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Archiv "Hochrisikofamilien mit Mamma- und Ovarialkarzinomen: Möglichkeiten der Beratung, genetischen Analyse und Früherkennung" (24.01.1997)

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Academic year: 2022

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N

ach Schätzung des Statisti- schen Bundesamtes gab es in Deutschland im Jahr 1995 nahezu 117 000 Karzinomer- krankungen bei Frauen. Das Mam- makarzinom ist dabei die häufigste Karzinomerkrankung der Frau, die absolut häufigste Karzinomtodesur- sache der Frau in der westlichen Welt und in der Altersgruppe zwischen 35 und 55 Jahren sogar die häufigste To- desursache überhaupt. Die Erkran- kungsinzidenz nimmt derzeit beson- ders bei jungen Frauen zu (17, 34).

Durch moderne molekularbio- logische Techniken sind neue Ein- sichten in die molekularen Me- chanismen der Karzinomentstehung und -progression gewonnen worden.

Das Modell der sogenannten Mehr- schrittkarzinogenese, die ausgehend von der normalen Ephitelzelle über physiologische und unphysiologische Zellproliferation hin zum Carcinoma in situ und dann invasiven Karzinom mit zirkulierenden Tumorzellen und Fernmetastasen führt, integriert un- terschiedlichste Faktoren. Die ein- zelnen Faktoren, deren zeitliches Auftreten und ihre Interaktionen sind überwiegend noch unbekannt, dennoch können einige dieser Fakto- ren in einem hypothetischen Arbeits- modell zusammengefaßt werden (Grafik 1).

Zwei Gengruppen – aktivierte Onkogene und defekte Tumorsupres- sorgene – sind an der Mehrschritt- Karzinogenese beteiligt (5, 11, 15, 36). Proto-Onkogene sind nicht mu- tierte, konstitutive Gene, die die physiologische Zellvermehrung und damit verbundene Zellabläufe po- sitiv regulieren. Bei Veränderung der Genkopienzahl (Amplifikation) kommt es zur vermehrten Expressi- on der korrespondierenden Wachs-

tumsproteine mit einer unphysiolo- gischen Wachstumsstimulation, ei- nem der Hauptkriterien für malig- nes Wachstum. Tumorsupressorgene wirken zumeist inhibierend auf die Zellproliferation. Bei Wegfall der In- hibition kommt es zur unphysiologi- schen Proliferation und somit zu ma- lignem Wachstum der Zelle. Das Zweischritt-Modell zur Inaktivie- rung eines Tumorsuppressorgens

wurde zuerst von Knudson (21) for- muliert. Ein Schlüsselschritt der so- matischen Inaktivierung von Tumor- suppressorgenen ist der Verlust einer Gen-Kopie in der Tumor-DNA, wo- bei die noch vorhandene Kopie infol- ge einer vererbten (Keimbahn-)muta- tion (beipielsweise BRCA1) oder ei- ner spontanen somatischen Mutation bereits inaktiviert ist.

Prädisponierende Gene

In die Gruppe der prädisponie- renden Gene werden für die Ent- wicklung von Mamma-, Ovarial- und Endometriumkarzinomen der- zeit fünf Gene mit unterschiedlicher Penetranz eingeordnet: BRCA1, BRCA2, TP53, Ataxia Telangiect- asia-Gen (AT) und HRAS1 (4, 25, 29, 39, 42, 43). Bezogen auf die Mam- makarzinominzidenz ist derzeit noch unklar, welchen prozentualen Anteil die genetische Prädisposition am Ge- samtkollektiv der Karzinompatien- tinnen hat. 5 bis 15 Prozent aller und ungefähr 25 bis 40 Prozent aller Pati- entinnen mit einer Mammakarzino- merkrankung vor dem 35. Lebens- jahr werden mit einer genetischen Prädisposition in Verbindung ge- bracht (13, 16, 27, 37). Bei der für Ge- samtdeutschland im Jahr 1995 ge- schätzten Mammakarzinom-Inzidenz von 46 000 Neuerkrankungen sind ungefähr 1 200 Neuerkrankungen auf BRCA1-, 800 auf BRCA2- und 20 auf TP53-Gendefekte zurückzuführen.

Für AT und HRAS1 sind keine ge- nauen statistischen Daten bekannt.

Bei 8 300 Ovarialkarzinom-Neuer- krankungen sind 240 Ovarialkarzino- me auf BRCA1-Veränderungen be- gründet, für BRCA2 liegen derzeit keine exakten Kalkulationen vor.

