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Das Unvergängliche

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144 DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2017 | www.diepta.de

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einstaub aus Motoren und Industrieanlagen sowie der Ausstoß von Stickoxiden aus Dieselmotoren – das belastet nicht nur unser Verhältnis zu Autoherstellern und Politikern, es belastet auch unsere Gesundheit.

Vergessen sollte man darüber aber nicht die Gefahren, die von Asbest ausgehen, dessen Verarbeitung be- reits 1993 in Deutschland und 2005 in der Europäischen Union verboten wurde. Der Werkstoff begegnet uns immer noch in langlebigen Produk- ten, wie Bodenbelägen oder Dach- platten. Und auch in den Lungen

derer, die damals damit gearbeitet und bis jetzt überlebt haben. Er ist anscheinend wirklich unvergänglich, wie es der Name sagt, der aus dem Griechischen kommt und so viel wie

„unzerstörbar“ heißt.

Beliebter Werkstoff Asbest ist eine Sammelbezeichnung für natür- lich vorkommende, faserartige si- likatische Minerale mit einem sehr geringen Faserdurchmesser, der minimal zwei Mikrometer betra- gen kann. Das Mineral ist chemisch sehr beständig, unempfindlich gegen Hitze und nicht brennbar. Es weist

eine hohe Elastizität und Zugfes- tigkeit auf und lässt sich aufgrund seiner Bindefähigkeit mit anderen Materialien leicht zu den verschie- densten Produkten, wie Platten für Brems- und Kupplungsbeläge von Fahrzeugen oder Dichtungen für hohe thermische Belastungen ver- arbeiten. Insgesamt wurden dar- aus mehr als 3000 verschiedene Pro- dukte hergestellt, darunter glatte Fassaden- oder die typischen gewell- ten Dachplatten, aber auch Blumen- kästen und Aschenbecher. Auch in Nachtspeicheröfen und Haushalts- geräten, wie Toaster, Bügeleisen oder

Das Unvergängliche

Wie verhält sich eigentlich Asbest, wenn er in die Lunge gerät. Ist er auch nach Jahren noch nachweisbar oder kann sich das Gewebe davon befreien? Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum gibt Aufschluss darüber.

© Francesco Scatena / iStock / Thinkstock

PRAXIS LUNGENERKRANKUNGEN

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2017 | www.diepta.de

Föhn wurde es integriert. Asbest ist also nicht nur für bestimmte Berufs- gruppen eine Gefahr, sondern durch den nahezu flächendeckenden Ein- satz für jedermann. In den 1930er Jahren fing man mit der Verarbei- tung an. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde Asbest in so gro- ßen Mengen wie kaum ein anderer Werkstoff verwendet. So betrug der Asbestverbrauch in den Jahren 1950 bis 1985 etwa 4,4 Millionen Tonnen.

Von den Gefahren wusste man da- mals nichts, man schätzte den Werk- stoff vor allem wegen seiner hohen Beständigkeit und hielt ihn für un- bedenklich.

Eindeutig krebserregend In die Lunge eingedrungene Fremdpartikel werden normalerweise durch die Flimmerhärchen abgefangen und zu- rück in die Atemwege transportiert, wo sie ausgehustet werden können.

Heute weiß man, dass das bei Asbest anders ist. Charakteristisch ist näm- lich seine Eigenschaft, sich in feine Fasern zu zerteilen, die sich der Länge nach weiter aufspalten und dadurch leicht eingeatmet und bis tief in die Lungenbläschen vordringen können.

Die Lunge reagiert mit geflechtarti- gen, diffusen Vernarbungen, in die die Fasern eingelagert werden. Die daraus resultierende Asbestose wurde bereits 1936 als Berufskrankheit an- erkannt. Da die Asbestfasern so biobeständig sind, können ihnen auch die Fresszellen des Immunsys- tems nichts anhaben. Sie sterben ab und setzen Stoffe frei, die eine chro- nische Entzündung verursachen. Aus der chronischen Entzündung kann Krebs entstehen. Ein typischer asbest- bedingter Tumor ist das Mesothe- liom, das meist das Lungen- oder Rippenfell betrifft. Aber auch Lun- genkrebs, Kehlkopfkrebs und Eier- stockkrebs können durch Asbest aus- gelöst werden.

