• Keine Ergebnisse gefunden

PJ24_S143-144_Lieder_Die psychische Energie und ihr Umsatz

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "PJ24_S143-144_Lieder_Die psychische Energie und ihr Umsatz"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

PMosophisefcer Sprechsaaí.

Die psychische Energie und ihr Umsatz.

Im IV. Heft des XXIII. Bandes dieser Zeitschrift erschien eine Besprechung meiner oben genannten Schrift durch G u t b e r i e t . Es liegt die Gefahr nahe, der Leser könnte zu einer irrtümlichen Auffassung meiner Schrift gelangen, deshalb gestatte ich mir eine Entgegnung.

Hinsichtlich zweier Punkte besteht eine solche Gefahr:

I. Aus der Besprechung muss jeder Leser schliessen, meine Schrift bringe nichts Neues. In der Besprechung wird von den Dauerzuständen seelischer Arbeitskomplexe geredet, dabei heisst es: „G. E. M ü l l e r hat solche Dauer­

zustände data opera durch seine Versuche über das Behalten sinnloser Silben nachzuweisen versucht und sogar den Terminus Perseverationstendenzen ge­

prägt. In der Tat kommt der Verfasser auf diese allgemein bekannten Tat­

sachen zurück.“

Der von G. E. Müller geprägte und von der gegenwärtigen Psychologie aufgenommene Terminus »Perseveration« hat mit den von mir nachgewiesenen seelischen Arbeitskomplexen nicht das geringste zu tun. Müller bezeichnet mit dem Ausdruck »Perseverationen« unmittelbare Gedächtniserscheinungen, welche, im Gegensatz zu den bleibenden Gedächtnisleistungen, nur kurze Zeit hindurch bestehen. Müllers »Perseverationen« sind intellektuelle Phänomene, meine

„psychischen Arbeitskomplexe“ jedoch sind in erster Linie Gefühlsdispositionen.

Als erläuterndes Beispiel habe ich Goethes „Faust“ herangezogen. Faust bricht unter dem Schlusswort des Erdgeistes bewusstlos zusammen, weil ein gewaltiger.

Affektsturm durch seine Seele braust. Dieser Affekt ist nach meiner Theorie der A b b a u eines psychischen Arbeitskomplexes, welcher unabhängig vom Bewusstsein, als Affektdisposition, in Fausts Seele lagerte. Das hochgespannte Selbstbewusstsein, welches im Verlaufe l a n g e r Z e i t r ä u m e a u l g e b a u t worden war, es wird im A u g e n b l i c k ab- oder umgebaut. Wie in einem Sprengstoff die langsam aufgebäute physische Energie im Augenblick frei wird und gewaltige Wirkungen erzeugt, so explodiert in der Seele Fausts die gleich­

falls allmählich gesammelte psychische Energie im Augenblick und erzeugt stärkste psychophysische Wirkungen.

Die Vorgänge des psychischen Energieauf- und Umbaues habe ich auf allen Gebieten des Seelenlebens nachzuweisen gesucht. Auf allen seelischen Gebieten werden ununterbrochen Energiewerte auf- und abgebaut, bald langsam und unmerklich, bald stürmisch und gewaltsam. In Bezug auf den formalen Verlauf besteht zwischen dem psychischen und physischen Energieumsatz ein durchgehender Parallelismus.

(2)

i i i P h i l o s o p h i s c h e r S p r e c h s a a i .

Sind die angedeuteten Prozesse aber »Perseverationen«; im Sinne der gegenwärtigen Psychologie? Ist das seelische Geschehen überhaupt jemals in dieser Form aufgefasst w orden? Es lässt sich nur mit einem strikten Nein!

antworten. Die von mir als »psychische Arbeitskomplexe« bezeichneten Energie­

grössen sind meines Wissens noch überhaupt nicht untersucht worden, und die von mir durchgeführte Betrachtungsweise kam mir selbst so revolutionär vor, dass mir ob dei' Neuheit ein wenig bange wurde. Diesem Gefühl habe ich im Vorwort Ausdruck gegeben. Nicht mein „heikler Standpunkt“ , wie der Kritiker meint, verursachte mein Zagen, sondern das Bewusstsein menschlicher Schwäche und Irrtumsmöglichkeit.

