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Müller, H. (1999). Der Tourismus als Motor für den Nutzungswandel im Gebirgsraum. In Forum für Wissen: Vol. 1999. Nachhaltige Nutzungen im Gebirgsraum (pp. 25-31). Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).

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Der Tourismus als M otor für den Nutzungsw andel im Gebirgsraum

Hansruedi M üller

Forschungsinst it ut f ür Freizeit und Tourismus, Bern

D ie langfristige Sicherung des Berggebietes als Lebens-, Wirtschafts- und Erho- lungsraum kann für grosse Teile ohne Tourismus nicht erreicht werden. D er Tourismus ist Lebensnerv und gleichzeitig Motor für den Nutzungswandel. Es bestehen aber grosse Gefahren, dass diese Zielsetzung auch mit dem Tourismus nicht erreicht wird, dann nämlich, wenn der Tourismus seine eigenen Grundlagen – die Landschaft und die kulturelle Eigenart – zu schnell verändert oder gar zerstört. Echte A lternativen zum Tourismus gibt es kaum. Es muss fortwährend kreativ nach neuen Wegen in der touristischen Entwicklung gesucht werden, um den Selbstzerstörungstendenzen entgegenzuwirken.

– D ie rasche Motorisierung und die damit verbundene private Mobili- tät.

– Die zunehmende Verstädterung und die sinkende U mweltqualität, aber auch die fortschreitende R eglemen- tierung, Funktionalisierung und Technisierung einer immer hekti- scheren und Stress verursachenden A rbeitswelt.

Z u den A ntriebsmotoren des heutigen Tourismus zählt immer stärker auch das mit R eisen verbundene soziale A nsehen: In den Ferien zu verreisen gehört zur Lebensform unserer Z ivili- sation, die Beteiligung möglichst brei- ter Volksschichten am Tourismus ist zu einem sozialpolitischen A nliegen ge- worden. E rholung und Ferien werden vielfach mit Tourismus gleichgesetzt und in den Ferien wegzufahren, gilt als normales Verhalten. D as (Ver-)R eisen hat sich damit quasi zu einer «sozialen Norm» entwickelt (RIE G E R 1982, S. 17).

2 Die touristischen

Wachstumsmechanismen

A usgehend von den Boomfaktoren wurde und wird noch immer in unzäh- ligen D estinationen ein Wachstumsme- chanismus in G ang gehalten, der mit einer grossen Maschine vergleichbar ist. Im R ahmen der Synthesearbeiten des Nationalen Forschungsprogrammes

«Man and Biosphere MA B» haben KR IPPE ND O R F und MÜ LLE R (1986, S. 61) ein Modell erarbeitet, das die Komple- xität dieser Wachstumsdynamik ver- einfacht darstellt.

2.1 Der W achstumskreisel

D ie touristische Nachfrage setzt einen eigentlichen Wachstumskreisel in Be- wegung. D as Wachstum spielt sich in Form eines sich selbst verstärkenden Spiralprozesses ab, der durch eine au- tomatische Ü berwindung immer neu auftretender E ngpässe gekennzeichnet ist. Vereinfacht kann dieser «E ng- passüberwindungsautomatismus» wie folgt dargestellt werden: Z unahme der Nachfrage → Kapazitätsengpässe bei der Infrastruktur oder den touristischen A nlagen → E rweiterung unter E inbau einer genügenden Reserve → Verkaufs- förderungsmassnahmen, um Kapazitä- ten besser auszulasten → Z unahme der Nachfrage, E ntwicklungsschub → er- neute E ngpässe als E ntwicklungs- schwelle → usw.

2.2 Der W ohlstandskreisel D as Wachstum der Tourismuswirt- schaft schafft regional und lokal neue A rbeitsplätze und damit E inkommen.

D er wirtschaftliche Strukturwandel – insbesondere die Z unahme der touri- stischen und gewerblichen A rbeitsplät- ze – führt zu regen Z u- und A bwande- rungen und zu entsprechenden sozia- len U mschichtungen in der ansässigen Bevölkerung.

2.3 Der Landw irtschaftskreisel D ie E rwerbsmöglichkeiten im Touris- mus und die damit verbundenen E in- kommen mehren den bäuerlichen Wohlstand. So stützt der Tourismus die Berglandwirtschaft und hilft ihr, die Kleinstruktur und damit die Nutzungs- vielfalt, die viel zu einem abwechslungs- reichen Landschaftsbild beiträgt, zu erhalten. D och der Landwirtschafts- kreisel hat auch andere Folgen: Vom Tourismus und dem Baugewerbe geht ein starker Nachfragedruck nach den Produktionsfaktoren Boden und A r- beit aus → verstärkte Personalproble- me in der Landwirtschaft → Z wang zur

1 Die Boomfaktoren des Tourismus

A ls eigentliche Wiege des modernen Tourismus mit seinem E rholungs- und E rlebnischarakter gilt die Z eit des 18.

Jahrhunderts. Naturwissenschafter wie A lbrecht von Haller oder Jean-Jacques R ousseau entdeckten und beschrieben die A lpen als Naturphänomen. D em R ousseauschen R uf «zurück zur Na- tur» folgte eine ständig wachsende Z ahl von R eisenden, unter ihnen bekannte Schriftsteller und englische A benteu- rer, die als E ntdecker des A lpinismus gelten.

