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Leistungsorientierte Anreizsysteme in Universitäten : eine kritische Analyse der Dienstrechtsreform für Hochschullehrer auf der Grundlage der ökonomischen Theorie und des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes

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Academic year: 2022

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Universität Konstanz

Fachbereich für Politik- und Verwaltungswissenschaften

Diplomarbeit

Leistungsorientierte Anreizsysteme in Universitäten

Eine kritische Analyse der Dienstrechtsreform

für Hochschullehrer auf der Grundlage der ökonomischen Theorie und des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes

1. Gutachter: Prof. Dr. Andreas G. Scherer 2. Gutachter: Prof. Dr. Wolfgang Seibel

Verfasser:

Stefan Poeten Sonnenbühlstraße 38

78464 Konstanz stefanpoeten@gmx.de

Konstanz, den 27. März 2002

(2)

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis ...2

Abbildungsverzeichnis ...4

Abkürzungsverzeichnis ...5

1. Einleitung ...6

1.1 Problemstellung... 6

1.2 Zielsetzung... 9

1.3 Vorgehensweise ... 9

1.3.1 Methodik... 9

1.3.2 Aufbau der Arbeit... 9

2. Ist-Analyse der Universitätsorganisation ...13

2.1 Die rechtliche Stellung der Universität gegenüber dem Staat... 13

2.1.1 Doppelcharakter der rechtlichen Stellung ... 13

2.1.2 Wissenschaftsfreiheit... 14

2.1.3 Grundsatz amtsangemessener Alimentation... 15

2.2 Die Beziehung zwischen den Universitäten... 16

2.3 Die interne Universitätsorganisation ... 16

2.3.1 Konkrete Leitungsstrukturen ... 16

2.3.2 Analytische Bezugsrahmen aus der Organisationstheorie... 19

2.3.2.1 Professional Bureaucracy... 20

2.3.2.2 Garbage Can Model ... 21

2.3.2.3 Loosely Coupled System ... 22

2.3.3 Die Stellung der Professoren ... 22

2.3.3.1 Kompetenzen ... 22

2.3.3.2 Besoldung... 23

2.3.3.3 Qualifizierung ... 24

2.4 Probleme des bestehe nden Systems ... 25

2.4.1 Leitungsstrukturen ... 25

2.4.2 Anreizsystem ... 26

2.4.2.1 Besoldung... 26

2.4.2.2 Interuniversitärer Wettbewerb ... 27

2.4.3 Qualifikationsweg des wissenschaftlichen Nachwuchses ... 27

3. Die Dienstrechtsreform ...29

3.1 Juniorprofessur... 30

3.2 Leistungsorientierte Besoldung... 31

(3)

3.3 Verfahren der Leistungsbewertung... 32

3.4 Umschichtung und Deckelung finanzieller Budgets... 33

4. Die Theorie der Anreizsystemgestaltung ...35

4.1 Definition ... 35

4.2 Theoretische Grundlagen... 36

4.2.1 Principal-Agent-Theorie ... 37

4.2.1.1 Theoretische Verortung... 37

4.2.1.2 Konzeption... 38

4.2.2 Motivationstheorien... 43

4.2.2.1 Theoretische Verortung... 43

4.2.2.2 Konzeption... 45

4.3 Funktionen von Anreizsystemen... 49

4.4 Probleme der Anreizsystemgestaltung ... 52

5. Die empirische Erhebung ...55

5.1 Methodik... 55

5.1.1 Ziel der Erhebung und Forschungsdesign ... 55

5.1.2 Fragebogenkonstruktion ... 56

5.2 Datenanalyse und Ergebnisse ... 58

6. Die Kritik der Dienstrechtsreform anhand von Theorie und Empirie ...63

6.1 Thesen zur Motivationsfunktion... 63

6.2 Thesen zur Selektionsfunktion... 72

6.3 Thesen zur Koordinationsfunktion... 74

6.4 Thesen zur Juniorprofessur und zu sonstigen Problembereichen... 77

6.5 Zwischenfazit ... 78

7. Gestaltungsempfehlungen für Anreizsysteme an Universitäten ...81

7.1 Gestaltungsempfehlungen bei Erhaltung der Organisationsstrukturen... 81

7.2 Gestaltungsempfehlungen bei Änderung der Organisationsstrukturen... 84

7.2.1 Das Konzept der Zielvereinbarungen ... 86

7.2.2 Das Konzept des interuniversitären Wettbewerbs ... 89

8. Schlußbetrachtung ...94

Literaturverzeichnis ...97

Anhang I-IV

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2-1 Zusammenfassung der Leitungsstrukturen der Hochschulor- ganisation

19 Abbildung 2-2 Bandbreite des Grundgehalts von Professoren nach dem

alten Besoldungssystem

23

Abbildung 4-1 Definition von Anreizsystemen 36

Abbildung 4-2 Positiver Nettoeffekt zwischen Preis- und (schwachem) Ver- drängungseffekt

49 Abbildung 5-1 Einschätzung der Eignung quantitativer Leistungskriterien 61 Abbildung 6-1 Negativer Nettoeffekt zwischen Preis- und (starkem) Ver-

drängungseffekt

70 Abbildung 7-1 Neue Entwicklungstendenzen der Leitungsstrukturen der

Hochschulorganisation

85

(5)

Abkürzungsverzeichnis

BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung CHE Centrum für Hochschulentwicklung

CDU Christlich Demokratische Union CSU Christlich Soziale Union

EUR Euro

F.D.P. Freie Demokratische Partei

GG Grundgesetz

HRG Hochschulrahmengesetz

MbO Management by Objectives

NPM New Public Management

PDS Partei des Demokratischen Sozialismus ProfBesReformG Gesetz zur Reform der Professorenbesoldung

(6)

1. Einleitung

1.1 Problemstellung

Die Rahmenbedingungen für die deutschen Universitäten haben sich seit deren letzten grundlegenden Reformierung in den 70er Jahren1 maßgeblich verändert. Dies ist vor allem auf drei Trends zurückzuführen. Erstens hat sich der nationale und internationale Wettbe- werb zwischen den Universitäten verstärkt. Diese Entwicklung läßt sich durch die stärkere Differenzierung im höheren Bildungssystem erklären. Die staatlichen Universitäten geraten zunehmend durch die Bildungsangebote von Fachhochschulen, Berufsakademien und priva- ten Hochschulbildungseinrichtungen unter Druck. Zudem macht die Globalisierung und In- ternationalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft auch vor den Hochschulen nicht halt. Die rechtlichen, kulturellen und technischen Barrieren für einen internationalen Wettbewerb zwi- schen den Universitäten verschwinden zunehmend. Vor diesem Hintergrund wird die Attrak- tivität der deutschen Universitäten sowohl für ausländische, als auch für deutsche Studieren- de in Frage gestellt (vgl. Amrhein 1998: 5). Zweitens ist die Situation der Universitäten durch zunehmende Finanzierungsengpässe des Staates gekennzeichnet. Kontinuierlich steigende Studentenzahlen bei gleichzeitiger Stagnation der zugewiesenen Finanzmittel führten zu einer erheblichen Ressourcenknappheit der deutschen Universitäten (vgl. Hödl/Zegelin 1999:

22 ff.). Drittens läßt sich eine veränderte Erwartungshaltung der Gesellschaft gegenüber den Universitäten feststellen. Gerade wegen unserer zunehmend wissensbasierten und globalen Wirtschaft fordert die Gesellschaft bzw. Politik von den Universitäten „value for money“ ein.

Sie sollen sich stärker an den gesellschaftlichen Notwendigkeiten ausrichten, geraten also unter Rechtfertigungsdruck (vgl. Amrhein 1998: 12 ff.). Den aus diesen drei Entwicklungen entstehenden Handlungsbedarf bringt Roman Herzog in seiner vielbeachteten Rede „Auf- bruch ins 21. Jahrhundert“ folgendermaßen zum Ausdruck: „Wir brauchen einen neuen Auf- bruch in der Bildungspolitik, um in der kommenden Wissensgesellschaft bestehen zu kön- nen. (...) Es geht um eine zentrale Aufgabe. Sie betrifft die Zukunft unserer Gesellschaft ins- gesamt“ (Herzog 1997).

Die Dienstrechtsreform ist als eine Reaktion auf diese veränderten Rahmenbedingungen und den daraus resultierenden Handlungsdruck zu sehen. Sie hat demnach die Leistungssteige- rung, und somit die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des bestehenden deutschen Hoch- schulsystems zum Ziel. Im Juni 1999 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zur Vorbereitung seiner Reformvorschläge eine Expertenkommission „Reform des Hochschuldienstrechts“ berufen. Im Auftrag an diese Expertenkommission waren Zielrich-

1 Diese Universitätsstrukturreform läßt sich auf den Zeitraum von 1967-1976 eingrenzen (vgl. Brinckmann 1998: 53 ff.).

(7)

tung der Untersuchung sowie die zu untersuchenden potentiellen Reformelemente jedoch schon festgelegt. Als zentrale Probleme im Hochschulbereich wurden von der Bundesregie- rung vor allem die lange Qualifikationsdauer von Professorinnen und Professoren2, die Ab- hängigkeit der Promovenden und Habilitanden von ihren Betreuern, sowie fehlende Leis- tungsanreize und mangelhafte Begründetheit und Nachvollziehbarkeit der Differenzierung in der Professorenbesoldung betrachtet. Aus diesem Grund sollte von der Expertenkommission ermittelt werden, wie diese Probleme durch die Einführung einer „Assistenzprofessur“ und eines leistungsorientierteren Besoldungssystems behoben werden können, um das erklärte Ziel der Bundesregierung, die Stärkung der Leistungs-, Innovations- und Wettbewerbsfähig- keit des deutschen Hochschulsystems, zu erreichen (vgl. Expertenkommission 2000; BMBF 2000).