Hochrisikofamilien mit Mamma-

und Ovarialkarzinomen

Möglichkeiten der Beratung,

genetischen Analyse und Früherkennung

Matthias W. Beckmann

1

Dieter Niederacher

1

Timm O. Goecke

2

Ruth Bodden-Heidrich

1

Hans-Georg Schnürch

1

Hans Georg Bender

1

Angeborene genetische Störungen in den Genen BRCA1 und BRCA2 können zur Entstehung von Mamma- und Ovari- alkarzinomen führen. Die Erkrankungs- wahrscheinlichkeit bei vorhandenem Gendefekt ist sehr hoch, und zumeist sind bereits junge Frauen betroffen. Bei gezielter anamnestischer Identifizie- rung von Hochrisikopersonen mit an- schließendem Nachweis der Genmutati- on könnte diesen Ratsuchenden eine entsprechende Betreuung beziehungs- weise ein Früherkennungsprogramm angeboten werden. Die Art der klinisch- genetischen Beratung, die BRCA1- und BRCA-2-Testung als auch das zu empfeh- lende Früherkennungsprogramm sind derzeit Gegenstand intensivster klini- scher und wissenschaftlicher Forschung.

1Frauenklinik (Direktor: Prof. Dr. med. Hans Georg Bender) mit den Arbeitsbereichen Mo- lekulargenetisches Labor, Psychosomatik und Histomorphologisches Labor der Heinrich- Heine-Universität, Düsseldorf

2Institut für Humangenetik (Komm. Direktor:

Prof. Dr. med. G. Frank Majewski) der Hein- rich-Heine-Universität, Düsseldorf

(2)

BRCA1 und BRCA2

Keimbahnmutation der Brust- krebsgene BRCA1 und BRCA2 (Ta- belle) scheint die Hauptursache für das vererbte Mammakarzinom und das vererbte Mamma-/Ovarialkarzi- nomsyndrom zu sein (26, 29, 39, 42, 43). Nach Kopplungsuntersuchungen ist in 45 Prozent aller Familien mit si- gnifikant häufigerem Auftreten von early-onset-Mammakarzinomen und in mindestens 75 Prozent aller Famili- en mit signifikant häufigerem Auftre- ten von Mamma- und/oder Ovarial- karzinomen eine Inaktivierung des BRCA1-Gens für die Tumorentste- hung verantwortlich. Nach derzeit zu- sammenfassenden Statistiken ist das kumulative Risiko für Trägerinnen mit BRCA1-Gendefekt, bis zum 70.

Lebensjahr an einem Mammakarzi- nom zu erkranken, 82 Prozent (Frau- en-Allgemeinpopulation: 9 Prozent bis zum 70. Lebensjahr). Hiervon er- kranken mehr als 60 Prozent der Pati- entinnen vor dem 50. Lebensjahr. Das Risiko der Gendefektträgerinnen, bis zum 70. Lebensjahr an einem Ovarial- karzinom zu erkranken, liegt bei 44 Prozent. Weitere signifikante Ko-In- zidenzen sind für Endometrium-, Prostata-, Kolon- und Pankreaskarzi- nome in diesen Familien beschrieben (14, 27, 37, breast cancer information Core/BIC). Die genetische Prädispo- sition wird bei Vorliegen einer Keim- bahnmutation autosomal dominant vererbt, wobei das prädisponierende Allel wie ein rezessives Allel in einer somatischen Zelle fungiert. Die ver- erbte Kopie des mutierten Allels ist verantwortlich für die Prädisposition, der Verlust beziehungsweise die Inak- tivierung des Wildtypallels in der so- matischen Zelle führt zur Ausprägung des malignen Phänotyps. Unter- suchungen zur Lokalisation von BRCA1-Keimbahnmutationen in Fa- milien mit Mamma- und Ovarialkarzi- nomen deuten eine Genotyp-Phäno- typ-Korrelation an: Mutationen im 3’- Ende des BRCA1-Gens scheinen mit einer geringeren Anzahl von Ovarial- karzinomen verbunden zu sein (18).

Für BRCA1 sind Informationen über mehr als 460 DNA-Sequenzvarianten in der BIC Datenbank (internet Http://www.nchhgr.nih.gov/dir/lab transfer/bic) zusammengefaßt. Die

DNA-Schäden im Erbgut:

Genetische Prädisposition, z. B. BRCA1, BRCA2, p53,

HRAS1, AT, Rb

Physiologische Wachstumsfaktoren:

z. B. EGF, TGF, IGF

Spontane DNA-Schäden:

Mutationen, Deletionen, Insertionen, Translokationen

Amplifikationen

Hormon-Regulation:

z. B. Östrogen, Progesteron, Prolaktin, Steroidhormon-

Rezeptoren (ER, PgR)

Proliferationsfaktoren:

Wachstumsfaktoren/-Rezep- toren, Onkogene, z. B. c-erbB-

Familie, c-myc, ras, int2

Zellzyklus-Regulation:

z. B. Rb, cdk-Familie, P16, WAF1, p53

Adhäsionsmoleküle:

z. B. E-Cadherin, CAM's

Normale Epithelzelle

Zellproliferation

Karzinoma in situ

Invasives Karzinom

Fernmetastasen

Metastasierung:

z. B. NME1, Integrine, cd44

Invasionsfaktoren:

