• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "„Jede Ideologie ist lebensfeindlich“" (28.08.1975)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "„Jede Ideologie ist lebensfeindlich“" (28.08.1975)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Katholische Ärztearbeit

Deutschland, in der Schweiz und in Österreich zu entwickeln, die aus der Flut medizinischer Literatur herausragt, gleichsam als Magna Charta für das Gewissen eines christlichen Arztes. Der Otto Mül- ler-Verlag, Salzburg, hat das hohe Verdienst, in all den zwanzig Jah- ren verlegerisch die Chancen des Lebens und Weiterlebens dieser Ärztezeitschrift geboten zu haben.

Mit Kardinal König möchte man

„Arzt und Christ" auch nach 20 Jahren wünschen, daß diese Zeit- schrift weiterhin so erfolgreich bei- tragen möge zur besseren Erkennt- nis, daß auch in der Medizin nicht das gut sein kann, was gegen die Grundsätze der moralischen Ord- nung verstößt, und daß sie, wie bis- her, immer wieder auf Verstöße ge- gen die Ordnung der ärztlichen De- ontologie als Irrwege in der Medi- zin aufmerksam machen möge.

FORUM

„Jede Ideologie ist lebensfeindlich"

Gedanken zu den ideologiebehafteten Begriffen

„Reaktion" und „Fortschritt"

Wilhelm Lösche

Alle Ideologen arbeiten mit vereinfachenden Begriffen, um die Wirk- lichkeit an ihre Vorstellungen anzupassen. Doch die belebte Natur kennt solche Simplifizierungen nicht. Auch das Grundgesetz unse- res Landes geht nach Auffassung des Verfassers von Lebensvielfalt aus, lehnt also ideologische Verkürzungen ab. Es verlangt Eigenin- itiative und konkretes Handeln als Wege zu praktischem Fortschritt.

Doch wo endet dieser verfassungskonforme Fortschritt?

Anschrift des Verfassers:

Hannes Sauter-Servaes 77 Singen (Hohentwiel) Hegaustraße 24

ECHO

Zu: „Der Wiedergewinn der Hoff- nung" von Dr. med. Erwin Theiss in Heft 24/1975, Seite 1841 ff.

Lourdes-Pilger

„Verlegen und mit Skepsis reagieren die meisten Ärzte, wenn ein schwerkranker Pa- tient um ein Attest für den Pilgerzug in den südfranzösi- schen Wallfahrtsort Lourdes bittet. Indes sollten die Ärzte den Leidenden diesen Wunsch nicht abschlagen, appelliert in der jüngsten Aus- gabe des DEUTSCHEN ÄRZ- TEBLATTES Dr. Erwin Theiss, Chefarzt im Herz- Jesu-Krankenhaus in Lindlar bei Köln und als Pilgerarzt selbst Begleiter der Schwer- krankenzüge nach Lourdes, an seine Kollegen... (Westfä- lische Rundschau, Dortmund)

Die Ideologieneigung der Jugend ist verständlich, weil kollektive Ge- borgenheit noch nicht entbehrt werden kann und Solidarisches da- her vorrangig begeistern muß, ohne daß eigene Folgeerfahrungen schon bremsen könnten. Die .Rich- tung nach links ist nicht verwun- derlich, weil der Weg nach rechts historisch blockiert ist. Aus der Sicht des Grundgesetzes freilich sind alle Ideologen, auch die „fort- schrittlichen", die eigentlichen Re- aktionäre, denn sie alle wollen an einen leidvollen Geschichtsab- schnitt wieder anknüpfen, unter den unser Grundgesetz bewußt und endgültig einen Schlußstrich gezogen wissen wollte. Nicht mehr die Vorprogrammierung durch ir- gendeine Ideologie, sondern der Mensch als Mensch sollte danach endlich den Vorrang haben, ganz unabhängig von seiner Program- mierung und Kapazität. Was schon seit mehr als 2000 Jahren Grundla- ge ärztlicher Ethik ist, sollte end- lich und endgültig Verfassungs- recht sein.

