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Begegnungen mit giftigen Tieren

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ARS MEDICI 19 2007 F O R T B I L D U N G

Ferien, vor allem in den Tropen, bergen immer gesundheitliche Risiken. Begegnungen mit Giftschlangen und Vergiftungen durch ihren Biss sind Risiken, die sicher nicht zu unter- schätzen sind, den Reisenden jedoch nur selten betreffen.

D I E T R I C H M E B S

Ein 55-jähriger Tourist verspürte beim Filmen von Gorillas im Akagera-Nationalpark in Ruanda einen leichten Schlag am lin- ken Oberschenkel. Wie sich herausstellte, war er auf eine grüne Schlange getreten, die ihn biss. Es handelte sich um eine grüne Mamba (Abbildung 1). Sofort versuchte man, das Bein ober- halb der Bisswunde abzubinden, führte zwei Inzisionen durch die Bissstelle durch, in der irrigen Annahme, das Gift durch Bluten ausschwemmen zu können. Nach zehn Minuten erreichte man mit einem Landrover die Lodge. Der Patient klagte bereits über Taubheit im Mundbereich, kurze Zeit später war eine Ptosis der Augenlider zu beobachten, es traten Sprech- schwierigkeiten auf. Nach etwa einer Stunde erfolgte der Trans- port mit Hubschrauber in das Krankenhaus von Kigali, wo Glu- kose- und Kortison-Infusionen angelegt wurden. Antiserum war nicht vorhanden. Anderntags, zwölf Stunden nach dem Biss, klagte der Patient über Atembeschwerden und über ein Druckgefühl im Brustbereich. Der Zustand verschlechterte sich weiterhin, bis zirka 22 Stunden nach dem Biss Antiserum be- schafft werden konnte, von dem insgesamt zehn Ampullen infundiert wurden. Innerhalb der nächsten Stunden besserte sich der Zustand zusehends, Atembeschwerden und Ptosis gingen zurück. Drei Tage nach dem Biss verliess der Patient das Krankenhaus (1).

Glück gehabt, kann man in diesem Fall sagen, denn nicht sel- ten gehen Bisse durch Mambas tödlich aus, zumal wenn kein Antiserum angewendet wird. Offenbar hatte der Tourist wenig Gift durch den Biss abbekommen.

Giftschlangen, ein Reiserisiko?

Ein Fall wie der oben geschilderte ist glücklicherweise ein sel- tenes Ereignis. Vipern und Ottern (Viperidae) wie die einheimi- sche Kreuzotter, die Klapperschlangen Nordamerikas (Abbil- dung 2) und die Lanzenottern Südamerikas, die Giftnattern (Elapidae) wie die Kobras, Mambas (Abbildung 1), Kraits und die seltenen Korallenschlangen sind die typischen Vertreter der Giftschlangen. Sie verfügen über beidseitig im Oberkiefer liegende Giftdrüsen, in denen sie ein hochwirksames Gift pro- duzieren, das sie mit ihren vorderständigen Röhrenzähnen injizieren. Schlangengift ist eine komplizierte Mischung aus Proteinen, die als Toxine hochwirksam sind und als Enzyme die Verdauung der Beute unterstützen. Je nach der Familien- und Artzugehörigkeit der Schlange variiert das Gift in seiner Zu- sammensetzung und damit in seiner Wirkungsweise oft ganz erheblich (2).

Wirkung des Schlangenbisses

Der Biss einer Giftschlange ruft eine komplexe Vergiftungs- symptomatik hervor. Grob vereinfacht kann man folgende Wir- kungen feststellen (2, 3):

■ Eine neurotoxische Wirkungist für Gifte der Kobras, Kraits, Mambas, der Seeschlangen und der südamerikanischen Klapperschlange (Crotalus durissus terrificus) typisch. Es zeigen sich Symptome wie Lähmung der Augenmuskeln, der Lider (Ptosis), der Gesichtsmuskulatur und der Atem- muskulatur.

■ Eine die Muskulatur schädigende Wirkung charakterisiert die Gifte mancher Seeschlangen, Giftnattern und einiger Vipern, was sich in Muskelschmerzen und dunkelbraunem Urin (Myoglobin) manifestiert, mit der Gefahr des Nieren- versagens.