Von seiten der Professorenschaft, insbesondere des deutschen Hochschulverbandes, wurde bereits zu diesem Zeitpunkt grundlegende Kritik an den geplanten Vorhaben laut. Diese be- zog sich unter anderem auch auf die in der neueren Motivationsforschung genannten dys- funktionalen bzw. kontraproduktiven Wirkungen finanzieller Leistungsanreize (vgl. z.B. Hart- mer 1999; Thieme 1999; Franck 2000; Hochschulverband 2000a, 2000b und Kieser 2000).

Was jedoch die politische Ebene betrifft, wurde die grundsätzliche Stoßrichtung der Reform- vorhaben, nämlich Leistungslohn und Verkürzung der Qualifikationsdauer, von einem breiten Parteienkonsens getragen. Änderungsbedarf wurde auch von der Opposition nur in Umset- zungsfragen gesehen3 und selbst die PDS-Fraktion befürwortete mehr Wettbewerb durch eine stärkere Leistungsorientierung der Professorenbesoldung (vgl. CDU/CSU 2000; F.D.P.

2000 und PDS 2000). So hat das Bundeskabinett diese Hochschuldienstrechtsreform, wel- che sich aus dem fünften Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes und dem Professorenbesoldungsreformgesetz zusammensetzt, am 30. Mai 2001 beschlossen (vgl.

BMBF 2001a). Die Reform passierte den Bundestag, doch aufgrund von Differenzen zwi- schen Bund und Ländern mußte im Bundesrat der Vermittlungsausschuß angerufen werden.

Strittig war dabei die Höhe des Grundgehaltes der Professoren, die den unionsregierten Ländern nicht hoch genug war. Außerdem forderten einige Länder, vor allem Baden- Württemberg, Hessen und Bayern, das Gesamtvolumen der Besoldung noch weiter als vor- gesehen ausweiten zu können (vgl. Süddeutsche Zeitung 2001b). Es konnte jedoch zügig ein Kompromiß gefunden werden, der eine flexiblere Obergrenze für den Besoldungsverga- berahmen und eine gesetzliche Garantie gegen die Kürzung des Personalbudgets vorsieht.

2 Aus Vereinfachungsgründen wird in vorliegender Arbeit im folgenden immer nur die männliche Form für Personenbezeichnungen verwendet werden. Dieses Vorgehen soll keinesfalls eine Diskriminierung, sondern mangels besserer Möglichkeiten eine Kurzform für beide Geschlechter darstellen.

3 Kernpunkt der Kritik war die Kostenneutralität der Reform und die vollständige Abschaffung der Habilita- tion (vgl. z.B. Zehetmair 2001: 10; Süddeutsche Zeitung 2001a)

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Damit fand die Dienstrechtsreform am 20. Dezember 2001 endgültig die Zustimmung des Bundesrates, konnte vom Bundestag beschlossen und Anfang des Jahres 2002 in Kraft tre- ten (vgl. BMBF 2001b; sowie detaillierter Vermittlungsausschuß 2001).4

Gleichwohl blieb, ja verstärkte sich die grundlegende Kritik der Professorenschaft in der Presse und in der wissenschaftlichen Literatur. Diese richtete sich vor allem auf konkrete, von der Bundesregierung unzureichend geklärte Umsetzungsprobleme, wie zum Beispiel die Ermittlung von adäquaten Leistungskriterien und die Einführung entsprechender Leistungs- bewertungsverfahren. Zum anderen wurden mögliche dysfunktionale Steuerungseffekte thematisiert, die durch die Einführung finanzieller Leistungsanreize zu befürchten sind (vgl.

z.B. von Eckardstein et al. 2001; Fischer et al. 2001; Kieser 2001; Schmidt 2001 und Schie- dermair 2001). Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll und fruchtbar, die beharrliche und vielstimmige Kritik an vorliegender Reform aufzugreifen und die Frage zu untersuchen, ob die Reform tatsächlich eine Verbesserung des bisherigen Hochschulsystems im allge- meinen, beziehungsweise des bisherigen Besoldungssystems im speziellen bewirkt.

In dieser Arbeit wird demnach erstens die Fragestellung bearbeitet, ob die Hochschul- dienstrechtsreform nach dem oben genannten Bundestagsbeschluß dazu beiträgt, das Ziel der Bundesregierung, nämlich die Stärkung der Leistungsfähigkeit der Hochschulen in Deutschland, zu erreichen (vgl. z.B. BMBF 2000: 1; Bulmahn 2001: 5).

In einem zweiten Schritt werden Gestaltungsempfehlungen für eine mögliche Verbesserung der Dienstrechtsreform bzw. des Besoldungssystems für Professoren ausgearbeitet.

Die Bearbeitung dieser Fragestellung beschränkt sich auf Universitäten, bezieht also Fach- hochschulen und sonstige Hochschulbildungseinrichtungen nicht in die Untersuchung mit ein. Außerdem soll vor allem auf den Aspekt der leistungsorientierten Anreizsysteme und deren Probleme im Hochschulbereich eingegangen werden. Das zweite Element der Dienst- rechtsreform, die Neugestaltung der Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses durch die Einrichtung der Juniorprofessur, wird in dieser Arbeit des Gesamtbildes wegen zwar ebenfalls kurz analysiert, spielt jedoch nur eine untergeordnete Rolle.

4 Der Bundespräsident hat das Gesetz Mitte Februar 2002 unterzeichnet, es ist also formell in Kraft getre- ten. Aufgrund der Gewährung einer Übergangsfrist gelten die neuen Regelungen jedoch voraussichtlich erst ab 1.1.2003. Außerdem hat die bayerische Staatsregierung vor dem Bundesverfassungsgericht ge- gen die Dienstrechtsreform geklagt, da sie „formelle und inhaltliche Mängel“ aufweise. Das Gesetz sei wegen der fehlenden Zustimmung der Länder verfassungswidrig. Außerdem bemängelt Bayern die fakti- sche Abschaffung der Habilitation zugunsten der Juniorprofessur. Nach Meinung des bayerischen Wis- senschaftsministers Zehetmair sollten diese beiden Qualifikationsmöglichkeiten gleichwertig nebenein- ander und somit im Wettbewerb stehen (vgl. Süddeutsche Zeitung 2002: 6).

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1.2 Zielsetzung

Zielsetzung der Diplomarbeit ist die Beantwortung der beiden oben genannten Fragestellun- gen. Als theoretische Basis hierfür dient die ökonomische Theorie, hier vor allem die Princi- pal-Agent-Theorie, und der verhaltenswissenschaftliche Ansatz, hier insbesondere die Moti- vationstheorie. Die Erkenntnisse aus diesen beiden Ansätzen und ihre Implikationen für die Anreizsystemproblematik stellen das Handwerkszeug, die „Tools“, für eine kritische Analyse der Dienstrechtsreform zur Verfügung.

Es soll, sowohl aus theoretischer Sicht als auch aufgrund einer empirischen Erhebung an der Universität Konstanz, eine Prognose der möglichen Wirkungen der Dienstrechtsreform ge- troffen werden. Auf deren Basis werden schließlich Gestaltungsempfehlungen für Anreizsys- teme an Universitäten ausgearbeitet.

1.3 Vorgehensweise 1.3.1 Methodik

Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt angeklungen, strebt vorliegende Arbeit also eine theoretische und empirische Fundierung an. Zur theoretischen Fundierung wurde eine Literaturanalyse durchgeführt. Für den Kontext dieser Fragestellung war neben den Arbeiten zur Dienstrechtsreform selbstverständlich vor allem die Literatur der Institutionenökonomik und der neueren Motivationsforschung relevant. Auf gesellschafts- und bildungspolitische Aspekte wird nicht explizit eingegangen. Zur empirischen Fundierung wurde eine schriftli- che Befragung aller fest verbeamteten Professoren der Universität Konstanz realisiert. Diese quantitative Datenerhebung fand mittels standardisierter und anonymisierter Fragebögen statt.

1.3.2 Aufbau der Arbeit

Im Anschluß an diese Einleitung soll im zweiten Kapitel die Ist-Situation der Dienstrechts- reform erläutert werden, also die gegenwärtigen Rahmenbedingungen, die den Ausgangs- punkt der angestrebten Reform darstellen. Denn erst im Lichte der Ist-Analyse kann der Pro- blemlösungsbeitrag und Erfolg des neuen Konzeptes bewertet werden. Darüber hinaus ist die Beschreibung der bestehenden Strukturen wichtig, um abgeleitet aus den theoretischen Grundlagen mögliche Probleme des bestehenden Systems identifizieren zu können.

Hier wird erstens die interne Organisation der Universitäten und zweitens deren Organisation nach außen, also ihre gesetzliche und gesellschaftliche Stellung erläutert. Bei der internen Organisation sind vor allem die formalen und informellen Leitungsstrukturen zwischen Uni- versitätsleitung, Fachbereichen, Professoren und Mittelbau von Interesse. Vor allem der Stel- lung der Professoren kommt eine große Bedeutung zu, also deren Kompetenzen, Hand-

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lungsspielräume, Aufgaben und Entlohnung. Bei der Organisation nach außen ist der Status der Hochschulen als Körperschaften des öffentlichen Rechts, das Ausmaß der Selbstverwal- tungskompetenz, das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit und der im Grundgesetz veran- kerte beamtenrechtliche Grundsatz der amtsangemessenen Besoldung wichtig. Außerdem wird das Verhältnis zwischen den Hochschulen kurz beleuchtet.

Auf Basis dieser Ist-Analyse werden anschließend die Probleme des gegenwärtigen Sys- tems herausgearbeitet, die den Anstoß zu dessen Reformierung gegeben haben. Diese Probleme stellen auch das Kriterium dafür dar, ob die Dienstrechtsreform erfolgreich sein kann: Sie wird dann das gegenwärtige Hochschul- bzw. Besoldungssystem verbessern und dessen Leistungsfähigkeit erhöhen, wenn die oben identifizierten Probleme des alten Sys- tems durch die geplanten Maßnahmen gelöst oder vermindert werden können.

