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Archiv "Durch Zecken übertragene Erkrankungen: Impfstoffe erforderlich" (18.05.2001)

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urch Zecken hervorgerufene Infek- tionserkrankungen sind zwischen April und Juli am wahrscheinlich- sten. Etwa 150 bis 200 Personen erkran- ken jährlich an der Frühsommer-Me- ningoenzephalitis (FSME). Am häufig- sten kommt in Deutschland jedoch die Lyme-Borreliose mit 50 000 bis 60 000 Neuerkrankungen jährlich vor. „Die Er- kennungsrate der Lyme-Borreliose ist immer noch viel zu gering“, kritisierte Mikrobiologe Prof. Volker Brade (Uni- versität Frankfurt/Main) bei einem inter- nationalen Symposium, das das

Bundesinstitut für gesundheitli- chen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin in Berlin ver- anstaltet hatte.

In einigen Fällen würde die Erkrankung so spät diagnosti- ziert, dass nur noch eine De- fektheilung möglich sei. Dabei trete bereits wenige Tage oder Wochen nach dem Stich durch eine infizierte Zecke bei 40 bis 60 Prozent der Betroffenen ein ringförmiges Erythem (Erythe- ma chronicum migrans) um die Eintrittsstelle auf, das zentral abblasse und nach Wochen auch ohne Behandlung abklin- ge. Dieses typische Bild und ei- ne sorgfältige Anamnese er-

möglichten in vielen Fällen schon die Diagnose, die durch den Nachweis spe- zifischer Antikörper im Serum oder im Liquor ergänzt werden könne.

„Wenn die Krankheit früh erkannt wird, ist sie gut mit Antibiotika zu be- handeln“, erklärte Brade. Er empfiehlt Cephalosporine, Doxycycline, Penicil- lin G oder Amoxicillin oral über 14 bis 21 Tage. Dadurch ließen sich Spätfol- gen vermeiden, so die lymphozytäre Meningoradikulitis mit Lähmungser- scheinungen oder Gelenkentzündun-

gen. In Deutschland sind etwa zehn bis 30 Prozent der Zecken mit dem Erreger der Lyme-Borreliose infiziert, dem spi- ralförmigen Bakterium Borrelia burg- dorferi. Spezielle Risikogebiete gibt es (im Gegensatz zur FSME) nicht.

Es existieren in Deutschland unter- schiedliche Spezies von Borrelia burg- dorferi: Borrelia burgdorferi sensu stricto, Borrelia garnii und Borrelia af- zelii. Letztere kommt nur bei etwa acht Prozent der Zecken vor, scheint aber ein besonders hohes Infektionsrisiko

beim Menschen zu haben. „Diese Bor- relienart überlebt im Serum gut“, erläu- terte Brade. Ihre Komplementresistenz werde derzeit als Abwehrstrategie dis- kutiert und erforscht.

Da drei verschiedene Borrelienarten in Deutschland vorkommen, ist die Her- stellung eines Impfstoffes erschwert. In den USA ist bereits seit Anfang 1999 ein Impfstoff gegen die Borrelieninfektion auf dem Markt, der allerdings nur gegen eine Infektion mit Borrelia burgdorferi sensu stricto schützt und damit das deut-

sche Erregerspektrum nicht abdeckt (DÄ, Heft 49/2000). „Wir hoffen, dass wir in etwa zwei Jahren eine trivalente Impfung anbieten können“, berichtete Prof. Markus Simon vom Max-Planck- Institut für Immunologie in Freiburg.

Zurzeit würde der Impfstoff in Phase-III- Studien erprobt.

Auch der Impfstoff, der hierzulande für Hunde angeboten werde, decke das Erregerspektrum nicht ab und sei daher in vielen Fällen wirkungslos, betonte Si- mon. Auf Zecken abwehrende Mittel sollen Tierbesitzer deshalb nicht verzichten.

