku-bona , sehen' unter«, im'boni nnier
i, ebenso isiboninge, im'boniseli, im'boniselo etc. Und das ist
wieder sehr uupralctiscb.
Aus diesem Dilemma hat sich Kropf gezogen, indem er einen
Mittelweg einschlug.
Auf die Präfixe wurde bei der alphabetischen Reihenfolge keine
Rücksicht genommen. Freilich wird auch dieser Grundsatz nicht
allgemein durchgeführt, z. B. ulw-avila, plur. iz-a-mvila gehört
olfenbar nicht unter l, der Stamm ist ja ofi'enbar avüa — noch
besser vüa. Bei Kropf steht es unter l als Lwavüa, als wäre u
das Präfix, während es ulu lautet. Der Grund ist, dass ulu im Kaffir
meist zu u geworden ist. (Übrigens ist es mir auch sehr zweifel¬
haft, ob bei den mit ny beginnenden Substantiven ny wirklich zum
Stamm gehört und nicht vielmehr als Präfix anzusehen ist.)
Ausserdem schiebt sich ein -a- nicht selten nach dem Präfix
ein , das nun als zum Stamm gehörig behandelt wird. So gehört
z. B. isafobe nicht zu Afobe, sondern zu Fobe, isagqüe nicht zu
Agqüe, sondern zu Gqüe u. s. w.
Am Schwierigsten wird die Sache da, wo durch das Präfix der
erste Konsonant verändert wird. Diese Veränderungen sind ja im
Kafir in der Schrift meist nicht auffallend, aber an einigen Stellen bereiten sie doch bedenkliche Schwierigkeiten.
Dass b durch vorgesetztes im (Präfix der 9. Klasse Bleek) regel¬
mässig zu 'b (bb) wird, hat Kropf klar erkannt. Da er b und 'b
ira Alphabet nicht scheidet, macht sich die Sache leicht. Ähnlich
ist es mit 'k, H, 'p, das durch Nasalierung zu ink, int, imp wird.
Aber wo l der Regel nach mit in zu ind wird, ist der Sache nicht
zu helfen; indevu „Barf steht also nicht unter -Lemi, wo es hin¬
gehört, sondern unter Devu.
Bei den tönenden Lateralen hilft sich Kropf, indem er die
Frikativa yl und die Explosiva dl beide mit dl schreibt. Das
Lautgesetz in -u == indi tritt dann zwar nicht zu Tage , auch
ist zu befürchten, dass die Aussprache von yl und dl nicht immer
soi'gsam geschieden wird, aber die Schwierigkeit für das Wörter¬
buch ist thatsächlich gehoben. Anders liegt die Sache bei den
tonlosen Lateralen. Hier unterscheidet Kropf id für die Spirans
und tl für die Explosiva. Das Lautgesetz in + hl = inti ist zwar
ganz einfach , aber Kropf hat die Derivate von hl nach Klasse 9
doch unter tl gesetzt. Dort giebt es nun unausgesetzt Verweisungen auf hl.
Die Derivate von Wörtern, die mit s beginnen (nach Klasse 9),
bilden ints; Kropf stellt sie daher unter t, als wenn der Stamm
mit t anfinge. Das ist umsoweniger zu empfehlen , als dies t ja
rein euphonischer Laut ist. der durch die Verbindung von n und
s entstand. Konsequenter Weise wären die Derivate von z mit
iiidz zu schreiben . wie sie gesprochen werden . und unter d zu
setzen. Kropf schreibt aber hier inz unter z.
Meinhof, Kropfs Kaffir- English Dictionary. bil
Noch schwieriger liegt die Sache hei den Suffixen.
Hier hat Kropf nur die ganz bekannten Suffixe berücksichtigt.
Wörter mit seltneren Suffixen behandelt er als Stammwörter ; Wörter,
welche den Stammkonsonanten verändern, sind bei dem Wortstamm
in der Regel nicht aufgeführt. Das giebt nun zum Teil merk¬
würdige Resultate.
So folgen z. B. auf hona „sehen": bonabona, bonana, bone-
lana, bonelela, bonisa, bonisana, bonisela, bonisisa; ferner um-
Boneli, um-Bonelo , i-Boni, im-'Boni, um-Boni u. s. f. bis um-
Bono — weil das Alles als von -bona abgeleitet erkannt ist. Aber
dann kommt als neuer Stamm bonakala „erscheinen", dessen Ab¬
leitung von -bona doch gar keinem Zweifel unterliegt.
So werden die Kausativa auf ya, die Inversiva und Intensiva
auf uka, ula, die Stativa auf -ama stets als Grundworte behandelt,
obwohl sie ebensogut Derivate sind, wie die Verba auf -anu, -eia, -isa.
So z. B. bozisa „verfaulen machen" steht nicht unter bola
„verfaulen". Die Bemerkung „probahly fr. uku-bolisa'^ zeigt auch,
dass dem Verfasser die Gleichung l -\- ya = za nicht geläufig ist.
Ähnlich war hlanza zu hlamba , busa zu buka , buza zu bula,
calucaluza zu calucalula, am'besa und am'bula zu am'ba'ta zu
stellen. Der Verfasser hat sich bemüht , diese Unzuträglichkeiten
durch Verweisungen thunlichst zu mildern , ura allen Ansprüchen
gerecht zu werden.
Die Lautunterscheidungen , die ich vermisse , sind Polgende :
Die Vokale o und o , e und g sind nur zum Teil unterschieden.
Kropf unterscheidet 5 Laute, die bisher durch r bezeichnet wurden,
er hat jedoch nur 3 Zeichen gewählt, um diese Laute auszudrücken.