Im dritten Kapitel folgt die Vorstellung der Dienstrechtsreform, also der vorgenommenen Neuerungen des im zweiten Kapitel beschriebenen alten Systems. Hierzu wird die Reform in vier Maßnahmenpakete, die Juniorprofessur, die leistungsorientierte Besoldungsordnung, die Leistungsevaluation und die Kostenneutralität aufgeteilt.

Im vierten Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der Anreizsystemgestaltung darge- stellt. Zur Veranschaulichung sollen dazu die wesentlichen Punkte der theoretischen Ausar- beitung bereits hier auf die Hochschulproblematik bezogen werden. Zum Teil findet die aus- führliche Erläuterung der theoretischen Konzepte, zum Beispiel des Verdrängungseffekts, auch erst direkt in Zusammenhang mit deren Anwendung auf die Kritikpunkte im sechsten Kapitel statt.

Die Darstellung der theoretischen Grundlagen wird dabei anhand folgender Punkte durchge- führt. Erstens wird zur Konkretisierung des Begriffs „Anreizsystem“ eine neuere Definition vorgestellt, die dem Systemcharakter von Anreizsystemen gerecht wird. Zweitens sollen die theoretischen Ansätze, auf denen das Konzept der Anreizsysteme basiert, sowie deren Be- ziehung zur Anreizsystemproblematik erläutert werden. Zum einen ist dies der Principal- Agent-Ansatz aus der Institutionenökonomik. Dieser schafft die Erkenntnis, daß Maßnahmen getroffen werden müssen, um opportunistisches Verhalten von Auftragnehmern (Agenten) zu Lasten ihrer Auftraggeber (Prinzipale) zu verhindern oder zumindest abzuschwäc hen. Denn die vertraglichen Beziehungen zwischen Prinzipal und Agent sind laut Principal-Agent- Theorie durch unterschiedliche Interessen, ungleiche Informationsverteilung und unter- schiedliche Risikoneigung charakterisiert ist. Eine Lösung dieser Probleme liegt nun nach dem Principal-Agent-Ansatz in der Gestaltung eines Anreizsystems, das auf Interessenkon- vergenz von Auftraggeber und Auftragnehmer abzielt. Darüber hinaus sollen dem Auftragge- ber damit Informationen über die Tätigkeit seiner Auftragnehmer bereitstellt und Handlungen der Auftragnehmer mittels Sanktionen kontrolliert werden (vgl. hierzu z.B. Ebers/Gotsch

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1995). Zum anderen soll die Motivationstheorie aus dem verhaltenswissenschaftlichen An- satz anhand einiger ausgewählter Konzepte erklärt werden. Denn Anreizsysteme sind nicht nur dazu da, opportunistisches Verhalten zu verhindern. Geht man über ökonomisch fundier- te Ansätze hinaus und berücksichtigt auch die Motivationstheorie, wird deutlich, daß diese ebenfalls eine große Relevanz für Anreizsysteme besitzt. Denn hier wird, über die rein extrinsische Motivation eines „homo oeconomicus“ hinaus, auch die Möglichkeit intrinsischer, immaterieller Motive und Anreize diskutiert (vgl. z.B. Frey/Osterloh 1997; Gibbons 1998;

Thomas 2000). Drittens sollen die Funktionen von Anreizsystemen kurz erläutert werden. Es handelt sich hierbei um die Motivationsfunktion, die Selektionsfunktion und die Koordinati- onsfunktion (vgl. Winter 1996; 1997). Schließlich sollen zusammenfassend die Probleme bei der Gestaltung und Umsetzung von Anreizsystemen skizziert werden. Zu erwähnen sind hier vor allem der Verdrängungseffekt (vgl. Deci 1975; Frey/Osterloh 1997), das Multitasking- Problem (vgl. Holmstrom/Milgrom 1991; Osterloh 1999), das Fuzzy-Tasking-Problem, die Risikoaversion des Agenten und das Problem der open-ended-contracts (vgl. Gibbons 1998;

Osterloh 1999; Prendergast 1999). Diese theoretischen Überlegungen und Probleme werden dann bei deren Anwendung im sechsten Teil wieder aufgegriffen und zum Teil an dieser Stelle noch detaillierter erläutert.

Zwischen der Vorstellung der wesentlichen theoretischen Konzepte im vierten Kapitel und deren konkreten Anwendung und Ausarbeitung in der Kritik im sechsten Kapitel befindet sich der Empirieteil. Die Gliederung ist so gewählt, da für die theoriegeleitete Fragestellung der Befragung eine gewisse theoretische Vorüberlegung nötig ist. Zudem sollen in die Kritik der Dienstrechtsreform neben den theoretisch fundierten Aspekten auch die selbst erhobenen empirischen Ergebnisse einfließen, daher muß deren Präsentation vor der Kritik stattfinden.

Im fünften Kapitel werden also die Ergebnisse einer schriftlichen Befragung unter den Pro- fessoren der Universität Konstanz vorgestellt. Diese Befragung dient der Ermittlung von möglichen Dysfunktionalitäten und eventuellen Implementierungsproblemen, die die Dienst- rechtsreform verursachen könnte. Grundlage hierfür sind die durch die theoretische Durch- dringung des Problems gewonnenen Erkenntnisse, die mittels dieser empirischen Untersu- chung auf den Prüfstand gestellt werden sollen. Es wird untersucht, ob und in welchem Ma- ße die in der Literatur genannten und durch theoretische Überlegungen identifizierten Prob- leme durch die Analyse der empirischen Daten bestätigt werden. Außerdem werden Ansatz- punkte für Gestaltungsempfehlungen zur Umsetzung der Dienstrechtsreform ermittelt.

Im sechsten Kapitel folgt die kritische Würdigung der geplanten Maßnahmen der Dienst- rechtsreform, welche sich aus der Anwendung der theoretischen Grundlagen und der empiri- schen Ergebnisse ergibt. Anhand einer Vielzahl kritischer Thesen zur Dienstrechtsreform, die aus der Literatur entnommen oder aus den theoretischen Konzepten entwickelt wurden und nach den drei Funktionen von Anreizsystemen geordnet sind, wird geprüft, welche theoreti-

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schen Ansätze für die Anreizsystemgestaltung an Universitäten erklärungskräftig sind. Die einschlägigen theoretischen Konzepte werden schließlich auf die jeweiligen konkreten The- sen angewendet und ausgearbeitet. Zusätzlich wird untersucht, ob die selbst gewonnen em- pirischen Daten die theoretische Argumentation stützen.

Anschließend werden im siebten Kapitel mögliche Verbesserungen aus den Erkenntnissen der zuvor vollzogenen Theorieanwendung abgeleitet. Hieraus werden konkrete, theoriegelei- tete Gestaltungsempfehlungen für leistungsorientierte Anreizsysteme für Universitätsprofes- soren entwickelt. Zum einen wird überprüft, wie sich die jetzige Dienstrechtsreform am bes- ten umsetzen läßt, wie also die möglicherweise auftretenden negativen Effekte der Reform am besten reduziert werden können. Zum anderen wird geklärt, inwieweit vereinzelte Eingrif- fe in das bestehende System überhaupt sinnvoll sind, und ob und wie dem gesamten Sys- tem tiefgreifendere Änderungen widerfahren müssen, damit die Voraussetzungen für leis- tungsorientierte Anreize überhaupt erst geschaffen werden.

Den Abschluß der Diplomarbeit bildet eine Schlußbetrachtung, in der die zuvor gewonnen Erkenntnisse rekapituliert und ein Ausblick mit Bezug auf die aktuelle hochschulpolitische Debatte gewagt wird.

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2. Ist-Analyse der Universitätsorganisation

2.1 Die rechtliche Stellung der Universität gegenüber dem Staat 2.1.1 Doppelcharakter der rechtlichen Stellung

Nach § 58 HRG sind die Hochschulen „in der Regel Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich staatliche Einrichtungen.“ Mit diesem Doppelcharakter will der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen, daß der Staat neben der Körperschaft, und ohne deren Rechtsstel- lung zu berühren, eine Anstalt schafft, „mit der Aufgabe, wissenschaftliche Forschung und Lehre zu ermöglichen, indem im erforderlichen Umfang insbesondere personelle und sachli- che Mittel bereitgestellt werden“ (Reich 2000: 445). Dies bedeutet, daß die institutionelle Ga- rantie der Hochschulen gewährleistet ist und trotzdem deutlich gemacht wird, daß Hochschu- len aber auch gesellschaftliche Einrichtungen mit entsprechenden Verpflichtungen sind (vgl.

auch Künzel 1998: 167 und Maurer 1997: 569 ff.).

Aus der Stellung als Körperschaften folgt das Recht zur Selbstverwaltung, welches in ers- ter Linie für die Organisation von Lehre und Forschung gilt (vgl. Reich 2000: 448). Das heißt, daß nur die Universitätsorgane selbst die Aufgaben der Universität wahrnehmen dürfen, der Staat den Universitäten also keine Entscheidungsaufgaben entziehen und anderen, nicht- universitären Organen übertragen kann. So haben die Hochschulen zum Beispiel das Recht, Studium und Prüfungen durch Satzungen zu regeln. Außerdem können sie grundsätzlich die eigene Organisation in Grundzügen selbst bestimmen, wobei sich diese Kompetenz jedoch auf das Recht beschränkt, Hochschulleitung, Fachbereichssprecher bzw. Dekane sowie die verschiedenen Kollegialorgane selbst und aus den eigenen Reihen zu wählen. Prinzipiell ergibt sich aus dem Selbstverwaltungsrecht auch die Personal- und Finanzhoheit der Hoch- schulen. Diese enthalten die Befugnis, die aus eigenen Mitteln vergüteten Mitarbeiter der Hochschule auszuwählen, einzustellen, zu befördern und zu entlassen, sowie die Befugnis, über den Erwerb, die Verwaltung und die Veräußerung des eigenen Vermögens zu ent- scheiden, eine finanzielle Mindestausstattung zu besitzen und bei der Planung und Vertei- lung staatlicher Mittel mitzuwirken (vgl. Reich 2000: 449 ff.).

