Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 106|
Heft 39|
25. September 2009 A 1875D
ie Speicherung von sogenann- ten Gesundheitsdaten wird heiß diskutiert. Allein die Vielfalt der terminologischen Schlagworte kann einen schwindelig werden lassen. Als hätten wir nicht schon mit der ärztli- chen Arbeit genug zu tun, müssen wir uns auch noch mit Dingen wie „Chip- karte“, „elektronischer Patientenakte“,„zentraler oder dezentraler Datenspei- cherung“, „Server“, „USB-Sticks“ und ähnlichen geheimnisvollen Themen beschäftigen. Und dann gibt es auch
noch ständig Meldungen über Proble- me und „Katastrophen“.
Wo liegt das eigentliche Problem?
Vielleicht nutzen wir einfach das fal- sche Medium! Anstatt auf elektroni- sche Medien wie etwa Chipkarten zu setzen, könnten wir uns nach geeig- neten Alternativen umschauen. Und da hätte ich einen revolutionären Vor- schlag: Statten wir jeden Bundesbür- ger mit einer eigenen „realen“ Patien- tenakte (RPA = reale Patientenakte) aus, die dem Patienten direkt mitge- geben wird. Diese RPA würde in Form einer großen Mappe ausgeführt sein, damit auch Röntgenbilder darin unter- gebracht werden können. Eine einheit- liche Struktur beziehungsweise Ord- nung innerhalb der RPA wäre dafür Voraussetzung. Selbstverständlich müsste das Design für alle RPAs im Bundesgebiet einheitlich sein. In den einzelnen Fächern könnten Befunde, Arztbriefe, Bilder etc. chronologisch abgelegt werden. Die Patienten wür- den angewiesen, ihre persönliche RPA zu den Arztbesuchen mitzubringen.
Mit etwas Verhandlungsgeschick und durch Kooperation mit einem der großen Taschenproduzenten ließe sich hier ein edles Modell erstellen, wel- ches auch anspruchsvolleren Anfor - derungen genügt. Schließlich geht es um ein Liefervolumen von mehr als
80 Millionen Stück. Außerdem sollte bei einem Preis von 62,50 Euro je RPA wirklich etwas Ansprechendes herauskommen. Dies gilt bei einem Einführungspreis von rund fünf Milliar- den Euro, der ja wohl als Schnäpp- chen gelten kann.
Was könnten wir damit erreichen?
●
Mittels der RPA wird eine klare Zuordnung der Daten zum Patienten erreicht.●
Die RPA wäre von jedermann sofort bedienbar, und zwar ohne jeg-liches Zubehör. Auch die Patienten könnten damit bequem umgehen (Barrierefreiheit).
●
Weitere Hardware oder Soft- ware wäre nicht erforderlich.●
Die Informationen über etwaige bereits gemachte Untersuchungen oder anderweitige Therapien sind im- mer beim Patienten verfügbar.●
Über Jahre eingespielte Arbeits- abläufe in den Institutionen bedürften nur kleiner Änderungen, denn ein Ar- beiten mit Papier ist nach wie vor üb- lich und gut beherrschbar.●
Rezepte blieben unverändert, weil sie als reale Dokumente bezie- hungsweise als Kopien in dieser Akte abgelegt werden – fälschungssicher wie bisher auch.●
Hinsichtlich der Datensicherheit hätten wir keine Probleme mehr mit Angriffen von Hackern. Die RPA ist aus dem Internet definitiv nicht zu kna- cken.●
Bei entsprechender Material- wahl könnte die RPA bei ungünstigem Wetter sogar einen Regenschutz bie- ten. – Versuchen Sie das mal mit ei- nem USB-Stick oder einer Chipkarte.Nun warten wir, bis eventuell An- fang nächsten Jahres die Diskussion über das korrekte Design und die rich- tige Farbe für die RPA beginnt …
Ich freue mich darauf! ■
GLOSSE
Prof. Dr. med. Tibor Kesztyüs, Hochschule Ulm
GESUNDHEITSAKTEN & CO.
Yes we can!
rem in dieser Frage Klarheit schaf- fen. Die Meldepflicht und die Strafbarkeit von Handlungen aus humanitären Beweggründen soll- ten eingeschränkt werden. Warum dies jetzt abgelehnt wurde, wollen die Ausschüsse nicht begründen.
CDU und CSU hatten bereits in der ersten Beratung betont, es sei un- bestritten, dass Ärzte in Notfall- situationen auch Ausländer ohne Papiere medizinisch behandeln müssten. Zudem sei bisher noch kein Arzt verurteilt worden, weil er in solchen Fällen medizinische Hilfe geleistet habe. Illegale könn- ten medizinische Leistungen in Anspruch nehmen, „weil die Be- hörden noch gar nicht im Besitz der notwendigen Papiere sind, um eine Abschiebung vollziehen zu können“, hatte Reinhard Grindel von der CDU/CSU-Fraktion in der Aussprache vom 9. Februar 2006 betont.
Alternativen zeigen andere euro- päische Länder. Spanien, zum Bei- spiel, gewährleistet illegalen Im- migranten eine kostenfreie Notfall- versorgung, wenn sie schwer krank sind oder einen Unfall hatten. Fi- nanziert wird diese erste Versor- gung aus Steuermitteln. Das geht aus einem Bericht von PICUM – Platform for International Coope- ration on Undocumented Migrants – hervor. In den Niederlanden ver- langt die Verwaltung im Kranken- haus von illegalen Migranten, dass sie medizinische Leistungen direkt bezahlen. Kann der Patient die Kosten nicht tragen, werden sie aus Steuermitteln erstattet. Eine Mel- depflicht, so wie in Deutschland, gibt es in diesen europäischen Län- dern nicht.
Finanzierungshilfe für Ärzte Ansätze für Hilfe gibt es bisher in München. Die Medizinische Hilfe für nicht versicherte Menschen in München e.V. hat einen Fonds aus Spenden eingerichtet, der die medi- zinische Versorgung für Menschen ohne Krankenversicherung oder Aufenthaltsstatus finanziert. Nie- dergelassene Ärzte und ehrenamtli- che Mitarbeiter versuchen hier, die Menschen zu versorgen. ■
Laura Menzler