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Archiv "Der Patient im Zentrum: „Organkliniken“ in Linköping/Schweden" (11.12.1992)

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Am Universitätskrankenhaus Linköping/Schweden gibt es seit Anfang 1992 keine herkömmlichen Kliniken für Chirurgie und Medizin mehr. Im Rahmen einer Reform der Krankenhausorga- nisation gab man die Gliederung in die traditionellen Diszipli- nen auf und schuf interdisziplinäre, organsystembezogene

„Organkliniken". Ziel der Reform war es, vermehrt den Bedürf- nissen der Patienten zu entsprechen, den Veränderungen und Fortschritten in der Medizin Rechnung zu tragen und die Kran- kenhauspflege effektiver zu gestalten.

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Der Patient im Zentrum

„Organkliniken" in Linköping/Schweden Rolf A. Aubert de la Rüe

• Betroffen von den Ausgaben- kürzungen sind unter anderem der Militärhaushalt und die Entwick- lungshilfe mit je einer Milliarde Kro- nen, vor allem aber der Sozialetat.

Vorgesehen sind die Anhebung des durchschnittlichen Rentenalters von 65 auf 66 Jahre und die Senkung der Renten um zwei Prozent ab 1993.

• Im Krankenversicherungssy- stem wird ein Karenztag eingeführt.

An den beiden folgenden Tagen wird der Lohn in Höhe von 75 Prozent er- stattet; bis zum 90. Tag zu 90 Pro- zent.

• Beschlossen ist auch die Sen- kung des Wohnungsgeldes, die ur- sprünglich beabsichtigte Erhöhung des Kindergeldes entfällt. Die Ein- führung des sogenannten Betreu- ungsgeldes für die Kindererziehung wird bis zur Verbesserung der öko- nomischen Situation verschoben.

Krankenversicherungs- system und Steuerlast Abgestimmt werden soll dar- über, ob das Krankenversicherungs- system aus dem Staatshaushalt aus- gegliedert und den Arbeitgebern und Arbeitnehmern überlassen wer- den soll, was zu erhofften Einsparun- gen in Höhe von 45 Milliarden Kro- nen führen würde.

Steuereinnahmen sollen vor al- lem durch die Erhöhung der Benzin- und Tabaksteuer erzielt werden. Be- reits versprochene Steuersenkungen werden ausgesetzt. Im Gegenzug wurden ein Arbeitsbeschaffungspro- gramm sowie die Bereitstellung von Umschulungs- und Ausbildungsplät- zen für rund 10 Milliarden Kronen beschlossen.

Von Regierung und Opposition wurde die straffe Finanzpolitik in der Öffentlichkeit entschieden ver- teidigt. Auf jeden Fall hat aber das so häufig zitierte „schwedische Mo- dell des Wohlfahrtsstaates" durch die jüngsten Reformen seinen bisher größten Rückschlag erlitten.

Anschrift des Verfassers:

Christoph Gotzes Arzt

Auf dem Forst 7 W-5400 Koblenz

Bis zur Reform hatte das Uni- versitätskrankenhaus in Linköping eine traditionelle Organisations- struktur, die aus den üblichen medi- zinischen Disziplinen als selbständi- ge Kliniken bestand. Chirurgie, Me- dizin und andere Kliniken waren in spezialisierte Sektionen unterglie- dert. Notfallmäßig aufgenommene Patienten wurden je nach Belegungs- situation auf die verschiedenen Ab- teilungen verteilt.

Viel Leerlauf

Die Initiatoren der Reform un- tersuchten die bestehende Organisa- tionsform und kamen zu dem Schluß, daß diese vor allem auf Tra- dition beruht und die Patientenbe- treuung sich mehr nach der beste- henden Organisation als nach den Bedürfnissen der Patienten richtet.

Sie fanden eine Verschwendung an Mitteln durch unnötige Mehrarbeit, wie zum Beispiel parallele Kranken- geschichten und wiederholte Labor- und Röntgenuntersuchungen wäh- rend der Behandlung der Patienten an verschiedenen Abteilungen. Pa- tienten wurden zu Untersuchungen und Behandlungen zu verschiedenen Spezialisten und Kliniken geschickt, wobei es nicht selten zu Wartezeiten kam, in denen nichts mit dem Patien- ten geschah. Auch Verlegungen in andere Kliniken im Hause gingen oft

mit einem Tempoverlust und inef- fektivem Arbeitsaufwand einher.