Die Ideologen sind durch diese Tat- sache hierzulande unter einen fast tragischen Zwang geraten, der ob- jektiv dargestellt werden muß, weil er keine Ideologie ausnimmt und

einsehbare Gründe hat: Das Be- zwingende jeder Ideologie ist, daß sie mit einer bestimmten Logik ar- beitet. Wegen dieser logischen Ge- schlossenheit allein kann sie über- zeugen und mitreißen. Doch Logik muß mit Begriffen arbeiten, die gleiche Einheiten voraussetzen.

Solche Simplifizierung aus Grün- den der Logik kennt die belebte Natur nicht. Im Gegenteil, sie über- wältigt gerade durch den Reichtum an Individuen, die — so unvorstell- bar es ist — alle ungleich sind.

Schon deshalb ist jede Ideologie, selbst wenn sie auf das Gegenteil zielt, im Keime wie in der Konse- quenz lebensfeindlich.

In der praktischen Politik muß der Ideologe entweder die Wirklichkeit seiner Ideologie anpassen, also fortgesetzt gleichmachen, was nicht gleich ist und auch nicht gleichbleiben kann, oder aber ein- gestehen, daß seine Ideologie zwar logisch, aber gerade deshalb falsch ist. Weil aber dieses Eingeständnis ein unzumutbares „Scheitern"

wäre, bleibt nur der Zwang zu ge- waltsamer Durchsetzung seiner Vorstellungen. Inquisitionen und das unfaßbare Liquidieren von Angehörigen des eigenen Volkes und von Individuellem gab es also

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 35 vom 28. August 1975 2413

(2)

Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen Ideologische Begriffe

wahrscheinlich nicht, weil schlechte Menschen vorhanden waren, son- dern gerade da, wo man auf gute Vorsätze zu einmütig und zu sicher eingeschworen war. Nicht die Men- schen allein hatten daran schuld, die eigentliche Schuld war system- immanent, denn sie ist ideologie- immanent.

Diese Zusammenhänge können und müssen jedem Ideologen ver- ständlich und nüchtern klarge- macht werden. Denn wenn bei je- der Ideologie lebensfeindliche Ge- walt, Druck und Drohung zwangs- läufig und vorhersehbar sind, dann verdienen sie nicht die verzeihende Bewertung als „tragischer Zwang".

Zu den Begriffen, mit denen gerade heute Ideologen besonders operie- ren, gehört der des „Fortschritts"

— bei Ideologen gemeint als eine Verheißung auf eine mehr oder weniger ferne Zukunft.

Wer immer hoch zu Roß die Fort- schrittstrommel rührt, der will oder kann offenbar nicht mehr abstei- gen und Schritt fassen, weil ihn un- ser Verfassungsschuh dann zu sehr drückt. Unsere Verfassung will nicht den Marsch in ein Land, wo alle Blicke nach außen gerich- tet sind, um zu sehen und zu spä- hen, was andere für einen selbst tun sollten, könnten, müßten, und wo auch Rang, Mut und Macht au- ßen, im Organisatorischen gesucht werden. Sie will dahin, wo der Blick nach innen gerichtet ist, wo Hirn, Herz und Hand den Mut fin- den sollen und wollen zur eigen- ständigen Tat. Nur wer mit Fleiß tut, wozu er berufen, wozu er be- ruflich ausgebildet ist, nur der hilft sich und anderen tatsächlich und auch menschenwürdig, nur er dient der Verfassung und dem wahren Fortschritt. Pläne und Theorien, Anklagen oder Mitleid allein sind kein Ersatz.

So sollte man meinen.

Doch welches Endziel hat der ver- fassungskonforme Fortschritt wohl tatsächlich? Wird Erfolg das Brandzeichen bleiben für das Frei- wild, das vom Fortschritt gejagt

und gerissen werden muß? Kann ein Mensch ohne Erfolg glücklich sein? Kann er ohne Erfolg anderen helfen? Heißt Erfolgsfeindlichkeit aber nicht auch, daß Neid eine Tugend ist? Soll er die federfüh-

rende Tugend sein und bleiben?

Wie soll die Verfassungswirklich- keit am Ziel aussehen?

Solche Fragen sind vielleicht nicht ungefährlich, denn wer Besinnung und bedachte Antworten erwartet, der will dem Fortschritt ganz offen- bar die Fahrt nehmen, der steht ihm im Wege. Er muß reformiert werden. Das Ziel aller wirklich Er- folgreichen scheint heute längst der unkündbare Posten und vor al- lem die Pension zu sein. Sie ent- hebt aller Endfragen und sichert — zu Lasten anderer — Lebensgenuß, der wenigstens noch selbst erlebt werden kann.

