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Archiv "Wenn zahlreiche Tics die Umgebung verwirren" (25.03.1994)

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THEMEN DER ZEIT

Der französische Neurologe George Gilles de la Tourette hat vor mehr als 100 Jahren ein ebenso schil- lerndes wie rätselhaftes Krankheits- bild beschrieben, das nach ihm be- nannte Tourette-Syndrom. Der erste Fall dieser Krankheit taucht in der medizinischen Literatur im Jahre 1825 auf. Geschildert wird die Sym- ptomatik der Marquise de Dampier- re, die durch multiple motorische Tics und unkontrollierte Lautäuße- rungen einschließlich dem Nachspre- chen von Worten und Sätzen (Echo- lalie) und dem Ausstoßen von Ob- szönitäten (Koprolalie) auffiel. Von dieser neuropsychiatrischen Erkran- kung sind in Deutschland nach Schätzungen bis zu 40 000 Menschen betroffen. Nicht nur die Mitmen- schen, sondern auch Ärzte und Psy- chologen begegnen ihnen oft hilflos Es imponieren zunächst harmlo- se motorische Tics im Gesichtsbe- reich wie unwillkürliches Augenblin- zeln und -zwinkern, Augenrollen, Grimmassieren, Kopfrucken. Räus- pern, Quieken, Grunzen, Bellen, Schnüffeln, Zunge schnalzen gehö- ren zu den einfachen vokalen Tics.

Im Verlaufe der Erkrankung weiten sich die Tics zu komplexen Formen aus. Die motorischen gehen vom Kopf-Schulter-Bereich auf die Extre- mitäten über und zeigen sich durch ruckartige, skurril anmutende Bewe- gungen, Springen, Fußaufstampfen, Treten, Schlagen, Beißen bis hin zu selbstverletzendem Verhalten wie z. B. Kopf anschlagen. Vokal äußert sich die komplexe Form durch das Herausschleudern von zusammen- hanglosen Worten oder Sätzen.

Ein Tourette-Syndrom liegt per Definition nur dann vor, wenn zu multiplen motorischen Tics minde- stens ein vokaler Tic hinzukommt Für den behandelnden Arzt ist eine Abgrenzung vorübergehend auftre- tender Tics, die bei jedem fünften Kind vorkommen, zur chronischen

BERICHTE

Verlaufsform äußerst schwierig.

Überdies erschweren die Bandbreite der Tics und die unterschiedlichen Ausprägungen das differentialdia- gnostische Vorgehen. In ihrer Um- welt, bei Lehrern, Freunden und auch in der Familie provozieren die betroffenen Patienten Erstaunen und auch Ärger, denn die befrem- denden Verhaltensweisen erscheinen oft als Provokation.

Bis zu einem gewissen Grad kön- nen die Äußerungen beherrscht wer- den, brechen in Streßsituationen oder nach längerer Unterdrückung jedoch um so vehementer hervor. Es ist davon auszugehen, daß die Sym- ptomatik in einem Drittel der Fälle nach der Pubertät wieder verschwin- det, in einem Drittel sich bessert; le- diglich bei einem Drittel verschlech- tert sich das klinische Bild.

Eine frühe Diagnose dieser Er- krankung — von der Jungen minde- stens dreimal so häufig wie Mädchen betroffen sind — ist nach Aussagen von Prof. Aribert Rothenberger (Mannheim) dringend geboten, denn mit dem Verlauf der Krankheit kommt es häufig zu weiteren psychi- schen Störungen bis hin zu massiven Persönlichkeitsveränderungen. Um das Tourette-Syndrom von anderen neuropsychiatrischen Krankheiten si- cher abzugrenzen, kann ein Elektro- enzephalogramm oder ein Kernspin- tomogramm sinnvoll sein. Für die Abschätzung des Schweregrades der

Erkrankung stehen Fragebögen und Schätzskalen zur Verfügung. Über die Ursache herrscht noch Unklar- heit. Eine genetische Prädisposition wird angenommen Zu dieser Frage wird derzeit eine Multi-Zenter-Stu- die mit Unterstützung des Bundes- forschungsministeriums durchge- führt. Vieles spricht dafür, daß die Krankheit auf einen gestörten Hirn- stoffwechsel zurückzuführen ist, wo- bei den Neurotransmittern Dopamin und Serotonin eine wichtige Rolle zugeschrieben wird.

Wann ist eine Therapie ange- zeigt? Die Entscheidung hierfür soll- te man vom Grad der Behinderung im Alltag und insbesondere vom Lei- densdruck der Patienten abhängig machen. Wichtig ist außerdem die Aufklärung der Patienten und deren Bezugspersonen wie Eltern, Lehrer, Mitschüler etc. Hierbei sei klarzu- stellen, daß es sich bei dem merkwür- digen Verhalten der Betroffenen nicht um eine Provokation, sondern um ein Krankheitsbild handelt. Me- dikamentöses Mittel der Wahl zur Tic-Kontrolle ist das Tiaprid, das zu- sammen mit einer Verhaltensthe- rapie die besten therapeutischen Er- folge verspricht.

Auch Pimozide oder Haloperi- dol sind mögliche Alternativen. Sti- mulanzien wie Methylphenidat oder Pemoline, die bei Kindern mit einem hyperkinetischen Syndrom verschrie- ben werden, können zu einer Ver- stärkung der Tics führen und sollten zurückhaltend eingesetzt werden, falls eine Kombination beider Stö- rungen vorliegt. Ist das Tourette-Syn- drom mit schweren Zwangsstörungen vergesellschaftet, so wird Sulpirid bzw. Clomipramin in Verbindung mit Tiaprid oder Pimozide als Mittel der Wahl empfohlen. Ingeborg Bördlein

40 000 Menschen leiden am Tourette-Syndrom

Wenn zahlreiche Tics

die Umgebung verwirren

Kinderdoping in der DDR

Wegen Dopings von Kindern im DDR-Sport ermittelt die Arbeits- gruppe Regierungskriminalität beim Berliner Kammergericht seit eini- gen Monaten. Wie Justizsprecherin Uta Fölster vor kurzem in Berlin mitteilte, besteht der Verdacht, daß die Verabreichung von Anabolika in der DDR von einer Kommission beim Zentralkomitee der SED un- terstützt wurde. Über die Geheimhaltung des Dopings habe die DDR- Staatssicherheit gewacht. afp

A-820 (36) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 12, 25. März 1994

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