Die Spezialisten ihrerseits sahen oft nicht den Patienten in seiner Ge- samtheit, sondern waren auf das ei- gene Spezialgebiet fixiert.

Man sah auch, daß die bestehen- de Krankenhausorganisation nicht den Fortschritten und Veränderun- gen der Medizin entsprach: Viele Behandlungs- und Untersuchungs- methoden haben sich verändert oder sind neu hinzugekommen Früher klare Abgrenzungen der medizini- schen Disziplinen sind unscharf oder flexibel geworden, wohingegen die Krankenhausstrukturen unverändert und starr geblieben sind.

Solche Veränderungen verlan- gen von den Ärzten zunehmend in- terdisziplinäres Denken und Zusam- menarbeit, um die Patienten der für sie besten Behandlungsmethode zu- zuführen.

Die Reforminitiatoren kamen zu dem Schluß, daß sich die Kranken- hausorganisation den veränderten Verhältnissen anpassen muß, und stellten folgende Forderung: In einer veränderten Organisation soll der Patient im Zentrum stehen, das heißt alle Kompetenz und Expertise soll um den Patienten gesammelt werden. Der Patient darf nicht von einem Spezialisten zum

andern ge-

reicht

werden. Dieses Ziel wurde er- reicht, indem man Kliniken schuf, die nach Organsystemen gegliedert Dt. Ärztebl. 89, Heft 50, 11. Dezember 1992 (33) A1-4281

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wurden und interdisziplinär ausge- richtet sind. Die herkömmlichen Kli- niken für Chirurgie und Medizin wurden aufgelöst. Es entstand ein Chirurgisch-Medizinisches Zentrum mit Kliniken für Gastroenterologie, bestehend aus Chirurgen, Interni- sten und Radiologen; einer Klinik für Endokrinologie, bestehend aus Chirurgen und Internisten; ein Herz- Thorax-Zentrum, in dem Kardiolo- gie, Herz-Thoraxchirurgie, Herz-Ra- diologie und Thoraxanästhesie zu- sammengefaßt wurden. Weitere neu- gestaltete Zentren sind das Neuro- Zentrum und das Onkologiezentrum.

Offenheit und positive Grundeinstellung

Günstige Voraussetzungen für das Durchführen dieser Reform wa- ren die Offenheit und positive Grundeinstellung der Schweden für Reformen und ein nur gering ausge- prägtes "Revierdenken" der schwe- dischen Krankenhausärzte.

In Schweden sind traditionell viele Untersuchungs- und Behand- lungsmethoden mehr an die persön- liche Kompetenz des Arztes gebun- den als an die formelle Zugehörig- keit zu einer bestimmten Klinik. So wurden seit jeher gastroenterologi- sche Endoskopien sowohl von Chir- urgen, Internisten und Radiologen durchgeführt und Patienten mit ent- zündlichen Darmkrankheiten ge- meinsam von Chirurgen und Interni- sten betreut. Auf Grund dieser en- gen und harmonischen Zusammen- arbeit war der Zusammenschluß zu einer gemeinsamen gastro-enterolo- gischen Klinik eine logische Folge.

Ahnliehe Voraussetzungen lagen auch bei den anderen von der Re- form betroffenen Kliniken und Ab- teilungen vor.

Auch die organisatorische Handhabung der notfallmäßig aufge- nommenen Patienten wurde verän- dert. Die frühere Routine, Notfall- aufnahmen auf die verschiedenen Abteilungen zu verteilen, erwies sich als unzweckmäßig. Akut aufgenom- mene Patienten, unabhängig davon, welcher Klinik sie zugehören, haben viele Gemeinsamkeiten: Notfallauf- nahmen erfolgen rund um die Uhr

und sind personalintensiv. Innerhalb der Abteilungen bringen sie oftmals Unruhe. Diese Patienten bedürfen vermehrter ärztlicher Betreuung und der Nähe von Funktionseinheiten wie Röntgen, Labor, eventuell einer Operationsabteilung usw.