Der gleichzeitige Charakter der staatlichen Anstalt oder Einrichtung der Hochschulen be- deutet andererseits jedoch, daß der Staat angesichts seiner rechtlichen und gesellschaft- lichen Aufgabenstellung und der zur Verfügung gestellten Finanzmittel Gestaltungs- und Mitwirkungsrechte beansprucht (vgl. Engels 2001: 374). Der § 58 Abs. 1 Satz 3 HRG gestat- tet den Ländern, den Inhalt des Selbstverwaltungsrechts zu beschreiben und zu beschrän- ken (Reich 2000: 451). Im Rahmen einer ex-ante-Steuerung (d.h. vor Arbeitsbeginn) verfü- gen die staatlichen Organe über das Recht, die Modi der Entscheidungsfindung und die Prinzipien der Steuerung innerhalb der Universitäten festzulegen und die originär den Uni-

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versitäten zustehenden Entscheidungsaufgaben vorzustrukturieren (vgl. Engels 2001: 374).

Diese Einflußnahme findet etwa im Rahmen von Haushaltsvorgaben, gesetzlichen Vorschrif- ten über die Organisationsstruktur und Genehmigungsvorbehalten hinsichtlich Fachberei- chen, Studiengängen und Berufungen statt. Diese haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen und führten in manchen Bereichen bis zu einer „Verrechtlichung“ hochschulin- terner Abläufe (vgl. Müller-Böling/Küchler 1998: 19/20). Allerdings ist zu konstatieren, daß neue Reformbemühungen auch wieder einen gegenläufigen Trend in Gang gesetzt haben.

So versucht man, mit Hilfe von „Globalhaushalten“ das enge Korsett der kameralistischen Budgetierung zu durchbrechen und den Hochschulen wieder mehr Autonomie zuzubilligen (vgl. z.B. Neuvians 1997: 2/3; Lieb 1998: 14 ff.). Bezüglich der ex-post-Steuerung (im Sinne eines Kontrollsystems) unterstehen die Hochschulen nach § 59 HRG der staatlichen Auf- sicht, wobei Rechtsaufsicht und Fachaufsicht zu unterscheiden sind. Die Rechtsaufsicht be- handelt die Frage, ob die Hochschule die formal- und materiellrechtlichen Bestimmungen, also z.B. die festgelegten Aufgaben und Verpflichtungen im Sinne des § 2 HRG, befolgt. Sie beinhaltet Mittel wie die Genehmigungspflicht, das Informationsrecht und die Beanstandung, reicht bis zur Suspendierung und Schließung der Hochschule und ist eindeutig Bestandteil des staatlichen Kontrollinstrumentariums. Die Fachaufsicht hingegen geht über die Rechts- aufsicht hinaus. Sie stellt neben der Frage der Rechtmäßigkeit auch noch die Frage der Zweckmäßigkeit, die sich an den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Verhältnismäßig- keit orientiert. Jedoch verfügt die staatliche Kontrolle gegenüber den Hochschulen nur in Ausnahmefällen über das Instrument der Fachaufsicht (vgl. Reich 2000: 455 ff.; Engels 2001: 387).

2.1.2 Wissenschaftsfreiheit

Sämtliche im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Einflußmöglichkeiten des Staates finden jedoch ihre Schranken in der durch Art. 5 Abs. 3 GG verankerten und, daran anknüp- fend, in § 4 HRG garantierten Freiheit der Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre (vgl.

grundlegend Thieme 1986: 67ff.; 1989a: 2 ff.; Reich 2000: 68ff.).

Zum einen beinhaltet diese Norm ein klassisches individuelles Abwehrrecht gegen den Staat, also zum Beispiel ein von einem einzelnen Hochschulprofessor in Anspruch zu neh- mendes Grundrecht. Darüber hinaus hat diese Verfassungsgarantie jedoch eine die „Institu- tion Wissenschaft“ innerhalb der staatlichen Gemeinschaft schützende Funktion. Die Verfas- sung soll demnach auch die Einrichtung der Hochschule selbst gewährleisten und schützen, garantiert also zum anderen ein korporatistisches Recht der Wissenschaftsfreiheit (vgl.

Hartmer 1999: 224). Insgesamt bedeutet dies, daß die Universitäten damit eine Freiheits- sphäre gegenüber dem Staat besitzen. Diese Sphäre beinhaltet nach herrschender Meinung

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das Kooptationsrecht, Entscheidungen des Selbstorganisationsrechts sowie Entscheidungen über die wissenschaftlichen Programme in Forschung und Lehre (vgl. Thieme 1986: 89ff.).

Die Dienstrechtsreform betreffend bedeutet dies, daß der Staat dazu verpflichtet ist, „dem Hochschullehrer ein Dienstrecht zur Verfügung zu stellen, das ihm die größtmögliche Unab- hängigkeit und Selbständigkeit gewährt“ (Hartmer 1999: 224). Daraus folgt auch, daß die Bewertung wissenschaftlicher Leistung und die Festlegung entsprechender Kriterien nur von der Gemeinschaft der Lehrenden und Forschenden selbst, nicht aber durch den Staat, be- werkstelligt werden darf (vgl. Hartmer 1999: 226 sowie Battis/Grigoleit 1999: 131).

2.1.3 Grundsatz amtsangemessener Alimentation

Ihrer dienst- und verfassungsrechtlichen Position entsprechend werden Professoren an staatlichen Universitäten als Beamte beschäftigt, auch wenn dies rechtlich nicht zwingend geboten wäre (vgl. Battis/Grigoleit 1999: 130; BMBF 2000: 13). Somit unterliegen Professo- ren dem öffentlichen Dienstrecht und sind nach Art. 33 Abs. 5 GG ihrem Amt angemessen zu besolden. Traditionelle Bezugsgröße für das Amt des C 4-Professors ist dabei die Besol- dungsgruppe eines Ministerialrates (B 3), ein ordentlicher Professor sollte also inklusive Be- rufungszulagen nicht weniger als ein Ministerialrat verdienen. Darüber hinaus ist der Leis- tungsgrundsatz zu berücksichtigen. Dieser besagt, daß Bedienstete, die mehr leisten, dafür auch finanziell belohnt werden sollen (Battis/Grigoleit 1999: 130).

Dieser beamtenrechtliche Grundsatz hat Implikationen für die hier untersuchte Dienstrechts- reform, allerdings gibt es zur Auslegung des Art. 33 Abs. 5 GG unterschiedliche Auffassun- gen. Battis/Grigoleit und Hartmer sind der Ansicht, daß die Reform mit dem Grundsatz der amtsangemessenden Besoldung nicht vereinbar ist, nennen jedoch unterschiedliche Gründe.

Während Battis und Grigoleit (1999: 131) die Gefahr sehen, daß die leistungsorientierte Pro- fessorenbesoldung insgesamt zu gering ausfällt, betont Hartmer (1999: 224), daß die vorge- sehenen Leistungszulagen gegenüber dem Basisgehalt viel zu hoch angesetzt sind und da- mit ein eindeutiger Verstoß gegen das Alimentationsprinzip vorliegt.5 Dagegen sieht die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission keinerlei Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit der neuen Regelungen. Im Gegenteil, sie ist der Meinung, daß das neue Besoldungssystem eher dem Leistungsprinzip entspricht und bei Berücksichtigung der vari- ablen Gehaltsbestandteile genauso amtsangemessen ist wie die alte Regelung und somit verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. Expertenkommission 2000: 42/43).

5 Demnach widerspricht es dem Grundsatz der amtsangemessenen Besoldung, „wenn erhebliche Teile der Besoldung nicht vom Amtsinhalt abhängig sind“. Dieser Fall tritt ein, wenn Professoren trotz voller Pflichterfüllung nur ein Basisgehalt bekommen und eine amtsangemessene Besoldung von der Erhal- tung variabler Gehaltsbestandteile abhängig ist (Thieme 1999: 640). Diese Gefahr ist bei der praktischen Umsetzung der Reform aufgrund mangelnder finanzieller Spielräume durchaus gegeben.

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2.2 Die Beziehung zwischen den Universitäten

Der Hochschulbereich ist in Deutschland in den Sektor der Universitäten und den der Fach- hochschulen geteilt, welche ein unterschiedliches Aufgabenprofil haben und in einem kom- plementären Verhältnis zueinander stehen. Während die Universitäten vor allem eine aka- demische Bildung anstreben und ihren Fokus auf die Forschung in allen Disziplinen legen, dienen Fachhochschulen vor allem der höheren berufspraktischen Ausbildung. Sie sind auf praxisbezogene Studiengänge beschränkt (vgl. Brinckmann 1998: 84 ff.).

