A 156 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 5|
31. Januar 2014E
twas Besonderes war es ohne- hin – war es doch der 1. Deut- sche Pflegetag, den es je gegeben hat. Speziell wurde es darüber hin- aus jedoch auch durch die Stim- mung, die in der Luft lag: Auf- bruchstimmung. „In der Berufs- gruppe hat ein immenser Wandel stattgefunden. Sie ist sich ihres Wertes bewusst. Sie ist willens und in der Lage, sich selbst zu verwal- ten“, rief der Präsident des Deut- schen Pflegerates, Andreas Wester- fellhaus, den 1 500 Besuchern des Pflegetages am 23. Januar in Berlin zu. „Unser Angebot an die Poli- tik ist, konstruktiv mitzugestalten.Denn nie wieder dürfen wir die Weiterentwicklung unseres Berufs- bildes anderen überlassen.“
Union und SPD haben sich in ih- rem Koalitionsvertrag auf eine Pfle- gereform verständigt, mit der so- wohl ein neuer Pflegebedürftig- keitsbegriff umgesetzt als auch dem System etwa sechs Milliarden Euro mehr zugeführt werden sollen. „Es reicht nicht zu überlegen, wie eine Pflegereform aussehen kann und wie viel Geld man dafür braucht“, betonte Westerfellhaus hingegen.
„Wenn man am Ende nicht die
Leistungserbringer hat, die diese Leistungen sicherstellen, wird jede Reform im Ansatz verpuffen. In erster Linie erwarteten die Pflegen- den dabei mehr Kollegen, damit sie die Leistungen, zu denen sie ange- treten seien, an den Menschen er- bringen könnten. „Und wir müssen wegkommen von der Minutenpfle- ge“, sagte Westerfellhaus. „Denn die Minutenpflege macht krank.“
Zusammen mit dem AOK-Bun- desverband und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund hat der Pflegerat ein Positionspapier ver- fasst. Darin fordern die Verbände Strukturen, die den Menschen mög- lichst lange ein selbstbestimmtes Leben zu Hause ermöglichen. Dazu gehörten wohnortnahe Beratungs- und Dienstleistungsstrukturen so- wie Alterna tiven zur häuslichen Pflege wie Wohngemeinschaften, Generationenwohnen, kleine statio- näre Einrichtungen, betreutes Woh- nen sowie sinnvolle technische Unter stützungssysteme.
Die Attraktivität des Pflegeberu- fes solle zudem durch eine Weiter- entwicklung der Aufgabenfelder professioneller Pflegefachkräfte ge- steigert werden, „insbesondere durch die Verbesserung der Rahmenbedin- gungen für die Durchführung der Modellprojekte zur Heilkundeüber- tragung“. Diese seien ein geeignetes Mittel, die Kooperation der Berufe im Gesundheitswesen und damit auch die Arbeitszufriedenheit der Beteiligten zu verbessern und Ver- sorgungsengpässe aufzufangen.
Ursprünglich hatte Bundeskanz- lerin Angela Merkel (CDU) ange- kündigt, auf dem 1. Deutschen Pflegetag zu sprechen, um die poli- tische Bedeutung des Themas her- vorzuheben. Nach ihrer Beckenver- letzung wurde sie durch Bundesge- sundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vertreten, der die ausge- streckte Hand Westerfellhaus’ er- griff. „Ich nehme Ihr Angebot zur Zusammenarbeit gerne an“, sagte Gröhe. „Denn wir brauchen die Ideen gerade der beruflich pflegen- den Menschen aus allen Versor- gungsbereichen.“ Die Bundesregie- rung werde die Pflege zu einem klaren Schwerpunkt ihrer Arbeit machen. „Ich werde mich in dieser Legislaturperiode für Verbesserun-
gen für unsere Pflegeberufe mit ganzer Kraft einsetzen“, versprach der Minister. „Denn eine Abwande- rung aus diesem Bereich können wir uns nicht länger leisten.“ Zahl- reiche Vorhaben im Pflegebereich sind im Koalitionsvertrag festge- halten. Einige weitere nannte Grö- he am 27. Januar der „Rheinischen Post“: So sei geplant, die Ausbil- dungszahlen in der Altenpflege bis zum Jahr 2015 um 30 Prozent zu erhöhen. 4 000 Pflegehelfer sollen dabei zu Fachkräften weiterqualifi-
ziert werden.
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Falk Osterloh
1. DEUTSCHER PFLEGETAG
Aufbruchstimmung
Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen sind Pflegekräfte bislang wenig organisiert und nicht selbstverwaltet.
Der Deutsche Pflegerat will das ändern.
„ Nie wieder dürfen wir die Weiterentwicklung unseres Berufsbildes anderen überlassen. “
Andreas WesterfellhausHat viel vor: Andreas Westerfell- haus will die Pflegekräfte in Deutschland besser organisieren.
Foto: dpa