Vorwort zum zweiten Theil.
<llö ich vor drei Jahren das Verhältniß der philosophischen zur theologischen Sittenlehre in formaler Beziehung darzustellen versuchte, be
zweckte ich mit der öffentlichen Bekanntmachung jenes Schriftchens, das ursprünglich für eine Dissertation bestimmt war, einen nicht unwe
sentlichen Beitrag für die wissenschaftliche Be
gründung beider Sittenlehren dem theologischen Publikum zu übergeben. Ich könnte dem
nach, zumal andere Berufsarbeiten meine Kraft in Anspruch nehmen, es ruhig abwarten, in wie weit ich meinen Zweck erreichen und meine Abhandlung einigen Ruhen für die Wissenschaft stiften werde; allein der Wunsch, etwas Ange
fangenes nicht unvollendet zu lassen, und die Ueberzeugung, daß doch Manchem, namentlich dem Anfänger auf diesem Gebiete der Wissen
schaft, der zweite Theil werde willkommen sein, veil er das Verständniß des erster» wird er-
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leichtern helfen, bewog mich, die Bearbeitung des Ganzen zu volkenden.
Da es bei dem öffentlichen Vortrage der einen, oder der andern Sittenlehre immer ein Schwieriges ist, auch an.-dem Orte, wo von ihrem wesentlichen Unterschiede gehandelt wer
den muß, etwas Genügendes hierüber zu sagen, indem der Standpunkt der Betrachtung nur quf dem einen Gebiete genommen werden kann:
so glaube ich durch die Vergleichung, welche von beiden Standpunkten, der philosophischen sowohl, als der theologischen Betrachtungsweise, aus gleichmäßig durchgeführt worden ist, allen Denjenigen einen Dienst geleistet zu haben, die sich noch ausführlicher über einen so wichtigen Gegenstand belehren wollen, als es über dem Vortrage der einen oder der andern ethischen Wissenschaft geschehen kann. Nächstdem ist es mein Wunsch, daß dieses Büchchen vor
züglich von denjenigen studirenden Jünglingen gelesen werde, die, in das Heiligthum der Wissen
schaft einmal eingeführt, mit oberflächlichem Fachwerk sich nicht begnügen lassen, sondern, von wahrhaft wissenschaftlicher Erkenntniß be
seelt, den Standpunkt zu erreichen streben, auf welchem
sie eben
sosicher einer
traurigenVer-
irrung entgehen, als auch jener gemächlichen Zufriedenheit, die kraftlos sich mit Jedem be
gnügen läßt, entsagen weiden.
Für die Rechtfertigung einer solchen Schrift keicht dies, verglichen mit dem, was in der Vorrede zum ersten Theile gesagt worden ist, vollkommen hin. Ob aber in der That der innere Gehalt dieser Schrift einem jolchen Zwecke entsprechen werde, das muß der Zukunft überlassen bleiben.
In Beziehung auf den letzten Theil ins
besondere habe ich noch zu erinnern, daß es von denen, welche gewohnt sind, die ethische Wissenschaft nur unter der Form des Pflicht- begriffs darzustellen, nicht übel gedeutet wer
den möge, wenn überall das Sittliche dort anders ausgedrückt erscheint. Der Vergleich hätte freilich auch so durchgeführt werden kön
nen, daß der Begriff desselben überall alö das Pflichtgemäße gefaßt wäre, aber da es die Vergleichung des Inhalts betraf« so mußte auch unter derjenigen Form das Sittliche ge
faßt werden, welche das Gegenständliche dessel
ben am meisten ausdrückt, nämlich der objecti
ven Form, die bei den Alten unter dem Na
men der Güter bekannt ist. Auch wird jeder
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