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Archiv "Europäische Fachgesellschaften: Perspektiven der chirurgischen Onkologie" (18.07.1994)

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POLITIK

Wenn der Kabinettsentwurf für das neue Arbeitszeitgesetz Wirklich- keit wird, können wir auf unseren Rechtsstaat stolz sein. Kaum be- hauptet eine Branche, nicht in der Lage zu sein — oder sie ist nicht wil- lens — , ihren Mitarbeitern, die meist eine extrem „gefahrengeneigte" Tä- tigkeit ausüben, gesetzlich vorge- schriebene Arbeitsbedingungen zu schaffen, schon reicht offenbar ein Wink ihrer Spitzenvertretung an die Exekutive aus, um Ausnahmen von Menschenrechts- oder Gesetzesbe- stimmungen zu erwirken, die jedem Postbeamten oder Müllwerker selbstverständlich zugebilligt werden.

Für den Arbeitgeber von ärztli- chem und pflegerischem Personal er- geben sich durch das Arbeitszeitge- setz ganz neue Möglichkeiten: Vor seinem Inkrafttreten durfte der Ar- beitgeber sich bei Mißachtung von Ruhezeitvorschriften grundsätzlich nicht erwischen lassen; nach Erlaß des Gesetzes besteht für ihn diese Gefahr nicht mehr, da die geplante Ausnahmeregelung ihm einen sol- chen Umgang mit seinen Mitarbei-

KOMMENTAR / TAGUNGSBERICHT

tern ausdrücklich gestattet. Dem Ar- beitnehmer wiederum bleiben nach einer durchgearbeiteten Nacht zwei Möglichkeiten: Entweder er nimmt in seinem Verantwortungsbewußt- sein für die Patienten die Routinear- beit des nächsten Tages wegen Über- müdung nicht auf und riskiert damit seine Entlassung wegen Arbeitsver- weigerung; oder er nimmt die Arbeit trotz Übermüdung auf, gefährdet da- mit die Patienten und riskiert straf- rechtliche Konsequenzen wegen Übernahmeverschuldens.

Eine weitere Konsequenz des Gesetzentwurfs: Wenn Ruf- und Be- reitschaftsdienste arbeitsrechtlich als Ruhezeiten gelten sollen, brauchen sie auch nicht bezahlt zu werden. Vor dem Hintergrund der derzeitigen fi- nanziellen Misere beziehungsweise der völlig fehlgeplanten Ausgaben- verteilung wird schon dies ein Haupt- grund für die Einführung der geplan- ten Rechtsbeugung sein und zugleich ihr Fortbestehen weit über 1996 hin- aus garantieren.

Die deutsche Tradition im Um- gang mit Menschenrechten (Drittes

Reich, DDR) ist hinlänglich bekannt.

Man befürchtet offenbar, daß die dort gemachten Erfahrungen verlo- rengehen. Da heutzutage Menschen- rechtsverletzungen im Stil des Drit- ten Reiches, der DDR und vieler Dritte-Welt-Länder nicht so ohne weiteres hingenommen werden, müs- sen die Organe unser frei gewählten Volksvertretungen „salami-taktisch"

vorgehen. Es handelt sich ja „nur"

um eine kleine Maßnahme, „nur" an einer kleinen Gruppe, wogegen Wi- derstand einerseits nicht lohnt, ande- rerseits überzogen wirken muß. Ge- rade deshalb ist Widerstand der Be- troffenen im eigenen wirtschaftlichen und existentiellen Interesse und zum Schutz unserer freien Gesellschaft unbedingt notwendig, damit Men- schenrechte nicht disponierbar wer- den. Ich glaube, daß effektiver Wi- derstand nur möglich ist, wenn sich alle Angehörigen der Heilberufe un- ter Hintanstellung von Partikularin- teressen zu einem Verband mit ge- werkschaftlicher Struktur zusam- menschließen. Dieser wird zwar die Entstehung des Gesetzes und seine Ausnahmeregelungen nicht mehr verhindern, wird aber hoffentlich mit dem nötigen Nachdruck die Überprüfung der Verfassungsmäßig- keit dieser Gesetzesausnahme be- treiben. Georg Osmialowski

Arbeitszeitgesetz

Widerstand lohnt sich

Grenzen und Perspektiven der Chirurgischen Onkologie war das Thema eines ersten gemeinsamen Erfahrungsaustausches dreier euro- päischer chirurgisch-onkologischer Fachgesellschaften in Heidelberg — der Europäischen Gesellschaft für Chirurgische Onkologie (ESSO), der British Association of Surgical Onco- logy (BASO) und der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Onkologie der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (CAO). Ziel des Treffens war nach Angaben von Kongreßpräsident

Prof. Christian Herfarth (Heidel- berg), Wissen und Methoden aus dem europäischen Raum auszutau- schen. Hintergedanke sei nicht zu- letzt gewesen, ein europäisches Ge- gengewicht gegenüber der wissen- schaftlich einflußreichen amerikani- schen chirurgisch-onkologischen Ge- sellschaft zu bilden. Es gehe darum, eine konzertierte Interessenvertre- tung der Chirurgischen Onkologie in Europa zu schaffen.

