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Archiv "Littenheid — oder wie entsteht eine Landschaft: Günther Ueckers Aquarelle nunmehr veröffentlicht" (20.01.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Grenzen der Naturwissenschaften

physiko-chemischen Experi- ments. Ihr erkenntnistheoreti- scher Wert kann daher nicht au- ßerhalb dieses Rahmens beur- teilt werden. Im gegebenen Rahmen aber besagt Heisen- bergs Unschärfenrelation sinn- gemäß, daß das Ergebnis eines Versuches nicht beurteilt wer- den kann, ohne den Experimen- tator als dessen Mitursache zu berücksichtigen.

Als Modellbeispiel sei gegeben, daß jemand in einem „Übermi- kroskop" einzelne Elektronen sichtbar machen will. Damit hat er ein so winziges Objekt ge- wählt, daß die relativ langwelli- gen Lichtstrahlen sich nicht dar- an brechen. Um ein Elektron sichtbar zu machen, benötigt er extrem kurzweilige Strahlen.

Aber je kurzwelliger eine Strah- lung ist, desto stärker beeinflußt sie das Beobachtungsobjekt.

Ein Elektron, das schon durch die Photonen des gewöhnlichen Lichts gestört wird, wird erst recht durch die harte Gamma- strahlung des Radiums beein- flußt. Gelänge es also im Sinne des gedachten Versuches, Elek- tronen sichtbar zu machen, so sähe man dennoch keine „Elek- tronen an sich", sondern die Er- gebnisse eines Eingriffs, als dessen entscheidende Mitursa- che der eingreifende Beobach- ter nicht übersehen werden darf.

Heisenberg hat die Schlußfolge- rung so formuliert, daß der Mensch, der die Natur erforscht, sich selbst in den Ergebnissen begegnet.

Läßt Stanley Miller in der Ursup- pe Aminosäuren entstehen, so beweist er eben nicht daß diese jetzt oder zu Olims Zeiten „ von selbst" entstanden sind. Unter dem Kriterium der Unschärfere- lation wird lediglich bewiesen, daß ein denkendes Wesen durch planvolle Versuchsanordnun- gen Kleinstbausteine herstellen kann, die zur Körpersubstanz al- ler Lebewesen gehören.

Die außerordentliche Seltenheit natürlicher Ursuppen (mit natür- lichen Aminosäuren darin) legt den ketzerischen Gedanken na- he, daß von allen Voraussetzun- gen zum Gelingen des Experi- mentes Mr. Miller die unent- behrlichste ist. Bezogen auf die einstige Lebensentstehung kann der Ursuppenversuch nur das Gegenteil dessen beweisen, was von ihm behauptet wird:

Das alte Tohuwabohu würde un- gestört seiner Entropie entge- genträumen, hätte nicht „der Geist Gottes über den Wassern"

so geschwebt, wie weiland Stan- ley Miller über seiner Retorte.

Sollte dann in tausend Jahren das Unmögliche gelingen, —soll- te man einst wirkliches Leben aus der Retorte produzieren, so wäre damit nichts weiter bewie-

Die Erker-Galerie in St. Gallen stellt bis zum 11. Februar 1984 neue Arbeiten von Günther Uecker aus. Es handelt sich um die ersten farbigen Nagelreliefs des Künstlers. In zwei Sonder- schauen präsentiert die Galerie gleichzeitig zwei Neuerscheinun- gen zum Schaffen des Künstlers:

die erste umfassende Uecker-Mo- nografie (mit Werkkatalog) sowie die von Uecker zusammen mit dem Fotografen Rolf Schroeter realisierte bibliophile Edition

„Entwicklung eines Werkes. Foto- umwandlungen. Bildrituale".

Ebenfalls im Erker-Verlag sind 1983 die Littenheider Aquarelle von Günther Uecker erschienen.

Zu dieser Publikation schreibt der Chefarzt der Littenheider Klinik, Hans Geigenmüller:

Erstmals seit 1958 verwendet Uecker die Lebendigkeit der Far-

sen, als daß die Erschaffung des Lebens ohne das Primat geisti- ger Zielvorstellungen nicht zu- stande gekommen wäre.

Der naturwissenschaftliche Po- sitivismus, der Bestätigungen zu finden meint, ist auf dem besten Wege, mit seiner Ursuppe den Experimentalbeweis der bibli- schen Schöpfungsgeschichte zu führen. Die der menschlichen Beweisführung innewohnende Dialektik scheint den Fußkran- ken der Aufklärung etwa so ver- traut zu sein wie das Dekameron in einem Nonnenkloster.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Johannes Hufschmidt Hossenhauser Straße 64 5650 Solingen 1

be, um die ihn bedrohenden Emp- findungen zu bewältigen. Diese Bewegung spiegelt sich auf 138 Aquarellen und sechs Bleistift- zeichnungen gleichen Formats unmittelbar wider. Man spürt in je- dem dieser Bilder seine ständig wechselnde seelische Befindlich- keit, die so individuell gestimmt hervortritt, daß die an sich im we- sentlichen doch gleichbleibende Landschaft an Bedeutung zu ver- lieren scheint und der Betrachter der Aquarelle kaum mehr ahnen kann, ständig das gleiche Sujet vor sich zu haben.