Betrachtet man, abgesehen von diesem „binären“ Charakter des Hochschulsystems, die Entwicklung des Universitätssektors genauer, kann man jedoch feststellen, daß Differenzie- rung und Wettbewerb nur eine stark untergeordnete Rolle spielt. Formell ist der Hochschul- bereich seit Mitte der 60er Jahre durch das Prinzip der rechtlichen, formalen und inhaltlichen Homogenität der Universitäten geprägt. Das staatliche Ziel war es, ein homogenes tertiäres Bildungssystem zu schaffen, das regionale Gleichverteilung, individuelle Chancengleichheit und die gleiche Verwirklichung des Grundrechtes auf Bildung und der freien Berufswahl ge- währleistet (vgl. Brinckmann 1998: 88 ff.). Ausdruck findet diese Orientierung zum Beispiel in der Vereinheitlichung des Hochschulrechts durch die Einführung des Hochschulrahmenge- setzes, die Einbeziehung der Universitäten in den Staatshaushalt, die Eingliederung der Uni- versitätsbediensteten in das einheitlichen öffentliche Dienstrecht und die Verknüpfung des tertiären Bildungssektors mit dem sekundären Bildungssektor (in Form des Abiturs als Hoch- schulzugangsvoraussetzung) und mit dem Staatsdienst (in Form des Systems der Staatsex- amen) (vgl. Engels 2001: 15). So hat jede Universität bezogen auf Zugang wie auch auf Abschluß prinzipiell die gleiche Qualität und damit keinen Anreiz zu einer Strategie der Diffe- renzierung (vgl. Brinckmann 1998: 89). Trotz gegenläufiger Tendenzen in den letzten fünf bis zehn Jahren, so zum Beispiel die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes von 1998, ist noch keine grundlegende Umstrukturierung des Hochschulsystems sichtbar. Zwischen den Universitäten besteht weiterhin kaum Wettbewerb um finanzielle oder personelle Ressour- cen, es hat sich vor diesem Hintergrund keine nennenswerte Hierarchisierung des Hoch- schulsystems entwickelt (vgl. Franck/Schönfelder 1999: 19, und Engels 2001: 17). So kons- tatiert auch Kieser (1999: 284): „Universitäre Bildung wird nicht auf funktionierenden Märkten getauscht, denn die Nachfrager müssen keine Preise entrichten und die Anbieter treffen auf erhebliche Einschränkungen, wenn sie Prozesse und Angebote verändern wollen.“

2.3 Die interne Universitätsorganisation 2.3.1 Konkrete Leitungsstrukturen

Die beiden grundlegenden Prinzipien, die die Entscheidungsfindung innerhalb von Universi- täten charakterisieren, ist das Modell der Gruppenuniversität und das Kollegialitätsprinzip

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(vgl. Müller-Böling/Küchler 1998: 27). Diese zwei Gestaltungselemente ziehen sich durch alle Ebenen der Konfiguration einer Universität und sollen aus diesem Grund zunächst kurz er- läutert werden. Die Gruppenuniversität hat zur Folge, daß alle Mitglieder einer Universität zur Mitwirkung in Fragen der Selbstverwaltung berechtigt und verpflichtet sind (vgl. § 37 HRG). Mitwirkung findet dabei in der Form der repräsentativen Partizipation in Gremienstruk- turen statt. Die Mitglieder setzen sich aus den Hochschullehrern, den akademischen Mitar- beitern, den Studierenden und den nicht-wissenschaftlichen Mitarbeitern zusam men, wobei sich die Art und der Umfang der Mitwirkung der einzelnen Gruppen nach der Qualifikation, Funktion, Verantwortung und Betroffenheit im jeweiligen Entscheidungsprozeß ergibt. Bei den in diesem Modus behandelten Fragen der Selbstverwaltung handelt es sich um die inne- re Ausgestaltung und Organisation, d. h. um Beschlußfassungen über Programme in Lehre und Forschung, um Entscheidungen in Fragen der Ressourcenallokation, sowie Berufungen, Promotionen und Habilitationen (vgl. Engels 2001: 335; Müller-Böling/Küchler 1998: 28 f.).

Das Kollegialitätsprinzip bedeutet, daß die Professorenschaft Entscheidungen als „Gleiche unter Gleichen“ in entsprechenden Gremien treffen. Dies hat seine Ursache darin, daß Pro- fessoren in ihrer dienstlichen Tätigkeit weisungsfrei sind. Zwar hat jeder Professor einen Dienstherren, dieser ist jedoch der jeweils zuständige Landesminister, und kein Vorgesetzter im Amt. Entscheidungen können also in der Regel nicht in der üblichen Hierarchie des öffent- lichen Dienstes getätigt werden (vgl. Engels 2001: 334). Der demokratischen kollektiven Wil- lensbildung wird also ein hoher Stellenwert für die Legitimation von Entscheidungen beige- messen (vgl. Brüggemeier 2000: 234; Frese/Engels 1999: 503).

Die Konfiguration der universitären Steuerung weist im wissenschaftlichen Bereich im we- sentlichen einen dreistufigen vertikalen Aufbau auf und ist außerdem durch horizontale Ko- operationen in Form von gemeinsamen Kommissionen und Studienbereichen gekennzeich- net (vgl. Alewell 1993: 68 ff.). Die unterschiedlichen Ebenen sollen im Folgenden kurz vorge- stellt werden.

Auf der untersten Ebene, der Arbeitsebene, sind die Professuren und wissenschaftliche Einrichtungen wie Seminare oder Institute angesiedelt. Diese bilden die Kerneinheiten der Universität, hier spielen sich die eigentlichen Prozesse der Leistungserstellung, also die For- schung, Lehre und Nachwuchsförderung ab. Träger individueller Entscheidungskompeten- zen sind hier vor allem die Professoren. Nur sie haben die volle Qualifikation für die Erfüllung oben genannter Aufgaben. In dieser Funktion füllen sie je eine bestimmte Stelle aus, deren Spezifikation sich aus der schriftlich getroffenen Aufgabenbeschreibung bei der Ernennung eines Professors ergibt. Die Professoren und Institute verfügen über ein hohes Maß an Au- tonomie, erwartet wird die selbständige Forschung und Lehre (mit festem Lehrdeputat und Abnahme von Prüfungen) sowie die Beteiligung an der Verwaltung der Universität, in erster Linie in Form von Ämter- und Mandatsübernahmen (vgl. Engels 2001: 366).

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Auf der mittleren Ebene, der Fachbereichsebene, finden sich die Fachbereiche bezie- hungsweise Fakultäten. Diese werden an manchen Universitäten wiederum in Sektionen zusammengefaßt, doch diese weitere Ebene hat in der Regel keine praktische Relevanz bezüglich der universitären Entscheidungsfindung. Den Fachbereichen kommt laut § 2 HRG die Allzuständigkeit der universitären Aufgaben zu, sie bilden die organisatorischen Grund- einheiten der Universität. Die Allzuständigkeit wird nur durch die fachliche Zuständigkeit der anderen Fachbereiche und der zentralen Hochschulorgane begrenzt (Engels 2001: 368).

Träger von Entscheidungskompetenzen sind auf dieser Ebene der Fachbereichsrat als kol- legiales Organ im Rahmen der Gruppenuniversität und der Fachbereichssprecher bzw. De- kan, der aus der Mitte des Fachbereichsrats gewählt wird. Der Fachbereichsrat hat Ent- scheidungsrechte bei der Gründung von Instituten und Seminaren, der Einführung und Aus- gestaltung von Studiengängen, der Berufung von Professoren und der Zuweisung von Fach- bereichsmitteln. Der Fachbereichsleiter repräsentiert den Fachbereich, vollzieht Fachbe- reichsratsbeschlüsse, ist bei der Besetzung von Stellen entscheidungsberechtigt und hat vor allem für die Erfüllung der Lehraufgaben seines Fachbereichs zu sorgen. Gegenüber der Arbeitsebene, also seinen Fachbereichskollegen, verfügt er aber über keinerlei Sanktionsin- strumente, er darf in deren Belange auch nur im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit eingrei- fen (vgl. Alewell 1993: 75 ff.; Engels 2001: 369). Faktisch herrscht unter den Kollegen des Fachbereichs in der Regel das Prinzip der gegenseitigen Nichteinmischung, der Fachbe- reichsleiter hat eine relativ schwache Position (vgl. Müller-Böling/Küchler 1998: 28).

Die oberste Ebene, die Zentralebene, besteht schließlich aus dem Leitungsorgan und den zentralen Kollegialorganen. Hier werden alle Aufgaben zusammengefaßt, die die Universität als organisatorische Einheit betreffen und zur Lösung einer fachbereichsübergreifenden Sicht bedürfen. Es handelt sich hierbei zum Beispiel um Entscheidungen zur Auswahl der Fachgebiete, über die Zahl und Art der Professuren und Studienplätze, über die finanzielle, personelle und sachliche Ausstattung sowie um die Betreuung der unterstützenden Organi- sationseinheiten (Engels 2001: 369). Bei den Kollegialorganen sieht der Gesetzgeber ein duales System vor. Zum einen wird ein Organ für die hochschulpolitischen Fragen gebildet, dem die Beschlußfassung über die Grundordnung und die Wahl der Leitung der Hochschule obliegt (z.B. als Konzil, Konvent, großer Senat oder Universitätsparlament bezeichnet). Zum anderen wird ein Gremium gebildet, das sich mit allen anderen grundsätzlichen akademi- schen Angelegenheiten der Universität im obigen Sinne beschäftigt (in der Regel als Senat oder kleiner Senat bezeichnet) (vgl. detaillierter Alewell 1993: 72 f). Der (kleine) Senat hat also wesentlich weitreichendere Kompetenzen und ist außerdem in der Zusammensetzung exklusiver als der große Senat. Für die Ausgestaltung des Leitungsorgans stehen vier Modelle zur Auswahl, die sich anhand von zwei Dimensionen aufspannen lassen: Die erste Dimension erfaßt die Frage, ob das Leitungsorgan kollegial oder individuell geführt wird. Die

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zweite Dimension bezieht sich auf die Auswahl des Leiters der Hochschule. Dieser kann entweder ein Rektor, bei dem es sich um einen ordentlichen Professor der jeweiligen Hoch- schule handeln muß, oder ein Präsident sein, der nicht Professor sein, aber über Leitungser- fahrung in ähnlicher Position verfügen muß (vgl. Alewell 1993: 74 f.). Während das Rekto- renmodell also dem Prinzip der Steuerung durch Delegierte entspricht, bedeutet das Präsi- dentenmodell eine Annäherung an des Prinzip der Steuerung durch Manager, also eine pro- fessionalisiertere Form der Leitung, wie sie zur Zeit von vielen Kritikern gefordert wird (vgl.

beispielhaft die Beiträge in Müller-Böling/Fedrowitz 1998 sowie detaillierter Müller-Böling 1997: 605).

Das hier erläuterte Ebenensystem erweckt auf den ersten Blick den Eindruck eines norma- len, vertikalen hierarchischen Aufbaus. An dieser Stelle soll nochmals deutlich gemacht wer- den, daß dies nicht zutrifft. Weder die zentralen Organe, noch die Fachbereiche haben ein Weisungs - oder Aufsichtsrecht gegenüber der jeweils nächst unteren Ebene. Die Entschei- dungsaufgaben der Fachbereiche werden faktisch jedoch vorstrukturiert, indem auf der Zent- ralebene über deren Ausstattung mit Ressourcen entschieden wird. Dadurch wird der Ent- scheidungsautonomie der Fachbereiche Grenzen gesetzt (vgl. Engels 2001: 373).