Lange Latenzzeit Die Zeit vom Einatmen der Asbestfasern bis zum Auftreten einer darauf zurückzufüh- renden Erkrankung liegt zwischen 10 und 60 Jahren. Daraus erklärt sich,

dass die Zahl der Anträge auf Aner- kennung einer durch Asbest verur- sachten Berufskrankheit auch heute noch einen hohen Anteil an den ins- gesamt bei den Unfallversicherungen eingehenden Anträgen hat. In den letzten Jahren gingen jährlich durch- schnittlich 3000 neue Anträge ein, von denen fast 1000 als tatsächlich durch Asbest verursachte Berufs- krankheiten anerkannt wurden.

Forschungsergebnisse Inke Feder vom Deutschen Mesotheliom- register und Prof. Dr. Andrea Tann- apfel vom Institut für Pathologie der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum haben den Datensatz des Deutschen Meso- theliomregisters ausgewertet. Er ent- hält Messergebnisse der Asbestkon- zentration in der Lunge ein- und derselben Menschen, die im Abstand von 4 bis 21 Jahren mehrfach ge- wonnen wurden. Zwölf Fälle mit einer anerkannten asbestbedingten Lungenkrankheit wurden in die Un- tersuchung eingeschlossen. Die über viele Jahre lang ausgeführten Lun- genstaubanalysen und die nun erst- mals über die gesamte Zeit aus- gewerteten Daten bestätigen die extreme Biobeständigkeit von Asbest auch für die menschliche Lunge.

Noch viele Jahre nach dem Ende des Asbestkontakts ist die Konzentration des Minerals nicht nur nachweisbar, sondern unverändert hoch.

Gefahren heute Auch wenn keine neuen Produkte mit Asbest mehr hergestellt werden, begegnen uns

noch immer Altlasten, beispielsweise als Fassadenverkleidung von Häu- sern. Solange das Material intakt ist, scheint es ungefährlich zu sein – wobei man hier zwischen schwach und stark gebundenem Asbest unter- scheidet. Schwach gebunden ist As- best zum Beispiel in den genannten Elektrogeräten und Nachtspeicher- heizungen sowie im Spritzasbest, der häufig in Groß- und Industriebauten als Brandschutz für Stahlträger ver-

wendet wurde. Er ist heute eine häu- fige Ursache für aufwändige Gebäu- desanierungen. Durch Erschütterung und Alterung kann der Asbest leicht freigesetzt werden. Wegen der lan- gen Lebensdauer dieser Gebäude sind asbesthaltige Bauelemente zu einem großen Teil noch heute in Ge- brauch und werden noch jahrelang als Abfall entsorgt werden müssen.

Weniger problematisch, da fester ge- bunden, ist Asbestzement, aus dem die bereits genannten Fassaden- und Dachplatten, aber auch Minigolf- und Sommerrodelbahnen hergestellt wurden, die zum Teil noch in Ge- brauch sind. Gefährlich wird es immer dann, wenn Faserstrukturen zerstört und Asbestfasern freigesetzt werden. Die Entsorgung sollte man daher einem Fachmann überlassen.

Üblicherweise werden asbesthaltige Abfälle in Deutschland auf speziellen Deponien oder Deponieabschnitten dauerhaft abgelagert, sodass die Fa- sern nicht in die Umwelt gelangen können. ■

Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion DAS DEUTSCHE MESOTHELIOMREGISTER

Am Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum beschäftigt sich mit beruflich verursachten Lungenerkrankungen, insbesondere durch Asbest ver- ursachte. Ziel ist die Erfassung aller Mesotheliomerkrankungen in Deutsch- land. Das Register bietet wissenschaftliche Unterstützung bei der Klärung schadstoffassoziierter Erkrankungen der Lunge, des Lungen-, Rippen- und Bauchfells aus pathologisch-anatomischer Sicht. Im Mittelpunkt stehen die Un- tersuchungen von Gewebeproben. Ein Schwerpunkt im Bereich der Forschung ist auch die Charakterisierung bösartiger Tumoren.

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