Erst mit dem Ausbau des Eisenbahn- netzes ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden aber die technischen Voraus- setzungen für den Transport einer grös- seren Z ahl von R eisenden geschaffen.

Um die Jahrhundertwende erlebten der A lpentourismus und vor allem die schweizerische H otellerie eine Blüte- zeit, die aber durch die Wirren des 1.

Weltkrieges jäh beendet wurde. O b- wohl die Z ahl der R eisenden bis zum 2.

Weltkrieg wieder kontinuierlich an- stieg, waren es erst die wirtschaftlichen Boomjahre der Nachkriegszeit, die in den Industrieländern zur Freizeitmo- bilität der Massen führten.

H auptsächliche Faktoren, die das massenhafte R eisen der Moderne aus- gelöst haben, sind:

– D er wachsende Wohlstand in Form zunehmender E inkommen und da- mit auch die E rhöhung der frei ver- fügbaren E inkommensanteile.

– D ie Z unahme der Freizeit vor allem in Form längerer Wochenenden und längerer Feriendauer.

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R ationalisierung und Mechanisierung

→ hohe Kapitalkosten → A nreiz zum touristischen Nebenerwerb → starke A rbeitsbelastung → Verstärkung des R ationalisierungszwangs → usw. D ie Kapitalkosten werden zusätzlich durch die steigenden Bodenpreise erhöht. A ll dies vergrössert die Versuchung, Land zu verkaufen.

H auptverantwortlich für die Inten- sivierung der Berglandwirtschaft ist al- lerdings nicht der Tourismus, sondern die A grarpolitik: Liberalisierung und A bbau von Subventionen zwingen die Bauern, E inkommensverbesserungen durch Produktionsförderung zu erzie- len und deshalb ihre Betriebsstrukturen und Bewirtschaftungsmethoden laufend anzupassen.

2.4 Der Natur- und Landschafts- kreisel

Neben den eben beschriebenen indi- rekten Wirkungen über die Land- und Forstwirtschaft hat die touristische E ntwicklung auch direkte Folgen für Naturhaushalt und Landschaft, die sich vor allem als Belastungen äussern, denn Tourismus ist immer auch Landschafts- konsum. Landschaft wird durch den Bau von Infrastruktureinrichtungen, Transportanlagen, Ferien- und Z weit- wohnungen, H otels usw. verbraucht.

A uch für Tiere und Pflanzen, Wasser und Luft kann der Tourismus belastend sein. Werden alle diese Belastungen zu gross, verliert die Landschaft ihren E r- holungs- und E rlebniswert. Touristen wenden sich neuen D estinationen zu.

2.5 Kulturkreisel

A lle Kreisel haben ihre kulturellen A uswirkungen: D ie Touristen mit den A nsprüchen und Verhaltensweisen, der verkaufte Boden, die Bodenpreisstei- gerungen, die mit auswärtigem Kapital getätigten Investitionen, die geschlos- senen Fensterläden der Ferien- und Z weitwohnungen, die zunehmende Z ahl der Z uzüger und auswärtigen A rbeitskräfte, die geschwächte Positi- on der Landwirtschaft. D as alles sind Fremdeinflüsse, die von den E inheimi- schen auch als solche empfunden wer- den. Belastend wirkt vor allem die E in- busse an E igenständigkeit und Selbst- bestimmung.

D as Bild der ineinandergreifenden E inflüsse und Kreisel vermittelt einen

Überblick über die wichtigsten Elemen- te und Kräfte, die das Tourismuswachs- tum bestimmen bzw. davon beeinflusst werden. E s zeigt auch, wo die verschie- denen A nsatzpunkte für eine Prozess- steuerung liegen könnten und verdeut- licht, wie wichtig vernetztes D enken insbesondere auch im Tourismus ist.

3 Die Eigendynamik der Wachstumsmechanismen

D ie D arstellung macht deutlich, dass es sich bei der touristischen E ntwicklung nicht um einfache Wechselbeziehun- gen von zwei oder mehreren Faktoren, im Sinne von «hier U rsache – dort Wir- kung» handelt, sondern um ein Spiel von zahlreichen unterschiedlichen Kräf- ten, die ineinandergreifen und sich ge- genseitig beeinflussen. Die «Tourismus- wachstumsmaschine» (A bb. 1) beginnt irgendwo mit kleiner D rehzahl zu lau-

fen, setzt andere Teile in G ang, die ihre Kraft wieder auf neue Teile übertra- gen. Angetrieben wird das System durch externe Kräfte, doch entfaltet es auch eine starke E igendynamik: E inzelne seiner Teile können sich gegenseitig beschleunigen und aufschaukeln oder sich von den andern abkoppeln und selbsttätig werden.

D iese eigendynamische E ntwick- lung wird im A lpenraum zur Z eit am Beispiel der Transportkapazitäten der Bergbahnen deutlich. O bwohl die Nachfrage stagniert oder nur ganz leicht steigt, entwickeln sich die A ngebots- kapazitäten rasant mit einem jährlichen Wachstum von rund 4 Prozent. Man kann von einem eigentlichen Wettrü- sten sprechen: Seilbahnunternehmun- gen investieren, um im härter gewor- denen Konkurrenzkampf bestehen zu können.