II. Eine andere Möglichkeit für eine ungerechtfertigte Beurteilung liegt in dem Schlussresumé der Besprechung. Der Kritiker zitiert einen Passus der letzten Seite meiner Schrift, welcher die Subjektivität der Wahrheit zum Inhalt hat, und fährt dann fort: „Damit erklärt der Verfasser, dass sein ganzes Buch nur subjektive, individuelle Bedeutung für ihn hat, für uns andere aber schlecht­

hin wertlos ist. Dieses überhebt uns aber auch eines näheren Eingehens auf das einzelne“ .

Ob es einen Menschen geben sollte, welcher sich Zeit und Mühe gibt, ein ganzes Buch nur deshalb zu schreiben, weil es für alle anderen wert- und bedeutungslos ist, scheint mir psychologisch nicht verständlich, und ich glaube auch nicht, dass der Kritiker solches von dem Verfasser annimmt. Es scheint hier ein Irrtum vorzuliegen. Ich habe zwar von der Subjektivität der Wahrheit gesprochen, aber nicht von einer solchen, wie sie der Kritiker anzunehmen scheint. Auf der letzten Seite meiner Schrift heisst es: „W enn dem Wahrheits­

begriff· überhaupt eine Bedeutung zukommen soll, so ist es eine rein subjektive, nämlich die w i d e r s p r u c h s l o s e V e r k n ü p f u n g d e r d u r c h E r f a h r u n g a u f g e b a u t e n U r t e i l s a r b e i t . . . Die Kardinalfrage lautet dann nicht mehr : Welches ist die wahre Wahrheit? sondern: welches ist die zweckmässigste und brauchbarste Arbeit ? Die Antwort auf diese Frage kann nicht zweifelhaft sein : Das ist die beste Wahrheit, welche das jeweilig bekannte Erfahrungsmaterial eines Wissensgebietes in einfachster und zugleich umfassendster Weise in ein Erkenntnissystem zu bringen vermag.“

In den angeführten Worten liegt die von mir gemeinte Subjektivität.

Meines Wissens ist diese Art Subjektivität diejenige, welche von jeder wissen­

schaftlichen Erkenntnistheorie vertreten wird. Wahrheit ist nicht Erfassung des Wirklichen. Das Wirkliche ist unabhängig vom Individuum und stets das­

selbe ; die Wahrheit dagegen ruht im Individuum und wechselt daher von Ge­

schlecht zu Geschlecht. Wäre Wahrheit gleichwertig mit Wirklichkeit, so wäre beispielsweise die nichteuklidische Geometrie wahrheitslos, da ihr nichts Wirk­

liches korrespondiert.

Der Kritiker wird wissen, dass besonders die gegenwärtig mehr und mehr anwachsende Richtung des philosophischen Pragmatismus, welcher durch Avenarius, Mach, Ostwald, James etc. vertreten wird, den Wahrheitsbegriff in dem von mir genannten praktisch-subjektiven Sinne anwendet.

Königsberg. Franz Lieder.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

schaftlichen Strebens“, will doch wohl geradezu umgekehrt sagen: nur weil es eine Wahrheit gibt, ist das wissenschaftliche Bestreben berechtigt, oder was dasselbe

*) Daß in dieser Richtung auch cl.le Ursachen der Bewegunj! des Blutes und. des Herzens zn neben alncl.. Am wenigsten mit der Wärme haben die im Wasser lebenden

Gleichzeitig hat der Konzern seine relevanten Ergebnisgrößen weiter gesteigert: Das um Sondereffekte bereinigte EBITDA (adjusted EBITDA) erhöhte sich um 6 Prozent auf 270

habil., war bis 2013 Leiter der Abteilung für Medizini- sche Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig und ist unter anderem Mitglied im Rat für Sozial-

Ölbäume 94 Die Mutter von Eleusis 95 Kaiser Julian an Helios 96 Kaiser Julian spricht in der Nacht vor seinem Tode 96 Der sterbende Julian spricht 100 Der Hüter des Tales 102

Die vorstehende Allgemeinverfügung wird hiermit öffentlich bekannt gemacht. Es wird darauf hingewiesen, dass eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften der GO NRW beim

(Selbststudium mit Hilfe von Lehrbriefen, Literaturstudium und LernBar-Einheiten, Vor- und Nachbereitung der Webinare und Präsenzzeiten, Vorbereitung auf die

Tödlich verlaufende körperliche Erkrankungen gehen nicht allein mit psychischen Belastungen einher, die eine psychosoziale Versorgung erforderlich machen, sondern häufig