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Archiv "Malen in zerrissener Welt" (19.03.1986)

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Malen in

zerrissener Welt

Die Bilder

Roland Hohlbaums

ine große Figur, in tempera- 1 1 mentvollem, grellem Pinsel- strich auf die Leinwand ge- schleudert, baut sich mit heraus- forderndem Gestus auf. Ihr ist ei- ne zurückweichende Gestalt ge- genübergesetzt, die nicht min- der heftig gemalt, aber nun in ganz milden, sensibel Übergän- ge suchenden Farben gehalten ist. Sicher wird die Bildfläche verspannt, und es steht die strak- ke Gebärdensprache dieses Bil- des „Artisten" in reizvollem Ver- hältnis zum wüst aufgelösten Umfeld, in das die Figuren ge- stellt sind.

Die Kunst Roland Hohlbaums mutet ganz aktuell an, sie paßt in

„die" Szene ohne doch wirk- lichen Anteil an dieser Szene zu haben oder gar aus Kalkül zu ei- ner Konjunktur der sogenannten wilden Malerei entstanden zu sein. Da wird manches an Unter- schieden evident. Weder wird hier eine Neuauflage des deut-

_ Ab 30. Mai

bis zum 5. Juli wer- den die Bil- der von Dr.

med. Ro- land Hohl- baum in der Galerie Kunst und Graphik in Göttingen zu sehen sein; Aus- stellungen von Hohl- baum-Wer- ken gab es in den letz- ten Mona- ten in Ber- lin und Braun- schweig;

der Maler ist Gynäko- loge in ei- gener Pra- xis in Braun- schweig

Roland Hohlbaum:

Großstadt- menschen I, 1985, Öl

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Kulturmagazin

Schemenhafte Figuren tauchen in Roland Hohlbaums „Peser I", so der Titel dieses großformatigen Ölbildes Bildern auf, so auch in „Großstadtmenschen II", 1985 (133x183 cm), das der Arzt-Maler im Jahr 1984 schuf Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 12 vom 19. März 1986 (105) 821

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Roland Hohlbaums Bilder VORSCHAU

Hochzeit des Figaro:

Jubiläum während des Ärztetages

schen Expressionismus ver- sucht, noch ist der Begriff des Tachismus auf Hohlbaum anzu- wenden, auch wenn sich Erinne- rungen an die abstrakte Kunst der fünfziger Jahre einstellen mögen. Etwa wäre hier an die Namen Wols und Emil Schuma- cher zu denken. Was aber der ganzen abstrakten Kunst, die in den fünfziger Jahren tonange- bend war, abging, waren inhalt- lich konkrete Aussagen, wie Hohlbaum sie gibt.

Immer wieder sind es Figuren, die auf seinen großen Bildern schemenhaft auftauchen. Sie sind in den Strudel des Formen- und Farbenwirbels hineingeris- sen und bleiben diesen größeren Kräften unterworfen. Die Farbe spielt eine große Rolle. Sie trägt dazu bei, diesen Bildern der Heillosigkeit darin einen hohen ästhetischen Reiz zu geben. Die vielfach nuancierten, mit Weiß abgestimmten Blaus geben oft den Eindruck einer Nebelwand, die an vielen Stellen aufreißt und hektische Flecken in Dunkelblau oder Rot vorzeigt. Von dürren Li- nien umzogene Bezirke werden betont. Sehr apart stehen diese schwankenden, scharf gezoge- nen Linien im Kontrast zu der atmosphärischen, mit breitem Pinsel aufgetragenen oder gele- gentlich auch gesprühten Farbe.

Hohlbaum gibt mit seinen Titeln oder den in die Bilder hineinge- schriebenen Worten Hinweise zum Verständnis der Inhalte, die

in einem ausgesprochenen poli- tischen Engagement liegen kön- nen, die aber auch oft poetischer Ausdruck ihrer Thematik sind:

Gefahr — Transparenz der Auflö- sung — Asylantin — Großstadt- menschen — Außerhalb des Schiffes der Ruhe sind Beispiele dafür.

Kunst, die man kaufen kann? Ja gewiß, wer den Mut hat, mit ei- nem so großen, so deutlich mo- dernen Bild zu leben, hat heute

• Fortsetzung Seite 824

Wie inszeniert man W. A. Mo- zart? Scheinbar leicht eingängi- ge Melodien und nur auf den er- sten Blick triviale Handlungsmu- ster haben manchen Intendan- ten und Regisseur dazu verführt, den „niedlichen" Mozart, den

„Rokoko-Komponisten" in Sze- ne zu setzen. Eine glückliche Hand hingegen hatten Regie und

Gabriele Fontana als Susanna und Peter Weber als Graf in „Die Hoch- zeit des Figaro" im Niedersächsi- schen Staatstheater Hannover

Ensemble bei der Neuinszenie- rung des „Figaro", deren Pre- miere Ende Januar im renovier- ten Lavesbau der niedersächsi- schen Landeshauptstadt für ein ausverkauftes Haus sorgte. Mo- zarts und Da Pontes „Commedia per Musica" begeisterten Pre- mierenpublikum und „offizielle"

Kritik gleichermaßen. So urteilte die Hannoversche Allgemeine:

„Selten bei Mozart hat man hier Orchester und Bühne in den Arien und Ensembles so ausge- wogen gehört." Und: „Die ganz aus dem Geist der Musik gewon-

nene Inszenierung war wie aus einem Guß, deren Rang das Pu- blikum am Schluß enthusia- stisch feierte."