Z ugegeben: In den letzten Jahren sind kaum zusätzliche A nlagen entstan- den, sondern vorwiegend alte erneuert

A bb. 1. D ie Tourismuswachstumsmaschine. Q uelle: KR IPPE ND O R F und MÜ LLE R (1986)

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worden. H ier zeigt sich eine zusätzli- che D imension der E igendynamik:

H ochtechnisierte E inrichtungen wie Seilbahnen sind vor allem aus Sicher- heitsgründen mit einem sich beschleu- nigenden E rneuerungszyklus konfron- tiert, der unbeabsichtigt aber unwei- gerlich zu Kapazitätssteigerungen führt.

U nd wenn die Kapazitäten der Z ubrin- geranlagen gesteigert werden, müssen jene der Beschäftigungsanlagen hoch oben in den Skigebieten angepasst wer- den.

Schliesslich hat sich das Wettrüsten in jüngster Z eit auch in Bezug auf Be- schneiungsanlagen bemerkbar ge- macht. E in internationaler Konkur- renzvergleich mit Ö sterreich hat erge- ben, dass die Schweiz in diesem Be- reich einen Nachholbedarf von rund einer Milliarde Franken hat (BA K 1998). D er Bund hat die Weisungen bezüglich Beschneiungsanlagen gelok- kert und die Kantone haben mit ihren Vorschriften nachgezogen. D abei zeigt sich, dass es die E rtragslage der U nter- nehmungen nicht erlauben würde, die- se Investitionen zu tätigen, denn sie führen ja nicht zu einer zusätzlichen A ttraktion und damit zu Mehreinnah- men, sondern helfen nur, in schnee- armen Wintern die U nternehmung ab- zusichern. E s handelt sich also um Ver- sicherungsinvestitionen.

4 Bew ertung des

tourismusinduzierten Nutzungsw andels

4.1 Eine Nutzenbetrachtung D ie Nutzen des Tourismus als A rbeits- platzbeschaffer und A bwanderungs- stopper, als E inkommensbringer und Infrastrukturfinanzierer, als Stütze für die Landwirtschaft und damit indirekt als Landschaftspfleger, als Verbesse- rer der Wohnverhältnisse und Stärker des Selbstbewusstseins sind bekannt.

Neuere U ntersuchungen belegen dies:

– G rindelwald: 89% aller A rbeitsplät- ze sind vom Tourismus abhängig (56% direkt und 33% indirekt) (MÜ LLE R 1986, S. 124),

– Mittelbünden: D er Tourismusanteil an der Wertschöpfung beträgt 71%

(RÜ TTE R und ZE G G 1993),

– Berner O berland: 27% der gesam- ten Bruttowertschöpfung und 28%

Beschäftigung sind tourismusindu-

ziert, wobei sehr viele Branchen an dieser Wertschöpfung partizipieren (RÜ TTE R und MÜ LLE Ret al. 1995), – Kantone Bern, G raubünden und

Wallis: D as Tourismusbewusstsein in der einheimischen Bevölkerung ist hoch, attestieren doch beispiels- weise 96% der Bevölkerung im O berengadin, 97% in der R egion Mittelbünden, 94% in der R egion Visp und 93% in der R egion Interla- ken dem Tourismus eine grosse bzw.

sehr grosse Bedeutung für die A r- beitsmöglichkeiten und das E in- kommen im Kanton (MÜ LLE R und BO E SS 1995, S. 34).

D araus kann gefolgert werden, dass der Bevölkerung in den Tourismusre- gionen bewusst ist, welche Nutzen mit der touristischen E ntwicklung verbun- den sind.

4.2 Eine Gefahrenbetrachtung A uch die G efahren des Tourismus sind bekannt: einseitiges und unkoordinier- tes Wachstum, anfällige Wirtschafts- struktur, Bodenverschleiss, Belastung für Natur und Landschaft, Fremd- bestimmung, U ntergrabung der kul- turellen E igenart, Spannungen und U ngleichgewichte (KR IPPE ND O R F und MÜ LLE R 1986, S. 48).

E ine U ntersuchung der E instellun- gen der einheimischen Bevölkerung zum Tourismus belegte ein breites Be-

wusstsein über diese Schattenseiten:

51% der Bevölkerung von Interlaken bewerten den E influss des Tourismus auf Landschaft und Natur als negativ und nur 16% als positiv. (MÜ LLE R und BO E SS 1995, S. 25) O der 43% in der R egion Visp und gar 67% im O ber- engadin werten den E influss des Tou- rismus auf eine preiswerte Wohnung als negativ und nur 16% bzw. 15% als positiv. (S. 16)

4.3 Eine Saldo-Beurteilung Die einheimische Bevölkerung hat im Verlaufe der touristischen Entwicklung ein breites Tourismusbewusstsein – im Sinne eines reflektierten Umgangs mit dem gesamten Phänomen mit all den Sonnen- und Schattenseiten – entwik- kelt. Trotzdem ist das Tourismusver- ständnis, also das Wohlwollen dem Wirt- schaftszweig Tourismus gegenüber, kaum gestiegen, wie verschiedene tou- rismuspolitische Entscheide belegen.