Außerdem können bei der Auf- nahme diagnostische Unklarheiten bestehen, so daß man diese Patien- ten nicht immer bereits bei der Auf- nahme einer bestimmten Klinik zu- ordnen kann. Daher hat man eine in- terdisziplinäre "Akutklinik" einge- richtet, die im direkten Anschluß an die Notaufnahme liegt. Notfallmäßig aufgenommene Patienten können hier bis zu drei Tagen bleiben. Pa- tienten, die nur einer Kurzzeithospi- talisation und nicht der Kompetenz der Organkliniken bedürfen, werden von der Akutklinik direkt entlassen und kommen nicht auf die Abteilun- gen. Man hat somit alle Notfallauf- nahmen in der unmittelbaren Nähe der Dienstärzte und der Funktions- einheiten, wodurch zeitraubende Transporte von Patienten und Wege für das Personal entfallen. Auch für den Tagesablauf der Kliniken hat sich ·das Zusammenlegen aller Not- fallaufnahmen als sinnvoll erwiesen.

Die Einrichtung von "Akutkliniken"

hat sich bewährt; alle größeren Krankenhäuser in Schweden verfü- gen heute über solche Abteilungen.

I Auswirkungen der Reform I

Die Umorganisation in Linkö- ping ist inzwischen ein Jahr alt; man kann folgende Auswirkungen fest- stellen:

~ Für den Patienten wurde er- reicht, daß er interdisziplinäre Kom- petenz in unmittelbarer Nähe hat.

Sein Krankenhausaufenthalt wird nicht mehr durch Wartezeiten und Formalitäten verlängert. Der Patient erlebt eine bessere Kontinuität, da er nicht mehr zu verschiedenen Abtei- lungen geschickt und vor allem nicht verlegt wird. Insbesondere für Pro- blempatienten bietet die enge inter- disziplinäre Zusammenarbeit einen Gewinn an Sicherheit. Für die Ärzte erreichte man durch das Zusammen- ziehen aller Spezialisten eines Or- gansystems in einer "Organklinik"

Ar4282 (34) Dt. Ärztebl. 89, Heft 50, 11. Dezember 1992

eine Effektivisierung und Erleichte- rung der täglichen Arbeit. Das Pfle- gepersonal erwirbt breitere Kennt- nisse und erlebt die Arbeit abwechs- lungsreicher. Außerdem erlaubt die Abschaffung der alten Abgrenzung (Chirurgie- Medizin) einen flexible- ren Einsatz des Pflegepersonals.

In der Ausbildung von Studen- ten wird ein interdisziplinäres Ge- samtbild für erkrankte Organsyste- me vermittelt.

Die Reform führte zu einer bes- seren Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen. Die Krankenhausbetten werden durch Vermeidung "verlore- ner" Bettentage (das heißt: Tage, an denen nichts mit dem Patienten ge- schieht) besser ausgelastet. Dadurch kann die Verweildauer knapp gehal- ten werden. So wurden durch die Reform, trotzEinrichtungder Akut- klinik mit 48 Betten, bisher 50 Bet- ten abgebaut, und weitere 50 werden folgen.

Während die Vorteile der Re- form offenkundig sind, kann die Neugliederung auch einige Nachteile mit sich bringen: In der Ausbildung von angehenden Fachärzten besteht die Gefahr einer zu spezialisierten Ausbildung, so daß der Uberblick für das Gesamtgebiet der Fachdisziplin verlorengehen kann. In Linköping hat man dem durch ein Rotationssy- stem der Auszubildenden vorge- beugt, um die Breite der Ausbildung zu bewahren. Nicht alle Patienten benötigen interdisziplinäre Kompe- tenz, und nicht alle Patienten passen in die neue Einteilung, so daß es im- mer noch eine kleine Gruppe von Patienten gibt, die wie früher zu ver- schiedenen Abteilungen geschickt werden müssen.

Fortschritte und Veränderungen in der Medizin sowie die Kostenpro- bleme im Gesundheitswesen machen ein Überdenken der bestehenden Strukturen und Organisationen im Krankenhauswesen nötig. Die Re- form in Linköping hat im In- und Ausland Aufsehen erregt.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Rolf A. Aubert de la Rüe Department of Medico-surgical Gastroenterology

University Hospital

S-58185 Linköping/Schweden

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