Als Zwischenresümee des zweiten Kapitels kann die Leitungsstruktur der Hochschulorgani- sation anhand der Dimensionen „Dezentralisationsgrad“ und „Ausmaß der Handlungsspiel- räume“ vereinfacht dargestellt werden. Trennt man die Steuerung der Universität durch den Staat (externe Steuerung, vgl. Kap. 2.1.1) und die Leitungsstrukturen innerhalb der Universi- tät (interne Steuerung, vgl. Kap 2.2.1), so ergibt sich folgendes Bild (vgl. Abb. 2-1):

Abbildung 2-1: Zusammenfassung der Leitungsstrukturen der Hochschulorganisation (in Anlehnung an Engels 2001: 391).

2.3.2 Analytische Bezugsrahmen aus der Organisationstheorie

Um die vielfältigen Elemente und Regelungen der Organisationsstruktur von Universitäten besser einordnen zu können, soll die Hochschulorganisation im folgenden anhand von be- kannten idealtypischen Modellen aus der Organisationstheorie nochmals kurz eingeordnet

Zunehmendes Ausmaß an Handlungsspielräumen

Zunehmender Grad der Dezentralisation interne Steuerung externe

Steuerung

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und veranschaulicht werden. Die angewendeten Modelle sollen gleichsam als Heuristik die- nen. Sie betonen jeweils unterschiedliche Aspekte und organisatorische Besonderheiten der Universitäten. Als erklärungskräftig erweisen sich in diesem Zusammenhang vor allem Mintzbergs Konfiguration der „Professional Bureaucracy“ (vgl. Mintzberg 1992: 255 ff.), March, Cohen und Olsons „Garbage Can Model“ (vgl. z.B. Cohen et al. 1972) und Weicks

„Loosely Coupled System“ (vgl. Weick 1976) (vgl. insgesamt zur Anwendbarkeit Pellert 1995:

82 ff. sowie Engels 2001: 30 ff.).

2.3.2.1 Professional Bureaucracy

Mintzberg typisiert Organisationen anhand von fünf unterschiedlichen Konfigurationen, die sich jeweils durch eine andere Zusammensetzung und Bedeutung der noch näher zu erläu- ternden fünf Grundbausteine einer Organisation voneinander abheben. Die zu der jeweiligen Organisationsform führenden Gestaltungsparameter sind dabei zum einen die interne Stim- migkeit und zum anderen der „fit“ mit den situativen Bestimmungsfaktoren (vgl. Mintzberg 1992: 18). Als organisatorische Grundbausteine identifiziert Mintzberg dabei den betriebliche Kern, in dem die eigentlichen Produktionsprozesse ablaufen, die strategische Spitze, der die strategische Gesamtverantwortung für die Organisation zukommt und die Mittellinie, die das hierarchische Bindeglied zwischen strategischer Spitze und operativem Kern darstellt und vor allem für die Umwandlung der strategischen Vorgaben in konkrete Handlungsprogramme zuständig ist. Diese Einheiten werden außerdem unterstützt durch die Technostruktur, in der Spezialaufgaben der Arbeitsgestaltung, Planung, Budgetierung und Personal durchgeführt werden und der Hilfsstab, die außerhalb des betrieblichen Arbeitsablaufs (z.B. Kantine, tech- nische Dienste) tätig sind (vgl. Mintzberg 1992: 26 ff.).

Der Universität weist Mintzberg den Konfigurationstyp der „Professional Bureaucracy“, der Profibürokratie zu und kennzeichnet diese wie folgt (vgl. hierzu und im folgenden Mintzberg 1992: 256 ff.). Vorrangiger Koordinationsmechanismus ist die Standardisierung von Qualifi- kationen und der damit verbundenen stark ausgeprägten berufsethischen Normen der

„scientific communities“, die während einer vergleichsweise langen wissenschaftlichen Quali- fizierung und Sozialisation entsteht. Aufgrund der hohen Spezialisierung und Professionali- sierung der Professoren haben diese große Handlungsspielräume und verfügen über ein großes Ausmaß an Selbstkontrolle. Der betriebliche Kern, in dem die Wissensproduktion dezentral durch die Professoren in Form von Forschung und Lehre stattfindet, ist der wich- tigste und größte Organisationsteil. Die Mittellinie ist aufgrund des hohen Maßes an Selbst- steuerung innerhalb des betrieblichen Kerns nur gering ausgeprägt, die Technostruktur durch die weitreichende Standardisierung der Qualifikationen ebenfalls. Der Hilfsstab ist je- doch voll ausgebaut. Er bildet, parallel zur akademischen Bottom-up-Hierarchie der Grup- penuniversität nach Kollegialitätsprinzip, eine klassische Top-down Hierarchie nach dem

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Prinzip der öffentlichen Verwaltung (vgl. hierzu auch Brüggemeier 2000: 232 ff.; Pellert 1995:

95; Engels 2001: 38).

2.3.2.2 Garbage Can Model

Cohen, March und Olson stehen in der Tradition der verhaltenswissenschaftlichen Entschei- dungstheorie von Barnard und Simons, deren Grundprämisse das Konzept der begrenzten Rationalität („bounded rationality“) darstellt (vgl. Berger/Bernhard-Mehlich 1995: 123 ff., 131).

Die Überlegungen von Barnard und Simon aufgreifend, entwerfen Cohen et al. mit dem Gar- bage Can Model einen Versuch, kontext- und zeitabhängige Entscheidungsprozesse zu be- schreiben. Dabei beziehen sie sich bei der Konzeptentwicklung explizit auf die Organisati- onsform „Universität“ und stützen ihre Argumentation stark auf ihre empirischen Untersu- chung an mehreren amerikanischen Universitäten (vgl. Cohen et al. 1972: 2).

Nach diesem Modell finden in Universitäten Entscheidungsprozesse unter der Voraus- setzung unklarer Präferenzen, unvollkommener Technologien und fluktuierender Partizipati- on statt (vgl. Cohen et al. 1972: 1). In diesem Zustand „organisierter Anarchie“ fehlt der feste Zusammenhang zwischen den verschiedenen Elementen des Entscheidungsprozesses. Ei- ne solche Organisation kann verstanden werden als Sammlung von Wahlmöglichkeiten, die nach Problemen Ausschau halten; Themen und Gefühle, die nach Entscheidungssituationen und Bearbeitern suchen; Lösungen, die nach Themen bzw. passenden Problemen blicken und Entscheidungsträger, die nach Arbeit suchen (Cohen et al. 1972: 2). Cohen et al. haben ermittelt, daß Entscheidungen unter diesen konfusen Umständen oft durch „Übersehen“ und durch „Flucht“ getroffen werden. Schwierige Probleme können also aus den Entscheidungs- überlegungen ausgeklammert werden, da sie im Rahmen des bestimmten Entscheidungs- prozesses noch nicht aufgeworfen wurden. Gleichfalls können schwierige Entscheidungen verschleppt werden, bis die Probleme zu einer anderen Entscheidungssituation abwandern.

Eher selten findet hingegen eine Entscheidung tatsächlich durch „Problemlösung“ statt, das Garbage Can Model ist also durch überwiegend suboptimale Problemlösung charakterisiert (vgl. Berger/Bernhard-Mehlich 1995: 141 f.).

Cohen und March konstatieren folglich über Universitäten: „In an organized anarchy each individual in the university is seen as making autonomous decisions. Teachers decide if, when, and what to teach. Students decide if, when, and what to learn. Legislator and donors decide if, when, and what to support. Neither coordination (...) nor control are practiced. Re- sources are allocated by whatever process emerges but without explicit accommodation and without explicit reference to some superordinate goal. The ‚decisions‘ of the system are a consequence produced by the system but intended by no one and decisively controlled by no one“ (zit. in Engels 2001: 45/46).

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2.3.2.3 Loosely Coupled System

Weick geht ebenfalls davon aus, daß die Universität von einem hohen Maß an Ambiguität und Unsicherheit geprägt ist. Er geht von einem System aus, dessen verschiedene mitein- ander interagierende Elemente und Komponenten unterschiedlich stark miteinander ver- knüpft sind und demnach in unterschiedlichem Maße zu selbständigem Handeln in der Lage bleiben. Lose Kopplung bedeutet für Weick, daß die Subelemente einer Organisation aufein- ander einwirken und sich beeinflussen, dabei aber ihre eigene Identität und ein gewisses Maß an Autonomie wahren können (vgl. Engels 2001: 48).

Bezüglich der Hochschulen stellt Weick fest, daß die einzelnen Organisationseinheiten we- der durch die formale Hierarchie noch durch die sich aus dem Arbeitsprozeß ergebenden operativen Beziehungen und Interaktionen zusammengehalten werden. Statt dessen verfü- gen die Professoren über ein außergewöhnliches Maß an vertikaler und horizontaler Auto- nomie (vgl. Weick 1976: 4 ff.). Weick führt dies auf die Ungewissheit zurück, in der sich Uni- versitäten befinden. Er sieht die lose Kopplung in diesem Zusammenhang als Vorteil an, da die durch diffuse Aufgaben und unklare Technologien entstehenden Turbulenzen in einem System loser Kopplung besser aufgefangen werden können (vgl. Weick 1976: 6). Um den Systemerhalt sicherzustellen, erfordert dieses hohe Ausmaß an loser Kopplung jedoch als Ausgleich auch Elemente enger Kopplung. Diese sieht Weick durch die ausgeprägten pro- fessionellen Normen, gegenseitige Evaluationen (z.B. peer review) und das große Maß an sozialer Kontrolle innerhalb einer scientific community gegeben (vgl. Weick 1976: 11 ff.).

2.3.3 Die Stellung der Professoren

Die bisherige Darstellung der Hochschulorganisation zusammenfassend und ergänzend, wird an dieser Stelle kurz speziell auf die Stellung der Professoren eingegangen, da bei der Behandlung der Dienstrechtsreform auf diesen Aspekt das Hauptaugenmerk gerichtet wer- den muß.

