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Immer mehr, immer brutaler? Zur Entwicklung der Gewalt in Deutschland

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Academic year: 2022

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Immer mehr, immer brutaler?

Zur Entwicklung der Gewalt in Deutschland

Prof. Dr. Dirk Baier

(2)

- Als Gewalt kann der intentionale Einsatz physischer oder mechanischer Kraft durch Menschen, der sich unmittelbar oder mittelbar gegen andere Personen richtet, verstanden werden.

- Übergriffe wie Schlagen, Treten, Angriff mit Waffe…

- Nicht: strukturellen Gewalt = Diskriminierung, ungleiche Verteilung von

Einkommen und Ressourcen, eingeschränkte Lebenschancen aufgrund von Armut, Naturkatastrophen und Umweltverschmutzung …

Kriminalität

(3)

Mobbing, Bullying, Cyberbullying, Relationale Aggression, Indirekte Gewalt, Verbale Gewalt ... = Aggression

Bullying: Ein Schüler wird wiederholt und absichtsvoll direkten oder indirekten negativen Handlungen eines/mehrerer Schüler ausgesetzt. Zwischen Täter/n und Opfer/n besteht dabei i.d.R. ein Machtungleichgewicht (Anzahl, Stärke).

Dan Olweus: “aggressive, intentional act or behaviour that is carried out by a group or an individual repeatedly and over time against a victim who cannot easily defend him- or herself”

Direkt: verbal (Beschimpfen, Bedrohen, Auslachen), physisch (Schlagen, Treten), relational (Ignorieren)

Indirekt: verbal (Gerüchte verbreiten), relational (jemanden nicht zu Feier

einladen); nicht nur durch Gleichaltrigem auch durch Lehrkräfte

(4)

Cyberbullying: Bullying unter Verwendung neuer Medien (insb. Soziale Medien, Internetchat, Smartphone, E-Mail); Smith u.a. (2008): “aggressive, intentional act carried out by a group or individual, using electronic forms of contact, repeatedly and over time against a victim who can not easily defend him or herself”

Cybergrooming: Eine meist volljährige Person tritt bewusst mit einem Kind/Jugendlichen Online in Kontakt, gewinnt das Vertrauen und führt, gestützt auf Manipulation und Druck (Drohungen), sexuelle Übergriffshandlungen aus.

Cyberstalking: Tätigkeiten des Nachstellens, die mit Hilfe von technischen Kommunikationsmitteln durchgeführt werden

Sexting: Austausch selbstproduzierter freizügiger Bilder (meist Fotos, seltener Videos) Missbräuchliches Sexting: Erpressen von Nacktaufnahmen (Sextortion) oder Weiterleiten und Veröffentlichen von Nacktaufnahmen, das nicht mit den auf diesen Aufnahmen

abgebildeten Personen abgesprochen ist

Hate Speech: Verhalten, bei dem medienvermittelt Hass gegen Personen oder Gruppen, insbesondere durch die Verwendung von Ausdrücken, die der Herabsetzung und

Verunglimpfung von Bevölkerungsgruppen dienen“ verbreitet wird.

Kriminalität

(5)

Erkenntnisquellen:

Einerseits können die bei der Polizei zur Anzeige gebrachten Delikte betrachtet werden, das sog. Hellfeld. Werden zu den Delikten Beschuldigte ermittelt, liegen i.d.R. auch Angaben zu deren Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit vor.

Anderseits gelangen nicht alle begangenen Straftaten bei der Polizei zur Anzeige. Das tatsächliche Ausmass kriminellen Verhaltens lässt sich erst über sog. Dunkelfeldstudien

sichtbar machen, die meist als Befragungen angelegt sind, in

denen Selbstauskünfte zum Verhalten erhoben werden.

(6)

Entwicklung der Kriminalität seit 2007(Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik)

Kriminalität

2007 2018 Veränderung in %

Bevölkerung 82’314’906 82’792’351 0.6

alle Delikte 6’284’661 5’555’520 -11.6

Gewaltkriminalität 217’923 185’377 -14.9

Mord/Totschlag 2’347 2’471 5.3

vollendeter Mord 314 252 -19.7

vollendeter Mord i. Zus. M. Sexualdelikten 11 5 -54.5

Vergewaltigung 7’511 9’234 22.9

Raub 52’949 36’756 -30.6

Raub auf Geldinstitute 552 91 -83.5

Handtaschenraub 4’053 1’565 -61.4

schwere/gefährliche Körperverletzung 154’849 136’727 -11.7 vorsätzliche, leichte Körperverletzung 368’434 389’791 5.8

Diebstahl insgesamt 2’561’691 1’936’315 -24.4

einfacher Ladendiebstahl 400’183 316’953 -20.8

Wohnungseinbruchdiebstahl 109’128 97’504 -10.7

Kfz-Diebstahl 39’438 30’232 -23.3

Fahrraddiebstahl 372’045 292’015 -21.5

Drogendelikte insgesamt 248’355 350’662 41.2

gegen BtMG Cannabis 102’931 179’700 74.6

Betrug 912’899 840’783 -7.9

Schwarzfahren 207’194 213’443 3.0

Beleidigung 193’092 220’291 14.1

Sachbeschädigung 795’799 560’977 -29.5

Augenthalts-/Asylgesetz 88’621 163’063 84.0

(7)

Entwicklung der Gewaltkriminalität seit 1993 (Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik)

(8)

Farrell, G. (2013). Five tests for a theory of the crime drop.