Dies an Ort und Stelle zu über- prüfen, werden die Besucher des diesjährigen Deutschen Ärzteta- ges in Hannover Gelegenheit ha- ben. Am 1. Mai, auf den Tag ge- nau 200 Jahre nach der glanzvol- len Uraufführung im Wiener Hof- theater, ist die „Hochzeit des Fi- garo" eine besondere Spezialität aus der „Bonbonniere" des au- ßerordentlichen Rahmenpro- gramms. Dank eines großzügi- gen Engagements der Kali-Che- mie Pharma GmbH, Hannover, steht das Opernhaus Hannovers an diesem Abend ausschließlich den Besuchern des Deutschen Ärztetages offen. Die Einnahmen aus dieser Veranstaltung fließen als Spenden in vollem Umfang der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Mucoviscidose e. V. und dem Arbeitskreis der Pankreatektomierten e. V. zu.

Unter der Regie von Herbert Kreppel liegt die musikalische Leitung in den Händen von Ge- orge Alexander Albrecht, dem Bruder des niedersächsischen Ministerpräsidenten. Wer Gele- genheit hat, nach Hannover zu kommen, sollte sich diese Auf- führung nicht entgehen lassen.

So ganz nebenbei feiert man in Hannover auch noch ein anderes Jubiläum mit: Vor 350 Jahren nämlich wurde mit der Calenber- gischen Hofkapelle der Vorgän- ger des heutigen Niedersächsi- schen Staatsorchesters Hanno- ver gegründet. Es gehört damit zu den ältesten Klangkörpern Deutschlands. Älter sind nur das Bayerische Staatsorchester, die Dresdner Staatskapelle und das Württembergische Staatsorche- ster Stuttgart. DÄ—N 822 (106) Heft 12 vom 19. März 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

FEUILLETON

Ritt auf dem Palmesel

Z

ur Erinnerung an den Ein- zug Christi in Jerusalem sind seit dem 4. Jahrhun- dert Palmprozessionen bezeugt.

Von Jerusalem ausgehend ver- breiteten sich diese Palmsonn- tagsumzüge und waren im 8.

Jahrhundert bereits in zahlrei- chen Pfarrgemeinden bekannt.

Im Laufe der Zeit wollte man die- se Umzüge immer anschaulicher gestalten und so finden wir, nach der alten Prophetie „siehe dein König kommt, reitend auf einem Eselsfüllen" im Jahr 970 erstmals in Augsburg auch einen

„Palmeselritt". Das Volk sollte das religiöse Geschehen höchst- realistisch miterleben; daher rit- ten die Bischöfe, als Stellvertre- ter Christi, später auch Pfarrer, Kleriker und Ministranten auf Eseln in der Prozession mit. In Antwerpen mußte dieser Chri- stusdarsteller bis 1487 ein Jeru- salempilger sein. im Bistum Straßburg stellte jeweils der jüngste Pater des dortigen Klo- sters den Christusreiter dar. All- mählich aber ergötzte sich das Volk zu sehr an diesen echten Palmeseln und ihren Reitern — vor allem wenn diese hin und wieder zu Boden fielen —, daß die Kirchenbehörden sich daher ge- nötigt sahen, „derley Unfug"

einzustellen.

Um den Unzulänglichkeiten, die eine lebendige Darstellung mit sich gebracht hatten, ein Ende zu setzen, wurden ab dem 10.

Jahrhundert Palmesel und die dazugehörigen Christusfiguren aus Holz angefertigt. Während der Aufklärungszeit wurden auch diese Darstellungen, we- gen der allgemeinen Belusti- gung, verboten. In Salzburg for- derte der Erzbischof sogar, daß Teile der zerhackten Palmesel — als Beweis ihrer Vernichtung — an den Konsistorialrat einzusen- den waren. Eine behördliche Umfrage, „die Abstellung des Palmeselumführens, vom 18. No- vember 1785, Cista 70, Fascicu- lum 13" ergab, daß bis dahin kein Palmesel mehr vorhanden

Am Palmsonntag gibt's im Salzbur- ger Land noch Palmeselumzüge mit einer reitenden Christusfigur war. Trotzdem konnten in zwei österreichischen Orten, in Thaur bei Innsbruck und in Puch bei Salzburg, die Palmesel gerettet werden.