Proteasen z. B. uPA, Cathepsin D, B,

Kollagenasen I-IV Angiogenesefaktoren:

z. B. FGF, APF Zirkulierende

Tumorzellen

Modell der Mehrschritt-Karzinogenese des Mamma-Karzinoms

Grafik 1

Tabelle

Informationen über BRCA1 und BRCA2

BRCA1 BRCA2

Gen-Lokus 17q21 13q12–13

Gengröße 100 kB, 24 Exons 50 kB, 27 Exons

TNA-Transkriptgröße 7,8 kB 11,3 kB

Proteingröße 1863 Aminosäuren 3418 Aminosäuren

DNA-Sequenzvariationen 460 94

Gen-Typ Tumorsuppressor- Tumorsuppressor-

Gen Gen

Erkrankungen „early-onset“ „early-onset“

weibliches Mamma- weibliches/

karzinom männliches

Mammakarzinom Ovarialkarzinom Ovarialkarzinom Aktuelle Information BIC-Datenbank BIC-Datenbank

M. W. Beckmann, D. Niederacher Frauenklinik, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Germany

(3)

kombinierte Frequenz aller BRCA1- Mutationen bei nichtjüdischen Frau- en wird derzeit auf 1 zu 833 geschätzt, verglichen mit einer Frequenz von 1 zu 107 bei Ashkenazijüdinnen mit zumeist der 185delAG-Mutation (13, 37). Nicht in allen BRCA1- und BRCA2-gekoppelten Familien wur- den Mutationen gefunden, was für das Vorhandensein mindestens eines weiteren die Kanzerogenese auslö- senden Gens – BRCA3 – sprechen könnte.

In Fällen sporadischer Mamma- karzinome sind zwar in sehr geringer Zahl BRCA1-Mutationen (27), aber noch keine BRCA2-Mutation gefun-

den worden. Somatische Mutationen in der kodierenden Region von BR- CA1 wurden nur in einigen sporadi- schen Ovarialkarzinomen entdeckt (19, 28). In den Tumoren der BR- CA1-Mutationsträgerinnen zeigten sich in allen untersuchten Tumoren – in Übereinstimmung mit der Knud- sonschen Hypothese – ein Verlust der Heterozygotie (LOH) in der BRCA1-Region. In 30 und 70 Pro- zent der sporadischen Mamma- und Ovarialkarzinome kann ebenfalls ein Verlust der BRCA1-Region nachge- wiesen werden (1, 9, 19, 28, 31). Trotz dieser teils widersprüchlichen Ergeb- nisse bleibt die dringende Vermu-

tung, daß BRCA1 trotzdem eine zen- trale Rolle in der Ätiologie des spon- tanen Mammakarzinoms hat, gege- benenfalls über andere Inaktivie- rungsmechanismen.

Für das BRCA2-Gen sind 94 DNA-Sequenzvariationen in fami- liären Tumoren beschrieben wor- den (6, 10, 33, 39; BIC). Ähnlich wie für BRCA1 sind auch für BRCA2 in spezifischen Bevölke- rungsgruppen gehäufte Mutationsor- te beschrieben (Ashkenazi-Juden [30;

6174delT] oder männliche Populati- on in Island [40; 999del5]). Nach Stati- stiken des Breast Cancer Linkage Consortiums (Meeting Lyon Oktober

Flow-Chart: Interdisziplinäre Beratung und Betreuung

Eingangsberatung, Familienanamnese, Stammbaumerstellung

Anforderung zusätzlicher Familiendaten, Stammbaumauswertung, schriftliches Beratungsprotokoll

Psychotherapeutische Vorbereitung, Begleitung

Patientin wünscht keine weitere Beratung/Analyse Interdisziplinäre Beratung:

Gynäkologie, Genetik, Psychologie

Anforderung von Blutproben und Tumormaterial

Prädiktive Diagnostik - Proteinnachweis (PTT) - Mutationsnachweis (SSCP, Sequenzierung)

Interdisziplinäre Ergebnisbesprechung:

Gynäkologie, Genetik, Psychologie, Beratung des weiteren Vorgehens

Ergebnismitteilung:

Gynäkologie, Genetik, Psychologie, Beratung des weiteren Vorgehens

Weiteres Vorgehen Weiteres Vorgehen

Grafik 2

Früherkennungs- Untersuchungsangebot

für Brust**

1

1 Früherkennungsuntersuchungen – geübte monatliche Selbstpalpation – halbjährliche Palpation durch Frau-

enärztin/-arzt

– halbjährliche Ultraschall-Untersu- chung der Mammae (7,5/10/13 Mhz) – Mammographie – 5 Jahre vor dem

Erkrankungsalter des jüngsten Familienmitglieds – abhängig von

Brustdichte – eventuell Kernspintomographie 1

1 medikamentöse Prophylaxe/

Therapie

– Ovulationshemmer für Mädchen/

Frauen*

– endokrine Stimulation bei Infertilität*

– Hormonersatz-Therapie (HRT) in der Menopause*

– Chemoprävention

([z. B. Tamoxifen [IBIS-Trial])*

1

1 chirurgische/radiotherapeutische Maßnahmen

– komplette Mastektomie mit/ohne primärer Rekonstruktion

– keine axilläre Lymphonodektomie – Bestrahlung der Brust*

1

1 allgemeine prophylaktische Maßnahmen

– körperliche Aktivität

– ausgeglichene Diät mit gutem Gewicht

– kontrollierter Konsum von Alkohol, Tabak etc.