2.3.3.1 Kompetenzen

Wie bereits erwähnt, kennen Professoren aufgrund ihres beamtenrechtlichen Sonderstatus keinen weisungsbefugten Vorgesetzten und keine Weisungsgebundenheit. Der Gesetzgeber nimmt die Professoren ausdrücklich von der Anwendung der Vorschriften über die Arbeitszeit aus. Die Entscheidung, wann, wo und wie viel er (außerhalb des festgelegten Lehrdeputats) arbeitet, fällt also in seinen Kompetenzbereich. Außerdem können Professoren aufgrund ihrer Sonderstellung nicht abgeordnet oder versetzt werden, da sie bei ihrer Ernennung ein konkretes Amt zugesichert bekommen (vgl. Engels 2001: 331 ff.). Sie verfügen also schon wegen der Wissenschaftsfreiheit über einen großen Handlungsspielraum bei Forschung und Lehre und können bzw. sollen im Rahmen des Kollegialitäts- und Delegationsprinzips an der

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Selbstverwaltung der Universitäten mitwirken. Einflußnahme auf die Professoren erfolgt vor allem über die Verteilung von materiellen Ressourcen, berufsethische Normen und fachliche Evaluation durch Kollegen innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft.

2.3.3.2 Besoldung

Die Professoren bilden die einzige Beamtengruppe, für die das beamtenrechtliche Lauf- bahnprinzip nicht gilt. Erfüllen sie also die geforderten Einstellungsvoraussetzungen, können sie theoretisch unmittelbar auf die höchste Besoldungsstufe C 4 gelangen. Mit der Befreiung vom Laufbahnprinzip sind aber auch Beförderungen in andere Besoldungsgruppen ausge- schlossen, diesbezügliche Besoldungs- und Ausstattungsverbesserungen können aufgrund des Hausberufungsverbots nur über eine Berufung an eine andere Universität erreicht wer- den. Allerdings sind Professoren die einzigen Beamten, die über ihr Gehalt und ihre Arbeits- bedingungen zu Beginn des Dienstverhältnisses verhandeln können, wobei jedoch bestimm- te Obergrenzen festgelegt sind (vgl. Engels 2001: 333).

Konkret wurde eine besoldungsrechtliche Dreiteilung in die Gruppen C 2, C 3 und C 4 einge- führt, wobei die Gruppe C 2 an Universitäten nur noch ein Auslaufmodell darstellt. Die Be- soldung besteht aus einem Grundgehalt, das sich innerhalb jeder Gruppe in Abständen von zwei Jahren (Altersprinzip) erhöht, sowie einem Familienzuschlag, der sich aus Familien- stand und Kinderzahl ergibt (vgl. Abb. 2-2).

(Angaben ohne Familienzuschlag) C 3 C 4

06. Altersstufe (ca. 31 Jahre) ca. 3517 EUR ca. 4260 EUR 11. Altersstufe (ca. 41 Jahre) ca. 4302 EUR ca. 5049 EUR 15. Altersstufe (ca. 49 Jahre und älter) ca. 4930 EUR ca. 5680 EUR Abbildung 2-2: Bandbreite des Grundgehalts von Professoren nach dem alten Besoldungssystem (i n

Anlehnung an Expertenkommission 2000: 37).

Das leistungsbezogene Element des alten Besoldungssystems ergibt sich aus dem Beru- fungsprinzip. Wollen die Professoren in eine höhere Besoldungsgruppe eintreten, müssen sie sich unter Beachtung des Hausberufungsverbots am Berufungsmarkt behaupten und sich der ausführlichen Leistungsbewertung durch Kollegen aussetzen. Zuschüsse können nur von C 4-Professoren aufgrund von Berufungs- und Bleibeverhandlungen erzielt werden, die gesetzliche Obergrenze des Grundgehalts beträgt hierbei ca. 9169 EUR (vgl. Expertenkom- mission 2000: 37 f.).6 Allerdings ist dieser Berufungsmarkt durch die Drei-Jahres-Sperre für Berufungen und eine Berufungsaltersgrenze für C 4-Professoren eingeschränkt. Als weiterer indirekter Besoldungsbestandteil kann außerdem die vom Gesetzgeber eingeräumte Mög- lichkeit von Nebentätigkeiten gesehen werden, einer Regelung, die die öffentlichen Haushal-

6 Diese Möglichkeit haben also nur etwa 55 Prozent der Professoren (vgl. Expertenkommission 2000: 38).

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te entlastet und den Universitäten vielfach erst die Unterbreitung eines attraktiven und wett- bewerbsfähigen Rufangebots ermöglicht (vgl. Hartmer 1999: 219 f.). Des weiteren können die „Bewirtschaftungslizenzen“ der Professoren als leistungsbezogene Anreize interpretiert werden. Hiermit sind die erheblichen diskretionären Verhaltensspielräume gemeint, über die die Professoren gegenüber ihrem wissenschaftlichen Personal und dessen Einsatz verfügen.

Denn dieser „weitgehend ungeregelte Zugriff auf fremde Arbeitskraft wirkt direkt auf das Nut- zenniveau des jeweiligen Betreuers“ (Franck/Opitz 2000a: 22/23).

2.3.3.3 Qualifizierung

Der Erwerb wissenschaftlicher Qualifikationen findet in enger Anleitung und in einem Status hoher persönlicher Abhängigkeit statt und ist durch „intensive Selektions-, Sozialisations- und Indoktrinationsprozesse“ gekennzeichnet (Engels 2001: 362; vgl. z.B. auch Pellert 1995:

97 sowie Franck/Opitz 2000a: 23; 2000b: 277 ff.).

Der Qualifizierungsweg von Professoren ist bisher durch folgende Stationen geprägt: Nach Abschluß eines Studiums, der im Schnitt im Alter von 27 Jahren erreicht wird, folgt in der Regel die Promotion, die mit der Anfertigung einer Dissertationsarbeit abschließt. Die Promo- tionszeit beträgt normalerweise zwei bis drei Jahre, das Durchschnittsalter der frisch Prom o- vierten beträgt 32 Jahre. Anders als in vielen anderen Ländern, ist in Deutschland kein Pro- motionsstudiengang mit festem Curriculum und Zwischenevaluationen vorgesehen. Diese Phase des wissenschaftlichen Arbeitens ist also je nach Arbeitsweise des betreuenden Pro- fessors mehr oder weniger strukturiert. Wird danach eine wissenschaftliche Karriere ange- strebt, folgt anschließend an die Promotion die sogenannte „Postdoc-Phase“, während der die Habilitationsschrift erarbeitet wird. Diese Phase wird häufig im Rang eines wissenschaft- lichen Assistenten durchlaufen, die Habilitanden stehen also in einem Weisungsverhältnis zu ihrem jeweiligen vorgesetzten Professor und haben für diese über ihre persönliche Arbeit hinaus vielerlei Unterstützungsarbeit (auch in der Lehre) zu leisten.7 Die Habilitation wird nach Abgabe der Habilitationsschrift und dem Bestehen einer universitätsinternen Prüfung von hohem Schwierigkeitsgrad und großer Bedeutung verliehen, das Durchschnittsalter be- trägt hier 40 Jahre. Im Anschluß daran darf der Habilitierte (Privatdozent) sich um einen Ruf an eine andere Universität bewerben, das Professorenamt erreicht er schließlich durch die Berufung, die nach einer positiven weiteren Evaluation durch die Professoren der entspre- chenden Berufungskommission erfolgen kann. Alternative Wege für die Berufung sind vom

7 Diese Form des Dienstverhältnisses zum betreuenden Professor besteht in eingeschränkter Form in der Regel auch für Doktoranden. Zu betonen ist jedoch, daß diese „Hilfstätigkeiten“ neben der Erstellung der Dissertations - und Habilitationsschrift nicht nur ein notwendiges Übel, sondern eine weitere Form der Qualifizierung zum Hochschullehrer darstellen, da dabei ebenfalls wichtige Inhalte der Professorentätig- keit, vor allem bezüglich der Lehre vermittelt werden.

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Gesetzgeber prinzipiell zwar vorgesehen, bilden jedoch eine Ausnahme (vgl. zum vorange- gangenen Expertenkommission 2000: 20 f.).

2.4 Probleme des bestehenden Systems

Im folgenden sollen schließlich die von der Seite der Hochschulpolitik und der Wissenschaft vorgebrachten Kritikpunkte am bestehenden Hochschulsystems zusammengefaßt werden.

Im Lichte der hier vorgebrachten Kritik müssen die getroffenen Maßnahmen der Dienst- rechtsreform später bewertet werden. Dabei ist zu beachten, daß dieser Überblick keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Es geht hier lediglich darum, auf die wesentlichen As- pekte und die Stoßrichtung der Kritik aufmerksam zu machen.