Die chirurgisch tätigen Onkolo- gen in Deutschland können von ihren

europäischen Fachkollegen durchaus etwas lernen, so Herfarth. Dies be- trifft zum Beispiel die Frage der Qualitätssicherung. So scheue man sich in England nicht vor einem di- rekten, ungeschminkten und emoti- onslosen Vergleich der Operations- ergebnisse in der Onkologie unter den einzelnen Chirurgen und den verschiedenen Kliniken Mehr Of- fenheit hierzulande könnte zu einer besseren Standardisierung und Opti- mierung in der Chirurgischen Onko- logie in Deutschland führen.

Ein guter Ansatzpunkt hierfür war — seiner Ansicht nach — die Mitte der 80er Jahre durchgeführte vergleichende Studie zu den Ergeb- nissen der Kolon- und Mastdarm- chirurgie, an welcher mehrere deut- sche Zentren beteiligt waren. Sie ha- be zu einer Standardisierung auf die- sem Gebiet geführt. Man müsse hier-

Europäische Fachgesellschaften

Perspektiven der

chirurgischen Onkologie

A-1938 (26) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 28/29, 18. Juli 1994

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THEMEN DER ZEIT

bei bedenken, so Herfarth, daß gera- de in der Onkologie eine Studie drei bis fünf Jahre Nachbeobachtungszeit brauche, bis das Heilungsergebnis und damit die chirurgische Qualität beurteilt werden könnten.

Welche Perspektiven ergeben sich für die Chirurgische Onkologie, wenn man zum Beispiel mögliche gendiagnostische und molekularbio- logische Therapie-Ansätze in der Krebsbehandlung für die Zukunft in Aussicht stellt? Trotz Gentherapie und der stetigen Optimierung von Strahlen-, Chemo- und biologischer Therapie wird das Schicksal des Krebspatienten nach der Überzeu- gung Herfarths weiter in der Hand des Chirurgen liegen. Bei soliden Tu- moren entscheide sein „handwerkli- ches Können" zu 40 bis 60 Prozent über die Prognose des Patienten.

Durch konservative Therapiemaß- nahmen könnten diese Ergebnisse noch einmal um 10 bis 20 Prozent verbessert werden. Dies ändere aber nichts an dem unabdingbaren Gebot in der Chirurgischen Onkologie, daß der Tumor zu 100 Prozent eradiziert werden müsse, betonte Professor Herfarth.

Studien hätten hinreichend ge- zeigt, daß der „penibel" operierte Tumorpatient nicht nur weniger Schmerzen, weniger Wundinfekte oder andere postoperative Kompli- kationen habe, sondern auch länger lebe. Dieses Vorgehen setzt nach Herfarth den weiten Zugang zum Operationsfeld voraus. Er sieht sich mit seinen europäischen Kollegen in der äußerst kritischen Beurteilung des minimal invasiven Zugangs in der Tumorchiurgie einig. Man dürfe kei- nesfalls die Radikalität dem Zugang opfern, betonte er. Jede inadäquate Manipulation am Tumor könne eine Irreversibilität des Tumorgeschehens und damit den früheren Tod des Pa- tienten bedeuten. Der Chirurg habe die bösartige Geschwulst wie ein „ro- hes Ei" zu behandeln, jede Verlet- zung berge die Gefahr eines Rezi- divs. Herfarth verwies hierbei auf mittlerweile 20 Publikationen über sogenannte Arbeitskanalrezidive, wo über eine artifizielle Tumoraussaat durch Traumatisierungen von Tu- moren mit dem Laparoskop berichtet wird.