** Beckmann et al. 1996

* keine ausreichende Studieninformation

(4)

1996) liegt das kumulative Risiko für Trägerinnen mit BRCA2-Gendefekt, bis zum 70. Lebensjahr an einem Mammakarzinom zu erkranken, bei 70 Prozent, an einem Ovarialkarzi- nom zu erkranken, bei 17 Prozent (Breast Cancer Information Core/

BIC). LOH der BRCA2-Region ist so- wohl in familiären als auch in sponta- nen Mammakarzinomen nachgewie- sen (1, 9, 33). Informationen über die zellulären BRCA2-Funktionen sind im Detail aber noch nicht bekannt.

Interdisziplinäres Beratungskonzept

Ähnlich wie in anderen Univer- sitätskliniken wurde in der Frau- enklinik der Heinrich-Heine-Uni- versität, Düsseldorf, ab August 1994 eine Tumorrisiko-Sprechstunde mit individueller Bera-

tung, genetischer Analyse und klini- scher Betreuung für Ratsuchende aus Hochrisikofamilien etabliert. Die Not- wendigkeit zur Ent- wicklung dieses in- terdisziplinären Be- ratungs- und Be- treuungsangebotes ergab sich aus der von den Medien aufgegriffenen In- formation über das

„heißeste Wettren- nen“ um die Klonie- rung „des“ Brust- krebsgens und die so induzierte Nach- frage einschließ- lich der damit ver- knüpften – zumeist falschen – Vorstel- lungen und Erwar- tungshaltungen der Ratsuchenden.

Zu diesem Zeit- punkt war bei noch unbekannter Ge- samtsequenz keine direkte genetische BRCA1-Mutations- analyse möglich, BRCA2 war nicht sequenziert. Mit

Hilfe indirekter Diagnositk mit ge- koppelten Markern in Familien mit mehreren Betroffenen konnte allen- falls eine Wahrscheinlichkeitsangabe zum Anlageträgerstatus erfolgen. Um die Beratung, Betreuung und prädi- kative Diagnostik bei spätmanifesten Erkrankungen (beispielsweise Cho- rea Huntington, spinozerebelläre Ataxien oder Gene, die die Karzinom- entstehung fördern) besteht derzeit eine vielschichtige (ethische, gesell- schaftliche, juristische, kirchliche und medizinische) Diskussion. Speziell die prädiktive Diagnostik eines Ge- nes, welches die Karzinomentstehung fördert, birgt viele offene Fragen. Der Ausschluß einer Mutation bei einer Person mit einem solchen familiär nachgewiesenen Gen kann eine er- hebliche psychische Entlastung be- wirken. Beim Nachweis einer Mutati- on können Früherkennungsmaßnah-

men empfohlen werden, deren Vali- dität bei Mutationsträgerinnen aller- dings derzeit noch nicht ausreichend geklärt ist. Mit vielfältigen psycholo- gischen Auswirkungen bei den Test- suchenden und deren Familien muß gerechnet werden. Die Sorge, durch eine familiäre Belastung eventuell ei- nem erhöhten Krebsrisiko zu unter- liegen, das Erleben von Schicksalen durch Krebserkrankungen in der Fa-

milie, die Ängste vor der Krebser- krankung bei positivem Testergebnis, die Frage nach Früherkennungsmög- lichkeiten, dem Erkrankungsverlauf und auch nach dem Tod sind bedeu- tende Entscheidungsparameter für ei- ne Testung. Auf sozialer Ebene be- steht potentiell die Gefahr einer Dis- kriminierung durch einen positiven Test, nicht nur im Berufsleben mit Einstellungsverweigerung, sondern auch durch Verweigerung der Versi- cherung. Darüber hinaus bleiben Schwierigkeiten bei der Befundin- terpretation des genetischen Analy- seergebnisses durch die ungeklärten Fragestellungen nach der Penetranz der nachgewiesenen genetischen Al- teration, der Varianz der phänotypi- schen Ausprägung, dem Einfluß von