Gegen die FSME ist zwar eine Immunprophylaxe vor- handen, der Impfstoff darf al- lerdings nicht bei Kindern unter zwölf Jahren angewen- det werden. Aufgrund von Fieberreaktionen bei 30 bis 40 Prozent der geimpften Kinder nach einer vermeint- lichen „Verbesserung“ des Impfstoffs wurde dieser im Juni 2000 vom Markt genom- men. „Ein anderer Impfstoff ist in Deutschland für die An- wendung bei Kindern nicht zugelassen“, sagte Prof.

Reinhard Kaiser vom Klini- kum Pforzheim.

Obwohl die Erkrankung bei Kindern milder verliefe und Todesfälle selten wären, könne man nicht auf eine Imp- fung verzichten. In Hochrisikogebieten wie Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz würden zunehmend Waldkindergärten eröffnet, obwohl die Kinder nicht geschützt seien. „Dort sind bis zu fünf Prozent der Zecken mit dem FSME auslösenden Virus infi- ziert“, berichtete Kaiser. Eine Impfung für Kinder müsse deshalb so schnell wie möglich wieder angeboten werden.

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A1302 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 20½½18. Mai 2001

Durch Zecken übertragene Erkrankungen

Impfstoffe erforderlich

Die Hochsaison für Zecken-Infektionen hat begonnen.

Doch gegen Borreliose steht in Deutschland bisher kein Impfstoff zur Verfügung. Es fehlt auch eine Vakzine für Kinder gegen FSME.

Medizinreport

Unter dem Rasterelektronenmikroskop: eine Zecke der Gattung Ixo- des ricinus in Lauerstellung Foto: V. Steger/Baxter

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P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 20½½18. Mai 2001 AA1303

Rund 70 Prozent derjenigen, die von ei- ner infizierten Zecke gestochen werden, zeigen nur geringe oder gar keine Sym- ptome. Bei etwa 30 Prozent treten aber schwere Erkrankungen mit Beteiligung des zentralen Nervensystems auf, die zu polioähnlichen Lähmungen und bei ein bis zwei Prozent der Erkrankten zum Tod führen können.

In Österreich konnte die jährliche Er- krankungsrate durch die aktive Schutz- impfung von 1 000 auf unter 100 gesenkt werden. „Da es keine kausale Therapie gibt und nur symptomatisch behandelt werden kann, ist eine Immunprophylaxe besonders wichtig“, betonte Kaiser. Die Durchimpfungsrate liege in Österreich inzwischen bei mehr als 90 Prozent. Dort würden nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder geimpft: „Während früher bis zu 25 Prozent aller FSME-Fälle bei Kindern unter 14 Jahren auftraten, sind es heute nur noch 4,5 Prozent“, berichte- te Kaiser in Berlin.

Kopfschmerzen und Myalgien

Die Bedeutung von weiteren durch Zecken übertragene Erkrankungen wie Ehrlichiose, Q-Fieber und Babesiose ist noch weitgehend unbekannt. „Sie ist je- doch größer als angenommen“, meinte Prof. Peter Kimmig vom Landesgesund- heitsamt Baden-Württemberg, Stuttgart.

Bei fünf bis 15 Prozent der Bewohner Baden-Württembergs seien bereits Anti- körper gegen die Ehrlichiose, die durch rickettsienartige Bakterien hervorgeru- fen wird, nachgewiesen worden. Im Ge- biet des Oberrheins trugen rund drei Prozent der Zecken den Erreger der Ehrlichiose, die als Multiorganerkran- kung jedoch in den meisten Fällen mild verläuft.

Auch bei dem ebenfalls durch Rickettsien verursachten Q-Fieber wird eine Übertragung durch Zecken disku- tiert. Die mit hohem Fieber, starken Kopfschmerzen und Myalgien einher- gehende Erkrankung kann mit Antibio- tika behandelt werden. Der Erreger der Babesiose (Babesia divergens) verur- sacht malariaähnliche Symptome. Alle bislang in Europa beschriebenen Fälle ereigneten sich bei splenektomierten Personen und endeten nach Nierenver- sagen letal. Dr. med. Eva A. Richter

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as Varizellen-Zoster-Virus (VZV) wurde 1952 entdeckt. 1974 gelang es japanischen Forschern, den Oka-Stamm durch serielle Passagen in Meerschweinchen und menschlichen Zellen so weit abzuschwächen, dass es keine Windpocken mehr auslöst, seine Immunogenität aber bewahrt. Seither steht ein Lebendimpfstoff zur Verfü- gung. Seine Anwendung ist im Wesent- lichen beschränkt auf Patienten mit Leukämie oder mit immunsuppressiver Therapie, für die Varizellen ein beson- deres Risiko darstellen.

