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ach Tahiti führte die hervorragend inszenierte Ausstel- lung der Stuttgarter Staatsgalerie, die im we- sentlichen den Zeitraum zwischen 1887 und 1893 in Leben und Werk des Paul Gauguin beleuchtet.Die Stuttgarter Gau- guin-Schau war seit 1960 in Deutschland die erste Ein- zelausstellung zum Werk des großen Franzosen (1848 bis 1903), den sein Lebensweg vom Impres- sionistenbilder sammeln- den Börsenmakler und Freizeitkünstler in Paris zur legendären Figur des
„malenden Wilden“ in der Südsee führte und schließ- lich zum Aussteiger, der im Elend auf der Marquesas- Insel Hivaoa starb. Unab- hängig von der Staatsgalerie werden weitere Gauguin- Ausstellungen in diesem Jahr in Essen, mit zweiter Station in Berlin, und in der Fondati- on Gianadda in Martigny vorbereitet.
Aus der Zeit zwischen den Sommer-Aufenthalten in der bretonischen Künstlerkolonie Pont-Aven sowie im nahe ge- legenen Dorf Le Pouldu und dem Ende der ersten Tahiti- Reise stammen die beiden zentralen Werke aus der eige- nen Sammlung der Staatsga- lerie. Dem Porträt seiner früh gestorbenen Mutter Aline, mit der er einen Teil seiner Kindheit in Peru verbracht hatte, verlieh Gauguin 1890 ähnlich exotische Züge – eine
Blüte im Haar, ausdrucksin- tensive dunkle Augen und volle Lippen – wie später sei- nen statuarischen Tahitierin- nen, etwa auf dem „E haere oe i hia – Wohin gehst Du?“
(1892) aus der Stuttgarter Staatsgalerie.
So liegt in diesen bei- den Exponaten, zu denen die besten Leihgaben aus den großen internationalen Sammlungen geholt wurden, im Kern schon das Hinter- grundthema der Ausstellung begründet. Mit Gauguins hin- reißenden Bildern, die bis heute die Südsee-Klischees
prägen, versuchte die Stuttgarter Schau auch die Entstehung einer grandio- sen Künstlerlegende zu verfolgen.
Vom Entrée mit einer Auswahl von ethnologi- schen Objekten aus Tahiti, von den Marquesas und den Osterinseln, die auf das ästhetische Inventar für Gauguins Schaffen einstim- men, wurde die Route der künstlerischen Sehnsucht verfolgt. Sie führt zunächst zu den Stilleben und Land- schaften aus Gauguins Bre- tagne-Zeit, deren dekorati- ver Flächenstil und unge- wöhnliche Bildschnitte der Optik des japanischen Holzschnitts abgeschaut sind. Sie verdeutlichte, etwa mit der seltsamen Keramik
„Vase in der Form eines Fi- sches“, wie Gauguin jenseits des Gruppenstils der
Schule von Pont- Aven und dessen außereuropäischen Kompositionsmu- stern Exotisches im- mer stärker auch in seine Motive schmuggelte.
Daß diese Sehnsucht nicht nur dem Wilden, Unver- brauchten und Primitiven in außereuropäischen Gefilden galt, sondern vor allem auch dem Erfolg in Pariser Kunst- kreisen, der durch die Novitä- ten gefördert werden sollte, ließ die Ausstellung aufblit- zen mit Bildern wie dem stol- zen „Selbstporträt mit Göt- terfigur“ (1891). Neben Tahi- ti-Impressionen, die sich stili- stisch fast nahtlos den Breta- gne-Bildern anfügen, schuf Gauguin gegen Ende seines ersten Südsee-Aufenthalts ganz bewußt plakative Ge- mälde fürs große Pariser Pu- blikum und für seine glorrei- che Rückkehr.
Gauguins Strategien, zu denen 1894 auch eine Aus- stellung in seinem Pariser Atelier gehörte, zeigten aller- dings nur Teilerfolge: seine neuartigen Bilder, die ihn mit van Gogh und Cézanne zu ei- nem herausragenden Wegbe- reiter der Moderne machten, wurden kontrovers und mit viel Respekt diskutiert, aber weniger verkauft.
Als ästhetisches Resümee der ersten Tahiti-Reise zeigte die Staatsgalerie, neben einer Reihe von Pastellen, Mono- typien und Aquarellen, Gau- guins Farbholzschnitte zu sei- nem literarischen Reisebe- richt „Noa Noa“.
Die Ausstellung im Esse- ner Museum Folkwang ver- folgt auch den weiteren Weg Gauguins bis zu seinem Tod.
Unter den rund 50 hier präsentierten Hauptwerken seiner Malerei sind Bilder aus russischen Mu- seen, die noch nie in Westeuropa zu se- hen waren.
Ruth Händler
A-1389 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 22, 29. Mai 1998 (61)
V A R I A FEUILLETON
Paul Gauguin in Stuttgart und Essen
Südseereise
zwischen
Sehnsucht und Strategie
Zwei große Ausstellungen feiern den großen Erneuerer der Malerei im Jahr seines 150. Geburtstags.
Paul Gauguin „Mahana maa“, 1892, Öl auf Leinwand, 54 x 31 cm
Foto: Ateneum, Helsinki
Die Ausstellung
„Paul Gauguin – Das verlorene Paradies“ im Mu- seum Folkwang, Essen, läuft vom 17. Juni bis 18.
Oktober (Katalog:
48 DM).
Paul Gauguin „Cylinder with Hina“, 1891 bis 1893, Tamanu wood, 37,1 x 13,4 x 10,8 cm
Foto: Hirshhorn Museum