A us dieser E rkenntnis heraus ist es wichtig, dass vor O rt gemeinsam mit der Bevölkerung die touristische E nt- wicklung bestimmt wird. E ine grosse Mehrheit stimmt nämlich einer Förde- rung des Tourismus zu, doch nur unter den Bedingungen,

– eines verstärkten Schutzes von Na- tur und Landschaft und

– eines frühzeitigen Einbezugs der ein- heimischen Bevölkerung in die E nt- scheidungsprozesse.

Gestaltungsrecht zukünftiger Generationen

Wirtschaftlicher Wohlstand

Subjektives Wohlbefinden der Einheimischen resp.

MitarbeiterInnen

Optimale Bedüfnisbe- friedigung der Gäste

Intakte Natur

Ressourcenschutz Intakte Kultur

A bb. 2. D ie Fünfeck-Pyramide einer nachhaltigen touristischen E ntwicklung. Q uelle:

E igene D arstellung.

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Im Rahmen der Diskussion um eine nachhaltige Tourismusentwicklung kommt noch eine zusätzliche Dimensi- on hinzu: Das Gestaltungsrecht zukünf- tiger Generationen. Damit ergibt sich eine Fünfeck-Pyramide (Abb. 2) mit den folgenden Eckwerten als Zielgrössen:

– subjektives Wohlbefinden der ein- heimischen Bevölkerung

– objektiver Wohlstand der O rtsan- sässigen

– optimale Befriedigung der G äste- bedürfnisse

– intakte Natur – intakte Kultur

und all diese Z iele im H inblick auf – das G estaltungsrecht zukünftiger

G enerationen.

A us andern Bereichen (Viereck der Volkswirtschaft oder ökologisches G leichgewicht) wissen wir, dass eine Z ielharmonie äusserst schwierig zu er- reichen und meist nur von kurzer D au- er ist. Kommt dazu, dass dem G estal- tungsrecht zukünftiger G enerationen zeitliche und persönliche Prioritäten entgegenstehen.

5 Tourismus als Förderer kultureller Identität

Um die vielschichtigen Wechselwirkun- gen zwischen dem Phänomen Touris- mus und der kulturellen Identität zu klären, soll der Strukturierungsansatz von TH IE M (1994, S. 42) zur D iskussion

gestellt werden. D as Vier-Kulturen- Modell (A bb. 3) umfasst folgende E le- mente:

– die Kultur der Q uellregion: das, was für alle E inwohner eines touristi- schen E ntsendegebietes typisch ist, – die Ferienkultur (Touristenkultur):

das, was für die Touristen während ihren R eisen typisch ist,

– die D ienstleistungskultur: das, was für die vom Tourismus Betroffenen in einer bestimmten touristischen Z ielregion typisch ist,

– die Kultur der Z ielregion: das, was für alle Bewohner eines touristischen E mpfangsgebietes typisch ist.

Im folgenden sollen nun die mit der touristischen E ntwicklung verbunde- nen A uswirkungen der Dienstleistungs- kultur auf die Kultur der Z ielregion beschrieben werden.

5.1 Kulturelle Identität

Seit den 70er Jahren hat sich eine mo- nokausale Kulturkritik durchgesetzt:

Tourismus gefährdet die einheimische Kultur in hohem Masse. D iese einseiti- ge Betrachtung möchten wir ergänzen durch das Konzept der kulturellen Iden- tität.

D ie E ntwicklung von der A grar-, über die Industrie- bis hin zur Informa- tions- oder Erlebnisgesellschaft bedroht unsere kulturelle Identität laufend:

– zunehmende Rationalisierung sowie zweck- und nutzengerichtetes D en- ken und H andeln widersprechen dem Pluralismus,

– der Verlust des Lebenszusammen- hangs zerstört nicht nur das G efühl der G anzheit, sondern auch das der Sicherheit,

– eine zunehmende A rbeitsteilung und daraus erwachsende Fremdbe- stimmung erschweren die A ktivitäts- entfaltung.

In diesem Prozess übernimmt die D ienstleistungskultur neuzeitlicher westlicher Prägung vitale Funktionen zur Identitätsfindung. Sie befriedigt insbesondere G rundbedürfnisse im sinnlichen und emotionalen Bereich, die in der Industriegesellschaft kaum mehr Platz haben: Mythen, rituelle und zyklische Verläufe, positive Utopien.

Diese Funktionen wurden früher haupt- sächlich durch die Kirche, die Familie, die A rbeitswelt, das Brauchtum oder auch durch die Künste abgedeckt. A ll

diese Identitätsgrundlagen spielen im modernen Leben eine immer kleinere R olle. E s stellt sich somit die Frage, inwieweit die kulturelle Identität mit den drei D eterminanten Pluralismus, Sicherheit und A ktivität durch die Ferienkultur gestärkt werden kann (A bb. 4).

E s ist üblich, die Kommerzialisie- rung der einheimischen Kultur (z.B.

