DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Bruno Epple schreibt zu seinen Bildern:
Apoll, steh mir bei,
daß ich es male, wie die Schau mir
befiehlt!
Bruno Epple, 1931 im Hegau geboren und in Wangen an- sässig, ist einer unserer be- kanntesten „Naiven", in vie- len Ausstellungen, auch inter- national gezeigt. Er ist ein Maler, der, wie Martin Walser sagt, seine Figuren das Ge- maltwerden erleben läßt. Aus seinem aufschlußreichen Ta- gebuch sei zitiert:
Sonntag, 1. März 1986:
Wieders nachts, statt in den Schlaf zu fallen, werde ich heimgesucht: Eine bedroh- liche Felsenlandschaft tut sich auf unter einem Mond, der die Konturen magisch hervorhebt aus schwarzblau- en Abgründen.
Der Tod des Dichters Robert Walser, 1987, Öl/Leinwand, 60x50 cm
Ich sehe, wie unter einer Felswand Ödipus steht, wie er mit seiner linken Hand an die Stirn langt vor Überra- schung oder Entsetzen oder auch nur in der Geste des Überlegens, und die Rechte greift nach dem Felsen, als suche sie Halt.
Auf einem dunklen Fels- block rechts steht die Sphinx,
erhoben in Mächtigkeit: auf ihrem Löwenkörper das wei- ße Gesicht einer Frau, mit scharfem Mund und wilden Haaren. Zwei mächtige Flü- gelschwingen sind in den Nachthimmel erhoben. Eine rätselhafte, bedrohliche Er- scheinung, von der Ödipus zugleich angezogen und er- schreckt ist. Er ist wie festge-
bannt an der Wand, wo der Gratweg vorbeiführt, herauf- kommend aus der einen Tie- fe, hinabführend in die ande- re. Apoll, steh mir bei, daß ich es male, wie die Schau mir befiehlt!
Donnerstag, 12. Juni 1986: „Ödipus und Sphinx"
— Die Vorstellung ist da.
Aber jetzt, da ich male,
Ödipus und Sphinx, 1986, Öl/Leinwand 60 x 50 cm
wird's doch anders. Ich frage mich, woran das liegt. Ganz einfach, ich kann nicht so, wie ich will; ich beherrsche nicht, was ich möchte. Auch liegt's am Pinsel, der es an- ders macht. Mir ist klar, daß es verschiedene Möglich- keiten gibt. Aber ich schicke mich drein in die, die sich einstellt. Von gestaltendem Willen ist so gut wie nichts zu finden; er ist da, aber setzt sich nicht durch. Also, das ist merkwürdig, wie ich nachge- be, doch immer im Vertrau- en, daß es schon recht werde.
Mittwoch, 9. Oktober 1985. Eine Freundin findet viel Sinn darin, daß der Jude so in der rechten unteren
Judenfriedhof, 1985, Öl/Leinwand, 60x 50 cm
Ecke steht — nicht in voller Gestalt, sondern vom Rand her beschnitten: wie er in der Geschichte immer wieder in die Ecke gedrückt worden ist und in seiner Freiheit einge- schränkt und beschnitten.
Aber der Kopf ist frei, das Gesicht offen. Und aus sei- nen Augen schauen dich viele Generationen an. ❑ Dt. Ärztebl. 86, Heft 4, 26. Januar 1989 (69) A-193