Warum schließen wir Ärzte uns ei- gentlich noch aus? Dünkel oder Dummheit? Angst vor der ganzen Wahrheit und deshalb lieber weiter aussichtslose und opfervolle Beru- fung unter Salamitaktik? Dürfen wir allein und unsere Familien keinen Anspruch erwerben können auf

Ohne auf die in dieser Bericht- erstattung als positiv erwähnten neuen Organisationsformen und ihre Problematik einzugehen, sei zu einer wichtigen Detailfrage Stellung genommen:

Oberarzt Dr. Lübcke und Ober- arzt Dr. Herden, beide Mitglie-

mehr Humanität am Arbeitsplatz, bei Krankheit und im Alter? Dürfen ausgerechnet wir weiter auf die Rehabilitation verzichten, obwohl unser Beruf auf Menschen und nicht auf totes Material ausgerich- tet ist? Brauchen wir immer mehr Leistungen und immer mehr Geld, damit auch unsere Freizeit durch Buchführungsarbeit immer weiter aufgezehrt wird und ein Vermögen gebildet wird, das alt ist und bela- stet, wenn wir davon leben wollen?

Wenn alle anderen in unseren Op- fern keinen Sinn mehr sehen, kön- nen wir selbst und unsere Familien unsere überschießenden Belastun- gen nicht am allerbesten entbeh- ren? Wir haben für unser Privatle- ben doch nicht den mindesten Grund, mit der Feigheit einer Sala- mitaktik zufrieden zu sein, wir ha- ben jeden Anspruch doch wirklich ganz persönlich erarbeitet. Wer weiter Opfer erwartet, die am Ende sinnlos sein sollen, verlangt Unzu- mutbares, ja Unmoralisches. Auch wir leben nur ein einziges Mal.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Wilhelm Lösche 42 Oberhausen

Robert-Koch-Straße 5

der des Apothekenausschusses des Allgemeinen Krankenhauses Altona in Hamburg, berichten überaus positiv u. a. über die Eigenherstellung von Medikamen- ten durch die krankenhauseige- ne Apotheke und stellen die Ko- stenfrage eindeutig in den Vorder- grund der Betrachtung. Die Be-

Arzneimittelplanung in

einem Allgemeinen Krankenhaus mit Maximalversorgung

Zu dem Beitrag von Dr. Peter Lübcke und Dr. Hans-Nikolaus Herden in Heft 14/1975, Seite 982 ff.

2414 Heft 35 vom 28. August 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Auch wenn der Artikel des Kollegen Sonnenfeld viele in- teressante Einzelaspekte und Details enthält, frage ich mich, wen er mit einer sol- chen immer weit abstrahie- renden

Nur ein öffentliches Gesund- heitswesen könne eine funktions- fähige Gesundheitsversorgung für alle gewährleisten, behauptete sie im Interesse ihrer öffentlich be- stallten

Die AG hat geglaubt, sie sei auf einem Schlacht- schiff, das nicht sinken kann." Und der AG-Bundeschef, der WUler Markus Keschmann, ergänzte: Die AG habe sich nur über die

Diese Person möchte sich an die Ereignisse und damit auch ihre/seine Gedanken und Gefühle immer erinnern können und möchte daher einen Tagebucheintrag verfassen, in dem die

auch hier gilt der freie Wille Einen indirekten Zusammenhang mit den hier apostrophierten Anar- chisten hatte wohl auch - wenn auch nicht direkt ausgesprochen -

Ziel ist es, über die Verbrechen der Nationalsozialisten aufzuklären und umfassendes Wissen und Informationen für die antifaschistische Aufklärungsarbeit für Lehrkräfte

Diese musikpolitische Doktrin galt auch an den vier Hochschulen für Musik, deren Vertretern 1966 in einem Vortrag des Staatssekretärs des Ministeriums für Kultur erklärt wurde,

Die Lieder waren und sind übertragbar - fast wörtlich den gleichen Text (und die gleiche Melodie ohne- hin!) eignen sich ganz verschiedene Städtchen und Dörfer an als scheinbar auf