G astfreundschaft oder Folklore) als Negativ-Posten unter den A uswirkun- gen des Tourismus zu vermerken. Tat- sächlich aber muss beachtet werden, ob diese Kommerzialisierung aus der Sicht der Bewohner der betreffenden R egion (empathischer A nsatz) als po- sitiv oder als negativ empfunden wird.

Nur so ist es möglich, nicht nur die Form, sondern auch die Funktion von Kulturbestandteilen und ihren eventu- ellen Veränderungen zu erfassen.

D ie G rundfrage muss also lauten:

Wie kann der Tourismus den Voraus- setzungen der kulturellen Identität (Pluralismus, Sicherheit und A ktivität) förderlich bzw. hinderlich sein?

5.2 Chancen der

Dienstleistungskultur

5.2.1 Die Dienstleistungskultur als Förderer des Pluralismus D er Pluralismus erfährt durch die D ienstleistungskultur sowohl in zeit- licher wie auch in räumlicher H insicht entscheidende materielle und immate- rielle Impulse. Mit der zeitlichen O rien- tierung ist in erster Linie die R evitali- sierung gemeint, also die Wiederbele- bung alter, nicht mehr gelebter Kultur- elemente. R evitalisierung darf somit nicht für eine Wiederaufnahme alter Tradition gehalten werden, sondern als eine in Form und Funktion auf die neue Situation angepasste Neukomposition.

Ä hnlich wie für die zeitliche lassen sich auch für die räumliche Orientie- rung pluralismusfördernde Impulse Kultur

der Quellregion

Dienstleistungs- kultur Ferienkultur

Kultur der Zielregion

Quellregion

Zielregion A bb. 3. D as Vier-Kulturen-Modell. Q uel- le: TH IE M (1994)

Pluralismus (Mythen)

Sicherheit (Rituale)

Aktivität (Utopien)

A bb. 4. Kulturelle Identität und ihre D e- terminanten.

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durch die Dienstleistungskultur ausma- chen. Hier geht es vor allem um die Innovation, nachweisbar am Beispiel der postmateriellen Werte, die vor allem durch Zuzüger eingebracht werden.

5.2.2 Die Dienstleistungskultur als Förderer der Sicherheit Sicherheit meint im Zusammenhang mit kultureller Identität in erster Linie Ver- haltens-Sicherheit, schliesst aber auch materielle Sicherheit mit ein. D as G e- fühl des A ufgehoben-Seins in einer G ruppe und die A usprägung eines po- sitiven Wir-G efühls gegen aussen sind ebenfalls wichtige A spekte der Sicher- heit.

D ie D ienstleistungskultur kann auf verschiedenen Ebenen auf unterschied- liche Weise einen positiven E influss ausüben. So lässt sich sehr einfach nach- weisen, dass durch die touristische E nt- wicklung die A bwanderung beispiels- weise aus dem Berggebiet gestoppt werden kann, was für die Verhaltens- Sicherheit von vitaler Bedeutung ist.

A uch die von den Bewohnern von Tou- rismusregionen selbst festgestellten Verbesserungen der materiellen Le- bensbedingungen können das Selbst- wertgefühl und damit die Sicherheit unterstützen.

5.2.3 Die Dienstleistungskultur als Förderer der Aktivität Mit H ilfe der touristischen E ntwick- lung ist sowohl der Wille als auch die Fähigkeit zu eigenständiger Gestaltung, zu A bwehr von Fremdbestimmung, zu Wahrnehmung vergrösserter A ktivi- tätsangebote im Freizeitbereich, zu Verwirklichung sozialer Mobilität usw.

gestärkt worden, alles A usdruck vor- handener A ktivität in einer G esell- schaft. Nicht nur im Sport, sondern auch beispielsweise im Bereich der Kunst bewirkt die D ienstleistungskultur die E rstellung von E inrichtungen, die in A rt und U mfang in der Kultur der Z iel- region sonst nicht vorhanden wären.

Musik-Festivals in Tourismusorten zum Beispiel bieten A ktivitätsfelder, die ohne die D ienstleistungskultur nicht denkbar wären.

D ie D ienstleistungskultur kann aber selbst einen gestärkten Willen zur A b- wehr von Fremdbestimmung fördern, wenn auch im A llgemeinen erst nach einem erheblichen «Leidensdruck».

D enn eine aufgrund bereits gemachter negativer Erfahrungen sich entwickeln- de Skepsis gegenüber einer weiteren touristischen E ntwicklung kann zur Formierung von Widerstand zum Bei- spiel gegen touristische (G ross-)Pro- jekte, die von aussen geplant werden, führen. D er A ktivitätsgrad wird dann noch grösser, wenn neben der A bwehr auch E ntwicklungsalternativen aus der Z ielregion hervorgebracht werden.

A llerdings gibt es auch G efahren, die mit den Begriffen «A nonymität»,

«U nsicherheit» und «Inaktivität» um- schrieben werden können.