Früherkennungs- Untersuchungsangebot

für Eierstock**

1

1 Früherkennungsuntersuchungen – halbjährliche vaginale Untersu-

chung durch Frauenärztin/-arzt – halbjährliche Ultraschall-Untersu-

chung Ovarien/Endometrium – CA125 Bestimmung*

1

1 medikamentöse Prophylaxe/

Therapie

– Ovulationshemmer für Mädchen/Frauen

– endokrine Stimulation bei Infertilität*

– Hormonersatz-Therapie (HRT) in der Menopause*

1

1 chirurgische/radiotherapeutische Maßnahmen

– bilaterale Ovarektomie – Peritoneal-Lavage

– keine Lymphknoten-Entfernung

** Beckmann et al. 1996

* keine ausreichende Studieninformation 2

4 11 3 5 7 2 43 4 1 1 2 13 2 3

MaCa 75 J

MaCa 52 J MaCa 38 J

MaCa38J CoCa 65 J 1

3 41 4 2

3 6 31 2 4 OvCa 48 J 2

3 41 2 1

2 4 1 1 3 5 2 3 4 1 2 1

7 2 4 3 4 1

3 4 2 3 5 3 7 2 4 3 4 1

3 4 2 3 5 3 2 3 4 1 2 1

2 3 4 1 2 1

3 4 2 3 5 3 1 2 3 4 1 1

2 1 3 2 1 4 7

2 4 3 4 1 1 2 1 3 2 3

7 2 4 3 4 1 2 3 4 1 2 1

3 4 2 3 5 3

3 4 2 3 5 3 1 3 4 1 4 2

3 6 3 1 2 4

3 4 2 3 5 3 5

8 6 1 3 2

5 8 6 1 3 2

5 8 6 1 3 2

5 8 6 1 3 2 5

8 6 1 3 2

5 8 6 1 3 2

5 8 6 1 3 2

2 1 3 2 1 4 1 2 3 4 1 1 3

4 23 5 3

Exemplarische Familie

Grafik 3

Grafik 3: Exemplarischer Stammbaum einer BRCA1-Familie. Stammbaum ei- ner BRCA-1 Familie mit vier Mamma-, einem Ovarial- und einem Kolonkarzi- nom. Männliche (Quadrate) und weibliche (Kreise) Familienmitglieder, er- krankt: rot ausgefüllte Symbole; verstorben: durchgestrichene Symbole; Muta- tionsträger: rote Symbole. In der Haplotyp-Analyse erfolgt eine Allelotypisie- rung mit sechs verschiedenen polymorphen Markern der BRCA1-Region. Nach LOH-Analyse in den Tumoren der Erkrankten konnten Allelverluste (rot einge- rahmt) in der Tumor-DNA nachgewiesen werden, die Mutation wurde in den je- weils korrespondierenden Allelen bei allen Mutationsträgern identifiziert.

(5)

zusätzlichen endogenen Faktoren oder dem Einfluß von zusätzlichen Genen, die die Karzinomentstehung fördern.

Klinische und genetische Beratung

Die Bearbeitung dieser viel- schichtigen Problematik läßt sich nur

in einem interdisziplinären Ansatz (onkologisch versierte Gynäkologie, Humangenetik, Molekulargenetik, Psychotherapie, Pathologie) ange- hen (Grafik 2). Im Rahmen der Tumorrisikosprechstunde (August 1994 bis August 1996: 178 Ratsu- chende) wird die individuelle Bera- tung nach Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik (33) unter Einbezug der Empfehlungen der Amerikanischen Gesellschaft für Humangenetik (38) durchgeführt.

Die Ratsuchenden werden über die genetischen Grundlagen und Wahr- scheinlichkeiten des Auftretens, die Möglichkeiten und Grenzen der ge- netischen Diagnostik, der Früher- kennungs- und Therapiemaßnahmen sowie die psychologische Implikati- on einer molekulargenetischen Un- tersuchung informiert. Die Ratsu- chenden sollen in die Lage versetzt

werden, zwischen alternativen Hand- lungsoptionen zu entscheiden (3, 8, 20, 41). Die BRCA1-Gen-Mutati- onsanalyse (Kriterien des Breast Cancer Linkage Consortium 1996;

Arbeitskreis Molekularbiologie in der Frauenheilkunde [AMF];

Ad-hoc-Gruppe „Familiärer Brust- krebs“ im Bundesministerium für Gesundheit [Gesamtprogramm zur Krebsbekämpfung];7) wird derzeit nur bei erfüllten Ein- schlußkriterien durchge- führt, da die Wahrschein- lichkeit für das Vorhan- densein einer BRCA1-Mu- tation abhängig ist von der Anzahl und Art der Karzi- nomerkrankungen in der Familie (zum Beispiel Wahrscheinlichkeit für BRCA1-Mutation: 91 Pro- zent bei zwei Mamma- und zwei Ovarialkar-

zinomen in der Familie; 20 Pro- zent bei zwei Mammakarzino- men vor dem 50.

Lebensjahr; zehn Prozent bei ei- nem Mamma- oder einem Ova- rialkarzinom vor dem 50. Lebens- jahr). Da die Fa- miliengröße in Deutschland im Durch- schnitt kleiner ist als die, die internationalen Studien zugrunde liegt, sind die Einschlußkriterien hier entsprechend modifi- ziert worden.

Die Einschlußkriteri- en für eine molkulargene- tische Analyse sind derzeit in Düsseldorf erfüllt bei Familien mit (1) minde-

stens zwei Erstlinienverwandten mit Mamma- und/oder Ovarialkarzinom, wobei eine Verwandte vor dem 50.