Crime Science Crime Science 2, 1-8.

1. Der wirtschaftliche Aufschwung führt zu mehr wohlhabenden Menschen; Wohlhabende begehen weniger Straftaten.

2. Das Recht, in verdeckter Weise Schusswaffen mit sich zu führen, hat zur Folge, dass mehr Menschen verstärkt Waffen zur Selbstverteidigung tragen, was die Kriminalität u.a. deshalb senkt, weil potenzielle Täter/innen dadurch abgeschreckt werden.

3. Die Zunahme der Anwendung der Todesstrafe hat eine abschreckende Wirkung und damit weniger Kriminalität zur Folge.

4. Strengere gesetzliche Regelungen bzgl. des Waffenbesitzes verringern die Anzahl im Umlauf befindlicher Waffen und reduzieren so Kriminalität.

5. Die Zunahme der Anzahl an Straftäter/innen, die zu Haftstrafen verteilt werden, reduziert die Anzahl an Personen, die kriminelle Taten begehen; dies senkt die Kriminalität ebenso wie der Abschreckungseffekt, der mit der zunehmenden Anwendung härterer Strafen einhergeht.

6. Die Einführung neuer Polizeistrategien führt zu einer effektiveren Bekämpfung von Kriminalität (z.B. problemorientierte Polizeiarbeit POP; Einsatz von Prognosesoftware).

7. Der Anstieg der Polizeistärke erhöht die Aufklärungsquote und wirkt auf potenzielle Straftäter/innen abschreckend.

8. Die Legalisierung der Abtreibung hat zur Folge, dass weniger Menschen in familiär problematische Verhältnisse hinein geboren werden, die einen Risikofaktor für Kriminalität darstellen.

9. Die Zunahme der Immigration senkt Kriminalität, da Einwanderinnen und Einwanderer weniger Straftaten begehen als Einheimische.

10. Das steigende Vertrauen der Verbraucher in die Wirtschaft führt dazu, dass diese seltener gestohlene Waren kaufen; die Nachfrage nach Diebesgut sinkt und damit die Kriminalität.

11. Die geringe Nachfrage nach Drogen (Crack, Kokain) reduziert den Drogenhandel und die mit diesem einhergehende Kriminalität.

12. Die Einführung des bleifreien Benzins hat zur Folge, dass Kinder seltener Blei in ihrer Umwelt ausgesetzt sind. Blei schädigt die Gehirnentwicklung und erhöht darüber das Risiko für aggressives und antisoziales Verhalten.

13. Die Zunahme des Anteils älterer Personen und die Abnahme des Anteils jüngerer Personen, durch die ein Großteil der Kriminalität ausgeübt wird, führen zu einem Kriminalitätsrückgang.

14. Der Prozess der Zivilisierung, der u.a. von einer steigenden Akzeptanz des Staates und seiner zentralen Institutionen sowie der Gewaltmonopolisierung gekennzeichnet ist, ist kriminalitäts-senkend.

15. Der zunehmende Einsatz von (technischen) Sicherungsmaßnahmen (z.B. Wegfahrsperren in PKWs) erschwert das Begehen von Straftaten und reduziert damit Kriminalität.

Bildungsexpansion, Erziehung, Prävention, Medienkonsum…

(9)

Elterliche Erziehung im Geburtskohortenvergleich (in %)

(10)

10

- Raub geht in der Kriminalstatistik seit Jahren kontinuierlich zurück; Raub ist ein eher schweres Delikt

- Die Raufunfälle mit Frakturen gehen seit Jahren zurück; dies sind die

«brutaleren» Taten in der Schule

- Schülerbefragungsdaten zeigen keine Veränderungen hinsichtlich der Tatfolgen nach dem Erleben von Gewalt (u.a. Behandlung beim Arzt).

- Sonderanalyse Bayern: Auf dem Weg einer Aktenanalyse zu schweren/

gefährlichen Körperverletzungen im Vergleich der Jahre 2002 und 2010 wird festgestellt: „Die Auswertung der Daten hat ergeben, dass sehr brutale

Körperverletzungen im Jahr 2002 einen Anteil von 10,7 % an den 122 so kategorisierten Fällen unserer Stichprobe haben, während der Wert für die 134 Fälle des Jahres 2010 11,9 % beträgt; sie ereignen sich damit in

beiden Jahren in einer vergleichbaren Größenordnung“ (Luff 2015)

Was findet sich bzgl. der Brutalisierungsannahme?

Kriminalität

(11)

Akteure der Sicherheit(sdiskurse)

objektive, reale…

Sicherheit

subjektive, wahrgenom- mene, gefühlte…

Sicherheit Unsicherheitsdiskurs:

Problem-Rhetorik

Polizei

(Innen-)Politik

Medien

Wissenschaft Organisationen

/Verbände

Zivilgesellschaft

Verschwörungs- theorien Sorgen/Angst,

Punitivität, Wahlentschei-

dungen, …

(12)

12

Jugendkriminalität

(13)

Entwicklung der Gewaltkriminalität Jugendlicher

(14)

Verbreitung Opfererfahrung Cyberbullying (in %)

Referenzen

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