5.3 Die Dienstleistungskultur als Gefahr

5.3.1 Die Dienstleistungskultur als Förderer der Anonymität D ie «Namenlosigkeit» (so die Ü berset- zung des griechischen Begriffs A nony- mität) äussert sich auf kultureller E be- ne in A ustauschbarkeit, Konturenlo- sigkeit, Beliebigkeit – alles bekannte Begleit-E igenschaften einer touristi- schen E ntwicklung. E ine Kultur, die diese Merkmale aufweist, kann kaum ihre Identität (neu) ausbilden. A ls Wirt- schaftsfaktor unterliegt der Tourismus – und damit die D ienstleistungskultur – den Forderungen nach «Normung, Montage und Serienfertigung» (ENZENS-

BERGER 1976). Mit dem Trend zum «tou- ristischen E intopf», sei es auf der Spei- sekarte, im D ienstleistungsangebot oder in der A rchitektur, wächst die G efahr der A nonymität. D em Pluralis- mus werden damit G renzen gesetzt.

5.3.2 Die Dienstleistungskultur als Förderer von Unsicherheit Die Entwicklung von der traditionellen hin zur balancierenden Identität ist grundsätzlich von einer Zunahme der U nsicherheit gekennzeichnet. D em Vorteil der zunehmenden Wahlmöglich- keiten und grösseren Selbstentfaltungs- Chancen des Einzelnen im Zuge der touristischen E ntwicklung steht der Verlust eines offenen Normen- und Sanktionssystems gegenüber. A uch die veränderte Status-Definition, die weni- ger über die Herkunft und stärker über die Leistung erfolgt, bringt zum Teil ausgeprägte Existenzängste mit sich.

D ie D ienstleistungskultur mit ihren neuen A usbildungs- und Berufsmög-

lichkeiten, mit ihrem E influss auf Preis- steigerungen, mit der neuen Konkur- renzsituation um Natur und Boden, mit der zunehmenden Beeinträchtigung der Privatsphäre usw. kann die U nsicher- heit drastisch verschärfen, insbesonde- re wenn die A ssimilationszeiten zu kurz sind. E ine These besagt nämlich, dass die kulturellen Veränderungen immer hinter den strukturellen Veränderun- gen nachhinken. In vielen Z ielgebie- ten hat sich die wirtschaftliche und so- zio-demographische Struktur im Ver- laufe der Wachstumseuphorie der letz- ten Jahrzehnte schnell und stark gewandelt. Das sozio-kulturelle A npas- sungsvermögen blieb oft unberücksich- tigt. E in gesunkenes Tourismusbe- wusstsein ist vielerorts die natürliche Folge. D ie A ssimilationszeit stellt so- mit auf dem Weg zu einer starken kul- turellen Identität die kritische G rösse dar.

5.3.3 Die Dienstleistungskultur als Förderer der Inaktivität Wo es am Willen und an der Fähigkeit zu eigenständiger Gestaltung des Um- feldes fehlt, wird sich ein Gefühl der Bedeutungslosigkeit und der mangeln- den Einflussmöglichkeiten breitmachen.

Das weckt und verstärkt wiederum Ge- fühle der Abhängigkeit, der Unselbstän- digkeit und des A usgeliefertseins, wo- durch sich Inaktivität weiter vertieft.

In der D ienstleistungskultur steckt ein gefahrenvolles Potential, solche G efühle in der Kultur der Z ielregion zu schüren. Im A llgemeinen werden E inheimische in die E ntscheidungspro- zesse über die touristische E ntwicklung nicht oder nicht ausreichend eingebun- den, so dass sie keinen oder einen nur ungenügenden E influss auf die materi- elle und immaterielle G estaltung ihres U mfeldes haben. Folge davon sind oft sinkendes Tourismusbewusstsein, A pa- thie, R esignation, geistige oder auch physische A bwanderung. Inaktivität kann sich auch in Form einer kritiklo- sen Ü bernahme von Werten und Ver- haltensweisen (A kkulturation) oder in einem zwischenzeitlichen übermässigen A lkoholkonsum niederschlagen.

5.4 Fazit

D ie einzelnen Chancen und G efahren der D ienstleistungskultur für die kultu- relle Identität der E inheimischen tre-

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ten nicht vereinzelt auf, sondern sind eng mit der touristischen Entwicklung verknüpft: In einer ersten Phase sind häufig Bewunderung für die Dienstlei- stungskultur und die Übernahme ein- zelner Elemente daraus zu beobachten.

Es folgt dann sehr häufig eine Phase der kritischen Distanz, die von einer dritten Phase abgelöst wird, die im einen Fall von Resignation und passiver A bleh- nung, im andern Fall von einer aktiven Suche und Entwicklung von eigenstän- digen A lternativen gekennzeichnet ist.

6 M issachtungen in der tou- ristischen Entw icklung

Bei all den Erklärungen der Chancen und Gefahren der touristischen Entwick- lung darf eines nicht ausser acht gelas- sen werden: Der Tourismus stellt welt- weit eine der dynamischsten Branchen dar. Die Wachstumsraten vor allem im internationalen, aber auch im Kurzzeit- Tourismus sind enorm. Immer neue Räume werden entdeckt und touristisch erschlossen. Die bereits erschlossenen Räume werden durch eine immer diver- sifiziertere Freizeitindustrie immer in- tensiver genutzt: für Sonnenbaden und Trekken, für Wandern und Bergstei- gen, für Mountainbiken und Bungee Jumpen, für Langlaufen und Snowboar- den, für Surfen und Tauchen, für Kanu- fahren und Reiten, für Golfspielen und Gleitschirmfliegen, für Canyoning und Riverraften usw. Mit all diesen A ktivi- täten wird der natürlichen Umwelt und ihrem A npassungsvermögen sehr viel zugemutet. Dabei bleiben verschiedene ökologische A spekte oft ausser acht:

Ökologische Instabilität: D ie soge- nannte «ökologische Stabilität»

kommt durch ständige positive und negative Rückkopplungen zustande.