Lebensjahr erkrankt sein muß, (2) ei- ner Erstlinienverwandten mit Mam- makarzinom in beiden Mammae, wo- bei die Erkrankung im Alter vor dem 40. Lebensjahr aufgetreten ist, und (3) einer Patientin mit Mamma- oder Ovarialkarzinom vor dem 35. Le- bensjahr.

Nichterfüllung der Einschlußkriterien

Aufgrund mangelnder Vorinfor- mation erfüllten die meisten Ratsu- chenden (n = 114) nicht die Kriterien zur Durchführung einer molekularge- netischen Analyse. Da derzeit aber zum einen ein genetischer Hinter- grund als Ursache für die Karzinom- entwicklung in diesen Familien nicht eindeutig auszuschließen ist, zum an- deren die Ratsuchenden häufig auf- grund der persönlichen, familiären Erfahrungen eine erhöhte psychische Belastung haben, wird diesen Ratsu- chenden dennoch ein intensiviertes Früherkennungsprogramm, jedoch ohne die spezifische chirugisch/radio- therapeutische Intervention, angebo- ten (2; Textkästen). Darüber hinaus wird ihnen empfohlen, sich nach zwei Jahren noch einmal in der Tumorrisi-

ko-Sprechstunde vorzustellen, um ge- gebenenfalls neue Erkenntnisse zu erörtern.

Erfüllung der Einschlußkriterien

Im zweijährigen Untersuchungs- zeitraum erfüllten 64 Ratsuchende mit Familie die Einschlußkriterien zur Durchführung einer molekularge- Grafik 4

Grafik 5

Grafik 4: Mutationsnachweis mittels „protein-truncation test“ (PTT), Exon 11 des BRCA1-Gens. Nach In-vitro-Transkription und Translati- on werden die radioaktiv markierten Proteinfragmente in einer Gel- elektrophorese der Größe nach aufgetrennt. Bei Vorliegen einer

„frame-shift“- oder „nonsense“-Mutation, die zu einem vorzeitigen Stop der Proteintranslation führt, entsteht ein verkürztes Transla- tionsprodukt (Spur 2). TK: Transkription/Translationskontrolle, 1–9:

DNA-Proben aus Blut-Lymphozyten verschiedener Ratsuchender.

Grafik 5: „Single-strand-conformation-polymorphism“ (SSCP)-Ana- lysen des BRCA1-Gens, Exon 17. Nach PCR-Amplifikation des zu ana- lysierenden DNA-Abschnitts, Denaturierung der PCR-Produkte und Auftrennung der DNA-Einzelstränge entsteht bei vorliegender Muta- tion ein verändertes Bandenmuster (Probe 1 und 12) im Vergleich zur nicht mutierten Wildtyp-DNA (Probe 2–12). ds: Doppelstrang- DNA als Kontrolle, Spur: 1–12, DNA-Probe aus Blut-Lymphozyten verschiedener Ratsuchender.

TK 1 2 3 4 5 6 7 8 9

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 ds

(6)

netischen Analyse. Nach interdizi- plinärer Beratung, Aufklärung über den Studiencharakter der Untersu- chung und bei bestehendem Wunsch der Patientin und ihrer Familienan- gehörigen zur Durchführung einer molkulargenetischen Untersuchung erfolgt die Durchführung einer mole- kulargenetischen Analyse. Da die Gesamtsequenz für BRCA2 erst kürzlich publiziert wurde (39), be- schränkt sich die derzeitig durchge- führte Analysestrategie primär auf das BRCA1-Gen. Erst bei fehlendem BRCA1-Mutationsnachweis wird die BRCA2-Analyse angeschlossen.

Molekulargenetische Analysestrategie

Für die Methodik zum Nachweis einer BRCA1-Mutation, den soge- nannten „BRCA1-Gentest“, ist der- zeitig keine einheitliche Empfehlung vorhanden. Größe und Komplexität beider Gene sowie das heteroge- ne Verteilungmuster der Mutationen stellen größte Anforderungen an eine molekulargenetische Analysemetho- de. Es wird an der hiesigen Klinik des- halb eine mehrschichtige Analyse- strategie verfolgt (32). Nach unter- schiedlichen Vor-Screeningmethoden (Haplotyp-, LOH-Analysen; „Protein Truncation Test“ [PTT]; „Single Strand Conformation Polymor- phism“ [SSCP]-Analyse) folgt die di- rekte BRCA1-DNA-Sequenzierung (Analysebeispiele Grafiken 3–6). Bei negativem Befund erfolgt dann se- kundär die BRCA2-Analyse. Sowohl in nationalen (Arbeitskreis Moleku- larbiologie in der Frauenheilkunde [AMF], Arbeitsgruppe: Molekularge- netik des Mammakarzinoms [MGM], beauftragt durch das Bundesgesund- heitsministerium) als auch in interna- tionalen (Breast Cancer Linkage Consortium) Expertengruppen wird die DNA-Sequenzierung zur Identifi- zierung einer BRCA1- beziehungs- weise BRCA2-Mutation favorisiert.