Über die Bezeichnung von yl und dl mit denselben Buchstaben
habe ich schon oben gesprochen.
Was die Lautbezeichnung anlangt, so hat Kropf für die
Aspiration das Zeichen ' gewählt. Um nicht so viele Lettern zu
haben, setzt er es auf den folgenden Vokal. Ich hätte h vor¬
gezogen. Dies ' springt nun einmal im Druck leicht ab — auch
im vorliegenden Buch ist dies geschehen , obwohl grosse , schöne
Lettern gewählt sind — und wird von den Anfängern gern über¬
sehen. Allerdings stört h die alphabetische Ordnung und würde
nach dem obigen zu den vorhandenen neue Schwierigkeiten bereiten.
Das Zeichen ö statt o für offenes o muss ich unbedingt ablehnen.
Gegen die Bezeichnung der Klixe mit c, q, x ist Nichts ein¬
zuwenden. Sie ist im Kafferschen längst eingebürgert. Uberaus
wertvoll ist es, dass abweichende Aussprache der Klixe durch
einen Punkt bezeichnet und auch angegeben ist, wann die Klixe
aspiriert sind.
Auch das r für die faukalen Laute ist bereits eingebürgert
ira Kaffir. Kropf konnte davon nicht wobl abgehen. Hier wie
bei J, tsh, ty war er an die übliche Schreibung gebunden.
Eins hätte sich aber ermöglichen lassen. Kropf beschreibt in
der Regel den Klang der betreifenden Laute und nicht die Art,
wie sie gebildet werden , z. B. p. 348: R is used for five sounds :
1. For the English sound of r which occurs only in foreign words, 2. Por the sound of ch in loch (Scotch) or g in geven (Dutch),
3. For a stronger and more guttural ch,
4. For a rattling , guttural sound, partaking of the nature of
a click, produced far back in the throat by narrowing it and for¬
cibly emitting the breath,
5. There is an r still stronger t,nan the r under 4 of the
nature of a strong click.
Bei 1., 2. und 4. verstehe ich, was gemeint ist, bei 3 und 5
nicht, weil nicht beschrieben ist; wie der Laut gebildet wird, sondern wie er klingt, und letzteres führt meist nicht zum Ziel. Lehrreicher
und klarer wäre es gewesen , wenn überall genau angegeben wäre,
wie der betreffende Laut entsteht und im Anschluss an das Standard
Alphabet von Lepsius die Lautbezeichnung daneben gestellt wäre.
Das etwa sind meine Wünsche für die Weiterarbeit im Kaffer¬
schen. Sie sollen die Preude an dem schönen Buch Niemand ver¬
derben , sondern zeigen , dass ich aufmerksam und mit grösstem
Interesse gelesen habe. Wie gesagt, das Buch ist eine Fundgrube,
aber nicht nur für den Linguisten. Es enthält eine grosse Fülle
geographischer Namen, eine Menge Namen von Tieren und Pflanzen
und sehr viel interessantes ethnographisches Material. Das Alles
kann ich hier nur andeuten.
Für die Sprachwissenschaft ist es von höchstem Wert , dass
das Kaffersche von einem so sachkundigen Mann fixiert ist, ehe es
gänzlich von europäischen Sprachen überwuchert wird.
Druck und Ausstattung des Buches sind gut.
Carl Meinhof.
543
_ '
Das Apastamba - Sulba - Sutra,
herausgegeben, übersetzt und mit einer Einleitung versehen
von
Albert Bürk (Tübingen).
Einleitung.
In dieser Einleitung zum Äp. Sulb. S. soll eine neue Unter¬
suchung über Herkunft und Entwicklung der ältesten
indischen Geometrie niedergelegt werden. Nun bilden die
hier in Betracht kommenden Quellen bekanntlich Teile der indischen
Eituallitteratur : sie enthalten die Regeln für die Konstruktion der
Altäre, rmd darum auch das hierzu erforderliche geometrische Wissen.
Wir werden also, um die Geschichte der ältesten indischen Geometrie
zu untersuchen , nicht umhin können , damit einige Bemerkungen
über die altindischen Altäre zu verbinden, so sehr es auch richtig
ist, dass deren Pormen teilweise „für jeden nichtindischen Geist an
das Lächerliche streifen.' ')
§ 1.
Die altindischen Altäre und das geometrische Wissen,
welches ihre Konstruktion voraussetzt.
A. Die Anfänge des indischen Opferwesens reichen bis in die
Zeit des Rgveda zurück.-) Dabei interessiert uns hier besonders,
dass dem RV. für Opferzwecke nicht nur die vedi,^) sondem auch
der „dreifache Sitz'*) {trisadhasilia)*) des Agni — also der gärha-
jjatya,^) der ähavaniya und der daksinägni — schon bekannt ist.
Nach den Angaben der Rituallitteratur zu sehliessen , handelte es
sich bei der Ausmessung der Grundflächen jener 3 Feuerstätten
um die Konstruktion von Quadraten, Kreisen und Halbkreisen.
Natürlich ist uns über das hierbei eingeschlagene Verfahren in den
1) Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematili1, 542 (2. Aufl.,S.59 7).
2') Vgl. A. Hillebrandt, Grundriss der indo-arischen Philol., HI. Bd., 2. Heft, S. Ilff.
3) Vgl. Hillebrandt, a. a. 0., S. 14.
4) Vgl. z. B. RV. 5, 11, 2: yajnasya hetum, prathamam purohitam, agnim naras trisadhasthe samidhire.
Bd. LV. 36