Der in Puch heute noch vorhan- dene Palmesel (Christusfigur 77 cm, Eselshöhe 98 cm und Esel- länge 138 cm) stammt aus dem 17. Jahrhundert. Er gehörte ur- sprünglich zur Stadtpfarrkirche Hallein und wurde, um ihn der Vernichtung zu entziehen, von Gläubigen heimlich nach Puch gebracht und dort im Heustadel des Kollerbauern versteckt. Bür- germeister Simon Hetz behaup- tet jedoch heute noch, daß der Palmesel seinerzeit von der Salzach bei Puch „ange- schwemmt" wurde.

Erst als sich die brauchtums- feindliche Einstellung der Lan- desherren gelegt hatte, getraute man sich mit dem Pucher Palm- esel wieder auf die Straße. Noch bis in die Zeit des Zweiten Welt- krieges hinein wurde der Palm- esel am Samstag vor dem Palm- sonntag von der Ortsbevölke- rung beim Kollerbauern abge- holt und in feierlicher Prozes- sion in die Pfarrkirche getragen, wo er im Mittelgang aufgestellt wurde. Erst nach dem Krieg er- hielt der volkskundlich wie kunstgeschichtlich interessante Palmesel einen bleibenden Standplatz in der Kirche, wo er das ganze Jahr hindurch zu se- hen ist.

Der Palmeselumzug von Puch ist heute noch erlebenswert. Dabei fallen neben dem Palmesel, der von vier untadeligen Burschen getragen wird, Hunderte von Palmbuschen und Palmbäumen auf, die von Kindern, Jugendli- chen, aber auch Erwachsenen in der Prozession mitgetragen wer- den. Diese Palmbuschen und Palmbäume sind mit bunten Holzscharten, aber auch mit Bre- zen und Äpfeln geschmückt und werden nach der Weihe zu Hau- se als Apotropaion gegen Un- wetter in den Herrgottswinkel gestellt. Vor allem aber kommt je ein Palmbuschen auf die Felder, wo ihnen eine vegetationskulti- sche Bedeutung zukommt.

In den letzten Jahren konnten im Land Salzburg in Thomatal und in Hintersee auch die alten Palm- eselritte wieder aktiviert werden.

So reitet in Thomatal im Lungau der Pfarrer selbst mit einer Dor- nenkrone auf dem Haupt auf dem Esel in die Kirche ein und in Hintersee ist es ein Ministrant.

Im Land Salzburg nennt man noch immer denjenigen „Palm- esel", der am Palmsonntag am längsten schläft.

Magister Dr. Karl Zinnburg Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 12 vom 19. März 1986 (107) 823

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Roland Hohl- baum: „Arti- sten", 1985, Öl auf Leinwand 140x140 cm

Auffällig im Werk des Malers Dr.

med. Roland Hohlbaum seine Vorliebe für kalte Blautöne, die er in fast allen sei- nen Bildern auf- leuchten läßt:

„Auswande- rung", 1985, Öl auf Leinwand

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Roland Hohlbaums Bilder

• Fortsetzung von Seite 822 noch die Chance, es zu einem günstigen Preis zu erwerben.

Bei seiner Berliner Ausstellung wurde dem Künstler von erfahre- nen Sammlern eine Vervielfa- chung seiner Bilderpreise pro- phezeit.

Es überrascht, Hohlbaum auch als Maler von Landschaftsstu- dien in sehr kleinen Formaten anzutreffen. Richtige Kabinett- stückchen sind diese Aquarell- blätter, die durchweg vor der Na- tur entstanden sind. Die rasch gesetzten Striche lassen den Ma- ler der großen Ölbilder wiederer- kennen, aber es wohnt diesen Landschaftsblättern eine heitere und funkelkende Farbigkeit in- ne, die sie begeisterte Freunde finden läßt.

Hohlbaum hat auch figürliches in Wasserfarbentechnik gestal- tet. Es gibt eine ganze Serie von Arbeiten, die eine schwebende weibliche Gestalt mit erhobenen Händen zeigen. Diese schwung- vollen Blätter sind in der Farbge- bung und in der Figurenzeich- nung sehr phantasiereich vari- iert. Am meisten erstaunen läßt, daß der Maler hier auf frische Weise der Tradition begegnet, indem er aus dem Gedächtnis ei- ne Figur Michelangelos aus dem Fresko des Jüngsten Gerichts in der Sixtinischen Kapelle in Rom wiedergegeben hat.

Roland Hohlbaum ist Arzt. Läßt seine Kunst davon etwas mer- ken? Will man keine künstlichen Brücken bauen, muß man diese Frage verneinen. Hohlbaum ist ein Vollblutkünstler. Das Malen ist ihm kein Hobby, sondern not- wendiger Teil seines Lebens. In seinen Bildern scheint mir im- mer wieder als Grundmotiv das Miterleben und teilnehmende Mitfühlen an der schonungslos offen und unverklärt gesehenen Welt unserer Gegenwart zu lie- gen. In diesem Ethos, und nur darin, sind sich Arzt und Künst- ler nahe. Thomas Gädeke

824 (108) Heft 12 vom 19. März 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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