2.4.1 Leitungsstrukturen

Das bereits beschriebene hohe Maß an externer Steuerung der Universitäten durch den Staat kann nur dann funktionieren, wenn einige Voraussetzungen erfüllt sind. So müssen Entwicklungen im Hochschulsektor grundsätzlich vorhersehbar und staatlicherseits steuerbar sein, die Rahmenbedingungen müssen sich als relativ stabil erweisen. Außerdem muß die finanzielle Ausstattung in ausreichendem Maße und auf lange Frist, also planbar, bereitge- stellt werden können (vgl. Müller-Böling/Küchler 1998: 20). Da diese Voraussetzungen je- doch mittlerweile nicht mehr gegeben sind, sondern die Dynamisierung und Unsicherheit der Umwelt auch die Hochschulen erfaßt hat, ist die Steuerungskompetenz des Staates syste- matisch überfordert. Der vor allem über ex-ante Steuerungsmechanismen regulierende Staat kann auf den großen und kurzfristig notwendigen Regelungsbedarf der Universitäten nicht flexibel, innovativ und einzelfallorientiert genug reagieren. Dies führt zu suboptimalen Prob- lemlösungen und einer übermäßigen Bürokratisierung, die die vorhandenen Spielräume zu eigenverantwortlichem Handeln unterdrückt (vgl. Müller-Böling/Küchler 1998: 20 f.;

Hödl/Zegelin 1999: 277 ff.).8 Dabei wären gerade mehr Handlungsspielräume, also eine grö- ßere institutionelle Autonomie nötig, um ein höheres Maß an Effizienz und Effektivität zu er- zielen. Beispielhaft für diese übermäßige Bürokratisierung steht die Praxis, über enge und detaillierte Haushaltssätze einen beträchtlichen Einfluß auf universitäre Entscheidungen auszuüben. So führt die kameralistische Budgetierung mit ihrer titelscharfen Mittelzuweisung, sachlicher und zeitlicher Spezialität und festen Stellenplänen dazu, daß wirtschaftliches

8 Das in diesem Zusammenhang auftretende Problem findet sich auch in der wirtschaftswissenschaftli- chen Literatur. Steinmann/Hasselberg haben bereits 1988 darauf hingewiesen, daß der klassische Ma- nagementprozess mit seinem Primat der Planung den Anforderungen einer komplexen, dynamischen Umwelt sowie einer unsicheren Umsetzungsperspektive innerhalb der Organisation nicht gerecht werden kann. Sie konstatieren vielmehr, daß die strategischen Vorgaben dezentral, multipersonal und perm a- nent hinterfragt und rückgekoppelt werden müssen, um die Selektivität der Planung kompensieren und die nötige Anpassungsleistung erbringen zu können (vgl. Steinmann/Hasselberg 1988: 1309 ff. sowie auch Steinmann/Schreyögg 1990: 106).

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Handeln der Universitätsmitglieder nicht unterstützt sondern erschwert wird (vgl. Neuvians 1997: 3 f., oder z.B. auch Brinckmann 1998: 76 ff.; Engels 2001: 396 f.).

Bezüglich der internen Steuerung der Universitäten sind ebenfalls Defizite festzustellen.

Die Gremienstruktur, die sich aus dem Kollegialitätsprinzip und dem Modell der Gruppen- hochschule ergibt, führt zu schwerfälligen und suboptimalen Entscheidungen. Denn Gremien neigen zum Konsens auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und tendieren zu Negativkon- sensen und Blockadepolitik. Sie handeln außerdem tendenziell verantwortungslos, da nie- mand individuell zur Rechenschaft gezogen werden kann, und produzieren oftmals ein e- normes Mißverhältnis zwischen Aufwand und Ergebnis (vgl. Müller-Böling/Küchler 1998:

27/28). Diese Defizite der Kollegialstruktur werden vor allem im Rahmen der bestehenden Pilotprojekte zur Erweiterung der finanziellen Autonomie der Hochschulen deutlich, da durch diese Maßnahme verstärkt Konfliktkonstellationen bei Entscheidungen über Prioritäten und Mittelvergabe entstehen (vgl. Hödl/Zegelin 1999: 241 f.). Darüber hinaus behindert das hohe Maß an individueller Autonomie der Professoren und die lose Kopplung der Universitätsein- heiten auf der Arbeits- und Fachbereichsebene ein koordiniertes Handeln und die konse- quente Ausrichtung aller Aktivitäten auf ein gemeinsames, strategisches Ziel (vgl. Engels 2001: 403). Diese Steuerungsdefizite werden vor allem bei der Organisation der Lehre, der Qualitätssicherung (im Sinne von Kostencontrolling und Leistungsevaluation) und der Inno- vation und Flexibilität bei der Neuordnung von Studiengängen sichtbar (vgl. Brackmann 1997: 125).

2.4.2 Anreizsystem

2.4.2.1 Besoldung

Leistungsorientierte Anreize ergeben sich im bestehenden Besoldungssystem vor allem über den Berufungsmarkt. Aufgrund der gesetzlichen Einschränkung dieses Berufungsmarktes (vgl. hierzu Kapitel 2.2.3.2) erscheint dies vielen Kritikern jedoch „zu wenig, um durchgängig leistungssteigernd zu wirken“ (Expertenkommission 2000: 38).9 Das Altersprinzip als domi- nierendes gehaltssteigerndes Element innerhalb einer Besoldungsgruppe schafft dagegen keinerlei Leistungsanreize, und wer überdurchschnittliche Leistungen erbringt, wird dafür nur unangemessen belohnt. Der Berufungsmarkt hat zudem einen unwillkommenen Nebenef- fekt. Im Rahmen von Berufungs- bzw. Bleibeverhandlungen werden viele Scheinbewerbun- gen getätigt und von vorne herein aussichtslose Berufungen provoziert, die einen erhebli- chen Aufwand innerhalb der akademischen Verwaltung verursachen (vgl. Hartmer 1999:

9 Darüber, daß das bestehende System Defizite bezüglich des Setzens von Leistungsanreizen hat, be- steht zwischen Professorenvertretungen und Politik weitgehend Einigkeit. Strittig ist jedoch, wie das bis- herige System entsprechend verbessert werden soll (vgl. Hochschulrektorenkonferenz 1999: 17; Hoch- schulverband 2000a: 2).

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219). Durch die mangelhafte Anwendung leistungsorientierter Anreizsysteme vergibt man jedoch nicht nur die Chance einer effektiveren Motivierung, sondern auch die der besseren Koordination. So sind mittels Setzung von Leistungsanreizen auch Verhaltensumsteuerun- gen möglich, Professoren könnten zum Beispiel zu einem stärkeren Engagement in der Leh- re bewegt werden.

Abgesehen von der mangelnden Leistungsorientierung gilt die Professorenbesoldung vor allem international als nicht wettbewerbsfähig. Die Gewinnung von Spitzenwissenschaftlern wird durch die Besoldungsobergrenzen des derzeitigen Systems erschwert oder scheitert sogar daran. Es ist deutschen Universitäten teilweise nicht mehr möglich, attraktive Angebo- te zu unterbreiten. Dies gilt besonders für Disziplinen, die sich auch dem außeruniversitären Wettbewerb zu stellen haben (vgl. Hartmer 1999: 220; Expertenkommission 2000: 38 oder auch BMBF 2000:2).

2.4.2.2 Interuniversitärer Wettbewerb

Erstens wird die Homogenität des bestehenden Universitätssektors als „entscheidendes Hindernis“ für Innovation gesehen, da individuelle und institutionelle Abweichungen vom staatlichen Regelwerk stark eingeschränkt sind und dadurch keine Anreize zur Profilbildung und Differenzierung bestehen. Gerade über diese Abweichungsoptionen (im Sinne von Handlungsspielräumen) müßten Universitäten verfügen können, um auf Anforderungen wie Leistungsbezug, Kostensenkung und international wettbewerbsfähiger Qualität flexibel und schnell reagieren zu können (vgl. Brinckmann 1998: 91).

Zweitens wird argumentiert, daß eine stärkere Differenzierung von Bildungseinrichtungen und verstärkter Wettbewerb zwischen den Universitäten unerläßlich ist, um überhaupt zu einem in sich stimmigen Konzept der Leistungsorientierung zu gelangen. Denn mit Hilfe ei- ner effizienten Arbeitsteilung und Spezialisierung in Forschung und Lehre durch ein ausdiffe- renzierteres Hochschulbildungssystem lassen sich die Probleme der Meßbarkeit akademi- scher Leistung und dysfunktionaler Anreize verringern (vgl. Franck/Opitz 2000b). Außerdem sorgt interuniversitärer Wettbewerb in Verbindung mit weitreichender Finanzautonomie dafür, daß den Hochschulen der Erfolg ihrer Bemühungen selbst zugute kommt, daß sie also ihren Gewinn selbst abschöpfen können. Diese Voraussetzung muß gegeben sein, um ein Kon- zept korporativer Reputationsbewirtschaftung nach amerikanischem Vorbild erfolgreich imp- lementieren zu können (vgl. z.B. Amrhein 1998: 89; Franck/Opitz 2000a). Auf diesbezügliche konkrete Gestaltungsmöglichkeiten wird erst in Kapitel 7.2.2 ausführlich eingegangen.

2.4.3 Qualifikationsweg des wissenschaftlichen Nachwuchses

Zur Qualifizierung von Professoren stellt Enders kritisch fest: „Der Hochschullehrer lebt zwar davon, der Welt mitzuteilen, daß Fortschritt von systematischem Wissen und systemati-

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schem Lernen abhängt; aber er hängt, was die Qualifizierung des eigenen Nachwuchses angeht, eher vorsystematischen Modalitäten an. Die Ausbildung entspricht in ihrem äußeren Bild eher früheren Formen der Lehre für manuelle Berufe: einem Lernen durch Beobachtung, durch Versuch und Irrtum, durch allmähliches Reifen, durch Nachweis des Erfolges nicht am Prozeß und über Zwischenergebnisse, sondern durch Ablieferung des ‚Gesellenstücks‘ Pro- motion oder des ‚Meisterstücks‘ Habilitation. Hinzu kommt, daß der Hochschullehrerberuf höchste Selbständigkeit seiner Angehörigen unterstreicht, jedoch in keinem anderen Beruf der Nachwuchs so lange im Stand begrenzter Selbständigkeit gehalten wird“ (Enders 1998:

60).

Diese Aspekte aufgreifend nennt das BMBF als Problempunkte des Qualifikationsweges wissenschaftlicher Nachwuchskräfte die unstrukturierte und häufig unzureichende Betreuung während der Promotionsphase, die im internationalen Vergleich unzureichende Selbständig- keit der Postdocs und die damit zusammenhängende mangelnde Attraktivität der Hochschul- lehrerausbildung in Deutschland. Darüber hinaus wird die zu lange Qualifikationsdauer und das daraus resultierende hohe Erstberufungsalter von Professoren moniert (vgl. BMBF 2000:

2/5). Schließlich gilt das Verfahren zur Feststellung der Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses als zu unstrukturiert und unsicher (vgl. Expertenkommission 2000: 20 ff.;

BMBF 2000: 4).

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