E s handelt sich also um ständige A n- passungsprozesse entlang einer mehr oder weniger stabilen Grösse. Durch schnelle Veränderungen werden die A ssimilationszeiten verkürzt, die Anpassungsprozesse strapaziert. Die Entropie, also die Ungewissheit über den A usgang eines Prozesses, nimmt zu. D ie «ökologische Stabilität» wird instabiler (vgl. ME SSE R LI 1990, S. 32).

Komplexität der Zusammenhänge:

Bei den Tourismus-U mwelt-Bezie- hungen handelt es sich nicht um ein- fache Wechselbeziehungen von zwei oder mehreren Faktoren. Vielmehr haben wir es mit einem komplexen System von unterschiedlichen Kräf-

ten zu tun, die ineinandergreifen und sich gegenseitig beeinflussen. Mit der Tourismuswachstumsmaschine (vgl.

Kap. 2) sind sie stark vereinfacht dargestellt. Mit rein analytischen Forschungsansätzen wird die Wirk- lichkeit nur ungenügend erfasst.

Belastungsgrenzen: Z war ist es in vielen Bereichen ausserordentlich schwierig, natürliche Belastungs- grenzen zu bestimmen, doch späte- stens bei E xtremsituationen (A lgen- pest, Baum- oder Fischsterben, E pi- demien, Murgängen, Ü berschwem- mungen, Lawinenkatastrophen etc.) müssten sie erkannt werden. D och meistens fehlen im entsprechenden Zeitpunkt wirksame Instrumente zur Kausaltherapie oder der Mut und die Einsicht, vorhandene Instrumen- te einzusetzen.

Time Lags: D ie Folgen unseres H andelns sind oft erst nach Jahren wirksam. U rsachen und Wirkungen werden somit nicht nur durch die Komplexität der Z usammenhänge verwischt, sondern auch durch die zeitliche Verzögerung. Bekannte und z.T. noch unbekannte ökologi- sche Z eitbomben sind die Folge.

WE ISS (1984) meinte einmal: «D ie Natur gibt immer Kredit, aber sie vergisst nie, R echnung zu stellen.»

A bnahme der Ordnungsqualität:

D ie bei der Nutzung der natürlichen R essourcen erzielte Wertsteigerung führt automatisch zu einer A bnah- me der O rdnungsqualität, denn bei U mwandlungsprozessen nimmt die

«U nordnung» insgesamt oft über- proportional zu. D ie Syntropie als physikalisches Mass der O rdnung nimmt somit ab.

E s sind aber nicht nur diese und andere Missachtungen, die zu lokalen und glo- balen Problemen geführt haben. A uch unsere A nsprüche sind ständig gestie- gen, und zwar nicht nur die materiellen, sondern auch die immateriellen. E r- höhte A nsprüche an H ygiene, Sicher- heit oder U mweltqualität, verminderte R ücksichtnahme und R isikobereit- schaft sind A usprägungen dieser E nt- wicklung. Kombiniert mit der insge- samt abnehmenden U mweltqualität und der erhöhten ökologischen Insta- bilität ergibt sich eine grösser werden- de D iskrepanz, die zu einem erhöhten R isiko und zu vermehrter U nzufrie- denheit in der G esellschaft führt. D ie Konturen der R isikogesellschaft (BE CK

1986) werden immer deutlicher.

7 Wege einer nach- haltigen touristischen Entw icklung

D ie A nalyse hat gezeigt, dass der Tou- rismus als eigentlicher Motor für den Nutzungswandel im Berggebiet be- zeichnet werden kann. D araus lässt sich eine Z ukunftsverantwortung ableiten, die nach einem nachhaltigen Vorgehen ruft. D eshalb zum A bschluss einige Forderungen, an denen sich der Tou- rismus in den A lpen zu orientieren hät- te, um eine wünschenswerte Z ukunft wahrscheinlich zu machen.

1. D er Tourismus muss partizipativer werden

Im Tourismus gibt es nicht nur Nutz- niesser, sondern auch Betroffene von negativen externen E ffekten. In hochentwickelten Tourismusregio- nen macht sich eine A rt «Touris- musverdrossenheit» breit. Man spricht von einem gesunkenen Tou- rismusbewusstsein (vgl. MÜLLER und BO E SS 1995). U m einer solchen A b- wehrhaltung präventiv entgegenzu- wirken, müssen die Betroffenen zu Beteiligten werden. U nd dies setzt eine partizipative Planung voraus.

