A3002 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 44⏐⏐2. November 2007
T H E M E N D E R Z E I T
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er Jubel war groß an der Kie- ler Universität, als die Nach- richt kam: Das Netzwerk „Entzün- dung an Grenzflächen“ ist einer der Sieger der zweiten Runde der Exzellenzinitiative. „Die Stimmung ist enthusiastisch, besonders unter den jungen Wissenschaftlern“, sagt Prof. Dr. med. Stefan Schreiber, Sprecher des Netzwerkes. Mit ihm freuen sich 130 Forscher in 70 Gruppen in Lübeck, Kiel, Borstel und Plön. Rund sechs Millionen Eu- ro jährlich stehen dem Netzwerk nun als Exzellenzcluster zur Verfü- gung. „Mindestens genauso wichtig ist aber das Prestige“, betont Schrei- ber. Das Konzept überzeugte: Chro- nisch entzündliche Barriereerkran- kungen, wie Asthma oder Morbus Crohn, werden gemeinsam er- forscht, von der Pathologie und der Genetik bis hin zur Therapiestrate- gie. Mediziner, Biologen und Ernährungswissenschaftler arbeiten zusammen. Neben dem Kieler Netz- werk wurde die Förderung von 19weiteren Exzellenzclustern und von 21 Graduiertenschulen bewilligt.
Zahlreiche Projekte haben medizi- nische Inhalte beziehungsweise me- dizinische Fakultäten sind beteiligt.
Die klinische Forschung bildet aber die Ausnahme. Im Vordergrund ste- hen biomedizinische Themen.
Erfolgreiche Anträge auf mindes- tens eine Graduiertenschule und ein Exzellenzcluster sind die Vorausset- zung für die Förderung eines Zu- kunftskonzepts („Elite-Uni“). Einen Zuschlag für diese dritte Förderlinie erhielten sechs Universitäten. Da- mit gibt es nun neun „Elite-Unis“.
Im Rahmen der Exzellenzinitiative stehen von 2006 bis 2011 1,9 Milli- arden Euro zur Verfügung.
„Die Exzellenzinitiative schreibt Wissenschaftsgeschichte“, erklärt Bundesforschungsministerin Dr. An- nette Schavan. Der Wettbewerb um Exzellenz habe neue Impulse ge- setzt. Von einer „Aufbruchstimmung in der Wissenschaft“ spricht Prof.
Dr. E. Jürgen Zöllner, Vorsitzender der Bund-Länder-Kommission. Prof.
Dr. Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), lobt, die Exzellenzinitiative habe die überfällige Profilbildung der Hochschullandschaft vorange- bracht.
Während sich die Vertreter von Politik, Wissenschaftsrat und DFG zufrieden zeigen, gibt es aber auch Kritik. Weil mehr Projekte als in der ersten Runde 2006 einen Zuschlag erhielten, werden nun die jeweiligen Bewilligungssummen um bis zu 15 Prozent gekürzt. Trotzdem bleibe die Arbeitsfähigkeit aller Vorhaben auf einem hohen Niveau erhalten, versichert DFG-Präsident Kleiner.
Die Kürzung gelte nicht für die 2006 bewilligten Projekte. Viel- mehr sei es in der ersten Runde be- reits zu Kürzungen und Sperrungen von Mitteln gekommen, die in etwa
der angekündigten Reduzierung entsprächen. „Somit werden die als exzellent ausgezeichneten Projekte beider Runden insgesamt gleich be- handelt“, erklärt Kleiner in einer et- was holprigen Stellungnahme. Auch Ministerin Schavan weist den Vor- wurf zurück, zu viele Projekte wür- den in der zweiten Runde gefördert und die Zahl von neun „Elite-Unis“
sei zu hoch.
Augenfällig ist unterdessen die regionale Verteilung der bewilligten Vorhaben. Während die Anzahl der Exzellenzcluster und Graduierten- schulen im Norden im Vergleich zu 2006 gewachsen ist, gibt es nach wie vor ein deutliches Ost-West-Ge- fälle. Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz, Kultusminister von Sachsen-An- halt, gibt das zu denken. Er fordert eine Debatte darüber, wie man die deutsche Forschungslandschaft strategisch insgesamt verbessern kann. „Dieses Problem ist aber nicht innerhalb der Exzelleninitiative zu lösen“, räumt er ein. I Dr. med. Birgit Hibbeler Freiburg
Universität München Karlsruhe (TH)
RWTH Aachen
Technische Universität München
Freie Universität Berlin
Konstanz Göttingen
Heidelberg
EXZELLENZINITIATIVE
Aufbruchstimmung in der Wissenschaft
Die Exzellenzinitiative hat neue Impulse für die Forschung gesetzt. Doch es gibt auch Kritik:
Wegen der großen Zahl an bewilligten Projekten werden die Fördersummen gekürzt.
„MEDIZIN-ELITE“
Neu bewilligte Projekte 2007 mit medizinischem Inhalt:
Exzellenzcluster
>HU Berlin: NeuroCure
>Kiel: Inflammation at Interfaces
>Köln: Cellular Stress Responses in Aging-Associated Diseases
>Tübingen: Centre for Integrative Neuroscience
Graduiertenschulen
>HU Berlin: Berlin-Brandenburg School for Regenerative Therapies
>Göttingen: Graduate School for Neurosciences and Molecular Bio- sciences
>Ulm: International Graduate School in Molecular Medicine Ulm
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neuG
seit 2006Zukunftskonzepte („Elite-Unis“):Im Süden sind die meisten Gewinner.