Da die meisten Menschen verlernt haben, Bildersprache unmittelbar aufzunehmen, bedürfen sie zum Verständnis eines kundigen Ver- mittlers. Wieland Schmied erweist sich mit seinem Essay „Littenheid

— oder wie entsteht eine Land- schaft" als hervorragend einfühl- samer Führer.

Littenheid —

oder wie entsteht eine Landschaft

Günther Ueckers Aquarelle nunmehr veröffentlicht

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 3 vom 20. Januar 1984 (105) 131

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Littenheider Aquarelle

Es ist ein lobenswertes Unterneh- men des Erker-Verlages, weil wichtig für die Gesamtausgabe des Kunstwerkes, eine Auswahl von 69 farbigen Abbildungen in vorbildlicher Drucktechnik als Buch herauszugeben. (Günther Uecker: Littenheid 1980, Aquarel- le und Zeichnungen, Erker-Ver- lag, St. Gallen, 1983, 48 Schweizer Franken) Nirgendwo sonst kön- nen die intensiven Erlebnisweisen eines Künstlers über einen derart gedrängten Zeitraum so beein- druckend erfaßt werden wie in dieser Reihe. Uecker selbst fühlt sich entblößt, lassen doch die ge- stalteten Elemente ein geradezu psychotisches Aufflammen eben- so erkennen wie eine tieftraurige, depressive Bedrückung. Aber ge- rade diese künstlerisch kreativen Schöpfungen beweisen die not- wendige Unterscheidung gegen- über der, psychopathologisch be- dingt, eingeengten Bildnerei des seelisch-geistig kranken Men- schen. Ein Künstler löst kraft sei- ner Ich-Stärke und seiner Geniali- tät die beängstigende chaotische Verwirrung und findet seinen Weg zu einer gestalterisch überzeu- gend ansprechenden Kunstform.

Ausschließlich in diesem ganz spezifischen Sinne ist künstleri- sche Tätigkeit als Therapie zu be- zeichnen.

Uecker und sieben seiner Studen- ten von der Kunstakademie Düs- seldorf waren für vierzehn Tage Gäste der psychiatrischen Klinik Littenheid. Patienten und Künstler konnten ungezwungen in Kontakt treten und eine Verständigung mit Hilfe von Kunst suchen. Ergebnis- se dieses Experimentes, das nicht seinesgleichen hat, wurden in den den „Littenheider Schriften I" nie- dergelegt.

Ueckers Aquarelle und Zeichnun- gen (einen Bericht über die Aus- stellung dieser in Littenheid ent- standenen Aquarelle veröffent- lichte das DEUTSCHE ÄRZTE- BLATT in Heft 33/1982) sind unter eben diesen Voraussetzungen entstanden. Die Bilder überra- schen schon deshalb, weil sie ei-

ne völlig neue Ausdrucksform des als „Nagel-Künstler" berühmt ge- wordenen Meisters zeigen. Die Konfrontation mit den psychisch kranken Menschen wühlt ihn der- maßen auf, daß seine bisherigen künstlerischen Mittel nicht mehr ausreichen. Die beginnende Des- orientierung zwingt ihn, sich ei- nen festen Ort zu suchen; ein Baumstumpf an einem Hang bie- tet sich als geeigneter Platz an.

Ein festgelegter Ausschnitt der Landschaft des Tannzapfenlandes begrenzt die ausschweifenden Phantasien des Künstlers.

Für den Eingeweihten geben Ueckers Darstellungen einen Be- griff, wie beim ungeschützten Zu- sammentreffen mit Geisteskrank- heiten der Druck aus der geheim- nisvollen Welt des Unbewußten wirksam wird. Der geschulte The- rapeut vermeidet eine ständige Betroffenheit über sein eigenes schizophrenes, depressives oder sonstwie scheinbar abnormes Reagieren mit dem Einsatz seiner Methode. Wohl dem, der sich des- sen bewußt ist.

Dr. med. Hans Geigenmüller Psychiatrische Klinik Littenheid CH-9573 Littenheid TG

Beispiel aus den Littenheider Aquarel- len von Günther Uecker: „Übergang nach Braun" Foto: Jochen Clauss

Aus dem Titelblatt des Berichtes über den Arbeitsaufenthalt der Klasse Uecker, Kunstakademie Düsseldorf, in der Psychiatrischen Klinik • Littenheid;

diese Studie, die ebenfalls vom Erker- Verlag vorgelegt wurde, enthält 81 Abbil- dungen und kostet 25 Schweizer Fran- ken Foto: Erker-Archiv

132 (106) Heft 3 vom 20. Januar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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