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Verpasste Chancen im Schweizer Kapitalmarkt | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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24 Die Volkswirtschaft  5 / 2020 KAPITALMARKT

Der Bankenplatz Schweiz gehört international zu den besten. Insgesamt werden hierzulan- de Vermögen in der Höhe von rund 7,3 Billio- nen Franken verwaltet. Davon stammt rund die Hälfte von Kunden im Ausland. Bei der grenz- überschreitenden Vermögensverwaltung ist der Finanzplatz – mit einem Marktanteil von 27 Prozent – weltweit die Nummer eins. Das ist ein klares Zeichen für ein hohes Vertrauen in die Arbeit der Schweizer Banken. Diese Stellung verdankt die Schweiz zudem den attraktiven Standortbedingungen sowie der hohen Wett- bewerbs- und Innovationsfähigkeit der Branche.

Ein starker Wirtschafts- und Finanzplatz braucht einen starken Kapitalmarkt. Heute fährt der Schweizer Kapital-, Geld- und Kredit- markt vor allem aufgrund steuerlicher Hürden jedoch mit angezogener Handbremse. So erhebt der Bund eine Emissionsabgabe auf Aktien von 1 Prozent. Zudem ist auf Käufen und Verkäu- fen inländischer und ausländischer Wertschrif- ten jedes Mal eine Umsatzabgabe von 0,15 be- ziehungsweise 0,3 Prozent abzuliefern. Diese beiden Stempelabgaben stellen eine Emissions- und eine Handelsbremse dar.

Zusätzlich werden die Wertschriften mit einer Verrechnungssteuer belastet. Auf Zinsen und Dividenden von inländischen Wertschrif- ten müssen die Emittenten 35 Prozent an der Quelle belasten und dem Fiskus überweisen.

Der Investor erhält somit nur 65 Prozent vom Gewinn. Je nach Wohnsitzland kann er die rest- lichen 35 Prozent teilweise oder ganz zurück- fordern. Die Verrechnungssteuer und die damit verbundenen aufwendigen Rückforderungs-

verfahren machen schweizerische Titel daher international unattraktiv.

Die Stempel- und die Verrechnungssteuer stellen einen wesentlichen Standortnachteil dar. Denn Konkurrenzstandorte wie London, Singapur oder Hongkong kennen keine ver- gleichbaren Abgaben. Investoren, Banken und andere Finanzdienstleister ziehen deshalb für gewisse Geschäfte Konkurrenzstandorte vor, um die Volumina konkurrenzfähig anzule- gen und zu bewirtschaften.

Verlagerung ins Ausland

Die Schweizerische Bankiervereinigung hat die Verlagerung in ausgewählten Geschäftsfel- dern untersucht. Im Depotgeschäft verwalten die Banken für ihre Kunden ein totales Volumen an Wertschriften von fast 6,2 Billionen Fran- ken. Ein Betrag von zusätzlichen rund 10 Pro- zent wird, aufgrund von Stempelabgaben, im Ausland gehalten, das sind über 600 Milliarden Franken. Die Stempelabgaben verhindern auch, dass neue Kunden in die Schweiz kommen.

Ohne die Stempelabgaben und die Verrech- nungssteuer könnte die jährliche Wachstumsra- te bei den Kundendepots bei 5 Prozent liegen.

Schweizer Banken halten in den Depots für ihre Kunden rund 2,3 Billionen Franken an An- lagefonds. Doch nur ein Drittel davon sind Schweizer Fonds. Fonds werden oft nicht in der Schweiz aufgelegt, sondern in Luxemburg, Irland, auf den Kanalinseln oder den Bahamas.

Zudem sind die Banken in der Schweiz traditio- nell stark in der Emission und dem Vertrieb von STANDPUNKT VON URS KAPALLE

Die Stempelabgaben und die Verrechnungssteuer bremsen den Kapitalmarkt.

Es ist höchste Zeit, die Steuerhindernisse zu beseitigen.

Verpasste Chance

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Die Volkswirtschaft  5 / 2020 25 FOKUS

Urs Kapalle ist Leiter Tax Strategy bei der Schweizerischen Bankiervereinigung Swiss Banking, Basel.

strukturierten Finanzprodukten. Allein im letz- ten Jahr wurden über 300 Milliarden Franken emittiert, das meiste davon allerdings im Aus- land, wie etwa Guernsey. Grund dafür sind die Schweizer Stempelabgaben und die heutige Ausgestaltung der Verrechnungssteuer.

Bei den Unternehmensanleihen beträgt das Volumen der Emissionen 500 Milliarden. Doch nur 100 Milliarden sind aus der Schweiz heraus emittiert. Der Rest wird an Standorten wie den Kanalinseln, Inseln im Pazifik, Luxemburg oder den Niederlanden «produziert». Grund dafür ist die heutige Ausgestaltung der Verrechnungs- steuer, die in der Schweiz anfallen würde. Die Emissionen von ausländischen Unternehmen in der Schweiz betragen lediglich 14 Milliarden.

Bei einer Reform der Verrechnungssteuer könnte die Schweiz das Niveau von Luxemburg erreichen, sprich 1,2 Billionen Franken. Auch das Volumen der in der Schweiz emittierten Aktien liesse sich um 950 Milliarden steigern.

Alle profitieren

Bei den Treuhandanlagen befinden sich rund 200 Milliarden Franken an Kundengeldern von Schweizer Finanzdienstleistern im Ausland – etwa in London oder den USA. Im Inland liegen nur 30 Milliarden Franken. Der Hauptgrund für die Verlagerung ins Ausland ist die Verrech- nungssteuer.

Schliesslich findet in der Schweiz wegen der Stempelabgaben beinahe kein Handel von Anleihen mit Laufzeiten unter einem Jahr statt.

Die Steuer auf dem Handel wäre grösser als die Rendite. Das Volumen an Liquidität im Markt könnte ohne die Stempelabgaben um 70 Milliar- den Franken gesteigert werden.

Mit einem «Rückholen» der oben dargestell- ten, ins Ausland verlagerten Geschäftsvolumen würden hierzulande zusätzliche Arbeitsplätze, Einkommen und Steuereinnahmen generiert.

Bedeutende Geschäfts- volumen wie Treuhand- anlagen oder Wert- schriftendepots könnten direkt in die Schweiz zurücktransferiert wer- den. Zudem würden sich für die Banken neue Ge- schäftsfelder wie zum

Beispiel nachhaltige Anleihen («green bonds») eröffnen. Ein weiterer Vorteil ist die Vermeidung von Opportunitätskosten. So würden Liquidi- tätsnachteile beseitigt, die sich durch die zeit- liche Verzögerung in der Ablieferung und der Rückerstattung der Verrechnungssteuer erge- ben.

Nötig dazu wären eine Abschaffung der Emissions- und der Umsatzabgabe sowie eine Reform bei der Verrechnungssteuer, welche die Zinsen an der Quelle von der Abgabe befreit und gleichzeitig auch die Aktien entlastet. So könnte der heutige Satz von 35 Prozent auf den inter- national anerkannten Sockelsatz von 15 gesenkt werden.

Treuhandanlagen oder

Wertschriftendepots

könnten direkt in die

Schweiz zurücktrans-

feriert werden.

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