2. D er Tourismus muss effizienter werden

Obwohl der Tourismus im A lpen- raum ein hohes Entwicklungsstadi- um erreicht hat, sind seine Struktu- ren oft ineffizient. Es wird mühevoll versucht, viel zu viele Marken zu pro- filieren, um den wachsenden Kon- kurrenzkampf zu bestehen. D abei ignoriert man, dass die wenigsten Gäste an historisch gewachsenen Or- ganisationsstrukturen interessiert sind. Was er sucht sind umfassende, gut koordinierte Leistungsbündel.

Regionale und neigungstouristische Kooperationen sind somit zu fördern.

Einzelne Orte und Tourismusverei- ne sind in eigentliche Destinationen im Sinne von strategischen Geschäfts- feldern zusammenzuführen (vgl.

MÜLLER und STETTLER 1993; BIEGER

et al. 1996; ZEGG 1996).

3. Der Tourismus muss umweltverträg- licher werden

D ie ökologischen G efahrenherde der touristischen E ntwicklung sind längstens bekannt. Es bleibt, sie ernst zu nehmen und präventiv zu versu- chen, U mweltprobleme zu vermei-

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den. D ie in den letzten Jahren ent- wickelten H ilfsmittel wie U mwelt- verträglichkeitsberichte, U mwelt- managementsysteme, U mwelt-A u- dits oder U mweltbeauftragte sind einzusetzen, die Konflikte offenzu- legen und nach nachhaltigen Lösun- gen zu suchen.

4. D er Tourismus muss authentischer werden

D er A lpentourismus war während langer Z eit bekannt durch seine Pio- niertaten. D ie natürlichen und kul- turellen E inzigartigkeiten wurden geschickt genutzt. D och mehr und mehr werden diese gewachsenen Werte preisgegeben. U nter dem D ruck der G lobalisierung werden die A ngebote uniformer, E inzigar- tigkeiten verflachen. Insbesondere der potentielle Gast des A lpenraums sucht jedoch das H eimische, das U nverwechselbare, das A uthenti- sche.

5. D er Tourismus muss entschleunigt werden

U m einen G rundkonflikt zwischen Umwelt und Tourismus kommen wir nicht herum: um die Mobilitätsfra- ge. D urch die technische E ntwick- lung der Transportmittel hat sich zwar unsere generelle Bereitschaft, mehr Z eit für Mobilität aufzuwen- den, nicht erhöht, doch wurden durch die immense Steigerung der G eschwindigkeit die D istanzen im- mer grösser. U nd wir alle wissen, dass die Ö ko-E ffizienz der meisten Transportmittel noch miserabel ist.

D ie Steigerung der Ö ko-E ffizienz ist also der eine, die R eduktion der G eschwindigkeit (die E ntschleuni- gung) der andere und ingesamt nach- haltigere A nsatz. D er Tourismus in den A lpen könnte dabei nur gewin- nen.

6. D er Tourismus muss qualitativ bes- ser werden

Von einer qualitativen Tourismus- entwicklung wird schon lange ge- sprochen. E her neueren D atums ist die D iskussion um das «Total Q ua- lity Management» im Tourismus.

U nd diese D iskussion ist sehr wich- tig und passend, denn was heute landauf landab angeboten wird, entspricht oft nicht den G ästeer- wa r t u n ge n ! D a b e i lie ge n d ie Schwachstellen an sehr unterschied- lichen O rten: Bei den einen Betrie-

ben stimmt die funktionale Q uali- tät nicht, bei den andern mangelt es bei der U mweltqualität und bei den Dritten lässt die Service- oder Infor- mationsqualität zu wünschen übrig.

Für den anspruchsvoller werdenden G ast ist insbesondere wichtig, dass das gesamte Leistungsbündel vor O rt aufeinander abgestimmt ist.

7. D er Tourismus muss menschlicher werden

Der Rentabilitätsdruck und das Kon- kurrenzdenken hat viele unter uns geprägt. Unterstützt durch Metho- den wie beispielsweise das Lean- Management wurden wir zu harten, strategisch denkenden und rational handelnden TouristikerInnen. Men- schliche Q ualitäten wie G efühle, E mpathie, H erzlichkeit oder Visi- onsvermögen wurden mehr und mehr verdrängt und kaum genährt und entwickelt. U nd dies in einer Branche, in der emotionale Werte, menschliche Wärme und situatives E infühlungsvermögen höchste Prio- rität haben.

D ie langfristige Sicherung des Bergge- bietes als Lebens-, Wirtschafts- und E rholungsraum kann für grosse Teile des Berggebietes ohne Tourismus nicht erreicht werden. D er Tourismus ist Lebensnerv und damit Motor für den Nutzungswandel. E s besteht aber eine gewisse Gefahr, dass die Sicherung auch mit dem Tourismus nicht erreicht wird, dann nämlich, wenn der Tourismus sei- ne eigenen G rundlagen – die Land- schaft und die kulturelle E igenart – zu schnell verändert oder gar zerstört.

Echte A lternativen zum Tourismus gibt es kaum. E s muss fortwährend kreativ nach neuen Wegen in der touristischen E ntwicklung gesucht werden, um den Selbstzerstörungstendenzen entgegen- zuwirken.

8 Literatur

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Referenzen

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