Bei der Direktsequenzierung reicht im Prinzip die Analyse eines aussage- fähigen Familienmitgliedes aus, um im Falle eines Mutationsnachweises die prädiktive Untersuchung der Rat- suchenden durchzuführen. Das dar- über hinaus eingeforderte Blut be-

ziehungsweise Tumorgewebe dient zur Absicherung der Analyse-Ergeb- nisse und zur Beantwortung von wis- senschaftlichen Fragestellungen über tumorgenetische und -biologische Er-

kenntnisse. Die BRCA1-Genanalyse mittels „Routine“-Sequenzierung ist ein derzeit immer noch zeitaufwendi- ges und kostenintensives Verfahren.

Um die Sensitivität und Spezifität der anderen Methoden (Haplotypanaly- se, PTT, SSCP) – auch im Hinblick auf zukünftige Analysestrategien – zu

evaluieren und zu testen, ob durch Einsatz dieser Methoden im Vor- screening der Mutationsbereich ein- gegrenzt und dann eine gezielte Se- quenzierung dieses Bereiches ange- schlossen werden kann, wird die mehrschichtige molekulargenetische Analysestrategie verfolgt.

Betreuungsangebot für Mutationsträgerinnen

Nach Auswertung der moleku- largenetischen Analyse werden in ei- ner interdisziplinären Besprechung zwischen den beteiligten Arbeits- gruppen (onkologische Gynäkologie, Humangenetik, Psychosomatik/ Ethik, Molekulargenetik) die individuellen Empfehlungen für die Familienmit- glieder festgelegt. Der primär Bera- tende bespricht diese mit der Ratsu- chenden in Anwesenheit einer Psy- chotherapeutin, die unterstützend einwirken kann. Die bereits im ersten Gespräch erörterten Empfehlungen (2; Textkästen) werden erneut darge- stellt und individualisiert, das heißt in Abhängigkeit von der psychischen Disposition und dem Alter der Pati- entin besprochen. Bei nachgewiese- ner Mutation werden zusätzlich auch die möglichen chirugischen Optionen ausführlich diskutiert.

Schlußfolgerung und Ausblick

Die prädiktive BRCA1-Diagno- stik ist nicht nur mit direkten emotio- nal-psychischen Problemen für die Ratsuchenden und ihre Familien, sondern auch mit gesellschaftlichen Auswirkungen verbunden. Ähnlich wie die Diagnostik für Chorea Hun- tington kann die BRCA1- und BRCA2-Analyse für Ratsuchende durchgeführt werden, die die mögli- chen Auswirkungen der Erkrankung bereits aus dem engeren Familien- kreis kennen. Da kein Erkrankungs- risiko vor dem 18. Lebensjahr be- steht, werden Minderjährige nicht untersucht. Ebenso wird im Einklang mit internationalen Empfehlungen eine Pränatal-Diagnostik abgelehnt.

Die Ratsuchende muß die prospektiv bedeutsamen Erkenntnisse in ihre Grafik 6

Grafik 6 a, b: Nachweis einer Punktmutation (T->C) an Position 64 im sequenzierten Abschnitt 14 S–14 AS Exon 11 (Gegenstrang). Dieser T->C Basentausch im codierten Strang in Codon 1383 (AAA->AGA) und führt zu einem Aminosäureaustausch Lysin gegen Arginin in der abgeleiteten BRCA1-Proteinsequenz.

55 60 65 70 G C T C T C C T C T C T G G A C

55 60 65 70 A G C T C T C C T Y T C T G G A 6b

6a

➞ ➞

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Persönlichkeitsstruktur und Lebens- planung integrieren. Dies ist um so schwerer, da es sich um die Erkran- kung eines Geschlechtsorganes han- delt, was besonders psychosexuelle Implikationen für das Selbstwertge- fühl als Frau und Partnerin beinhal- tet. Der Ratsuchenden und ihrer Fa- milie muß deshalb ein umfassendes Beratungs- und Betreuungskonzept angeboten werden, um nicht nur die akute Problematik zu bewältigen, sondern auch in Zukunft Ansprech- partner/innen zu haben. Das interdis- ziplinäre Beratungs- und Betreu- ungskonzept unter zusätzlicher Ein- beziehung von Psychotherapeuten und Sozialarbeitern ist hierfür not- wendig. Eigene Erfahrungen haben gezeigt, daß besonders das eingehen- de Gespräch und das Angebot zu ei- nem individuell betreuten Früher- kennungsprogramm von den meisten Ratsuchenden gewünscht und ange- nommen wird (2). Der Studiencha- rakter der Untersuchung wird des-

halb von den Ratsuchenden akzep- tiert, sogar unterstützt. Abzulehnen sind hingegen die Durchführung von molekulargenetischen Untersuchun- gen ohne regelrechte Beratung oder ausreichende Information (sowohl vor als nach Durchführung der mole- kulargenetischen Untersuchung).

Die von der Presse immer wieder ge- schürte Hoffnung auf einen soge- nannten, derzeit in der Routine nicht erhältlichen „Brustkrebs-Gentest“

hat darüber hinaus zur Verunsiche- rung der Ratsuchenden beigetragen.