Die Restriktion erklärt sich zum Teil daraus, dass der Impfstoff extrem ther- molabil ist und schnell an Wirksamkeit verliert, was die Lagerung (Kühlkette) und Bereitstellung erschwert. Außerdem gelten die Windpocken als harmlose Kin- derkrankheit, die nur selten zu Kompli- kationen führen. Dabei wird leicht über- sehen, dass Varizellenerkrankungen eine Hospitalisierungsrate von 5/1 000 haben und 0,7/100 000 infizierte Kinder an Komplikationen wie Enzephalitis und Pneumonie sterben. Schließlich sollte nicht vergessen werden, dass VZV zu den Herpesviren gehört, das seine DNA auf Dauer in den Zellen des Infizierten ablegt und in den paravertebralen senso- rischen Ganglien überlebt, von wo aus es Jahrzehnte später einen Herpes zoster auslösen kann.

In den USA, wo die Vakzine seit 1995 zugelassen ist, empfiehlt die Amer- ican Academy of Pediatrics die Imp- fung für alle gesunden Kinder. Sie soll im Idealfall im zwölften Lebensmonat zusammen mit der MMR-Vakzine ver- abreicht werden. Eine amerikanische Fall-Kontroll-Studie bestätigt nun, dass der Impfstoff hochwirksam ist (NEJM 2001; 344: 955–960): Marietta Vazquez von der Yale-Universität und Mitarbei-

ter sind allen Windpocken-Fällen in 15 Kinderarztpraxen nachgegangen. Die Infektionen wurden durch PCR-Nach- weis der VZV-Gene in den Läsionen bestätigt.

Der Vergleich mit einer Kontroll- gruppe von Patienten ohne Wind- pocken aus den gleichen Praxen ergab, dass 23 Prozent der Windpocken-Kin- der und 61 Prozent der Kontrollen geimpft waren. Kommt es dennoch zu einer Infektion, dann ist der klinische Verlauf deutlich milder (86 versus 48 Prozent). Die Autoren haben ausge- rechnet, dass die Impfung vermutlich 85 Prozent aller Windpocken und 97 Pro- zent aller schweren Fälle verhindert.

In den USA soll die Zahl der Infektio- nen bereits deutlich zurückgegangen sein. Doch solange das Wildvirus noch verbreitet ist, lassen sich Fragen zur langfristigen Wirksamkeit des Impfstof- fes nicht klären, wie Ann Arvin von der kalifornischen Stanford-Universität im Editorial (Seiten 1007–1009) einschränkt.

Bisherige Erfahrungen zeigen zwar, dass die Immunität bei den meisten Patienten langfristig ist. Wenigstens 95 Prozent der Geimpften haben stabile oder sogar stei- gende Antikörpertiter. In Japan liegen Erfahrungen über mehr als 20 Jahre vor.

Der anhaltende Schutz könnte jedoch auch eine Folge der ständigen Auffri- schungen durch die schwelenden jährli- chen Wild-Typ-Epidemien sein.

Ebenso unklar ist derzeit, ob die Imp- fung auch vor einer späteren Herpes-zo- ster-Erkrankung schützt. Diese Erkran- kung folgt erst mehrere Jahrzehnte nach der Primärinfektion. Derzeit wird unter- sucht, ob die (post-expositionelle) Imp- fung von älteren Menschen einen Nutzen hat. Dies ist keineswegs sicher, da diese Personen ja latent mit dem Wild-Typ- Virus infiziert sind. Rüdiger Meyer

Varizellen-Zoster-Virus

Vakzine gegen Windpocken ist wirksam

Positive Erfahrungen nach sechsjähriger Impfkampagne in den

USA, wo die Impfung für alle Kinder empfohlen wird

Referenzen

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