Störungen der Blutgerinnungsind oft Folge von Vipern- und Lanzenotternbissen mit extrem verlängerten Gerinnungs-

Begegnungen mit giftigen Tieren

Teil 2: Giftschlangen

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■ Jegliche Manipulationen an und um die Bissstelle einer Giftschlange sind zu unterlassen.

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(2)

zeiten bis zur Ungerinnbarkeit des Blutes, die über Wo- chen anhalten kann (Abbildung 3). Die verstärkte Blu- tungsneigung zieht oft schwere Komplikationen (Darm- und Hirnblutung) nach sich.

Ödem, Hämorrhagie und Nekrose um die Bissstellesind für Bisse von Klapperschlangen, Lanzenottern und Vipern typisch.

Nicht einschneiden oder aussaugen!

Wichtigste Erste-Hilfe-Massnahme bei Schlangenbiss (Kasten) ist rasches Aufsuchen ärztlicher Hilfe. Andere Massnahmen wie Einschneiden, Aussaugen der Bissstelle oder Abbinden des Armes oder Beines sind sinnlos und eher schädlich, da man so gut wie kein Gift auf diese Weise entfernt und eine Blutungs- quelle schafft.

Die einzige spezifische Therapie ist die intravenöse Infusion von meist polyvalenten Antiseren, die gegen mehrere Gift- schlangenarten einer Region hergestellt wurden. Sie liegen in der Regel in flüssiger Form vor (10-ml-Ampullen) und müssen kühl aufbewahrt werden. Vom Mitführen unterwegs ist daher dringend abzuraten. Antiseren sind möglichst frühzeitig intra- venös (schnell laufender Tropf) zu verabreichen. Für einen Biss mittleren Schweregrads sind mindestens zwei bis drei Ampul- len à 10 ml nötig. In vielen Entwicklungsländern sind Antiseren allerdings Mangelware, wie der geschilderte Fall zeigt.

Schlangenbisse sind primär kein chirurgisches Problem. Ein massives Ödem ist kein Anlass, eine Fasziotomie durchzufüh- ren, da ein befürchtetes Kompartmentsyndrom eine extreme Ausnahme ist. Selten kommt es zu Infektionen, Tetanuspro- phylaxe ist jedoch angezeigt, Antibiotikaschutz meist überflüs- sig. Spätfolgen einer überstandenen Vergiftung sind allenfalls Nekrosen um die Bissstelle, die in schweren Fällen chirurgische Intervention wie die Amputation des betroffenen Fingers oder Hauttransplantationen bei ausgedehnten Gewebsschäden nach

sich ziehen.

Literatur über www.allgemeinarzt-online.de

Prof. Dr. phil. nat. Dietrich Mebs Zentrum der Rechtsmedizin Klinikum der Universität Frankfurt D-60596 Frankfurt Interessenkonflikte: keine

Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 12/2007. Die Über- nahme erfolgt mit freundlicher Genhemigung von Verlag und Autor.

B E G E G N U N G E N M I T G I F T I G E N T I E R E N ( 2 ) B E G E G N U N G E N M I T G I F T I G E N T I E R E N ( 2 )

ARS MEDICI 19 2007

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Kasten:Erste Hilfe bei Schlangenbiss 1. Betroffenen beruhigen, Panik entgegenwirken.

2. Betroffene Extremität ruhigstellen (Arm in Schlinge, Bein schienen).

3. Ringe und Armbänder entfernen (Ödembildung).

4. Rascher Transport zum Arzt.

5. Kontrolle der Vitalfunktionen.

Zu unterlassen sind:

1. Einschneiden, ausschneiden, aussaugen oder auspressen der Bissstelle.

2. Abbinden der Extremität.

3. Etwas in die Bissstelle einreiben oder einspritzen («Hausmittel»).

4. Bissstelle kühlen oder erwärmen.

5. Konsum von Alkohol oder Kaffee.

Abbildung 1: Grüne Mamba (Dendroaspis jamesoni) aus Ostafrika Abbildung 2: Nordamerikanische Klapperschlange (Crotalus atrox)

Abbildung 3:

Ungerinnbares Blut nach dem Biss einer Lanzenotter (Bothrops asper), rechts normal geronnenes Blut

Fotos: Mebs

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