Das Angebot für eine Gentestung ist derzeit nur für ganz bestimmte Be- völkerungsgruppen, in denen eine Hot-spot-Mutation vorhanden ist (Ashkenazi-Juden [BRCA1: 185 de- lAG, BRCA2: 6174delT]; Männer in Island [BRCA2: 999del5]), in der Diskussion (13, 30, 37, 40). Die Ent- wicklung eines allgemein einsetzba- ren Tests wird derzeit von mehreren amerikanischen Firmen betrieben.

Der Test ist – auch in den USA – der-

zeit noch nicht erhältlich und be- züglich seines Einsatzes und der Möglichkeit des kommerziellen Mißbrauchs sehr umstritten. Für die nächste Zeit sollte die prädiktive Diagnostik auf erbliches Mamma- und/oder Ovarialkarzinom nur in Zentren in Form einer kontrollierten Studie unter Einschluß umfassender Beratungsangebote durchgeführt werden.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1997; 94: A-161–167 [Heft 4]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. M. W. Beckmann Heinrich-Heine-Universität

Frauenklinik Moorenstraße 5 40225 Düsseldorf

Die Frage, ob kerntechnische An- lagen für Leukämiefälle in der näheren Umgebung verantwortlich sind, wird seit Jahren heftig und kontrovers disku- tiert. Hierzu sind mittlerweile einige epidemiologische Studien erschienen, die einen Zusammenhang von Leuk- ämieerkrankungen und den Wiederbe- reitungsanlagen aufzeigten, wobei die- ser Zusammenhang meist wieder ent- kräftet werden konnte. Nun ist im Bri- tish Medical Journal eine neue Studie publiziert worden, die einen Zusam- menhang zwischen dem Auftreten von Leukämie bei Kindern und deren Le- bensgewohnheiten in der Nähe der Wiederaufbereitungsanlage La Hague aufzeigt. Die Autoren kommen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, daß der Ver- zehr von Fisch und Schalentieren sowie der Besuch von örtlichen Stränden das Krebsrisiko bei Kindern erhöht. In ih- rer retrospektiven Studie wurden 27 Personen unter 25 Jahren untersucht, die zwischen 1978 und 1993 an Leuk- ämie erkrankten. Die Kontrollgruppe bestand aus 192 Personen, die in Ge- schlecht, Alter, Geburtsort und Wohn- ort den Leukämiekranken entspra-

chen. Der Untersuchung liegt ein detaillierter Fragebogen zugrunde, der soziodemographische Daten, Kran- kengeschichten, die Entwicklung des Wohnortes, die Strahlenexposition der Eltern vor, während und nach der Schwangerschaft sowie den Lebensstil erfaßt. Fragen zum Lebensstil beein- halten Freizeitaktivitäten am Strand, Konsum von lokalem Obst, Gemüse, roher Milch und Brunnenwasser wie auch die Exposition in elektromagneti- schen Feldern.

Die Auswertung der erhobenen Parameter ergab eine positive Korrela- tion zwischen Strandbesuchen und dem Leukämierisiko. Dieses Phänomen war statistisch signifikant, wenn ein oder mehr Strandbesuche pro Monat erfolg- ten, und zeigte eine Frequenzabhängig- keit, derzufolge ein höheres Risiko bei mehr Strandbesuchen bestand. Diese Korrelation konnte bei den Kindern wie auch bei den Müttern erbracht wer- den. Der zweite, von dem Parameter

„Strandbesuch“ unabhängige Punkt war der Genuß von Meeresfrüchten.

Auch hier bestand ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit des Konsums

und dem Erkrankungsrisiko, wenn mehr als einmal pro Woche diese Pro- dukte verzehrt wurden. Diese beiden voneinander unabhängigen Parameter deuten darauf hin, daß Umwelteinflüs- se aus dem Meer bei der Krankheits- entstehung eine Rolle spielten. Die Ur- sache hierfür könnte die erlaubte und durch Störfälle provozierte Einleitung von Radioaktivität von La Hague und zwei anderen benachbarten kerntech- nischen Anlagen ins Meer sein. Aller- dings sind noch keine eingehenden Analysen vom Strandbereich wie auch von den Meeresfrüchten vorgenom- men worden, wie Prof. Viel in einem In- terview feststellte. Einige Daten deu- ten auf eine Kontamination von Fisch mit Radionukliden, so Viel weiter. Er zeigte sich über die positive Reaktion der Regierung erfreut, die aufgrund der Ergebnisse eine multidisziplinäre Stu- die unterstützen will, was im Gegensatz zur harschen Kritik der Betreiber von

La Hague steht. me

Pobel D, Viel JF: Case-control study of leukaemia among young people near La Hague nuclear reprocessing plant: the enviromental hypothesis revisited. Brit.

Med. J. 1997; 314: 5-10

Umweltfaktoren für Leukämiefälle bei La Hague verantwortlich?

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