TAGUNGSBERICHT

Ein Fallbeispiel: Bei einem Pa- tienten, der an der Chirurgischen Universitätsklinik in Heidelberg vor- gestellt wurde, fand sich an der Bauchwand und am Nabel Karzi- nomgewebe. Aus der Vorgeschichte wurde bekannt, daß dem Patienten andererorts die Gallenblase laparo- skopisch entfernt worden war. Das Organ wurde im Nachhinein histolo- gisch nochmals aufgearbeitet und tat- sächlich ein Gallenblasenkarzinom entdeckt.

Hier habe es sich wohl um eine iatrogene Tumoraussaat gehandelt, resümiert Herfarth. Die Vorteile ei- ner laparoskopischen Operation als durchaus „elegantem Verfahren" mit geringeren Schmerzen, kleineren Narben und einer kürzeren Hospita- lisationszeit können nach Herfarth in der Tumorchirurgie keine Kriterien sein. In der Geschwulstchirurgie ge- he es — vereinfacht gesagt — um Le- ben ohne den Tumor oder Siechtum mit der Aussicht auf einen frühen Tod.

Beurteilung zu optimistisch

Für die Zunkuft sieht Herfarth dann eine Bedeutung des minimal in- vasiven Zugangs in der Tumorchirur- gie, wenn nachgewiesen werden kann, daß der geringere postoperati- ve Schmerz und der kleinere Schnitt den Immunstatus des Patienten bes- ser aufrecht erhalten. Hierfür gebe es gewisse Hinweise. Ferner, wenn es einmal möglich sein werde, die Tu- moren präoperativ so zu verkleinern, daß sie laparoskopisch problemlos zu entfernen sind. Nach Herfarth wird die minimal invasive Chirurgie gera- de für Geschwulsterkrankungen viel zu optimistisch beurteilt und bereits auch von Patienten gewünscht. Doch dürfe man die Entscheidung über den operativen Zugang nicht dem Patienten überlassen, sondern der Chirurg müsse entsprechend den chirurgisch-onkologischen Grundre- geln den Operationsweg wählen.

Eine neue Perspektive der Chir- urgischen Onkologie sehen die Ex- perten in der Prävention, die durch molekularbiologische (genetische) Diagnosen möglich sein wird. Dies

gilt zum Beispiel für hereditäre Tu- morerkrankungen. Liegt der geneti- sche Beweis für eine drohende Krebskrankheit vor, so kann das ge- fährdete Organ entfernt werden, noch ehe sich ein bösartiger Tumor gebildet hat. So wird der präventive chirurgische Eingriff beim medullä- ren Schilddrüsenkarzinom schon an einigen Zentren durchgeführt Ähnli- ches zeichnet sich für die familiäre Polyposis Coli und den Hereditary NonPolyposis Colon Cancer (HNPCC) ab Fünfzehn Prozent aller Dickdarmkrebse gehören nach Schät- zungen zu dieser Gruppe. Gelingt es einmal, molekularbiologische Test- verfahren für den erblichen Dick- darmkrebs zu entwickeln, so kann er präventiv behandelt werden, noch ehe sich ein Karzinom entwickelt.

Neue Ansätze zeichnen sich auch für die Tumorchirurgie der Le- ber ab. Erste Ergebnisse aus Frank- reich decken sich mit Erfahrungen an der Heidelberger Universitätsklinik, wonach beim hepatozellulären Karzi- nom — sofern es noch klein ist — ei- ne Organtransplantation zu besseren Ergebnissen führt als die Tumorre- sektion, da es sich hierbei um eine sy- stemische Erkrankung des Organs

„Leber" handelt. Ebenso wird die Transplantation für die Therapie he=

patobiliärer Karzinome diskutiert.

Ob sich diese Erkenntnisse ange- sichts des Mangels an Spenderorga- nen umsetzen lassen, ist allerdings fraglich.

Zum Stand der Chirurgischen Onkologie resümierte Herfarth: „Die Möglichkeiten der Chirurgischen Onkologie liegen in einer Verbesse- rung der Qualität der chirurgischen Technik Der Chirurg muß gleichzei- tig die Risikosituation für Heilung oder möglichen Rückfall des Tumors erkennen und gegebenenfalls Zu- satzmaßnahmen einleiten. Unsere heutigen Grenzen liegen darin, daß wir wissen, durch molekularbiologi- sche Methoden eine verfeinerte Dia- gnostik betreiben zu können, die neue chirurgisch-therapeutische Ver- fahren erfordert. Hier stoßen wir je- doch noch an Wissensgrenzen. Eine Kombination chirurgischen Vorge- hens und bestimmter molekularbio- logischer Methoden ist jedoch denk- bar." Ingeborg Bördlein A-1940 (28) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 28/29, 18. Juli 1994

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